Romane & Erzählungen
Ertrunkene Seele am Cap de Creus - Story Battle 23

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"Ertrunkene Seele am Cap de Creus - Story Battle 23"
Veröffentlicht am 15. April 2013, 10 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

"Der Lyriker bringt seine Gefühle zum Markt wie der Bauer seine Ferkeln." Wilhelm Busch Habe hier 2010 mit Gedichten begonnen, aber das meiste davon ist für mich inzwischen passé. Man lernt auch als Großmutter nicht aus ;-) Bin in der DDR aufgewachsen, immer berufstätig gewesen, links orientiert. In zweiter Ehe verheiratet, gehören zu meiner Familie drei Enkelinnen. Den Nick "Fleur de la coeur" hat seinerzeit meine Freundin Seelenblume ...
Ertrunkene Seele am Cap de Creus - Story Battle 23

Ertrunkene Seele am Cap de Creus - Story Battle 23

Einleitung

Es ist die Fortsetzung der Geschichte "Ein ungewöhnlicher Morgen" (Story Battle 21 http://www.buch-schreiben.net/kurzgeschichte/lesen2.php?story=83630) in der Gregor Samsa eines Morgens nach einem heftigen Zechabend zu seinem großen Erstaunen als Braunbär im eigenen Bett erwachte. Nach einigen häuslichen Missgeschicken und der Feststellung, dass seine Frau bereits ausgezogen war, fand er sich in einer Unfallklinik wieder, ohne sich an den Hergang zu erinnern ... Von seiner tierischen Verwandlung schienen nur ein Bärenfell als Faschingskostüm und eine verkehrte Blutgruppe übrig geblieben zu sein ... Inzwischen ist in der Klinik eine Assistenzarztstelle frei geworden ... ;-))) 8 Seiten, das Coverfoto ist von mir.

 

    “Guten Morgen, Herr Samsa, wie geht es ihnen?“, hörte Gregor eine freundliche Frauenstimme fragen, deren Weichheit ihn betörte. Hach… er fühlte sich wie von einem Luftkissen angehoben …, hatte er doch gerade noch die schrille Stimme seiner Frau im Ohr. Keifen, nichts als Keifen – Edeltraut eben... Aber hatte die sich nicht zu ihrer exaltierten Freundin abgesetzt? Dann müssen ihre schonungslosen Vorwürfe wohl ein böser Traum gewesen sein …
Blinzelnd öffnete er die Augen und blickte in ein lächelndes Gesicht voller jugendlichem Liebreiz. Bei seinem Bemühen, ihr strahlendes Lächeln auch nur annähernd zu erwidern, fühlte er sich jedoch noch so tief in einer anderen, unverständlichen und ihm sogar bedrohlich erscheinenden Welt gefangen, dass ihm das Auftauchen schwer fiel. Suchend blickte er auf die mattgelb gestrichene Wand






 

 



vor sich. Wo waren die Uhren geblieben?
   „Hallo, schöne Frau, … kennen wir uns? Verraten Sie mir bitte, wie spät es ist?“
   “Ich bin Schwester Yasmin, und es ist neun Uhr morgens. Sie sind nach einem Unfall in der Charlottenklinik, Herr Samsa. Können Sie sich noch immer nicht erinnern?“

Unfall, Klinik … und er als alter Bär ... langsam dämmerte es ihm. War da nicht etwas mit seiner Blutgruppe gewesen? Natürlich, Bären haben wohl anderes Blut als Menschen – logisch!
War er etwa wieder ein Bär? Vorsichtig versuchte er seine Hände – oder Tatzen? – unter der Bettdecke hervorzuziehen, die linke Gliedmaße war mit einer Bandage am Oberkörper fixiert, der rechte Arm jedoch frei beweglich, und ohne Infusionsschlauch…
   “Wieso bin ich eigentlich noch hier? Wollten

 



Sie mich nicht wegen der Bluttransfusion zu den Veterinären verlegen? Und habe ich die OP nun schon hinter mir?“, zuckte er fragend die Schulter der bandagierten Seite. Es schmerzte nur ganz gering.
   “Der Eingriff ist erledigt, Oberarzt Petri wird ihnen alles erklären“, versuchte ihn die Fee in Weiß zu beruhigen, „aber ihre Sorge war umsonst, so viel darf ich ihnen sagen.“
   „Na, da bin ich aber gespannt“, knurrte er sie an, „und wo ist mein Bärenpelz? Auch die Uhren an der Wand sind nicht mehr da …“, resignierte er und schloss die Augen.
Und doch - er wusste genau, dass er sie gesehen hatte, diese weichen Uhren mit den zerfließenden Zifferblättern und den ekligen Insekten … Und dann war da noch die Klippenlandschaft am Fuß der Pyrenäen gewesen, Cap de Creus … Er konnte das Bild im Kopf nicht los werden, wie er ungläubig auf


 



das gischtige Meer starrte und aller Mut ihn verließ, dem verzweifelten Mädchen, das er doch so abgöttisch liebte, in ihrer Nussschale von Fischerboot zu folgen…

Estella, dieses zauberhafte, so herrlich frische und hingebungsvolle Wesen, hatte er in seinem ersten Spanienurlaub an der Costa brava kennen gelernt. Sie war Lehrerin für Deutsch und Geschichte und führte im Sommer die Touristen herum. In all den Jahren, bis heute, war sie die einzige wahre Liebe seines Lebens geblieben und sie hatten sich noch viele Male getroffen, bis … ja, bis er sie für das satte und bequeme Leben mit Edeltraut eingetauscht hatte, denn eine gemeinsame Zukunft mit seiner Liebsten hatte deren stolze katalanische Familie vereitelt.

Edeltraut, die stämmige Deern aus dem

 



Norden, hatte in der Bundeswehr als „Küchenbulle“ das Unteroffizierspatent quasi schon in der Tasche gehabt und vergällte ihm nun seit Jahren mit ihrem herrschsüchtigen und doch so kleinlichen Wesen das Leben … Inzwischen hatte sie längst ihr eigenes Restaurant mit preiswerter Hausmannskost…. Wohl war sie ihm anfangs in punkto Erotik an Erfahrungen erheblich voraus gewesen, - welch Wunder auch - aber war das denn alles? Dafür erschien ihm der Preis denn doch zu hoch… Dennoch hatte er sich der Heirat gefügt, weil sie bereit gewesen war, ihm sein BWL-Studium zu finanzieren …
Heute verachtete er sich dafür.

So wie er in seinem Dämmerzustand an den Uhren die Konturen der Zifferblätter zerfließen sah, die Insekten, welche die Zeiger blockierten, auf sich herabtropfen fühlte, hatte


  


 

 


er plötzlich die Verschiebung seiner Zeitachse gespürt, und bedauerte zutiefst, dass er seine Zeit verspielt hatte. Es gab keine Möglichkeit mehr, sie zurückzudrehen …

Das Klappen der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Lächelnd stand Oberarzt Petri an seinem Bett.
   „Mein lieber Samsa, ich muss mich im Namen der Klinik bei Ihnen entschuldigen, es gibt Veränderungen bei Ihren Befunden. Doch meine Nachrichten für Sie sind ausschließlich positiv“, unterbrach er seine Ansage mit einem bedeutungsvollen Hüsteln.
   „Ja, und was ist nun mit mir? Kann ich hier endlich wieder raus?“ fragte Samsa genervt.
Verschämt blickte Dr. Petri zu Boden.
   „Aber sicher, mein Lieber! Sowohl Ihre Röntgenaufnahmen als auch die Blutgruppenbestimmung sind leider vertauscht

 


worden… ehm .. der zuständige Assistenzarzt von der Notaufnahme ist bereits suspendiert worden. Leider gab es zeitgleich einen zweiten Unfallverletzten, der von einem aus dem Zoo entwichenen Braunbären angefallen worden war … Sie werden verstehen, mein Lieber …“
   „Und warum ist mein Arm bandagiert?“ wollte Samsa wissen.
   „Nun ja, er war ausgekugelt infolge Ihrer Kollision mit dem Bären, aber wir haben ihn wieder eingerenkt, eine OP war nicht nötig“, erwiderte Dr. Petri. „Der Blutverlust war nur geringfügig, resultierte aus einer Platzwunde an Ihrem Hinterkopf. Wegen dieses Schädel-Hirn-Traumas haben wir Sie drei Tage zur Beobachtung hier behalten müssen, aber nun sind sie ja wieder völlig wach.“
   „Und was ist mit meiner abgelaufenen Zeit? Sie haben doch alle Uhren hier entfernen lassen!“, begehrte Samsa auf.



   „Welche Uhren?“ fragte Petri, ratlos den Kopf schüttelnd …
   “Sie waren hier an der Wand. Aber zuvor habe ich sie am Cap de Creus gesehen, wo meine Seele ertrunken ist ..“, schluchzte Samsa plötzlich auf.
Betroffen sah der Arzt ihn an.
   “Samsa, fassen Sie sich bitte, sonst muss ich Sie dem Kollegen von der Psychiatrie vorstellen. Aber keine Angst, er wird Sie verstehen, hat sogar einige Semester Philosophie studiert.“
   “Ich halte das alles hier nicht mehr aus, will zurück in den Zoo!“, brach es aus Gregor heraus, bevor er sich die Bettdecke über den Kopf zog und verstummte.

© fleur 2013

 

 

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Über den Autor

FLEURdelaCOEUR
"Der Lyriker bringt seine Gefühle zum Markt wie der Bauer seine Ferkeln."
Wilhelm Busch

Habe hier 2010 mit Gedichten begonnen, aber das meiste davon ist für mich inzwischen passé. Man lernt auch als Großmutter nicht aus ;-)
Bin in der DDR aufgewachsen, immer berufstätig gewesen, links orientiert. In zweiter Ehe verheiratet, gehören zu meiner Familie drei Enkelinnen.

Den Nick "Fleur de la coeur" hat seinerzeit meine Freundin Seelenblume für mich ausgesucht. Er hat nichts mit der Gestalt aus den Harry-Potter-Büchern Fleur Delacour zu tun.

Inzwischen bin ich im letzten Lebensquartal angelangt, da küsst mich die Muse nur noch selten. ;-(

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FLEURdelaCOEUR Re: Möglicherweise... -
Zitat: (Original von Iriana am 30.04.2013 - 05:47 Uhr) hat so mancher eine zweites, verborgenes Bärenleben um seine Psyche heil bleiben zu lassen ...
Aber die ertrunkene Seele, kann man die nicht doch noch retten? Ich persönlich glaube fest daran, dass Samsa wirklich ein Bär war, oder ist. Ein Wer-Bär vielleicht.
Faszinierend lebendig, Kafka wäre neidisch :)

lg Maria


Du liegst genau richtig ... doch die ertrunkene Seele .... da meint er Estella.. Es geht ja schließlich um verpasste Gelegenheiten.
Kafka - das ist ja ein toller Vergleich, aber der steht mir keinesfalls zu, ich bin doch kein Autor, nur eine kleine Hobbyschreiberin. :-)
Danke dir für deinen tollen Kommi!

LG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Iriana Möglicherweise... - hat so mancher eine zweites, verborgenes Bärenleben um seine Psyche heil bleiben zu lassen ...
Aber die ertrunkene Seele, kann man die nicht doch noch retten? Ich persönlich glaube fest daran, dass Samsa wirklich ein Bär war, oder ist. Ein Wer-Bär vielleicht.
Faszinierend lebendig, Kafka wäre neidisch :)

lg Maria
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Re: liebe fleur -
Zitat: (Original von derrainer am 26.04.2013 - 23:08 Uhr) ich dacht jetzt geht die bärengeschichte weiter ,
ist aber nicht , so habe ich diese noch einmal gelesen
und sie gefällt mir immer noch

lieben gruß zu dir rainer


Tut mir ja leid, dass ich dich enttäuscht habe, lieber Rainer.
Ich habe auch schon den ersten Satz im Kopf. Doch die weiteren hängen dann vom neuen Battle-Thema und den Wörtern ab ... Mir schweben da noch mehr Varianten im Kopf herum, als ich an Gerd geschrieben habe.

Aber es wird noch dauern, wenn im Mai die Sieger gekürt sind, bis dann ein neues Battle auf den Weg geschickt wird ....

Danke für's Nochmallesen,
lieben Gruß
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
derrainer liebe fleur - ich dacht jetzt geht die bärengeschichte weiter ,
ist aber nicht , so habe ich diese noch einmal gelesen
und sie gefällt mir immer noch

lieben gruß zu dir rainer
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Re: Re: Re: Hihi. -
Zitat: (Original von Brubeckfan am 25.04.2013 - 16:29 Uhr)
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 24.04.2013 - 21:49 Uhr)
Aber war das mit der Blutgruppe wirklich ein Fehler??? Wer weiß .....
fleur

Aber das klingt ja, als hättest Du vor, die nächsten Battles auch mit Samsa zu bestreiten. Zuzutrauen wär's Dir.


Kann sein, es kommt auf das Thema an ... mal sehen, ob meine Einfälle passen werden.

Z.B. Samsa wird in die Psychiatrie eingewiesen und geht dort als Bär auf die Mitpatienten los .... oder er nimmt den Chefarzt als Geisel ....
Er könnte sich auch in die Oberschwester verlieben und ihr ein Bärenkind machen .....
Ein schönes Bild wäre auch, wenn er als Bär auf einem Quad durch Berlin fährt, und die Touristen glauben, es sei ein Werbegag ....
Pass nur auf, wenn es an deiner Tür klingelt, leg immer schön die Kette vor ;-))))))))) Ach ja, mit dem russischen Geschäftspartner hat er ja auch noch eine Rechnung offen .....
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Re: Re: Hihi. -
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 24.04.2013 - 21:49 Uhr)
Aber war das mit der Blutgruppe wirklich ein Fehler??? Wer weiß .....
fleur

Aber das klingt ja, als hättest Du vor, die nächsten Battles auch mit Samsa zu bestreiten. Zuzutrauen wär's Dir.
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Re: Hihi. -
Zitat: (Original von Brubeckfan am 24.04.2013 - 20:12 Uhr) Schöne Pointe.
Schön auch, daß ein Fehler in der Klinik offen zugegeben wird und Folgen für seinen Verursacher hat. Wegen OA Petri halt?

Tschüs,
Gerd


Die Klinik muss ja auf ihr Renommee achten. Wenn einer über die Klinge springen muss, wird es nicht gleich ein Oberarzt sein, da reicht erst mal ein kleiner Assistenzarzt ....
Aber war das mit der Blutgruppe wirklich ein Fehler??? Wer weiß .....

Danke dir für's Lesen,
schönen Abend noch,
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Hihi. - Schöne Pointe.
Schön auch, daß ein Fehler in der Klinik offen zugegeben wird und Folgen für seinen Verursacher hat. Wegen OA Petri halt?

Tschüs,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Re: Eine interessante Geschichte, -
Zitat: (Original von Enya2853 am 24.04.2013 - 13:21 Uhr) gut geschrieben und die Wortvorgaben prima integriert.

Ich werde bestimmt noch die erste Geschichte dazu lesen und eigentlich - ja, es ruft nach Fortsetzung, denn so kann man den armen Samsa doch nicht sich selbst überlassen.

Eine gute Idee, sehr schön umgesetzt!
lg
Enya


Danke für deinen Krankenbesuch bei Gregor Samsa. Wer weiß, wo man ihn demnächst besuchen kann, vielleicht im Zoo - oder in der Psychiatrie?
Warten wir es einfach ab .....

Ich freue mich, dass dir meine Geschichte gefällt, es hat mir auch Spaß gemacht, sie zu schreiben. Noch mehr allerdings der erste Teil ...

Lieben Gruß
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Enya2853 Eine interessante Geschichte, - gut geschrieben und die Wortvorgaben prima integriert.

Ich werde bestimmt noch die erste Geschichte dazu lesen und eigentlich - ja, es ruft nach Fortsetzung, denn so kann man den armen Samsa doch nicht sich selbst überlassen.

Eine gute Idee, sehr schön umgesetzt!
lg
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
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