Biografien & Erinnerungen
Bullenwinkel (2)

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"Bullenwinkel (2)"
Veröffentlicht am 08. Mai 2013, 8 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und ...
Bullenwinkel (2)

Bullenwinkel (2)

Einleitung



Spaziergang im Berliner Kiez damals und jetzt, Teil 2 von 3. Bekanntlich erzählen ja alte Leute gern von früher. Ich übe schon mal.

Teil 2 von 3


„Der Hinterhof ist scheußlich, der Hinterhof ist schön, da hörst du jeden Ehekrach und jedes Lustgestöhn …“
Gerhard Schöne

In dieser Sackgasse wohnten wir; Vor-derhaus, Innen-WC, Badewanne, ein Gas-heizkörper, wir hatten wirklich Glück. Dort am Haus hing ein Telefon, vor dem man meist Schlange stand, denn wer hat-te schon eins zu Hause. Der Volksmund nannte diese Ecke den „Bullenwinkel“, da sich Streifenwagen hier gern im Nachtdienst vor der Arbeit

versteckten.
Auf dem Klingelschild finde ich noch vier von damals bekannte Namen. Ja die sind bodenständig …
Ursprünglich richtete sich die Grund-stückssteuer nach der Länge der Vorder-front, so daß man nach hinten baute, Vor-derhaus, Seitenflügel und Quergebäude. Das bewirkte eine gewisse Durchmi-schung von mittleren Beamten vorn mit Proleten hinten und unterm Dach. Mal fünf Geschosse mit drei bis vier Woh-nungen, mal zwei benachbarte Haus-nummern ergibt das eine Menge Men-schen rund um einen großen hallenden Hof. Wir hätten damals zum Beispiel Strichlisten führen können, wieviele

Schnitzel unsere Eckkneipe täglich umsetzte.
Heute wohnen hier zwar nicht mehr to-bende mietfreie Alkoholiker; die lande-ten nach der Vereinigung schnell auf menschenunwürdigen Bahnhofstreppen. Dafür kamen andere Sitten und kräftigere Soundtechnik in Mode. Hof bleibt Hof.
Auf der Straßenseite konnte man jeder-zeit die Getränkelieferungen umliegender Gaststätten mithören. Das Café des Druckhauses GALREV etwa wurde stets in später Nacht lautstark nachgefüllt. Auch die Jets waren damals spannend, denen wir bei ihrem Landeanflug auf Te-gel aus dem vierten Stock in die Kabine sehen konnten. Genüßlich erzählte uns

die brave schlaflose Nachbarin einmal von einem Pärchen, das nach Kneipen-besuch die nächtliche Liebe auf einem Kühler betrieb, was jeden Autofahrer verführte, abzubiegen und zu spät die Sackgasse zu bemerken. Schließlich ver-knöpften sich die Schwerenöter und hin-terließen ein Hupen und Rangieren wie beim Motorcross nach Dakar.
Pulsierendes Leben muß man hier jeden-falls mögen.

Doch, gemütlich ist es im Prenzelberg. Wenn man nur mal zu Besuch kommt oder hier seine erste eigene Woh-nung hat. Wohl preist jeder Immobilien-kompaß die Gegend unverdrossen als

„Toplage“. Intensiver ist unerwünschte menschliche Nähe in Plattenbauten indes auch nicht.

„Mein Bett steht zwanzig Zentimeter neben deinem.
Meine Lampe könnte gut bis in deine Stube scheinen.
Wenn du lachst, klingt es herüber wie aus einem andern Land.
Wand an Wand.“
City



© 2013 Brubeckfan

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Hörbuch

Über den Autor

Brubeckfan
Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und das ist allermeistens.

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Gabriele Es hat mir viel Freude gemacht, durch deine Erzählung ein bisschen in den Prenzelberg einzutauchen - angenehm erzählt :-)
Danke und liebe Grüße!
Vor einem Monat - Antworten
Brubeckfan Re: Solch ... - Danke für Deinen Besuch, liebe Gunda.

Schöne Pfingsttage!
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Re: Und eine Stimme sprach: -
Zitat: (Original von baesta am 13.05.2013 - 23:45 Uhr) "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen." --Und ich lächelte und war froh.......und es kam schlimmer. So stelle ich mir das laute pulsierende Leben im Moloch Berlin vor.
Mein Navi hatte mich voriges Jahr mal durch Berlin geleitet. Ich hatte den Eindruck, dass es gar kein Ende nimmt und dass Berlin sich bald über die ganze Republick verbreitet.

LG Bärbel

Hihi, da hast Du wohl im berüchtigten Kreisverkehr an der Siegessäule Deine Ehrenrunden gedreht, oder das Navi spielte Dir einen Streich?
Tja und unter den Wohnvierteln sucht sich halt jeder heraus, was ihm und seinem Konto gefällt. Ich möchte meinerseits nicht aufs Dorf ziehen, nicht mal zurück in meine kleine Heimatstadt.

Danke fürs Lesen und Kommentieren, Bärbel.
Schöne Pfingsttage!
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Und eine Stimme sprach: - "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen." --Und ich lächelte und war froh.......und es kam schlimmer. So stelle ich mir das laute pulsierende Leben im Moloch Berlin vor.
Mein Navi hatte mich voriges Jahr mal durch Berlin geleitet. Ich hatte den Eindruck, dass es gar kein Ende nimmt und dass Berlin sich bald über die ganze Republick verbreitet.

LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Solch ... - ... intensives Hinterhofleben gibt es hier in der Kleinstadt nicht, aber aus meiner Kindheit kann ich mich gut erinnern, dass "der Hof" hinterm Haus der wichtigste Treffpunkt war. Für die Frauen beim Wäscheaufhängen, für die Männer zur FEierabendpfeife und für die Kinder sowieso ...

Interessante Milieustudie, GErd.

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Re: Re: Die Häuser mit den Hinterhöfen -
Zitat: (Original von Brubeckfan am 09.05.2013 - 21:16 Uhr)
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 08.05.2013 - 21:07 Uhr) besonders gefällt mir der eingefügte Songtext.

Ja, City. Die haben's drauf. Außer wenn ich mal hingehe: Voriges Jahr an der Trabrennbahn spulten sie sehr lieblos ihr Zeug runter, das Neue war nicht gut, das Gute nicht neu und nur verpotpüriert. Na mal sehen.


Ich habe City schon ewig nicht mehr live gehört,
wie sollte ich auch - als Eskimofrau in der Provinz? ;-))
Lebe diesbezüglich nur vom Radio, YT und von Scheiben ...

LG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Re: Erstaunlich, Gerd, ... -
Zitat: (Original von pekaberlin am 09.05.2013 - 16:21 Uhr) ... du belehrst mich eines Besseren.
Ich dachte tatsächlich, die Bodenständigen seien längst verdrängt.
Dort, wo ich aufwuchs (Wendenschloss), ist es nämlich so. Nur noch Pfeffersäcke, in den Villen am Wasser! Und das Schlimmste - kein Kindergeschrei mehr, dort wo Kinder mit Stadt und Natur lebten.
Ja, die Wand an Wand - Geschichte, kenne ich auch, allerdings aus den Plattenbauten (gestern erst, klingelte mein Nachbar, weil der zimmerlaute Fernseher störte). Aber ehrlich, der Text war ja wohl mehr Metapher auf ein anderes Bauwerk, das nun, nachdem es weg sollte, doch erhalten bleiben muss. Aber das ist ein anderes Thema.
Liebe Grüße Peter

Hm, Wendenschloss... wo's richtig schön ist, da sah man ja die Immobiliengeier gleich nach Maueröffnung lechzen.

"ein anderes Bauwerk"? Metapher für die "Mauer"? Das glaube ich diesmal nicht, denn so gehts weiter:
Wie du heißt, steht an der Klingel, und ich kenne deine Stimme
vom Guten Morgen an der Haustür. Manchmal höre ich dich singen.
Aber so ist das nun mit Texten.

Da habt Ihr ja Glück, daß der Kater nicht bellt.

Danke Dir, Peter,
und viele Grüße zurück, so von B. nach B.
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Re: Die Häuser mit den Hinterhöfen -
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 08.05.2013 - 21:07 Uhr) besonders gefällt mir der eingefügte Songtext.

Ja, City. Die haben's drauf. Außer wenn ich mal hingehe: Voriges Jahr an der Trabrennbahn spulten sie sehr lieblos ihr Zeug runter, das Neue war nicht gut, das Gute nicht neu und nur verpotpüriert. Na mal sehen.
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Erstaunlich, Gerd, ... - ... du belehrst mich eines Besseren.
Ich dachte tatsächlich, die Bodenständigen seien längst verdrängt.
Dort, wo ich aufwuchs (Wendenschloss), ist es nämlich so. Nur noch Pfeffersäcke, in den Villen am Wasser! Und das Schlimmste - kein Kindergeschrei mehr, dort wo Kinder mit Stadt und Natur lebten.
Ja, die Wand an Wand - Geschichte, kenne ich auch, allerdings aus den Plattenbauten (gestern erst, klingelte mein Nachbar, weil der zimmerlaute Fernseher störte). Aber ehrlich, der Text war ja wohl mehr Metapher auf ein anderes Bauwerk, das nun, nachdem es weg sollte, doch erhalten bleiben muss. Aber das ist ein anderes Thema.
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Die Häuser mit den Hinterhöfen - sind mir - auch aus Mitte - noch gut bekannt. Man bekam wirklich alles aus der Nachbarschaft mit ...
Doch, es liest sich ausgesprochen gut, und besonders gefällt mir der eingefügte Songtext.

Und nun zu Nr. 3!
Vor langer Zeit - Antworten
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