Humor & Satire
Der Hausmann - Rollentausch

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"Mein Mann kann, oder?"
Veröffentlicht am 06. April 2013, 210 Seiten
Kategorie Humor & Satire
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Mein Mann kann, oder?

Der Hausmann - Rollentausch

Einleitung

Der Vater muss für einen Tag die Pflichten der Hausfrau übernehmen. Kein Problem! Es entwickelt sich: "Der längste Tag". Das Buch hat relativ viele Seiten! - in fließendem Layout - gut zu lesen, aber mit ziemlich große Buchstaben. Man kann aber ohne Weiteres jedes einzelne Kapitel für sich genießen! Kommentare der Leser sind ausdrücklich willkommen!

[Wieder eingestellt 14.09.2022]

Gute Unterhaltung!




Die Idee Seite 4

Let's go 53

Am See 72

Karli 94

Trautes Heim                         116

Die Hilfe                                 146

Der Einkauf                            166

Der Tag klingt aus                  195




Copyright Text: G.v.Tetzeli Copyright: Cover: Monika Heisig


www.welpenweste.de


Die Idee

Es gibt in deutschen Haushalten immer wieder die Diskussion um die Emanzipation. Also, meiner Erfahrung nach ist es der Mann, der andauernd unterdrückt wird. Meine Ehefrau sieht das natürlich ganz anders. Wen wundert es! Bestärkt wird sie unter Anderem von Emanzenzeitschriften, die sie regelmäßig beim Friseur verschlingt. Dabei nehme ich doch so sehr Rücksicht auf sie, solange ich der Herr im Hause bin.
Frauen haben außerdem die Gabe in einem völlig unpassenden Moment Probleme aufs Tablett zu bringen.
Ausgerechnet jetzt, kurz bevor ich los hetzen muss, um rechtzeitig ins Büro zu kommen, da

wirft sie sich in Positur. Die Hände hat sie in die hübschen Hüften gestemmt, das Näschen ist steil aufgerichtet. Allein an ihren blitzenden Augen kann ich ablesen, dass sie in Fahrt kommt. Auch ihr Haar sieht wie elektrisiert aus. Postwendend fängt sie an zu lamentieren und blitzt mich an.
Ausgerechnet jetzt am Frühstückstisch kommt sie in Fahrt!
„Immer, wenn ich ein frisches Tischtuch auflege, was passiert?“
Die Ohren und Wimpern sind steil gestellt.
„Keine Ahnung!“
Ich wende gelangweilt die Zeitung, höre aber großzügig weiter zu. Es bleibt mir sowieso keine Wahl. Wenn eine Welle anrollt, kann man auch nicht verhindern, dass sie an den

Strand klatscht.
„Zack! Schon hast du gekleckert! Und schon kann ich wieder waschen!“
„Das macht die Waschmaschine“, kommentiere ich lapidar. „Die läuft doch von alleine!“
„Und wer stellt immer das Essen auf den Tisch? Wer setzt sich bloß hin und mampft? Du!“
„Entschuldige, dass ich nach einem schweren, langen Arbeitstag hungrig bin“, knurre ich.
Das Frühstück schmeckt inzwischen fade, weil mir die Ruhe fehlt. Ich kaue lustlos.
„Und wer meinst du putzt, hält die Wohnung sauber?“
„Staubsauger!“
„Und wer meinst du kauft ein?“

„Jetzt ist es aber genug!“
Ich falte die Zeitung zusammen und lehne mich wichtig zurück.
„Einkaufen! Das musst du gerade sagen. Shopping! Für dich gibt es doch nichts Schöneres. Vor Kurzem erst hast du mir deine neuen Schuhe und deine neue blaue Bluse gezeigt, Seide!“
„Das war ein Sonderangebot! Das kriege ich nie wieder so günstig. Und außerdem, als ich dir mein neues Neglige´ gezeigt habe, das so sexy knapp ist und schwarz, und mit Rüschchen, was hast du da gesagt? Ob jemand gestorben ist, das hast du gefragt!“
Sie weiß jetzt nicht so genau, ob sie weinen, oder zornig sein soll. Vielleicht kommt aber auch ein neuer Vulkanausbruch, das kann

man nie so recht abschätzen.
Ich sage am besten nichts dazu. Sie aber bohrt weiter.
„Und wer meinst du spült immer ab?“
„Spülmaschine!“
„Wer putzt das Bad, wenn du drin warst? Immer darf ich einer mittleren Überschwemmung nachwischen. Und ich weiß nicht, was du daran so toll findest, dich ausgerechnet beim Zähneputzen im Spiegelschrank anzuglotzen. Ich darf dann immer die Spritzer vom Spiegel kratzen!“
Ist ja gar nicht wahr, denke ich. Sie faselt. Ich beschwere mich ja auch nicht, dass sie so viele Farbtöpfe und Cremes hat, dass ein Kunstmaler neidisch werden könnte.

„Und dann all die Besorgungen, die anfallen!

Überweisungen, Bank, Arzt, Batterien, Glühlampen. Kleine handwerkliche Reparaturen. Von unserem Racker will ich gar nicht erst anfangen. Immer muss man hinter ihm her sein. Hat er sich die Pfoten gewaschen?“
Für mich bedeutet das lediglich eine kleine, profane Frage an Karli. Mehr ist es nicht. Sagt er ja, ist alles in Ordnung, sagt er nein, soll er sich halt die Hufe waschen. Das ist alles! Was soll das mit Arbeit zu tun haben?
„Schulbrote schmieren. Schauen, ob er sein Turnzeug dabei hat, ob er sein Zimmer aufräumt. Hausaufgaben muss ich mit ihm durchgehen!“
„Von seinen Partys darf ich ihn immer abholen“, wende ich ein. Das musste mal

gesagt werden.

„Das ist ja wohl das Mindeste! Wann ist das schon mal? Ich habe den Bengel den ganzen lieben langen Tag um mich! Dann kommen noch Elternabende dazu, mit den Lehrern sprechen, Probleme lösen!“
Ich seufze und blubbere mit den Lippen. Es kann auch sein, dass ich die Augen verdrehe.
„Vergiss nicht Asta!“
„Was ist schon mit Asta? Sie ist einfach ein Hund. Na und? Was ist daran auszusetzen?“
„Meinst du, die macht keinen Dreck? Meinst du, sie macht nicht Arbeit? Was glaubst du, was los ist, wenn es draußen geregnet hat? Stell dir mal vor, wenn die sich schüttelt. Das macht sie natürlich nicht draußen, sondern erst, wenn sie in der Diele ist. Außerdem

muffelt sie. Kannst du dir das Tohuwabohu vorstellen, wenn ich ihr Fell waschen will? Das kannst du nicht!“
Der Zeigefinger schießt auf mich zu.
„Zu mir ist sie nett und folgsam!“ Noch habe ich Kraft zu Abwehrmechanismen.
„Füttern, Gassi gehen, zum Tierarzt, usw.. Das tue ich! Wer sonst?“
Sie schnieft, wendet sich ab.
Und anstatt Mitleid zu haben, geht mir das Genörgel allmählich auf die Nerven.
„Und was meinst du wohl tue ich?“
Ich merke, wie ich laut werde.
„Täglich der Stress im Büro! Entscheidungen fällen! Mobbing nicht aufkommen lassen. Der Ärger, der Termindruck? Dagegen ist dein Haushaltsgewurstle geradezu ein

Erholungsheim! So ist das nämlich!“
Ich atme tief durch und füge leise, aber mit Bedacht und gedehnt hinzu:
„Ich wollte, ich könnte mit dir tauschen. Ich wollte, ich könnte es so einfach haben, wie du.“

Haben sie sich schon einmal bei einer Vorstandssitzung bis auf die Unterhosen blamiert? Wollten sie im Boden versinken? Wären ihnen fast die Tränen gekommen? Alles aus, alles vorbei! Die Karriere geschmissen! Lassen sie sich trösten.
Dieser eine Satz, - „Ich wollte, ich könnte mit dir tauschen.“ - , der war die echte, die wahre, rudimentäre Katastrophe. Die Apokalypse schlechthin! Wie kann ein einziger Satz nur so

ein Desaster auslösen? Mir ist und bleibt es ein Rätsel. Ich muss im Nachhinein an den Schmetterling der Chaostheorie denken. Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien kann unter Umständen einen Tornado irgendwo auf der Welt auslösen. Auf diesen Tornado, der über mich kam, auf den hätte ich gerne verzichten können. Meine geliebte, sonst so sanfte Ehefrau sticht mit nachtwandlerischer Sicherheit in die Wunde und rührt darin herum.
„Also gut, dann tauschen wir für einen Tag!“
Ich bin baff! Ich runzle die Stirn und will mir gerade eine passende Antwort zurechtlegen. Ihr Blick besagt, dass ich mich bei einer falschen Antwort wie Antonius in mein eigenes Schwert stürzen soll.

Ich kämpfe.
„Willst du etwa einen Tag für mich im Büro schmeißen? Ist ja einfach lächerlich!“
Ich hantiere mit der Zeitung, so als ob die Sache für mich nun endgültig erledigt sei.
„Fang du erst einmal an“, zischt sie.
Sie müssen wissen, dass ich ein friedliebender, ein kompromissbereiter, einfach ein gutmütiger Kerl bin. Ich will keinen Streit, keinen Disput. Ich liebe Ruhe, ich liebe mein Heim und ich gebe es zu, ich liebe auch meine Frau. Außerdem ist taktischer Rückzug manchmal der beste Weg. Versprechungen, die zu nichts verpflichten, die wirken meistens.
„Meinetwegen. Wir können das ja irgendwann einmal durchspielen“, höre ich mich sagen. Hoffentlich ist jetzt Ruhe mit diesem Thema!

Mit dieser Schnapsidee. Ich blättere die Zeitung wieder weiter.
„Schau mal, Schatz!“
Ich gebe mir Mühe begeistert zu sein. Hoffentlich klappt die Ablenkung.
„Da gibt es ein Wellness-Wochenende. Echt günstig. Das könnten wir uns doch gönnen!“
Souverän weiß ich eben, wie ich mit meiner besseren Hälfte umgehen kann. Mit Schönheitsbonbons ist sie mir ausgeliefert. Das bringt sie auf andere Gedanken und sie vergisst den ganzen Blödsinn von der Tauscherei. Vielleicht sollte ich noch einen Schuheinkauf drauflegen?
„Morgen!“
„Bitte, wie?“
„Morgen hast du frei genommen.“

„Ja, ich will mit Dr. Pelzig Golf spielen. Das wusstest du doch!“
„Morgen spielst du Hausmann!“, befiehlt sie.
„Wenn das alles nur ein Klacks ist, dann hast du immer noch genug Zeit mit deinem Dr. Haarig, oder wie der heißt auf dem Grün herum zu latschen. Und auf diesem blöden Grün darf nicht einmal ein Fliegenschiss sein, aber hier zu Hause führst du dich wie ein Dreckspatz auf. Da ist dir alles egal!“
Ich bin einigermaßen erschrocken. Wie hatte ich ihr selbstbewusstes Auftreten damals, als ich sie kennen gelernt habe, attraktiv gefunden. Ihr Sinn für Realität, ihr Durchsetzungsvermögen waren so anziehend für mich gewesen. Nun kamen mir doch leise

Zweifel.
„Du verstehst eben das Golfen nicht. Dr. Pelzig hat gesagt, dass das Golfspiel zur inneren Ausgeglichenheit beiträgt. Selbstbeherrschung! Da gehört eben das richtige Umfeld dazu. Ruhe und der Rasen, verstehst du?“
„Morgen!“
„Aber ich . . . „
„Nichts, aber! Ich mache dir sogar einen Plan. Ein Tagesprogramm!“
Ich ahne Übles und erkenne, dass ich Schachmatt bin. Nun gilt es das Beste aus dieser verzwackten Situation heraus zu holen.
„Aber fair muss es sein“, verlange ich ernst und verhandlungssicher, „nicht dass du alles, was dir gerade ins Hirn schießt da hinein

packst und was mit einem normalen Tag gar nichts mehr zu tun hat! Nicht dass du einen super grausamen Tag kreierst.“
So haben wir nämlich nicht gewettet, wollte ich sagen, halte mich jedoch rechtzeitig im Zaum. Sie käme sonst womöglich auf die Idee eines Wetteinsatzes.
„Das wäre nicht fair“, ermahne ich also nur.
Sie grinst. Irgendwie kommt mir dieses Grinsen gefährlich vor.
„Keine Angst, mein Schnuckel, mein Mausespatz. Wir sprechen alles heute Abend durch, bis du auch einverstanden bist. Sie umarmt mich und gibt mir ein dickes Bussi.
„Du bist süß!“
Ich grinse säuerlich.
Dann hopst sie quiekend zur Spüle. Ich habe

sie noch nie quiekend und hopsend zur Spüle laufen gesehen und mir wird etwas mulmig zumute. So gute Laune kann nichts Gutes verheißen!

Im Büro plausche ich mit Achim. Achim ist drei mal geschieden. Achim ist geheilt. Achim ist erfahren.
„Diese blöde Idee hatte meine Gabriele (es war die 2. Ehefrau) auch gehabt. Da gibt’s so ein paar Bücher. Der Inhalt ist immer der gleiche. Der Mann versucht sich im Haushalt und alles geht schief.“
„Kann mir nicht passieren“, sage ich kaffeeschlürfend und lache anständig.
„Die Weiber finden’s lustig. Hab' den Schmarren auch schon mal mitmachen

müssen.“ „Ehrlich? Und?“
„Alle Frauen kommen irgendwann einmal auf diese idiotische Idee. Natürlich ist alles prima gewesen. Lächerlich! Das bedeutet nur eine ruhige Kugel schieben.“
„Gabriele war enttäuscht?“
„Nee, die hat`s nicht verkraftet. Sie hat`s nicht fassen können, deshalb hat sie nur herum gezetert. Es wäre nicht gründlich genug, usw.“ Er wackelt mit der Hand.
„Glatte Frustration!“
Ich nicke verständnisvoll. Ich weiß, dass Achim eigentlich nicht der agilste Mann unter Gottes Himmel ist. Wenn der das schafft, dann brauche ich mir erst recht keine Gedanken machen. Ein Kinderspiel!

Bis zum Abend flutschte mir die Arbeit von der

Hand. Ich hatte sozusagen eine Hochphase.

Es ist Abends.
Wir sitzen zu zweit im Bett. Gemein, wie sie ist, hat sie Karli auf Morgen, auf den großen Tag bereits vorbereitet. Was sie nicht weiß ist, dass ich mit meinem Sohnemann ebenfalls ein Gespräch unter vier Augen geführt habe. Ein Gespräch von Mann zu Mann. Wir werden ein eingespieltes Team sein. Das nennt man vorausschauend planen. Verbündete um sich scharen. Taktik!
Die „to do“ Liste liegt auf der Bettdecke. Sie ist erschreckend lang. Meine Liebste ist sehr konzentriert und die Sekretärin im Büro könnte sich eine Scheibe davon abschneiden.
Sie zählt auf:

„Für Karli und mich Frühstück machen.“
„Und ich?“
„Wenn du es hinbringst?“ Sie fährt unbeirrt fort.
„Karli muss in die Schule. Sieh zu dass er alles hat, Pausebrote und so, und zwar rechtzeitig!“
Erhobener Zeigefinger.
„Asta füttern, Gassi gehen, gleich früh, hörst du?“
Ich bestätige, dass ich hören kann.
„Wäsche waschen! Dann musst du noch einkaufen. Ich habe dir eine Liste gemacht.
Du musst auch noch zum Optiker. Staubsaugen! Mittag vorkochen, damit du es in der Mikrowelle heiß machen kannst, wenn du Karli von der Schule abgeholt hast.

Wäsche aufhängen. Vergiss die Blumen nicht zu gießen. Staub wischen, frische Tischdecken.“
Wie auslaufendes Öl, leicht wie fliegende Federn kommen die Worte über ihre Lippen. Sie hat eine sadistische Ader, stelle ich erschrocken fest.
„Das Fenster putzen erspare ich dir.“
Wie großzügig, denke ich.
„Du musst auch noch zum Tierarzt. Ich habe bereits einen Termin vereinbart.“
Hätte ich mir denken können.
„Dann dein Golf spielen.“
Ihr Gutmütigkeit ist schier grenzenlos. Sie schielt mich an und drückt mir einen Kuss auf die Backe.
Im Schweinsgalopp geht die

Aufzählung weiter.
„Abends ist Elternabend. Du musst hin. Du darfst dich dann, wenn du über Karli alles erfahren hast, wieder dünne machen.“
Wieder Küsschen! Sie ist furchtbar gut aufgelegt.
„Ich glaube, das wär’ s“, resümiert sie schließlich und nimmt die Brille ab. Sie legt einen weiteren Zettel auf den Nachttisch.
„Zu allen Punkten habe ich dir noch die ungefähren Tageszeiten aufgeschrieben, damit du eine Orientierung hast.
„Wäre doch nicht nötig gewesen, Mäuschen“, flüstere ich, während ich das Licht lösche.
„Wenn das alles ist? Ich organisiere das schon.“
Ich knabbere an ihrem Ohr.

„Was ist mit Bügeln, dem Garten? Das Garagentor quietscht auch immer noch. Was sagst du nun zu deinem Sklaven? Ein Sklave, der mitdenkt!“
„Lass mal“, gurrt sie, „wenn es dir nichts ausmacht, dann kannst du noch die Reifen wechseln, innen das Auto saugen.“
„Apropos saugen ..“ Ich lutsche an ihrer Unterlippe.
„Bist du sicher?“, haucht sie. „Nicht, dass es dann heißt, ich hätte dich absichtlich erschöpft.“
„Ich bin unverwüstlich“, knurrt das Tier in mir.

Das Frühstück

Der Wecker klingelt. Ich kenne das. Es hört gleich wieder auf und ich weiß, dass ich noch eine halbe Stunde dösen kann.
Diesmal bleibt das Scheppern. Das Scheißgebimmel hört einfach nicht auf. Wieso denn nicht? Ein Ellbogen rammt in meinen Rücken.
„Los geht’s! Hausmann“, nuschelt sie verschlafen.
Den Wecker würge ich also ab, dann springe ich aus dem Bett. Susi wird schon sehen, wie ich alles unter Kontrolle habe. Nur keine Müdigkeit vorschützen. Alles auf dem Weg! Grönemayer gibt mir Recht! Ich schnappe mir den Terminplan. Halt! Nun sind es drei Zettel

geworden. Aha! Das eine ist eine Einkaufsliste. Süß von ihr. Wäre aber gar nicht notwendig gewesen. Ich weiß auch so, was man braucht und ich kaufe schließlich nicht zum ersten Mal ein.
Ich schnappe mir die drei Zettel. Die Aufgaben, den Terminplan, die Einkaufsliste.
Also, zuerst den üblichen Badgang in Angriff nehmen. Diesmal reicht eine Katzenwäsche und ich hinterlasse auch keine Zahnputzspritzer. Dann ziehe ich mir bequeme Freizeitkleidung an. Heute habe ich ja keinen Kundenkontakt. Ich werkle professionell in der Küche, decke den Frühstückstisch, brate Rühreier. Wenn Susi nur wüsste, was sie mir für einen Gefallen getan hat. Ein echter Erholungstag wartet auf

mich und ich freue mich schon auf das Golf spielen.
Die Kaffeemaschine wird in Gang gesetzt, dann Brot auf den Tisch, Aufschnitt, Marmelade, Butter aus dem Kühlschrank. Es flutscht nur so. Immer wieder aber stolpere ich über Asta. Na, gut, damit das Untier Ruhe gibt, fülle ich ihren Napf auf, mit speziellem, teuren Dosenfleisch! Das mag sie besonders und sie bekommt es immer nur Sonntags, wenn überhaupt. Ich weiß das von Susi. Heute lasse ich Asta Sonntag feiern. Ewige Dankbarkeit des lieben Hundes ist mir gewiss. Genau genommen ist das auch für mich von Vorteil. Aus der Dose geht es einfach schneller. Ruck, Zuck! Ich reibe mir die Hände. Ist alles nur ein Kinderspiel. Ich

werfe einen prüfenden Blick auf die Uhr.
Um Himmels Willen! Karli wecken! Er muss zur Schule. Dieser Trantüte gilt es Beine zu machen, also haste ich nach oben. Als agiler Freizeitsportler ist die Treppe im nu erstürmt.
„Karli, Sportsmann, aufstehen!“ Das von Müdigkeit verpappte Gesicht meines Sohnes gähnt mich an.
„Hey, Kumpel! Denk dran, was wir ausgemacht haben. Wir werden es Mami schon zeigen! Ist ja nur für Heute.“
Wir besiegeln unsere Abmachung mit dem Aufeinanderschlagen der Handflächen. Der Junge sprintet ins Bad. Mein Junge! Einfach ein Prachtbengel. Man zieht ihn auf und schon läuft die Angelegenheit. Kein Wunder, bei dem Vater! Ich schaue noch nach Susi im

Schlafzimmer.
„Susi? Falls du Frühstück willst, das Frühstücksbufett deines Luxushotels hat gerade geöffnet. Ich habe mit dem Maitre gesprochen. Für Dich ist alles schon hergerichtet worden. Hat mich eine schöne Stange Trinkgeld gekostet. Sogar noch früher, als bestellt, Madame.“
„Ich komme gleich“, murmelt es neblig aus der Kopfkissenwolke.
Dann gehe ich hüpfend, selbstbewusst, selbstzufrieden wieder hinunter. Ich könnte auch noch einen Saft auspressen, denke ich. Sozusagen als besondere Dreingabe, als I’ Tüpfelchen.
Ich komme in die Küche.
Es sieht aus, wie nach einer verlorenen

Schlacht. "MEIN GOTT!“
Mir bleibt der Mund offen stehen.
„ASTA! Ich kill` dich!“
Ein großes Küchenmesser zum Filetieren müsste reichen.
Ein einziger, bebender Aufschrei. Ich rase durch das Erdgeschoss. Verdammt! Verdammt! Wohin nur mit meiner Wut?
Ich schnaufe tief durch, dann tritt der Vernunftmensch, der wirklich geniale Manager zutage.
Gut, die Katastrophe ist nun mal eingetreten. Nicht zu ändern und einfach Tatsache. Erste Zielsetzung kann nur sein, dass man Schadensbegrenzung erreichen muss. Ich renne in die Küche zurück, weil Asta sich im Wohnzimmer unter der Couch verkrochen

hatte. Das Messer lege ich wieder ab. Es weist noch keine Blutspuren auf.
„Mein Gott!“, entfährt es mir erneut, als ich mich umschaue. Es heißt Haltung bewahren und mit einem Blick wird die Ist-Analyse erstellt. Verdammt weit entfernt vom Soll-Wert, stelle ich unumwunden fest. Die Tischdecke ist nass, Milch auch auf dem Boden verschüttet, ein Teller zerbrochen. Zucker ist auf dem Laminat gekippt und rieselt fröhlich, körnig durch die Gegend. Die Marmeladenschale klebt umgedreht auf dem Stuhl. Ach, ja, natürlich! Umgedreht, was sonst.
Der Aufschnitt ist nicht mehr vorhanden und wird gerade im Hundemagen verdaut. Der Hass intensiviert sich, als ich auf den einzig

nicht geschädigten Teil der Küche blicke. Der prall gefüllte Napf und die Wasserschale stehen vorbildlich, jungfräulich, adrett und vor allem unberührt in der Ecke, wie Ausstellungsstücke.
Die Pfanne gibt urplötzlich Rauch von sich. Scheiße!
Die Rühreier sind verbrutzelt. Wohin? Schnell damit raus auf die Terrasse. Da riecht es nicht mehr. Um das Schwarze am Pfannenboden kann ich mich jetzt nicht kümmern.
Später!
Ersatz!
Zum Glück haben wir einen elektrischen Eierkocher. Erst einmal lüften! Der angebrannte Geruch muss sich verflüchtigen.

Dann gibt es eben nur Frühstückseier. Die Änderung kann ich dann schon irgendwie erklären. Im Kühlschrank gibt es noch genau drei Eier. Glück muss man haben! Sie reichen für die Hotelgäste.
Ich setze das Gerät in Gang, schalte den Herd aus, dessen Platte unverschämt rot glüht. Dann wird das Erdgeschoss mit Tannenduft besprüht.
Ich raffe die nasse Tischdecke zusammen, dann reiße ich unter der Spüle die Türe auf. Der Abfalleimer kommt mir automatisch geöffnet entgegen. Dahinter befindet sich noch ein Hohlraum. Die Tischdecke wird hinein gepfeffert. Die Klappe zuklatschen, Affe tot. Weg und Verschwunden und alle Beweise sind vernichtet. Keiner merkt etwas,

hoffentlich.

Verflixt, ich habe mich an einer Scherbe eines zerbrochenen Tellers geschnitten. Es blutet ganz anständig. Es gibt aber jetzt Wichtigeres, als der lächerliche Tod durch zu hohen Blutverlust. Was bedeutet schon Tod und Leben in solch einer Situation? Womit die schmierigen, roten Tropfen aufwischen? Ich nehme auf die Schnelle das Geschirrtuch. Ich muss mich sehr zusammen nehmen, denn ich bin empfindlich, was Blut angeht. Besonders, wenn es sich um mein eigenes handelt. Kommen sie mir bloß nicht blöde wegen Weichei und so. Das Schmerz empfinden wird in den Heldenfilmen einfach nur verschwiegen. Sogar Nelson ist immer seekrank geworden, nur zum

Beispiel.
Genauso schnell ist das Geschirrtuch mit Milchsee und roten Blutkörperchen aufgesogen. Es gibt nur die Möglichkeit es zusammen zu knüllen und ab damit zu der Tischdecke. Hinter dem Abfallkorb ist das erst einmal gut aufgehoben.
Kurzes Resümee´:
Kaffee befindet sich im grünen Bereich. Die Frühstückseier sind in Arbeit – da kann nichts passieren. Der Tisch sieht inzwischen wieder wie ein Tisch aus. Also: eine neue Tischdecke muss zum Einsatz kommen. Schnell ist eine neue aufgelegt.
Zum Teufel! Es kommt jemand die Treppe herunter. Entsetzt höre ich es. Das Herz bleibt mir stehen. Susi! Ich bin restlos

blamiert! Zitternd wische ich mir den Angstschweiß aus dem Gesicht.

Karli ist es nur! So ein Glück! Es ist wirklich mein Glückstag. Mein Nachwuchs erstarrt mit Augen wie Schaufelräder und er lässt seinen Schulranzen fallen.
„Papiii!“
„Hilf mir!

"Ich schaue ihn bettelnd an.
„Schnell! Wo ist Kehricht und Schaufel, Karli?“
Das Kind handelt und holt das Gewünschte aus einem Seitenschrank der Einbauküche. Ich selbst hätte dieses Kleinod bestimmt nicht dort vermutet, geschweige denn, ich hätte es gefunden. Andererseits: Welcher Familienvater braucht schon Schaufel und

Besen? Keiner!
Karli fegt bereits die Scherben auf, während ich ein weiteres gebügeltes, neues Geschirrtuch nass mache und die klebrige Marmelade auftupfe und am Stuhl verteile. Ganz geht die Pampe nun doch nicht weg. Ich bemühe mich, so gut es geht. Dann stippe ich weitere Scherbenteile auf.
„Warst Du im Wald“, fragt Karli, “und hast du dort einen Brand gelöscht?“ Karli kippt die zusammengesammelten Scherben auf der Schaufel in den Abfall und sieht dahinter Tischtuch und Geschirrtuch. Ich schmeiße den Marmeladenlappen dazu. Es ist echtes Teamwork. Karli schnappt mit dem Mund. Er ist solch ungewöhnliche Aktion einfach nicht gewöhnt, aber Notlagen erfordern manchmal

ungewöhnliche Lösungen.
„Mund halten!“ , zische ich „Schnell, hol’ noch die Zeitung!“

Karli ist unterwegs und ich sortiere die verbleibenden zwei Teller neu, hebe das Besteck auf. OK!
Irgendwie beult das Tischtuch in der Mitte! Herrje! Da muss noch ein fetter Kloß Butter darunter sein. Ausgerechnet! Ich nehme den glatten Fleischklopfer und plätte.
Ich lausche. Hat Susi das Hämmern gehört?
Es rührt sich nichts, Gott sei Dank.
Was fehlt noch? Ich merke, wie ich fahrig werde. Die Zeit läuft mir davon. Brot noch vom Boden aufsammeln. Ab, in irgendeine Schublade. Hauptsache das „Korpus delicti“ ist verschwunden. Dann wird Toastbrot

heraus gefischt und der Toaster gefüttert. Eierbecher schmeiße ich noch auf den Tisch.

Karli kehrt zurück.

„Achtung, Papi! Feind im Anmarsch!“
Wir knallen uns schnell auf die Stühle. Er reicht mir noch flugs die Zeitung. Susi kommt im schicken Bademantel herein, frisch wie der Frühling.
Zwei entspannte, aufgeräumte Männer grinsen ihr höchst unschuldig entgegen.
„Hallo Schatz“, flöte ich. Es folgt eine lässige Pause.
„Was meinst du, Karli? Kannst du die Eier holen?“
„Klar, Boss!“
„Und? Ausgeschlafen?“
Sie setzt sich und

nickt.
„Du isst nichts?“, fragt sie, weil nur noch zwei Gedecke auf dem Tisch stehen. Mein Teller hatte sich ja in Scherben aufgelöst.

„Später“, brummele ich mit Unschuldsmine und vertiefe mich erneut in die Zeitung. Erst jetzt merke ich, dass die Buchstaben auf dem Kopf stehen, als die Toaste heraus springen. Die Zeitung wird weg gelegt und ich hole die Toastbrote. Servil bediene ich Susi und setze mich gelassen wieder hin. Karli hat die Eier gebracht und gießt den Kaffee ein. Guter Junge!
Plötzlich taucht Asta schwänzelnd aus dem Nichts auf, mit unschuldigen großen Bernsteinaugen.
Falsches Miststück!


Susie tätschelt das Monster auch noch. Karli langt zu und Susi säuselt.
„Reichst du mir mal die Marmelade?“
„Warte!“, rufe ich aufgeregt. „Gib mir den Toast. Ich schmiere dir’s.“ Sie lächelt. Die verdammte Marmeladenschale muss stehen bleiben, damit sie den geplätteten Butterfleck nicht entdeckt. Karli kichert kindisch. Ich lege erstaunt die Stirn in Falten.
„Was gibt es denn da zu grinsen?“
„Guck mal“, prustet er zu Susi, „Papi’s Gesicht! Er ist auf dem Kriegspfad.“ Er lässt ein Indianerheulen erschallen.
„Mein Gott, du blutest ja!“ Susi geht zur Spüle! Oh je!.
„Es ist nichts“, versichere

ich.
„Da sind ja überall Blutflecke am Boden!“
Dass Frauen immer so einen Laserblick haben müssen! Es ist zum Verzweifeln!
„Kein Geschirrtuch mehr da?“ Sie reißt von einer Küchenrolle ab und reibt mir über die Stirn. Stimmt, ich war mir über die Stirn gefahren, erinnere ich mich wieder.
„Mensch, Günter! Was hast du denn wieder angestellt? Zeig mal!“
Ich strecke die verwundete Hand vor. Das getrocknete Blut sieht verboten aus. Richtig toll, geronnen und schön schwarz! Drakula hätte seine Freude daran gehabt und ich bin stolz so tapfer zu sein. Sie benetzt das Tuch mit Spucke und wischt ab. Die Verwundung wird leider immer harmloser. Ein kleiner

Hautriss ist alles, was zurück bleibt..
„Blödes Messer“, knirsche ich, während mir Karli hinter ihrem Rücken andeutet, dass sein Stuhl immer noch pappt und er praktisch am Hosenboden festklebt. Ich winke unauffällig ab.

„Halb so schlimm“, resümiert Susi. „Die Verletzung ist gar nicht der Rede wert“.
Sie wirft das Papiertuch in den Abfall. Schrecksekunde! Ich atme tief durch. Sie hat dahinter nichts entdeckt. Kaum zu fassen! Sie hat es tatsächlich übersehen.
„Ich glaube, du brauchst nicht einmal ein Pflaster.“
„SAG ICH DOCH! Es ist nichts.“ Susi wuschelt mir über den Kopf, setzt sich wieder und fängt an zu genießen. Sie ist

zufrieden.
„Karli, es wird Zeit“, kaut sie. „Hast du den Schulranzengepackt? Deine Pausebrote?“
„Klar, Mami! Diesmal sogar mit Aufschnitt! Papi hat gesagt, heute mal etwas Kräftiges.“
Ich staune einfach nur, wie leicht und selbstverständlich der Bengel dermaßen lügen kann. Für 10.-€ kann man einiges verlangen, sicher, aber so eine perfekte Schauspielerei habe ich ihm denn doch nicht zugetraut. Und irgendwie fühle ich mich unwohl bei dem Gedanken, dass es ihm wahrscheinlich auch keine Schwierigkeiten bereiten würde „mir“ unschuldig ins Gesicht zu lügen. Der Junge wirft den Kopfhörer auf, greift sich den Schulranzen, nimmt den Walkman in Betrieb, trinkt noch hastig einen

Schluck Milch, ich hatte noch eine Tüte im Kühlschrank gefunden, und bricht auf. Er zwinkert mir noch verschwörerisch, unsichtbar zu und ich bin froh, dass Susi das Knirschen des Zuckers unter seinen Füßen nicht bemerkt. Wir hören die Haustüre und sind allein.
„Hat Astas schon?“

„Das kannst du laut sagen, dass sie versorgt ist“, fletsche ich die Zähne.
„Ich will heute Tante Julie besuchen, ist das OK?“
„Natürlich, Maus. Null Problemo! Wann bist du denn zurück?“
„Ach, erst spät abends“, futtert sie weiter. „Brauchst für mich kein Abendessen vorzubereiten.. Du kennst ja Julie. Bei ihr

bekommt man doch immer eine Art Gänsestopfleber, weil sie einen andauernd füttert.
Ich muss an eine Tonne denken, wenn ich mir Tante Julie vor Augen halte.
„Schade“, bringe ich hervor ohne rot zu werden.
„Hast du gesehen“, fährt sie fort, „dass Karli gar nicht gemault hat, dass kein Nutella auf dem Tisch steht?“

Ich zucke dazu nur unwissend mit Achseln

„Es weht halt ein anderer Wind“, bemerke ich altklug.
Dann legt sie das Besteck zur Seite. „Ich muss!“
Ich bekomme noch ein Küsschen auf die Backe, dann geht sie nach oben, um sich

zurecht zu machen und ich atme tief auf, während die Hand mit der Verwundung pocht und sticht.

Das Herzklopfen lässt allmählich nach und ich übersehe die Küche. Sieht eigentlich alles ganz harmlos aus. So, wie immer. Ein bekrümelter Tisch, ein paar Flecken auf der Tischdecke, halbvolle Kaffeetassen, Blutspritzer am Boden, wo auch eine Menge Zuckerkristalle glitzern. Hätte schlimmer kommen, sage ich mir. Das ist alles zu machen. Der Köter ist wieder verschwunden. Hoffentlich ist Susi bald aus dem Haus, dann kann man es ungestört angehen.
Lass sie nur erst einmal weg sein. So lese ich Zeitung. Es ist das Unverfänglichste, was ich machen kann. In meiner Verlegenheit

probiere ich mein Frühstücksei. Es ist steinhart, wie ein Golfball. Genau so, wie ich es zutiefst hasse, also ab damit zu dem Abfall. Mist!

Nach einer Weile kommt Susi wieder herein. Das blühende Leben! Sie ist super geschminkt und sie ist in ein fesches Kostüm gehüllt. Richtig zum anbeißen!
„Echt der Hit“, schmeichle ich ihr mit ehrlicher Bewunderung.
„Kuss kriegst du keinen! Lippenstift!“

Ich nicke.
„Ich nehme deinen Wagen, in Ordnung?“

Ich nicke wieder. Hauptsache sie ist aus dem Haus und ich kann geordnet und in Ruhe anfangen. Um wirklich planmäßig und effizient

vorgehen zu können, da braucht man Ruhe und Konzentration. Da stören besserwisserische Weiber nur, die einem dauernd dreinreden wollen.
„Pass bitte auf das Auto auf“, mahne ich. „Und nimm nicht immer wieder zwei Parkplätze auf einmal.“ Sie rümpft verärgert ihr Näschen und klappert mit ihren neuen Stöckelschuhen, denen man ansieht, dass sie teuer waren, hinaus.
Als das Garagentor aufgesummt ist, wie üblich geknirscht hat und mein schöner Wagen abbrummelt, falle ich erschöpft, aber einigermaßen zufrieden zusammen. Ich ärgere mich auch nicht mehr, dass ich die Gangschaltung krachen gehört habe.
Geschafft!

Let's Go

Zum Zeitung lesen ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, habe ich beschlossen. Im Gegenteil! Wilder Aktionismus ist angesagt und so fasse ich den Beschluss mich endlich zu rasieren und dann Einkaufen zu fahren. Ich muss irgendwie raus, um mir die Beine zu vertreten. Die Küche kann ich später immer noch erledigen.
Das Bad macht einen ungewohnten Eindruck. Zahnpasta ist ausgequetscht und schmiert am Waschbecken vor sich hin. Feuchte Handtücher zieren den Boden. Susi hatte mir schon öfters von dieser Unart erzählt. Ich hatte ihr nie geglaubt, dass Karli so etwas tun könnte. Schon gar nicht mit Absicht. Die

Beweise fehlten sowieso immer, weil sie jedes Mal schon aufgeräumt hatte. Ich räume nicht!
Das, mein Sohn, kannst du dir in die Haare schmieren. Wir werden noch ein paar ernste Wörtchen zu wechseln haben! Also gut, rasieren ist angesagt. Es geht recht schnell, weil das Bad einfach ungemütlich ist. Einige nasse Pfützen schimmern noch auf dem Boden und ich übersehe sie geflissentlich. Ich kann das später wieder in Ordnung bringen. Vielleicht verdunsten sie sogar von alleine.
Daraufhin gehe ich in Karli’s Zimmer und mache die Vorhänge auf. Schöne, warme Sonnenstrahlen lassen ein Zimmer erleuchten, das eine Atomexplosion hinter sich hat. Eine nähere Beschreibung dieser Verwüstung erspare ich ihnen, ich kann ihnen aber

versichern, dass wirklich jeden ein entsetzliches Grauen erfasst hätte. Ich stampfe erbost aus dem Zimmer, gehe in die Küche (sie sieht auch ungemütlich aus) und mache einen Notizzettel für Karli zurecht. Was Susi bei mir fertig bringt, das kann ich bei Karli schon lange. Ein wölfisches Grinsen pflanzt sich über meine Gesichtszüge fort. Mann! Ist das eine Liste! Die rentiert sich. Da ist das muntere Knäblein den ganzen Nachmittag beschäftigt. Fußball spielen, das kann er sich knicken. Ich schnappe mir dann meine eigenen Listen,die ich in der Diele abgelegt hatte, obwohl ich sie eigentlich gar nicht brauche. Ich will nur sicher gehen. Zwei Zettel ruhen sich an der Garderobe aus. Waren das alle?

Ist jetzt nicht so wichtig, denke ich.
Raffiniert, wie ich bin, hole ich die verräterischen Geschirrtücher und die Tischdecke aus dem Versteck. Im Keller, vor der Waschmaschine türmt sich ein Wäscheberg. Ich werfe alles in die Trommel, was nur rein geht. Es gibt an dem Gerät viele Schalter. Eine Beschreibung ist nicht zu finden. Natürlich! Susi schlampt eben! Ich drehe einen Knopf, bis er auf 90 Grad steht. Das reicht hoffentlich, um die blöde Tischdecke und auch das Marmeladen-Geschirrtuch sauber zu kriegen. Es findet sich auch eine Klappe für das Waschmittel. Sie lässt sich locker aufschieben. Ich schütte also großzügig Waschmittel hinein. Besser zuviel, als zu wenig! Gründlich ist der Mann! Vor

lauter Haushaltseinsparungen nimmt Susi wahrscheinlich immer zu wenig. Alles im Lot.

Ich schalte das vorsinnflutliche Ding an. Das Design haben die Entwickler vernachlässigt. Wozu braucht man so ein häßliches Bullauge, noch dazu durchsichtig? Schon mal was von eleganter Vercromung gehört?
Es tut sich was. Es rumpelt, fängt an Wasser zu saugen und zu brodeln. Asta schnüffelt an dem Korb mit der restlichen Schmutzwäsche. Was sie daran interessieren mag, das bleibt mir ein Rätsel. Soll sie doch schnüffeln!
Ich federe die Treppe wieder hinauf. Von wegen Arbeit. Die Maschine tut’s. Wusste ich doch! Die Technik macht’s möglich.
Kaum ein paar Atemzüge, einmal das Haus

durchkämmt und schon ist alles beim Arbeiten, nur ich nicht. So mag ich`s!
Dann wird Schlüssel und Geld eingesteckt. Ich nehme noch schnell Susis Kreditkarte, sicherheitshalber. Meine ist im Anzug und dort soll sie auch bleiben.
Auf geht’s!
Gerade fällt die Haustüre zu, da überfällt mich ein genialer Gedanke. Das quietschende Garagentor soll zum letzten Mal genervt haben. In der Garage ist Öl schnell gefunden. Großzügig schütte ich auf die Scharniere. Ich reibe daran herum und bin zufrieden. Das Quietschen bleibt aus, als die Federn sich dehnen. Na also! Das überschüssige Öl wird schon irgendwie abtropfen. Ich patsche in die Hände. Das Tor ist von nun an zum säuseln

verdammt. Wenn Susi es gar nicht bemerken sollte, würde ich sie unauffällig darauf stoßen.
„Hast du es gehört?“
„Was denn?“
„Nichts“, würde ich lächelnd zwitschern. Dann würde es ihr wie Schuppen aus den Haaren fallen und das Lob wäre mir gewiss.
Nun entere ich den kleinen Fiat vor dem Haus, mache das Autoradio an und will starten. Der Motor orgelt reichlich müde. Die Batterie zeigt eindeutig Altersschwäche. Ich hatte Susi schon oft versprochen mich darum zu kümmern, war aber nie dazu gekommen. Sie hätte mich zum Beispiel gestern darauf aufmerksam machen können, aber nein, nichts dergleichen war geschehen. Sie ist halt immer ein wenig zerstreut.

Ausgerechnet jetzt kommt Frau Süßmann vorbei, unsere Nachbarin, ihres Zeichens die größte Klatschbase aller Zeiten. Ich orgle verzweifelt, aber mir bleibt schließlich nichts anderes übrig, als das Fenster herunter zu kurbeln.
„Guten Tag, Herr Wendel! Dass man sie zu dieser Zeit hier sieht? Haben sie Probleme“, fragt sie scheinheilig.
„Ach, Frau Süßmann! (Überraschung) Nein, alles in Ordnung! Manchmal streikt der Wagen.“
„Wo wollen sie denn hin?“
Sie ist und bleibt die Neugier in Person.
„Ach, ich habe mir nur für heute frei genommen“, plaudere ich salopp, „den Hund ausführen. Etwas spazieren gehen.“

Lässig ruht meine Hand auf dem Lenkrad, während ich sie scheinheilig anlächle.
„Ohne Hund, wie das?“
Ach du liebe Zeit, Asta! Ich bekomme einen knallroten Kopf. Einen Satz heiße Ohren.
„Ich wollte erst mal sehen, was der Wagen macht“, stottere ich.
Hoffentlich kauft sie es mir ab. Sie grüßt und geht weiter. Ich spiele wieder an dem Anlasser und siehe da, das Auto springt an und knattert lustig. Was nun? Wieder aus machen, dann Hund holen? Vorerst läuft der Motor. Hilft ja nichts! Ich stelle wieder ab, renne zurück ins Haus und suche Asta. Sie hat sich natürlich wieder versteckt. Schließlich zerre ich sie unter dem Sofa hervor und als sie merkt, dass ich die Hundeleine zücke, ist sie zahm,

freudig, willig und kommt ohne weitere Sperenzien mit. Wieder zum Auto. Alles klar zum Start. Natürlich, wie sollte es anders sein, springt der Motor nicht wieder an. Nicht ums verrecken!
Zwei Jugendliche kommen zufällig des Wegs und ich besteche sie mit 10.- €. Sie helfen schieben und tatsächlich, ich kann die Scheißkarre anwerfen. Ich winke noch zum Dank und presche los.
Der Benzintank ist so gut wie leer. Was sonst? Frauen eben! Bei der nächstbesten Tankstelle halte ich.
„Hallo, Meister, ich brauche eine neue Batterie.“
„Für welches Auto“, fragt der Mechaniker.
Ich zeige verschämt auf die verschmutzte

Rostlaube. Innen ist alles antiseptisch rein und mit Plüschtieren belagert. Ich darf nicht einmal in ihrem Auto rauchen, aber außen ist die Karre total verdreckt. Er hebt skeptisch die Augenbrauen um die ihn ein Bürstenbinder beneidet hätte und ich vermute, dass er sich fragt, ob sich das überhaupt noch lohnt.
„Gehört meiner Frau“, sage ich und hoffe, dass das alles erklärt.
Der Mechaniker nickt verständnisvoll.
„Und können sie auch gleich noch neue Reifen aufziehen?“
„Klar! Wir haben sogar solche schmalen im Sonderangebot.“
„Super!“
„Wie wär’s mit

Waschstraße?“
„Auch.“
„Am Besten Intensivpflege, sonst hat’s keinen Sinn“, meint er. „Ist aber etwas teurer.“
„Natürlich, was sonst!“
„Wenn es gut geht, dann ist er ungefähr in einer halben Stunde fertig.“
„Was heißt hier, wenn alles gut geht?“
Der Mechaniker kichert.
„Wenn Schnuckelchen nicht beim Abbürsten auseinander fällt“.
Ein Lachkrampf schüttelt ihn. Verlegen versuche ich säuerlich ein Grinsen zustande zu bringen.Ein lässiges Handzeichen zum Zeichen des Einverständnisses ist alles, was mir dazu einfällt.
Die Sonne brutzelt. Es scheint ein heißer Tag

zu werden Die Auffahrt zur Tankstelle beginnt bereits zu flimmern.
Nun deutet der Mechaniker mit fragendem Achselzucken auf Asta. Sie hechelt hinter der Scheibe, maunzt und ist unruhig.
„Das ist nur die Aufregung. Die Vorfreude! Sie liebt das. Denken sie sich nichts.“
Der Autoklemptner wischt sich die Hände an einem verdreckten Lappen und akzeptiert. Irgendwie ist es ja kleinlich, aber ich freue mich doch, dass ich mich bei diesem hinterhältigen Hundeweib rächen kann. Soll sie ruhig noch ein Weilchen im Auto schmoren!

Ich blicke mich um.
Mann, habe ich einen Kohldampf! So ganz

ohne Frühstück, das ist nichts. Ich bestelle am Imbissstand Kaffee und Bockwurst mit Brötchen und Senf. Ich haben mein Loch im Bauch zugeschaufelt und ein Loch im Geldbeutel ausgehoben, stolze 7,50¤.
Als ich mir die Finger lecke und Zigaretten gekauft habe, fahre ich mit frischen Reifen in die Waschstraße und bin sehr zufrieden. Alles in einem Aufwasch! Sprichwörtlich. Etwas hinter die Kiemen geschmissen, neue Reifen und das Auto sieht nicht mehr aus, wie ein Müllkipper. Asta nervöselt, tanzt und hechelt mir vom Rücksitz aus den stinkenden, halb verdauten Atem vom Frühstücksaufschnitt ins Ohr.
„Ruhe, Asta!“
Ich steige aus, als ich in das Fließband der

Waschstraße eingefädelt bin und sehe mit Schadenfreude wie Astas Schnauze hinter dem Fenster von den schaumigen Riesenbürsten zugekleistert wird. Ich fachsimple noch mit einem verständnisvollen Angestellten über Schuhmacher und Ferrari, dann gehe ich zur Kasse. Das junge, adrette Mädchen, Herrin über die Kassentasten hört gar nicht auf alles Mögliche und Unmögliche einzutippen. Der Betrag verschlägt mir dann auch buchstäblich die Sprache. Mir bleibt die Luft weg. Emotionslos werde ich über die einzelnen Positionen aufgeklärt und der jugendlich straffe Busen der Kleinen mildert die Summe auch nicht. Ich bezahle mit Karte, Susis Karte! Es ja schließlich auch ihr Auto. Für denselben Betrag hätte ich mir eine neue

Golfausrüstung leisten können. Der Fiat erscheint wieder aus dem Tunnel. Fesch sieht es aus, das Tüt Tüt. Na also! Ich springe rein und Asta ist erstaunlich ruhig. Sehr merkwürdig. Nicht einmal begrüßt hat sie mich. Sie spielt also die beleidigte Leberwurst, weil ich sie in der Waschstraße bei klopfenden Bürstenlärm und donnernden Spritzfontänen allein gelassen habe. Soll sie doch!
Ich fahre zu der Staubsaugeranlage auf dem Tankstellengelände längsseits. Es mieft plötzlich fürchterlich. Vor lauter Freude hatte ich es nicht sogleich bemerkt. Es stinkt nach Kacke! Asta! Verdammt noch mal! Asta, dieses Ferkel! Sie wird an einen Pfosten angebunden und sie hat die Ohren vor lauter schlechtem Gewissen wie Kleiderbügel

hängen. Dann habe ich die Bescherung im Fußraum der Rückbank schnell gefunden. Ich rupfe Massen von Papier aus dem Behältnis in der Nähe. Die Scheiße ist warm, weich. Igitt, Igitt! Ich kaufe Teppichreiniger fürs Auto und noch drei Duftbäumchen (Allmählich wird es ein teurer Vormittag). Jedenfalls gelingt es mir den Schweinekram ziemlich gründlich zu beseitigen, dann denke ich nach.
Ich will ehrlich zu mir sein. Asta kann nicht wirklich etwas dafür! Warum bin ich auch nicht mit ihr spazieren gegangen, wie ich es eigentlich hätte tun sollen. Schuldbewusstes Herrchen und schuldbewusster Hund schauen sich tief in die Augenhöhlen. Ich signalisiere: Schwamm über die leidige Affäre. Erledigt!
Endlich können wir aufbrechen. Asta hüpft auf

den Beifahrersitz, bellt vergnüglich und erleichtert, versuch mir ins Gesicht zu lecken. Erst prüfe ich Susis Liste der Erledigungen, danach fahre ich los. Es ist gleißend und schon über 30 Grad warm. Die Fenster habe ich herunter gekurbelt. Asta hängt ihre Schnauze in den Wind, als wir auf dem Weg zum Optiker sind.
Jedenfalls bin ich dem Zeitplan weit voraus. War ja nicht anders zu erwarten.

Am See

Ha! Zum ersten Mal kein Problem mit dem Parkplatz. Gerade war ein Frauchen vor mir aus der Parkbucht herausgefahren und hatte eine Lücke hinterlassen, in die auch ein Omnibus hereingepasst hätte. Ich verrammle das Auto, weil ich Asta kenne. Von wegen aufpassen! Die würde einem Autodieb noch das Werkzeug reichen.
Ich betrete den Laden. Angenehme Kühle schlägt mir entgegen. Der Optiker legt ein schnöseliges, affektiertes Gebaren an den Tag. Er taxiert mich und ich habe Bedenken, dass er mir mangelnden Durchblick bescheinigen könnte. Er vertieft sich in das Rezept, das ich ihm aushändige und muss

leise vor mich hin grinsen. Bei seinen Eulenaugen hinter dicken Panzergläsern scheint er selbst sein bester Kunde zu sein. Außerdem hält er wahrscheinlich nicht allzu viel von Kontaktlinsen. Darauf scheint er nicht spezialisiert zu sein. Er strafft sich. Es kann losgehen.

Ich suche also unter seiner Aufsicht, des erfahrenen Fachmanns, ziellos unter der endlosen Vielfalt nach einem Gestell. Die winzigen Preisschilder auf den Bügeln kann ich nicht lesen. Wahrscheinlich ist das ebenfalls beabsichtigt. Ich finde Brillengestelle jeglicher Form:

Mit Scheibenwischern, an denen Elton John seine Freude gehabt hätte, genauso, wie welche in Herzform für Homos. Ich sollte ein

relativ großes Gestell nehmen, rät er mir, damit mein Gesicht mehr verdeckt, äh zur Geltung kommen könne. Das würde an meinem Erscheinungsbild noch etwas retten können. Am besten eine Hornbrille. Ich habe gerade eine in der Hand. Sie hat einen markanteren Rahmen, als die windigen, leichten Gestelle, bei denen Asta nur einmal niesen muss, damit sie perdü ist. Er ist wirklich ein tüchtiger Optiker und ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass er sich nicht nur von ästhetischen Richtlinien, sondern vor allem von rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten leiten lässt. Hilflos lasse ich mir alles aufschwätzen. Entspiegelt, duplex, selbsttönend, irgendetwas von UV usw. Er ist gewissenhaft und zielstrebig. Das ist mir recht,

denn zum zweiten Mal an diesem Tag schaue ich auf die Uhr. Es ist ein Kreuz, wie schnell die Zeit vergeht. Ich bin schon krass im Hintertreffen. So sage ich zu allem ja und Amen. Wieder kommt die Kreditkarte zum Einsatz. Susis Karte!

Der Mann ist auffallend nett zu mir und gibt mir noch einen Werbeprospekt über die neue Brille mit. Ich könnte sie in einer Woche abholen, versichert er mir, bis die Spezialgläser (die teuersten) angefertigt sind. Wegen des Nasenabstands und dem Konvexkrümmungszenit, oder so ähnlich, würde die Präzisionsfertigung länger dauern. Ich trete wieder in die Hitze hinaus. Die Ladentüre bimmelt mir hinterher.
Also, das ist auch erledigt.

Es geht vorwärts!
Und nun zum Supermarkt.
Toll, wie schnell alles von der Hand geht, wenn man organisatorisch bewandert ist.

Als ich zum Auto zurückkehre, hat sich um den Fiat ein wahrer Volksauflauf gebildet.
„Sind sie der Rohling?“, schallt es mir entgegen.

Ich blicke verständnislos in die Runde. Blitzende, hasserfüllte Augen versuchen mich zu erdolchen.
„Tierschänder!“
„Ich zeige sie an, sie Schweinehund!“
„Man sollte Gesetze erlassen, dass so jemand wie sie nie wieder ein Tier bekommt!“
Eine Passantin lamentiert.

„Sehen sie überhaupt, wie das Tier leidet?“

„Verantwortungsloser Drecksack“, ruft Einer unerkannt aus der Menge.
Ich mache die Wagentüre auf und gebe zu, dass es drinnen glühend heiß ist. Wabernde, unerträgliche Hitze schlägt mir entgegen.

Asta hechelt wie verrückt.

Ich kurble sämtliche Fenster herunter, in denen drohende, schüttelnde Fäuste erscheinen.

Nachdem ich mir auf dem Fahrersitz den Hintern verbrannt habe, mache ich, dass ich wegkomme.
„Haben sie das Kennzeichen“, höre ich jemanden schreien.
„Polizei! Anzeige, du Scheißkerl!“
Ich hinterlasse Gummi auf dem Asphalt und schneide wie ein Schwert durch die

aufgebrachten Tierschützer.

Ich bin entkommen. Asta kühlt sich am Fahrtwind. Und plötzlich kommt mir die Erleuchtung. Wir sollten zu einem Badesee fahren, denn auch ich schwitze erbärmlich, schwimme sozusagen im eigenen Sud. Asta kann nicht schwitzen, so wie ich und ich habe Mitleid und auch ein enorm schlechtes Gewissen.

Gesagt, getan.
Schließlich ist das mein freier Tag!
Ich biege ab und fahre Richtung Pampa. Den kleinen, etwas versteckt gelegenen See, kenne ich von früher und außerdem gibt es dort für die innere Abkühlung ein exzellentes Klosterbier.
Es ist herrlich! Ich liege auf der Wiese, sonne

mich. Asta war schon planschen und schnüffelt voller Jagdeifer im Schilf.

Auch mein Jagdeifer ist geweckt, als sich eine gut gebaute Blondine sich ganz lasziv in meiner Nähe niedergelassen hat. Sie bevorzugt nackten Oberkörper, zeigt mir ihren strammen Busen, ihre Beine und ich stelle fest, dass ich die Aussicht ausgesprochen anregend finde.

Zum Glück habe ich die coole, verspiegelte Sonnenbrille dabei. Da fällt es nicht so auf, wie ich mich an ihrem Anblick weide.

Den Ehering habe ich bereits abgestreift und den hellen Streifen werde ich schon irgendwie erklären können. Sie ist ausgesprochen knackig, jung. Jünger, als Susi, aber alt genug für ...

Na ja, lassen wir das (zumindest vorerst). Uncool ist allerdings, dass ich in Unterhosen auf der umfunktionierten Hundedecke daliege. Ich hatte schließlich nicht ahnen können, dass ich zum Baden fahre.
Blondie kichert, als sie es bemerkt und ich versprühe lächelnd Charme. Unkonventionell ist geil. Zum Glück bin ich kein spießiger Familienvater mit Hund, sondern ein jugendlicher Typ mit gestähltem Körper und einem tüchtigen Erfahrungsschatz. Also ganz einfach Einer, der weiß wo es lang geht. Lästig ist nur das Luft anhalten, um den Stau am mittleren Ring zu kaschieren.
Dabei ergreife ich die Gelegenheit ein gemeinsames Tässchen Kaffee

vorzuschlagen. Sie ist einverstanden, zieht sich ihr T-Shirt drüber, was meiner Meinung nach gar nicht nötig gewesen wäre. Geld habe ich mit dabei und Shorts habe ich noch im Kofferraum gefunden. Im zugehörigen Biergarten, direkt am See gelegen, halte ich mich an einem kühlen Pils fest, während sie in ihren entzückenden Mund Eiscreme hinein löffelt und an der Schaumkrone des Cappucino lutscht. Die Blätter der Bäume rascheln romantisch, die Kellnerin ist erfrischend und lebenslustig. Ich labere sauklug durch die Gegend, glaube witzig und unterhaltend zu sein, schäkere und fühle mich pudelwohl. So also sieht die Hausarbeit aus!
Wenn Susie wüsste! (genaugenommen ist es wichtig, dass sie nichts weiß. Wegen Blondie

könnte es Probleme geben!)
Das mit dem Hausmann war die Idee des Jahrhunderts! Ich bräuchte noch die Telefonnummer von dem Mädchen, während ich meine nicht hergeben kann, weil Susie mich erschlagen könnte, falls das Mädchen anrufen sollte. Jedenfalls bin ich sehr aufgeräumt und bestelle ein weiteres Pils. Man gönnt sich ja sonst nichts. Ich platziere meinen verwundeten Finger so in die pralle Sonne, dass sie ihn nicht übersehen kann. Sie soll erkennen, dass Rambo gegenüber mir nur ein Weichling ist.
Sie beginnt den Supermann auszufragen.
„Wie alt?“
„Was schätzen sie?“
Ich genieße es, dass ich normaler Weise für

erheblich jünger gehalten werde.
„Da bin ich vorsichtig“, sagt sie. „Ältere Semester sind da empfindlich.“
Ich versuche nicht eingeschnappt zu sein.
„Tja, das ist wie beim Wein. Der Reifegrad macht’s!“
Kurze Pause entsteht bei der ich das Gefühl habe, Blödsinn geschwätzt zu haben.
„Wieso schon vormittags am See?“
„Ach, ich kann mir immer frei nehmen. Ich bin mein eigener Herr und unabhängig“, antworte ich großkotzig.
Dann fragt sie genau.
„Sind sie nur zum Baden an den See gekommen? Und das ohne Badehose?“
„Ach wo, wissen sie, der Hund, dem war so heiß im Wagen und . . . !?!“

Ein elektrischer Schmerz fährt durch meinen Körper. Ein Sekundenbruchteil und ich bin bleich wie ein Laken.
Verfluchter Mist! Der Hund! Asta! Wo?
Vor lauter Lüsternheit und Gesabbere habe ich sie völlig vergessen. Ich springe wie von der Tarantel gestochen auf, schmeiße dabei den Tisch um. Das Bierglas zerschellt am Kiesboden und ihr Eis flatscht auf ihr T-Shirt und auf ihren Tanga.

Ich renne zur Wiese zurück. Entsetzliches, schrilles Geschrei und ein Koffer voller Flüche werden mir noch hinterher geworfen, aber ich kann darauf keine Rücksicht nehmen, habe nur noch brodelnde Verzweiflung in mir. Das Herz rast, die Adern kochen.
„Asta!“ Ich springe über Sonnenanbeter,

kreische durch die Gegend.
Asta ist und bleibt verschwunden. In mir bricht etwas zusammen. Den halben See habe ich abgegrast, mir die Zehen blutig gestoßen und wäre unter den schlingenden Schilfpflanzen fast ersoffen. Schließlich finde ich mich zusammen gesunken, wimmernd auf der Hundedecke wieder. Ich wünschte, ich hätte Zauberkräfte, einen einzigen Wunsch frei! Das würde genügen! Ein Aufpasser erscheint und tut wichtig.

„Wie heißen sie“, herrscht er mich an.
„Wendel. Günter Wendel.“
„Sie müssen noch zahlen! Ich soll ihnen vom Biergarten ausrichten, das da noch EINIGES offen ist“
„Ja, ja“, stöhne ich matt und greife 50¤ ab. Am

liebsten würde ich sie ihm in den Hals stopfen. Der Mann lässt den Schein in der ausgefransten Hosentasche verschwinden. Ob der Betrag vollständig im Biergarten ankommen wird, bezweifle ich. Er scheint nun Mitleid mit mir zu haben. Die große Summe in seiner Obhut macht mich offensichtlich wesentlich sympathischer.
„Haben sie Probleme?“, erkundigt er sich. Warum meinen nur alle, dass ich Probleme habe?

„Mein Hund ist weg. Einfach verschwunden!“
Ich muss irgendwie würgen. Das mag auch daran liegen, dass ich mir gerade vorstelle, wie mich Susi genüsslich erdrosselt und Karli mit seinem Geburtstagsgeschenk auf mich eindrischt. Man sollte keine Baseballschläger

zum Geburtstag verschenken.
„Haben sie es schon einmal da drüben versucht?“
Er zeigt auf eine Baumgruppe, die sich östlich auf einem Hügel befindet und eine nette Lichtung umrahmt. Auf grob gehauenen Holzbänken und Tischen machen dort mehrere Leute auf diesem Rastplatz Picknick. Ich folge seinem Arm und schleppe mich hin, weil es sowieso nichts ausmacht. Als ich endlich, japsend oben angekommen bin, was muss ich sehen?“
Asta lässt es sich gut gehen. Leckereien werden ihr zugeworfen. Sie schleckt sich die Lefzen, die Rute prügelt vor Vergnügen durch die Luft. Erst puste ich vor Erleichterung aus, dann glimmt animalischer Hass hoch, flackert

immer höher auf und explodiert schließlich.
Unmoralisches, treuloses Scheißvieh, elendiges! Bestechlich und egoistisch! Da macht man sich Sorgen und sie wälzt sich, wie im Schlaraffenland!
Die Leute merken, wie ich brodle. In meiner Verlegenheit kraule ich sie und grüße verschämt der Gruppe zu. Für sie scheine ich Luft zu sein.
„Sie sucht gerne Anschluss“, erkläre ich entschuldigend. Die Blicke der Herrschaften bleiben eisig. Ich rede Asta gut zu, lasse mich sogar zu einem Gurren hinreißen. Es fällt mir verdammt schwer, wie sie sich denken können.
„Komm, Mädchen, wir müssen gehen, leider“, füge ich falsch hinzu und zerre an ihrem

Halsband. Dabei überlege ich mir, was ich ihr antun kann. Sauber durch den Schredder lassen? Rösten, oder ertränken? Irgendetwas Furchtbares jedenfalls.Meinen Ruf als einen gediegenen, pflichtbewussten Menschen bin ich jedenfalls los.
Wir haben die Hundedecke wieder erreicht. Die Blondine wringt gerade ihr T-Shirt aus, der Busen ist blank gezogen, aber sicher nicht für mich. Sie ist beleidigt und rümpft angewiedert die Nase.

„Arschloch“, pfeffert sie mir verächtlich entgegen.
Ich beschließe daher den gesammelten Rückzug. Am liebsten würde ich Asta eine gehörige Ohrfeige herüber schnalzen lassen. Ich muss die Nacht abwarten und dann werde

ich sie in einem verlassenen Waldstück genüsslich um die Ecke bringen. Mir mein Techtelmechtel derart zu versauen. Ich bin einfach grantig. Sauer auf sie und sauer auf mich selbst, weil ich mich nicht um den Hund gekümmert habe. Mir fehlt nur noch ein besserwisserischer Tierschützer, das altklug daher schwatzt und irgendetwas von fehlendem Verantwortungsbewusstsein von sich lässt. Her mit ihm! Wenigstens ihn kann ich ohne Gewissensbisse umbringen und mich so abreagieren. Ich habe von diesen Tierschützern die Nase gestrichen voll.
Das abgrundtief schlechte Wesen freut sich, zittert und kläfft vor Vergnügen. Mir kommt die Galle hoch. Ich versuche einen Rüden nachzuahmen und kläffe Asta hassgetrieben

entgegen. Ich muss zugeben, dass ich ein wenig derangiert bin. Kopfschüttelnd schleichen ein paar Passanten vorbei. Sie wollen offensichtlich ein Zusammentreffen mit einem Irren vermeiden. Einer schaut mich an und bohrt mit dem Zeigefinger an der Stirn.
Schließlich habe ich mich wieder gesammelt, sowie auch Asta und den Kleinkram. Die nicht mehr auffindbare, beschissene Sonnenbrille ist mir Wurst. Verspiegelt ist sowieso affig und brauchen tue ich sie auch nicht mehr. Wem soll ich denn noch imponieren?
Ab durch die Mitte ist die Devise. Scheiß Sonne, Scheißvieh, Scheißtag!
Der Fiat kriegt auch etwas von meinem Zorn ab. Die Türen haue ich zu, werfe krachend und männlich den Gang rein und starte mit

durchgedrehten Hinterrädern los. Schließlich reiße ich mich zusammen und reduziere wieder die Gaszufuhr.
„Nichts mehr in der Hose, Alter, was! Verwesi muss am Gas spielen“, kläfft mir ein Irokese röhrend entgegen. Ich beiße auf die Lippen, bis sie anfangen zu bluten.

Karli

Trotz der Hitze überfällt mich plötzlich ein Kälteschauer, als sich mein Blick an der digitalen Uhrenanzeige festsaugt. Wenn ich jetzt das Letzte aus der Mistkarre heraushole, dann kann ich gerade noch rechtzeitig zur Schule kommen, um Karli abzuholen.
Die Knöchel am Lenkrad kneten, während Asta mich andauernd mit ihrer Schnauze am Hinterkopf anstößt. Sie ist aufgeregt, überdreht und bis zum Wahnsinn lästig. Ich raste noch aus! Es hilft nichts, dass ich immer wieder mit der Hand nach hinten schlage.
Endlich bin ich aus dem Seitenweg heraus und auf der Landstraße.

Nun gilt es zu heizen. Im nächsten Ort bin ich

schon in der Nähe der Schule.
An der Kreuzung wird die Ampel gelbrot. Mit quietschenden Reifen rase ich um die Kurve, nur damit ich in die Eisen treten muss, um nicht in den Kofferraum des nächsten Autos zu landen. Ich schaffe es gerade noch. Schweißtropfen rinnen mir seitlich am Augenwinkel vorbei. Der Wagen vor mir, dieser Superidiot von Fahrer, bremst ab und bleibt stehen. Die Fahrertüre geht auf und einer der beiden Saftsäcke steigt aus. Der Typ kommt auf mich zu. Endlich kann ich diesem Profiarschloch ordentlich die Meinung geigen. Ich reiße die Türe auf, hole tief Atem, um ihn gehörig anzubrüllen, als ich die Polizeimarke gerade noch rechtzeitig erkenne. Nur noch ein sanftes Lüftchen entweicht meiner Lunge.

"Zivilstreife, wie wäre es mit den Papieren, bitte?“
Das Bitte hätte er sich sparen können. Es betont nur sein satanisches Lächeln. Er trieft nur so vor lauter Überheblichkeit. Zivilbullen also. Ich nestle herum, während die blöde Asta sich auf die neue Bekanntschaft zu freuen scheint. Der Kerl prüft und ich bin stinksauer.
„Gefällt ihnen das Bild“, frage ich frech, weil ich sonst platzen würde.
Er geht nicht darauf ein, sondern nölt.
„Wissen sie, was sie getan haben?“
„Was soll ich schon getan haben? Ich bin um die Kurve gefahren. Na und?“
„Ja, richtig, aber bei rot! Und das noch mit viel zu hoher Geschwindigkeit!“

„Aber nein! Es war eindeutig gelb“, erkläre ich. Dann erzähle ich ihm mit Blick auf die Uhr alles mögliche, von Anfang an, weitschweifend. Wie Karli geboren wurde, wie er wahrscheinlich hilflos im Trubel des Schulhofes untergeht. Wie das arme Kind verdroschen wird und wie nur der überlebenswichtige, ruhende Pol des Vaters ihn vor einem psychischen Dachschaden bewahren kann.
Der Wachtmeister hört sich diesen Sermon mit ätzender Langeweile an und nickt dauernd mit seinem Haupt, wie wenn er es mit einem aus dem Irrenhaus Entflohenen zu tun hätte. Ich plappere unaufhörlich weiter, während er unbeirrt kritzelt. Eher könnte ich Zitronensaft aus einem Granitblock heraus pressen. Er

überreicht mir das Geschreibsel.
„Ich mahne sie hiermit ab. Sie können von Glück sagen, dass ich ihnen kein grob fahrlässiges Verhalten unterstelle.“
Ich bin voll Dankbarkeit. Hauptsache, es ist erledigt. Hauptsache ich kann gleich weiter fahren.
Er betont noch, was er für ein sanftes Gemüt hätte. Bei diesem Wetter sei er ausnahmsweise gut gelaunt und wie viele Augen samt Hühneraugen er zudrücken würde, damit er keine Meldung nach Flensburg machen müsste.
Ich grinse verkrampft.
"Das nächste Mal können sie mit einer Strafanzeige rechnen.“
Es schein vorbei zu sein, denn der Polizist

schreitet zu seiner Schleuder zurück. Im großen und Ganzen habe ich wohl noch Glück gehabt. Wenn der mir die rote Ampel hätte beweisen können (ich betone sie war dunkelgelb), hätte ich nichts mehr zu lachen gehabt.
Später sagte man mir, dass noch niemand ein solches Dusel gehabt hat, wie ich. Der Gute hätte mehr als zwei Augen zugedrückt.


Ich zittere mit dem Auto weiter. Fast stockt der Motor, so sanft gleite ich, bis ich außer Sichtweise bin. Jetzt ist es amtlich! Ich kann nicht mehr rechtzeitig zur Schule kommen.
Die Reifen hinterlassen Streifen, als ich vor dem Schulhof bremse und Asta sich ihre vorlaute Schnauze an dem Vordersitz

anschlägt. Ich entschuldige mich bei ihr und renne los.
Karli steht völlig allein und verlassen auf dem leeren Schulgelände. Die anderen Kinder sind wahrscheinlich längst zu Hause an den Futtertrögen. Er wirkt fast fehl am Platze, so mitten am Hof. Er wankt etwas und sieht einfach verboten aus. Ein geschwollenes Auge, verdickte Lippen, das Hemd zerrissen und der Schulranzen weist Kratzspuren auf und ist verbeult.
„Hi, Paps“, näselt er mit leuchtenden Augen. Ich umarme ihn. Emotionsgeladen überkommen mich väterliche Beschützerinstinkte.
„Wird schon wieder, Sohnemann“, krächze ich.

Er kann nur reichlich schief mit seiner geschwollenen Gesichtshälfte zu mir hoch gucken.
„Du musst erst mal den Anderen sehen“, bringt er zwischen den verbogenen Zähnen hervor.
Echter Stolz durchflutet mich. Ich packe den Ramsch zusammen und führe meinen Kriegshelden bei seiner geschwollenen Hand.
„Gut gemacht“, flüstere ich ihm mit vibrierender Stimme aufmunternd zu.
Ich komme mir vor, als ob ich persönlich Muhamad Ali eins aufs vorlaute Maul gegeben hätte. Mein Supersohn hat also irgend so eine „Ratte“ alle gemacht. Ich klopfe dem Sieger vorsichtig auf die Schulter, weil ich ja nicht weiß, ob sie verletzt ist. Mit ehrlichen,

glänzenden Augen betrachte ich meine genetische Erbschaft. Qualität setzt sich eben durch.
Nun erst einmal zum Onkel Doc.
Der Fiat transportiert uns zum nächsten Krankenhaus. Ich kann lamentieren, wie ich will. Auch dass es um Leben und Tod geht, beeindruckt die Schwester bei der Anmeldung keineswegs. Zuallererst sind 10 ¤ wichtig. Wahrscheinlich kann jemand mit spritzender Halsschlagader verbluten, wenn er nicht 10 ¤ parat hat.
Wir müssen, wie all die anderen warten. Endlich, endlich sind wir dran. Der Arzt stößt mich zurück, obwohl ich ihm eindringlich zu erklären versuche, welche schweren Verletzungen mein Sohn hat.

„Sie warten draußen!“
Es dauerte lange. Schließlich taucht Karli putzmunter wieder auf. Mehrere Pflaster und ein weißer Verband zieren ihn.
„Die Schwester hat mir Gummibärchen geschenkt“, berichtet er stolz.
Alle, alle werden bestochen! Erst Asta am Rastplatz, jetzt Karli. Nur ich nicht! Nein, mir drückt man eine gepfefferte Abrechnung in die Hand, die ich bei irgendeiner Krankenkasse einreichen soll. Was weiß ich, was für eine Kasse? Ich stopfe den Zettel verärgert irgendwohin. Das soll Susi erledigen, morgen. Die kann so etwas. Was habe ich damit zu tun?
„Na? Wie wär’s, großer Häuptling? Wollen wir essen gehen? Danach ein großes Eis?“

Der Häuptling entreißt mir den Autoschlüssel und rast los. Von einer Verletzung ist gar nichts, aber auch wirklich gar nichts mehr zu bemerken.
„Ich hole nur schnell Asta“, ruft Karli noch über die Schulter und ich lächle, weil ich ein so lieber Papi bin.
Das Problem irgendetwas kochen zu müssen, kann ich auch abhaken. Außerdem ist damit Zeit gespart.
Mein Lächeln zerfällt urplötzlich. Die ganze, lange Zeit war Asta im Auto. Und das bei dieser Hitze! Wir konnten sie ja schlecht ins Krankenheus mitnehmen. Hoffentlich ist nichts passiert. Aber da kommt Karli mit Asta an der Leine zurück. Und übergibt mir den

Autoschlüssel.
„Du hast das Fenster offen gelassen, Bester!“ „Wie? Ach so, äh..“
„Ich habe es wieder zu gemacht und abgeschlossen.“
Asta ist zumindest brav im Auto sitzen geblieben. Nicht auszudenken, wenn...
„Können wir“, überspiele ich.
Herr, Sohn und Hund beschließen eine Pizzeria zu überfallen. Es wird eifrig bestellt und Asta bekommt ein Napf mit Wasser, über den sie gierig herfällt. Sie kriegt noch einige Fleischreste aus der Küche, dann erst bekommen wir unsere Pizza.
Der Hund muss irgendein unsichtbares Schild bei sich tragen: „Bitte bevorzugt behandeln!“
Sie kriegt ihre Streicheleinheiten, sie wird von

Zuneigung überhäuft. Dabei bräuchte ich Zuwendung. Der Vormittag hätte durchaus etwas freundlicher verlaufen können.
Natürlich waren Karli’s Augen größer, als sein Magen und ich bemerke, wie immer wieder ein Stückchen so nebenbei und vor allem heimlich auf den Boden fällt. Asta saugt auf. Ich blicke darüber hinweg. Wie kann man nur so verfressen sein? Die Pizza hat Sohnemann nicht geschafft, aber beim Eis hat Karli dann keine Probleme mehr. Ich schaue so nebenbei auf die Uhr. Das hätte ich nicht tun sollen!
„Zahlen!“, schreie ich hektisch. Das Bargeld, so weiß ich, reicht nicht mehr. Wieder einmal muss die Kreditkarte herhalten. Langsam wird das zur Unart.
Der Kellner kehrt zurück und macht ein

verlegenes Gesicht und zieht einen Flunsch.
„Es gibt da ein Problem“, beginnt er. „Die Karte funktioniert nicht.“
„Nicht möglich“, entfährt es mir ärgerlich.
„Leider doch!“
Mir ist es peinlich. Was tun? Ich blicke wieder auf die Uhr. Diesmal bin ich froh, dass es schon nach zwei Uhr Nachmittags geworden ist, denn nun haben die Banken wieder geöffnet.
„Du bleibst hier“, sage ich und zu dem Kellner gewandt:
„Er kann sich noch ein Eis bestellen“
Der Kellner lächelt und gibt sein Einverständnis, dann spurte ich los.
Ich persönlich hätte einen verbeulten, ramponierten Dreikäsehoch und ein

verfressenes Untier niemals als Pfand akzeptiert, aber ich bin ja auch ein gewiefter Manager und kein Kellner.
Auf der Bank klärt man mich auf.
„Herr Wendel, sie haben doch extra die Kreditkarte begrenzt.“ Der Mann mit dem karierten Sommersakko beugt sich vor und haucht.
„Es ist doch die Karte ihrer Frau. Ich hab’s bei meiner genauso gemacht. Wegen Shopping!“ Er blinzelt verschwörerisch. Meine Unterschrift wird akzeptiert und das Knistern von Euro Scheinen hat was. Ich habe vorsichtshalber großzügig abgehoben!

Karli und Asta werden ausgelöst und das Geld erheblich weniger, weil zusätzlich zwei

Bananensplitt auf der Rechnung erschienen waren.
Zurück im Auto verbrenne ich mir das Hinterteil erneut am heißen Sitz und der Fiat macht natürlich wieder Mätzchen. Er springt partout nicht an. An der Batterie kann es nicht liegen.
„Scheißkarre!“
Ein Glück, dass Susi nicht da ist. So bleibt mir der vorwurfsvolle Blick erspart und das gebieterische: „du sollst nicht fluchen, vor dem Kind!“
„Papi, schau mal! Der Tank ist leer.“
„Blödsinn! Karli, du weißt genau, wie Mami ist. Glaubst du ich hätte das nicht bedacht? Deshalb war dein kluger Papi heute früh extra bei der Tankstelle und...“

Dann verstumme ich. Vor lauter hin und her habe ich ganz vergessen zu tanken.
Betretene Pause!
Der Zeiger am Amaturenbrett ruht sich erschöpt im dunkelroten Bereich aus. Karli prustet idiotisch vor lauter Lachen, Asta kläfft dazu und ich fahre gleich aus der Haut.
Ich klopfe auf die Tankanzeige. Es soll bei so alten Mühlen schon Wunder bewirkt haben, aber nichts tut sich. Daneben gibt es noch die Uhr. Die Scheißuhr im Auto, die funktioniert natürlich.
Es ist kurz nach Zwei! Was tun? Alles noch offen: Einkaufen, Wäsche aufhängen, Küche wischen, Bad putzen. Es ist einfach zum reiern! Fast könnten mir die Tränen kommen. Obendrein muss ich noch an Karli’s

verwüstetes Zimmer denken. Irgendwie habe ich das aufkeimende Gefühl nicht mehr der Dirigent zu sein, sondern ein Spielball der Unwägbarkeiten.
Ich bin zu Tode erschrocken, als das Telefon bimmelt. Das Handy! Ich weiß haargenau, dass es die Chefin ist. Kontrollanruf!
„Hier Wendel!“ Ich tue, als ob ich von nichts wüsste.
„Ach Schatz, Biene, du bist es!“
Hoffentlich habe ich überrascht genug gewirkt. Das Kosewort Biene kann auf jeden Fall nichts schaden.
„Nein, nein! Alles locker! ..Wie?
Ja, alles paletti.
Der Racker?
Ja, der sitzt gerade quietschfidel neben mir.

Es geht ihm prächtig!“
Ich versuche die Bandagen zu übersehen.
„Hi, Mams“, ruft Karli durch das Auto und Asta kläfft.
„Was? Ach so, ja, Dr. Pelzig. Ich bin praktisch schon auf dem Weg.“
Dann füge ich noch hinzu.
„Du hast sowieso Schwein gehabt, dass du mich noch erwischt. Du weißt ja. Im Golfclub, da lieben sie keine Handy’s.“
„Wie?“
„Nein, ich komme nicht soo spät. Auf die Dauer ist Dr. Pelzig langweilig.“
Ich höre ein Weilchen zu.
„WAS! Ich schreie. „FRÜHER! Wieso kommst du früher?“
„Wie? Äh.., ja..., nein.“


Sie hat aufgelegt. Da war nichts mehr zu machen. Um fünf Uhr schon will sie zurückkommen und natürlich alles begutachten. Dann wird das Urteil über mich gefällt. Hilfe! Ich krakele und fluche, dass der Fiat erzittert. Der Hund versteckt sich. Der Sohn lächelt verschmitzt, wissend, und bodenlos frech. Der Mistkerl ist sich völlig im Klaren darüber, dass ich mich in Schwierigkeiten befinde.
„Pass bloß auf, dass du keine Schelle einfängst“, kreische ich.
Ein rehfarbendes, blau angelaufenes Auge blickt mich verängstigt an.
Ich schmelze.
„War nicht so gemeint“.


Es kam knirschend durch die Zähne und ich bin etwas verlegen.
So ein Blödsinn! Vor meinem eigenen Sohn verlegen sein.
So tief bin ich gesunken.

Trautes Heim

„Und was ist mit Mami’s Auto?“
Logisch denkende Kinder können unheimlich auf den Keks gehen. Sie nerven unendlich.
„Ist egal“, schmeiße ich mich aus der Türe.
Zu dritt warten wir am Straßenrand. Immer wieder springt mir mein Handgelenk vor das Gesicht. Es ist mit einer übergroßen Uhr bewaffnet, deren Zeiger mich gnadenlos verhöhnen. Und jedes Mal bohrt sich das Ziffernblatt in mein Gehirn hinein. Am liebsten würde ich die Zeiger zertrümmern, damit sie endlich stehen bleiben. Verdammte Taxis! Alle möglichen Autos rauschen vorbei, nur keine Taxis. Es ist zum verzweifeln. Ich hasse mein Gehirn, denn es meldet nun halb drei.

Jetzt verwandle ich mich. Ein Tobsüchtiger, von Wahnsinn infizierter Idiot, trampelt mitten auf der Straße und rudert mit den Armen, wie ein Verdurstender auf einer einsamen Insel, der am Horizont ein Schiff entdeckt.
Das Taxi hält. Wir springen hinein.
„Bohlenweg 12“, rufe ich. „Bitte, bitte, schnell! Ist auch etwas extra für sie drin! Es geht um Leben und Tod!“
Es ist schon merkwürdig, dass es an diesem vermaledeiten Tag andauernd um Leben und Tod geht.
Wir sind angekommen. Ich wäre im Rückwärtsgang schneller da gewesen, dessen bin ich mir sicher. Trotzdem, es ist noch nicht alles verloren. Alles unter Kontrolle! Es ist erst 14 Uhr 58 Minuten. Noch weit über zwei

Stunden Zeit. Na ja, genaugenommen ein Fitzelchen über zwei Stunden.
„Karli!“ Der Hauptfeldwebel, die Mutter der Kompanie befiehlt.
„Zimmer aufräumen! Schmeiß das Zeug meinetwegen irgendwo hin, Hauptsache es sieht im Zimmer ordentlich aus, wie im Krankenhaus.“
Mir fällt auf die Schnelle im Augenblick kein dümmerer Vergleich ein.
„Mein Arm“, bemerkt er.
„Kriegst du schon hin.“
Wen interessiert schon ein lädierter Arm, wenn es um Höheres geht. Karli gehorcht, während ich in den Keller fliege und der völlig überflüssige Hund hinter mir her trappelt.


Der Keller hat sich in einen See verwandelt. Ich erinnere mich an Fernsehbilder aus Überschwemmungsgebieten in Hinterindien. Nass, schlammig, mit spärlichem Sumpfgras. Ein paar Utensilien treiben auf der Oberfläche. Es müssen die ärmlichen Überreste einer untergegangenen Freibeuterkaravelle sein. Ein Berg aus Schaum, wie der Mount Everest geformt, türmt sich in der Ecke auf, in der ursprünglich das Waschmittel gestanden hatte.
Ich klatsche in die Fluten, weil meine Beine ihren Dienst versagen und der saudumme Hund springt ebenfalls in den See. Asta will spielen.
Ich gestehe es. Ich weine. Auf die paar Tropfen kommt es nun auch nicht mehr an.

Dann wate ich benommen und auf allen Vieren in Richtung Waschmaschine. Durch das Glas der Trommel entdecke ich meinen geliebten Shetland-Pullover, der in einem weichen, schwulen rose´ schimmert. Der Pulli ist fix und fertig, so wie ich auch. Die Pulloverhaare bilden einen Afrolook, meine pappen in der Stirn.
Ich stapfe mit schmatzenden Schuhen wieder nach oben. Die ganze Welt kann mich mal. Ich will gerade die Feuerwehr verständigen, als mir das Gebimmel des Telefons zuvor kommt.
„Wo bleibt du denn, Günter“, schnauzt Dr. Pelzig durch die Leitung.
"Mach mal, dass du in die Gänge kommst, alter Schwerenöter! Schwing die Keulen! Nimm den 3er!“ Er meint den Golfschläger,

den Driver aus Holz für lange Distanzen (heutzutage aus Legierungen bestehend). Langsam, sozusagen in Zeitlupe, hängt die nasse Hand den Hörer wieder ein und lässt das alberne Gekichere aus der Muschel verstummen.
Ich wähle. Die Feuerwehr will gleich kommen.
Ich lasse mich in der Küche auf einen Stuhl sinken.

Ich sacke ab und bin sehr still. Ein gebrochener Mann sitzt wie ein Häufchen Elend in der Ecke. Rot geränderte Augen, die traurig vor sich hin stieren, beobachten interessiert wie wohlgeordnet ein Abtransport von Zucker vonstatten gehen kann. Das nennt man perfektes Prozessengeneering, denke ich mit Anerkennung. Das sollte sich die Firma

zum Vorbild machen! Eine ganze Weile bannt mich die Geschäftigkeit der kleinen Malocher. Die Ingenieure haben mehrere Autobahnen gebaut. Sie sind stark befahren. Das Ameisenvolk ist nämlich nicht nur immens fleißig, sondern vor allem: ZAHLREICH!
Die Haustüre bimmelt. Ich öffne.
„Unten“, sage ich nur zu dem behelmten Einsatzkommando, das für einen Katastrophenfall gewappnet scheint.
Schwere Stiefel rattern in den Keller. Es sind sechs kräftige Männer. Sie haben schwere Monturen an und Druckflaschen auf dem Rücken.
Ich verziehe mich wieder in die Küche. Was soll ich schon mit diesen martialischen Machos anfangen. Ich kann allenfalls im Wege

stehen und vielleicht zu Tode getrampelt werden.
Ich will einfach nur allein sein, mich dem Elend hingeben.
Schließlich gebe ich mir doch einen Ruck. Es gilt sich zusammen reißen und ich versuche mich zu straffen. Noch ist nicht alles verloren, rede ich mir ein. Ich bin angeschlagen, aber noch nicht Knock Out. Tatsächlich fingere ich Susi’s "to do" Liste hervor und versuche dann systematisch vorzugehen.
Also: Erstens, gewaschen habe ich! Wenn die Feuerwehr wieder weg ist, kann ich die schwule Wäsche aufhängen. Das ist zu deichseln.
Zweitens, die Küche! Leider schwimmen die rosaroten Geschirrtücher unter Wasser im

Keller, oder sie sind noch in der Waschmaschine, die ebenfalls unter Wasser steht. Denen ist eh nicht mehr zu helfen. Vielleicht könnte ich ein Aquarium aufmachen.
„Zum planschenden Hund“.
Aber nach und nach. Erst einmal abräumen. Das kannst du gleich tun, Günter. Also wird die Geschirrspülmaschine gefüttert und ich kann sie ohne Schwierigkeiten anwerfen. Wasser scheint in diesem Haushalt wirklich kein Problem darzustellen. Die Tischdecke werfe ich in den Gang. Dort macht sie sich gut auf dem verschmierten Untergrund, den das Kommando produziert hat. Wenn die Feuerwehrasseln im Keller mit dem Absaugen fertig sind, kann ich sie in die Schmutzwäsche

geben. Ich werde sie irgendwie in den Korb hereinwühlen, so dass es nicht besonders auffällt. Da erinnere ich mich plötzlich, dass der Korb nicht einmal geschwommen ist. Er war wie eine Schatztruhe versenkt, am Grunde festgenagelt. Nur die Wäsche wiegte sich im Wellenschlag. Man muss also abwarten, wie der Zustand im Keller nach dem Noteinsatz der Feuerwehr aussieht.
Drittens Küche wischen. Die Zuckerkristalle müssen verschwinden und vor allem die Ameisen. Susi würde ansonsten einen Anfall von schwarzer Gelbsucht bekommen. Schrubber und Lappen sind schnell gefunden. Auch einen Eimer zerre ich hervor. Mit Wasser

auffüllen und Spülmittel rein ist Eines. Ich freue mich schon darauf die Viecher in

Günters selbstgemachter Sinnflut zu ertränken. Es geht schließlich um meinen Zucker! Es sind schon unter viel geringeren Anlässen Kriege geführt worden.
Wasser! Schon wieder Wasser!
Ich werde noch verrückt.
Ein Feuerwehrmann betritt die Küche und ich stehe da, mit Eimer, Schrubber und Küchenschürze. Ich gebe eine beeindruckend lächerliche Erscheinung ab. Erst versucht der Mann ernst zu bleiben, dann springt ihm ein höhnisches Lächeln in das Gesicht.
„Ameisen, wie?“, zeigt er auf den Boden.
Dann fällt sein Blick auf meine Ausrüstung.
„Das da hilft nichts! Da brauchen sie einen Kammerjäger, sonst werden sie die Viecher nie wieder los.“ Kurze Pause, in der ich blöde

und tatenlos mit dem Schrubber als Standarte herum stehe.
„Soll ich ihnen einen besorgen?“
„Bitte“, wispere ich.
„Okay, wir rufen jemanden über Funk. Übrigens, wir müssen über die Diele absaugen. Anders geht es nicht. Wir sind schon mit den Schläuchen vorsichtig. In ihrem Fall setzen wir einen Flachsauger ein, Schlürfbetrieb. Der ist gründlich und am Schluss ist praktisch alles raus“
„Ja, ja, schon gut.“
Es bimmelt an der Haustüre.
Wer kann das sein?
Ich gehe nachsehen, stolpere über einen dicken Schlauch, der sich wie eine fette Schlange durch die Diele windet und schaue

durch die offene Türe. Im Hintergrund erblicke ich draußen ein Monster von Feuerwehr-Lkw. Sein Motor läuft und die Absaugpumpe dröhnt geschäftig. Ich komme mir reichlich komisch vor, so mit Schrubber und Schürze, als ich Frau Süßmann, unserer Nachbarin, ins Auge blicke. Sie ist ganz aufgelöst.
„Herr Wendel! Mein Gott, was ist denn passiert?“
„Ach, irgend so ein Wasserrohrbruch“, tue ich ab, als ob so ein Wasserrohrbruch praktisch jeden Tag passieren würde und das Normalste von der Welt sei.
„Ich bewundere sie! Wie sie das alles so wegstecken.“
Sie schaut neugierig in den Flur.
Wenn die wüsste, was ich im Augenblick für

ein Wrack bin.
„Kann ich irgendwie helfen“, meint sie mitleidig, nachdem sie das Chaos im Eingangsbereich analysiert hatte.
„Meine liebe Frau Süßmann. Das ist ja ganz reizend von ihnen, aber es ist ja gar nichts. Nichts, was der Rede wert wäre!“
Das stimmt natürlich nicht, weil Feuerwehr eingetroffen ist, weil ich mit Schürze und Schrubber auch nicht so toll aussehe, und weil selbst Asta’s Fell etwas nass und ungepflegt ausschaut. Ganz abgesehen davon, dass die Begonien im Vorgarten nicht mehr zu retten sind und Schläuche sich durch das durchweichte Gras wälzen! Mir fällt es daher schwer es leicht und unbeschwert über die Lippen zu bringen.

„Es ist ja gar nichts. Alles unter Kontrolle.“
Die Männer haben ohne mich zu fragen sämtliche Beete dem Erdboden gleich gemacht. Richtig zermanscht. Aus den Zufluss-, Abflussrohren sprudelt Wasser und verwandelt den Vorgarten in eine Tundra ohne Permafrost.Der Boden der Diele erinnert an einen Schützengraben und mir ist zum heulen zumute.
Draußen landet ein Range Rover im Matsch, hinterlässt eine grobe Profilschneise, und ein Mann mit kariertem Hemd, Blue Jeans und Köfferchen klettert aus dem Dschungelmobil. Frau Süßmann und ich recken die Hälse.
„Bin ich hier richtig bei Wendel?“ Frau Süßmann nickt heftig.

„Mein Name ist Dietrich,

Arachneus Dietrich!“
„Wie interessant“, sage ich, „hat das irgendwie mit der lateinischen Bezeichnung für Spinnen zu tun? Arachne?“
„Freilich“, bestätigt Dietrich aufgeräumt“, aber das hatte mit meinem Vater zu tun. Der war spezialisiert auf Spinnen.“
„Sie nicht?“
„Schon, aber wir haben unser Geschäft erweitert. Jetzt rücken wir all diesen lästigen Viechern zu Leibe. Ich habe sogar schon einen neuen Firmennamen und einen neuen Slogan. Nicht mehr: Geziefer hier, Geziefer da, kein Problem, denn Dietrich war da.

.
Das klingt doch irgendwie abgeschmackt und veraltet. Finden sie nicht?“

Süßmann und ich stehen beide recht ratlos da und ich entziffere den Aufdruck an der Seite des Unimog: „Schabendietrich knackt alles!
Wir nicken vorsichtshalber.
„Jetzt dachte ich mir, dass folgendes viel besser klingt:
"Sind Sie in Not, Dietrich macht sie alle tot!"

Sie müssen sich natürlich noch so 'ne Schabe als Bild drüber vorstellen. Sonst könnte man das ja missverstehen“, kichert er.
Der schief geworfene Kopf wartet auf Bestätigung.
Frau Süßmann entschuldigt sich daraufhin, weil die Hausarbeit angeblich rufen würde. Sie hätte zu tun. Das hat sie aber nicht abgehalten neugierig hier aufzutauchen. Außerdem beobachte ich, wie sie sich zu kratzen anfängt.

Das andauernde Krabbelthema tut ihr nicht gut. Dietrich hat es geschafft diese Schnattergans, das Schandmaul zu vertreiben. Ich wäre nicht dazu in der Lage gewesen. Es ist schwer Frau Süßmann los zu werden, wenn ihre Neugier erst aufgeblüht ist.
„Sie sollen da ein Problem haben“, fängt Dietrich an.
Ich bitte den Kammerjäger hinein. Die Türen sind sowieso alle offen wegen der Schläuche. Und siehe da, das nutzt Süßmann, denn sie will das Desaster genauer in Augenschein nehmen. Schon ist sie wieder mit von der Partie. Was soll’s!
„Wo sind denn meine Schätzchen“, fragt Dietrich.
Ich gehe wortlos in die Küche und zeige auf

die florierende Zuckertransportgesellschaft. Sie scheinen in ihrem Tagespensum flott vorangekommen zu sein. Der Zucker am Boden ist fast nicht mehr auszumachen, weil die schwarzen Chitinpanzer der fleißigen Kerle inzwischen alles überdecken. Frau Süßmann im Hintergrund hat die Ruhe weg. Sie betrachtet das Unglück mit großem Interesse. Zum Schein entfährt ihr ein „Ach, Gott!“
Es ist ja nicht ihre Küche.
„Prost Malzeit“, meint Killerdietrich, dann hüpft er vor Freude.
„Gucken sie doch! Die erste Schabe hat sich eingefunden!“
Meine Begeisterung hält sich verständlicher Weise in Grenzen.
„Und?“

„Wenn die erst mal auftauchen, dann sieht’s schlimm aus. Die sind die Hartnäckigsten!“
„Und da freuen sie sich“, fragt Süßmann ungläubig.
Dietrich grinst: „Ich liebe Herausforderungen.“
Ich weiß nicht, ob mir der Herr Dietrich wirklich sympathisch ist.
„Dann wollen wir mal“, beschließt Schabendietrich.
Er öffnet seinen Chemiekasten, in dem er alle möglichen Reagenzgläser in Schaumstoffbetten liegen. Jedes Röhrchen, jedes Döschen hat einen gelben Aufkleber, der einen Totenkopf darstellt. Es sind auch rote Totenköpfe auszumachen.
„Also denn! Pussi! Pussi, ihr kleinen Lieblinge. Schön fressi, fressi machen!“

Einfach ein fürsorglicher, gütiger Mensch, dieser Dietrich.
Ein weiterer Feuerwehrmann betritt mit dreckverkrusteten Stiefeln die Küche, während der Krabbelkiller Pulver über den Küchenboden ausbringt.
„Es war die Waschmaschine“, erklärt der Feuerteufel.
Was hätte es denn sonst sein können! Vielleicht durch Regenguss bei dieser Bruthitze?
„Wieso das denn“, frage ich trotzdem.
„Haben sie den Filter nachgesehen?“
„Nee, wie kommen sie denn darauf? Welchen Filter überhaupt?“
„Wie? Das wissen sie nicht“, prustet Frau Süßmann heraus. Sie hält mich eindeutig für

einen Waschmaschinenidioten.
"Ja, hinten bei der Waschmaschine ist doch alles angeschrieben“, belehrt der Einsatzexperte.
„Wenn der Filter verstopft ist, dann ist das ja kein Wunder. Dann baut sich Überdruck auf. Der Schlauch kann platzen, oder er löst sich vom Anschluss und schon haben sie die Bescherung! Dann haben sie den Dreck. Für solche Fälle gibt es ein Sicherheitsventil, aber das haben sie nicht. Ich weiß nicht, was die Versicherung dazu sagt. Ich würde meinen, dass sie den Einsatz selber zahlen müssen. Sie können es ja bei der Versicherung versuchen.“
Dass ein Feuerwehrmann derart viel über Waschmaschinen weis, das erstaunt mich.

Er hat noch eine gute Nachricht zu verkünden.
„Wir hätten es dann“, sagt er und legt mir eine Rechnung zur Unterschrift vor. Unterschrift ist wichtig. Rechnung ist wichtig. Zahlen ist wichtig! Ich unterschreibe also und der Mann macht die Fliege. Auch die anderen Bergarbeiter subtrahieren sich und rücken ab.
Ein Blick in die Diele und auf das Gelände genügt.
„Mein Gott! Was wird ihre Frau dazu sagen?“
Sie schüttelt den Kopf.
„In ihrer Haut möchte ich nicht stecken!“
Von irgendwoher bimmelt es erneut und ich weis nicht mehr wo mir der Kopf steht. Es ist das Handy. Karli kommt plötzlich wie ein Schießhund angelaufen.
„Du nicht! Papi“, schreit er mich an, geht

selber dran und zwinkert mir zu.
„Hallo Mami!“
Meine Fresse, wie hätte ich mich verraten. Mein Sohn ist und bleibt einfach eine Intelligenzbestie. Der Liebling der Ungeziefer will gerade auch etwas sagen und ich würge ihn mit einer zackigen Handbewegung ab. Er versteht, dass er den Mund halten soll, wenn der Oberdirektor des Hauses am Apparat ist.
„Nein, nein, Papi spielt Golf.“
Der Lügenbaron bringt es fertig schelmisch zu lachen.
„Bestimmt verliert er wieder.“
Dann hört er eine ganze Weile zu.
„OK, ich sag’s ihm.“
Er legt auf. Er ist stolz.
„Was ist?“ Ich springe auf ihn zu.

„Mami kommt erst spät. Sie hat eine Autopanne.“
Typisch Frauen, denke ich, bevor ich mich freuen kann. Einmal gibt man sein Auto her, und was geschieht? Sie reitet es zusammen.
Jedenfalls ist Zeit gewonnen.
Ich zische: „Wann? Wann will sie da sein?“
Der missratene Sohn lässt sich Zeit. Er genießt Macht.
„Wann?!“
Ich beutle ihn. Schließlich lässt er sich zu einer Aussage herab.
„Nicht vor zehn.“
Ich gebe ihm einen Kuss auf die Stirn. Das habe ich schon seit ewigen Zeiten nicht getan. Es ist nur die psychische Last, die von mir abgefallen ist. Ich habe noch Galgenfrist. Nicht

viel, aber etwas. Vielleicht ist doch noch nicht alles verloren.
Frau Süßmann schüttelt wieder einmal den Kopf. Ihr Urteil dürfte endgültig sein. Sie hält uns für eine total verkorkste Familie in der alles drunter und drüber geht. Mit einem Wort: unseriös. Und weil sie wahrscheinlich solche verqueren Menschen nicht mehr ertragen kann, meldet sie:
„Ich geh’ dann mal.“
Ich habe den Arm um meinen Wonneproppen gelegt und nicke generös.
Karli winkt freundlich.
„Tschüß Frau Süßmann!“
Ich finde, er übertreibt.
Der Kammerjäger schaltet sich nun wieder ein. Wahrscheinlich hat er sich eine ganze

Weile vernachlässigt gefühlt und will es nun wieder aufholen. Er hält mir einen endlosen Vortrag, wie man verhindern kann, dass die Biester wieder herein kommen. Ich sitze am Küchentisch und höre weg. Die Ausführungen sind mir zu chemisch, zu kompliziert, zu technisch. Es scheint so, dass fast alles auf die Dauer unwirksam wird.
Hauptsache ist jedenfalls, dass Dietrich meint die Apokalypse über die Viecher verbreiten zu können. Ich vertraue Atombombendietrich. Susi würde mir ansonsten ganz schön den Kopf waschen. Von Schreianfällen ganz abgesehen.
„Es muss noch einziehen. Mindestens zwei Stunden. Sie gehen am besten“, scheucht er uns heraus. „Ohne gescheite Chemiekeule

geht es halt nicht. Die Dämpfe sind nicht so gesund.“
Ich glaube, dass der Gute leicht untertreibt, denn er selbst hat nun einen Mundschutz umgebunden.


Die Hilfe

Gemeinsam, der Lügenbaron und ich, ziehen wir uns ins Wohnzimmer zurück
Wir sitzen auf der Couch nebeneinander und ich drücke ihn in meinem Arm. Es soll Zuversichtlichkeit ausstrahlen, aber ich spreche es aus. Ich bringe es auf den Punkt.
„Was machen wir nun? Du weißt, wie Mutti ist.“
Er nickt voller Verständnis.
„Wir brauchen Hilfe“, meint er und schaut mich mit Froschaugen an, die besagen, dass ansonsten eine Katastrophe unvermeidlich ist.
„Super!“
Ich klatsche ihm aufs Knie. Man soll für Vorschläge immer offen sein, zumal wenn sie

den einzigen Rettungsanker darstellen. Branchenbuch zur Hand zu nehmen und anrufen gehen ineinander über.
Keiner! Keine Aushilfskraft verfügbar! Niemand!
Wie flüssiges Harz klebt das Pech an meinen Pfoten. Schließlich keimt doch noch Hoffnung auf.
„Ja! Prima! Wie bitte? Einen ganzen Wochenlohn? Sind sie wahnsinnig?“
Ich höre den Erklärungen, die durch die Ohrmuschel rollen, stumm zu. Ich bin zwar nach wie vor überzeugt professionell übers Ohr gehauen zu werden, aber ich stehe leider mit dem Rücken zur Wand.
„Also gut. Schicken sie die Dame vorbei, meinetwegen. Dann aber sofort!“

Zumindest will ich für diesen horrenden Betrag eine Bedingung stellen.
„Wie? Es ist ein ER? Egal! Jetzt, sofort! OK!“
Zufrieden hänge ich ein und schnalze mit der Zunge. Karli schaut mich bewundernd an und ich bekomme Oberwasser.
„Was ist mit deinem Zimmer?“
Er hebt den Daumen nach oben und schnappt sich die Fernbedienung. Der Fernseher geht in Betrieb. Ach könnte ich noch Kind sein. So ganz ohne wirkliche Sorgen, wie es das häusliche Leben manchmal hervorbringt.
In der Küche muss ich eine Rechnung unterschreiben, die mir der Kakerlakenfreund unter die Nase hält. Dietrich packt seine Utensilien und Gerätschaften ein, geht durch die völlig verwüstete Diele,

zwängt sich durch die Haustür.
Ich bin ziemlich sauer, als ich in der Haustüre stehe und ihm nachsehe, weil er fröhlich pfeift. Für ihn ist die Sache erledigt, während ich im Chaos zurückbleiben muss.

Die Feuerwehrleute sind offensichtlich schon vollständig abgezogen und der Kammerjäger entert nun auch sein Fahrzeug und röhrt ab. Als ich die Türe zu meiner Müllhalde, das einmal ein Haus war, wieder schließen will, saust ein Ferrari heran. Ein junger Spund klappt seine Gliedmaßen aus dem Flitzer heraus.
„Wendel?“
„Ja, genau der! Was wünschen sie?“
Ich bin die neue Haushaltshilfe!“
Dieses Bürschlein? Dieser Schnösel?

Dieser Jet Set Heini, der Disco-Epileptiker? Mich wundert an diesem Tag schon überhaupt nichts mehr, den Gott wohl schon seit seiner Entstehung mit einem Fluch belegt haben muss.
„Kommen sie“, seufze ich.
Es ist wahrscheinlich eh´ nichts mehr zu retten. Ich habe mich einfach nur an einen Strohhalm geklammert. Das junge Tanzschätzchen rupft einen überdimensionalen Koffer aus seinem Flitzer. Wie er ihn in der Flunder untergebracht hat, kann ich nicht begreifen. Er turnt selbstbewusst auf mich zu:
„Hab alles, was ich brauche, bei mir“, grient er mich mit seinem braungebrannten Gesicht an. Der typische Steckdosenneger!

Ich führe ihn ins Wohnzimmer. Das Kartenhaus, das ich seit Stunden aufrecht zu erhalten suche, fällt in sich zusammen.
„Ich bin erledigt, fertig“, schniefe ich und Krokodilstränen kullern.
Ich weiß nicht warum. Ich weiß nicht wieso, aber ich erzähle ihm den ganzen, entsetzlichen Tag. Irgend jemandem muss ich einfach mein Leid ausschütten. Aber Erleichterung, wie erhofft, will sich nicht so recht einstellen. Es regiert das Misstrauen. Wie komme ich nur dazu diesem Kerl, der so jung ist, dass er noch die Eierschalen hinter seinen Ohren hat, etwas vorzueinen?
„OK“, stellt er kühl fest. „Gibt es eine Liste?“
„Ja, aber woher wissen sie...?“
Es gibt immer eine Liste“, meint er.

"Moment, Ich hole sie!“
Dann studiert er sie, blickt wieder auf.
„Ziehen sie sich erst einmal etwas Trockenes an.“
Ich folge seinem Ratschlag und gehe nach oben, ziehe mir die vollgesogenen Kleider vom Leib und lasse den ruinierten Stoff liegen, wo er liegt. Asta ist ein liebes Tier. Sie ist herauf gekommen, weil sie sich Sorgen um ihr Herrchen macht. Sie schüttelt ihr Fell aus und schmutzige Wassertropfen besprenkeln die Gegend. Bis auf den nassen Abdruck meines Hinterns bleibt das Bett aber trocken.
„Recht so“, streichle ich ihr über die feuchte Schnauze, die sie auf mein nacktes Knie gelegt hat. Wen habe ich denn sonst noch als Kameraden in diesen schweren Zeiten? Ich

gehe ins Bad, dusche, trockne mich ab (wir haben einiges an Handtüchern), dann kehre ich zurück und lege mich ins Bett. Die Decke wird über den Kopf gezogen. Zeit zum Sterben. Die Vogel Strauß Politik hat etwas!
Unter der Decke ist es dunkel, aber ich sperre die Augen auf. Sie gleichen Wagenrädern. Es hat keinen Sinn den Kopf in den Sand zu stecken.
"Bleibe auf der Brücke", sage ich mir.
Also schlüpfe ich wieder aus den Federn, ziehe mir irgendetwas Frisches an. Asta war bei mir geblieben. Sie hat dafür gesorgt, dass ihr feuchtes Fell eine dampfende Kuhle hinterlassen hat. Irgendwie hat sie einen etwas modrigen Touch an sich. Sehr selten drängt sie sich normaler Weise ins Bett.

Diesmal muss sie gefühlt haben, dass ich angeschlagen bin. Ich kann ihr also nicht böse sein. Wir wanken gemeinsam nach unten.
Der jugendliche Gigolo ist weder in der Küche, noch im Wohnzimmer vorhanden. Wahrscheinlich legt er gerade meine hübsche Blondine vom See um. Ich gutmütiger Idiot. Ich kann mir diesen Schönling sowieso nicht mit Schrubber vorstellen. Ich hätte es wissen müssen. Geld! Geld ist alles, was das Schwein interessiert. Soviel wie möglich will er aus mir heraus quetschen.
„Herr Wendel?!“, tönt es aus dem Keller.
„Können sie mal kommen?“
Ich folge seinem Ruf und wappne mich innerlich für die nächsten Horrorszenarien. Wolfgang, so heißt die Putzmaus, zeigt mit der

Hand auf die Wäscheleine. Dort lächelt mir alles, das heißt wirklich jedes Stück, rose´ entgegen. Ich entdecke Baby T-Shirts, die Tischdecke, ursprünglich weißblau kariert, hat nun Karos in hell und dunkelrosa. Ich erkenne Geschirrtücher, die verzerrt und eindeutig ebenfalls geschrumpft sind. Die sonstigen Kleidungsstücke sind für Pygmäen. Das Rose´ hat zwar keine wirkliche Ähnlichkeit mit dem Tiefrot der Erdbeermarmelade, aber ich kann sie als Färbemittel trotzdem nur empfehlen.
„Wie haben sie denn das angestellt?“
Ich bin grantig. Ausgerechnet so ein Schnösel will mir Vorhaltungen machen. Und vor allem der ruinierte Shettland-Pulli ärgert mich bis auf die Knochen.
„Ich meine nur“, meint Wolfgang traurig, „da ist

nichts mehr zu retten!“
Ich winke ab. Wenn das der einzige Schaden bliebe, dann ginge es ja noch. Aber ich befürchte leider, dass es schlimmer kommt. Wesentlich schlimmer. Ich denke nur an den ehemaligen Vorgarten, der nun einem Kohletagebaugebiet gleicht, an das Schlachtfeld der Diele und an den durchmoderten Keller. Aber halt! Ich staune. Jetzt erst fällt es mir auf. So sauber, aufgeräumt war unser Keller noch nie.
„Haben sie sonst noch Räume hier unten, wo man etwas tun muss?“
Es gibt noch meinen Bastel- und Werkraum, der dringend mal aufgeräumt werden müsste, aber da kommt Susi sowieso nie rein. Da hält sie sich raus. Mein Reich! Dass es genauso

liedersam aussieht, wie in Karlis Rumpelkammer muss nicht jeder wissen.
„Nein“, sage ich, „hier unten haben wir es dann.“
Ich schnalze voller Bewunderung. Mehr Gestik zeige ich aber nicht, damit Wolfgang nicht etwa eitel und hochnäsig wird. Wolfgang packt seine geheimnisvollen Utensilien zusammen und wir gehen nach oben. Wie Mirakulix seine Misteln hat, so hat dieser Zauberer auch seine geheimnisvollen Essenzen mit denen er diese Wunder vollbringt.
Die Diele sieht grässlich aus, wie wenn mehrere Panzer durchgebrochen wären.
„Das kriegen wir schon“, beruhigt er mich lässig, anstatt dass er seine Fassung verliert. Der gute Wolfgang ist sozusagen noch mit

Nerven wie Drahtseile ausgestattet, während ich nicht einmal mehr am seidenen Fädchen hänge.
„Brauchen sie mich noch?“, lenke ich servil ab und hoffe inbrünstig, dass er mit nein antwortet.
„Nein, gehen sie nur.“
Ich inspiziere die Küche. Der weiße Pulverbelag wirk schon irgendwie störend, aber das Gute ist, dass man darin unzählige Ameisenkadaver erkennen kann. Das wirkt beruhigend. Die entsprechenden Bestattungsformalitäten soll Wolfgang erledigen. Da ich gründlich bin, hole ich mir einen Wetzstab und stochere am Boden herum. Ich kann leider nur einen einzigen Schabenkadaver entdecken, tröste mich aber,

dass die anderen vielleicht in irgendeiner geheimnisvollen Ritze verreckt sein mögen. Jedenfalls hoffe ich das.
Ich erinnere mich nun an das Bad und gehe in den ersten Stock. Dabei komme ich notgedrungen auch an Karlis Zimmer vorbei. Ich brauche nicht zu lauschen, der Lärm dringt durch die ganze Etage. Die Schuhsolen vibrieren von dem motorisch ätzenden Gestampfe. Irgendein Schnellquassler erzählt dazu eintönig Gewäsch auf Englisch. Entsetzlich, langweilig, unverständlich, und vor allem hat dies mit sogenannter Musik, wie ich sie kenne, rein gar nichts mehr zu tun. Sohnemann hat einfach einen abstrusen Musikgeschmack. Da komme ich einfach nicht mehr mit und mir fehlt auch jegliches

Bedürfnis mich diesem Geschmack anzupassen. Da kann ich nur verständnislos den Kopf schütteln. Aber da ich schon dabei bin, kann ich überprüfen, ob er sein Zimmer aufgeräumt hat. Ich öffne, nachdem ich pro Forma angeklopft habe. Karli konnte das Klopfen gar nicht hören. Kein Wunder bei dem Krach, der mir entgegen springt.
„Karli!“ Ich muss brüllen. Er ist gnädig und macht leise.
„Ja“
Ich staune völlig fassungslos. So hat sein Zimmer meines Wissens noch nie ausgesehen.
Perfekt!
Wie hat sich doch der Junge verändert. Dabei jammert Susi immer, was er für ein Schlamper

ist.  Ich bin hiermit bestätigt.
Für gewisse Dinge im Haus muss halt der Mann her. Er strahlt Autorität und Durchsetzungsvermögen aus. Er lässt keinerlei Diskussionen aufkommen, sondern behält die Sache im Griff. Ich zeige ihm nur stumm den Siegerdaumen und mache die Türe wieder zu. Man braucht also gar nicht hektisch werden, es reicht, wenn man, psychologisch diffizil, kameradschaftliche Führung ausstrahlt.
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich allerdings noch nicht, dass er alles zusammengerafft hatte, es dann in den Schrank gestopft und schließlich den Rest unter dem Bett entsorgt hatte.
Tags darauf war Susi von den

Bolzplatzschuhen mit Kruste zwischen den weißen T-Shirts nicht begeistert. Auch konnte sie sich für die Kombination alte Mountainbikezahnräder und Socken nicht erwärmen und auch die alte, schmierige Pizzaverpackung fand sie zwischen der Unterwäsche nicht in Ordnung.
Wie gesagt, zu diesem Zeitpunkt wusste ich es noch nicht. Das Zimmer hatte pikobello ausgesehen.
Ich gehe ins Bad, wische mit den Handtüchern noch die Wasserlaken auf, bevor ich sie vom Boden einsammle, fahre mit ihnen an den Kacheln herum und hänge sie wieder auf den Handtuchhalter. Sie sind sehr feucht, aber bis morgen bestimmt wieder trocken.
So leicht bringt man Ordnung in den Raum!

Ich klatsche in die Hände und bin zufrieden. Halt, das Klo prüfe ich noch. Susi ist da sehr empfindlich.
So wische ich schnell noch ein paar Spritzerchen mit dem Waschlappen nach, bevor ich ihn wieder aufhänge. Endlich, ein Zimmer erledigt. Der erste Stock ist erledigt. Das Schlafzimmer muss ja nicht alle fünf Minuten gerichtet werden und außerdem trocknet gute Bettwäsche schneller. Hab' ich irgendwo gehört. An Astas künstlerische Spritzer beim Schütteln im Schlafzimmer habe ich leider gar nicht gedacht.
Dann gehe ich langsam und vorsichtig wieder nach unten.
Der junge Mann hat inzwischen die Diele verwandelt. Vergebens suche ich nach der

magischen Zauberkugel, die er benutzt haben musste. Anders ist es nicht erklärlich. Der Eingang macht den Eindruck, als ob er für einen Staatsbesuch hergerichtet sei. Das muss man ihm lassen!
Dieser Wolfgang ist ein Kronjuwel, auch wenn er einen ganzen Wochenlohn verlangt.

Der Einkauf

Zwei Probleme schieben sich nun immer mehr in den Vordergrund. Da ist Susis Auto, das uns im Stich ließ, bzw. wir im Sich lassen mussten, oder noch präziser formuliert: Da hatte jemand einfach vergessen den Tank aufzufüllen und das TüTüt verdorren lassen.
Und das zweite Problem nagt ebenfalls. Der Einkauf ist noch nicht erledigt. Ich war praktisch noch nie einkaufen. Jawohl, ich bin immer wieder einmal mitmarschiert, aber die Sachen, die Susi als wichtig erachtete, die wären mir nie in den Sinn gekommen. Wer braucht schon Butter, Käse, Jogurt? Das hat man doch.
Wolfgang erkennt meinen schief liegenden

Kopf, wie ich schwer durchatme und unsicher wirke.
„Was ist los?“
„Es geht ums Einkaufen und den Wagen meiner Frau“, erkläre ich betrübt.
„Das lässt mir einfach keine Ruhe.“
„OK, fahren wir“, erklärt er mir einfach.
Ich bin perplex.
„Mit ihrem Ferrari etwa?“
„Natürlich, was denn sonst? Ich fahre sie zu dem Auto ihrer Frau, setze sie ab und presche wieder zurück. Anders schaffe ich es nicht mehr mit der Küche und so. Da sind mehr als noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen.
Ich bin ihm unendlich dankbar, verliere kein weiteres Wort, nicke nur.
Gesagt, getan!

Er wirft sich behände hinter das Steuer, nur ich brauche etwas länger, ehe ich mich auf Eichhörnchengröße zusammengefaltet habe.
Schick ist dieses Rennpferd schon. Der Motor heult auf. Und wenn ich nicht selbst im Auto sitzen würde, dann würde mir bei diesem Sound das Herz höher schlagen. Unglücklicher Weise bin ich aber mittendrin im Geschehen, und so flößt mir der brachiale Ton einfach nur Angst ein. Das Gestell vibriert, wie ein Stier, der nur losgelassen werden will. Ich habe nichts gegen Stiere, die losrennen wollen, aber bitte doch nicht mit mir.
Vor dem Show Down schlägt mein Herz Purzelbäume, nahe dem Herzinfarkt. Es reicht, dass ich weiß, dass es in der nächsten Sekunde losgeht.

Die Fliehkräfte reißen mich brutal in den Sitz. Dass ich ausgerechnet neben einem irren Selbstmörder sitzen muss! Mir wird schwindelig. Bäume rasen vorbei, die Strasse scheint durch die Geschwindigkeit immer enger zu werden und die anderen Verkehrsteilnehmer scheinen nur noch elende Beute für den Totalcrash zu sein. Vom verkrampften Festhalten an dem Griff der Seitentüre, tut mir die Hand weh. Besonders Lastwagen, die auf uns zuschießen, weil wir im Düsentempo an sie herangaloppieren, lösen bei mir Ströme von Angstschweiß aus. Wir sitzen ja nur Zentimeter über dem Asphalt, während die Brummis sich wie Hochhäuser vor uns auftürmen. Schließlich kommt der Fiat in Sicht. Beim Anblick der Rostlaube fällt die

Adrenalinausschüttung zusammen. Es ist so ähnlich, wie beim Auslauf der atemberaubenden Achterbahnt. Man weiß, dass das erlösende Ende naht.
„Ist er das?“
„Ja,“, antworte ich verschämt.
Ich komme mir fürchterlich blamiert vor.
Wolfgang unterdrückt das Kichern nicht.
„Und ich habe gedacht Benzin wäre das Problem, aber der da ist doch schon von einem Schnapsgläschen voll, wie eine Haubitze!“
Susis Wägelchen ist also der da!
Aber auch der Kleine braucht, und wenn es in den Augen eines Angebers nur ein Tropfen ist, etwas zu trinken.
Ich zucke mit den Schultern.

„Das ist es doch! Haben ein Gewehr? Die Karre ist ganz einfach ausgedörrt!“
Wolfgang geht zum Bug dieser Selbstmordkutsche und ein kleiner Kanister in Ferrari-Rot erscheint in meinem Blickfeld. Er fackelt nicht lange. Susis Fiat, der kleine, treue Gefährte bekommt endlich zu trinken. Der Einfüllstutzen rülpst behaglich.
„Schon in Ordnung“, kommt mir der Putzmanager zuvor. „Schließlich ist man so etwas, wie ein Landsmann, Autotechnisch."
Ich verschweige, dass Fiat nicht mehr den Italienern, sondern der Volkswagengruppe zugehört.
„Mit den paar Tropfen, kann ich froh sein, wenn meiner überhaupt anspringt! Klein Scheißerle umrundet damit wahrscheinlich

die Erde“, lacht er.
Ich bin nur teilweise gekränkt. Heutzutage bei der Ecconomy Phase fasse ich das einfach als Lob der Enthaltsamkeit auf. Trotzdem war die Bemerkung bissig, wie ich nde.
Ich sage also nichts dazu und steige in Susis Vehikel ein. Dann ärgere ich mich, dass der Ferrari unser Töfftöff mit Abgasen einnebelt. Der Rennwagen ist auf der Stelle verschwunden.
Also atme ich durch. Gefasst, aber doch ein wenig ängstlich probiere ich den Anlasser. Wie war das übrigens? Braucht das Plüschauto Super? Kann ihm das Kerosin des Düsenjets etwas antun? Ich probiere. Brav spotzt der Motor an. Ich genieße den Leerlauf. Sage noch einer was gegen Susis Auto.

"Jetzt reiße dich aber am Riemen", sporne ich mich an. Ich bin wieder unabhängig und kann mich meinen Aufgaben widmen. Was steht denn nun an? Nur ein kurzer Gedankenpfeil trifft mich, dann ist es klar.
„Ab zum Supermarkt!“
Ich wusste, dass noch irgendetwas vom Vormittagsprogramm fehlte!


 Es ist wahrscheinlich das schlimmste Vergehen, das ich begehen könnte, sollte ich dies nicht auf Susis Pflichtliste erledigt haben.
Der Supermarkt hat länger offen, wie ich von Susi weiß.
Der Parkplatz ist riesig, das Gebäude ebenso und auch der Einkaufswagen, der mich an einen Viehtransporter erinnert. Er ist

anscheinend größer, als Susis Fiat.
Ich betrete also das Schlaraffenland und ich fange in meinen Taschen zu kramen an. Wo ist denn nur die verdammte Einkaufsliste von Susi? Die Liste der Aufgaben finde ich und auch den Zeitplan, aber was ich nun einkaufen soll, das kann ich mir nur aus dem Kopf heraus zusammenreimen. Die Einkaufsaufstellung habe ich nicht dabei. Was soll’s! Ich glaube, dass ich es irgendwie und einigermaßen noch aus dem Gedächtnis zusammen kriege.
Und während ich so an dem Zettelkram herumfummle, sticht mir in Sachen Termin die Notiz für den Tierarzt ins Auge. Herrje! Das hätte ich glatt vergessen!
Um 18.00 Uhr steht dick und fett und

unterstrichen: „Asta, Tierarzt, 18.00 Uhr!
Verflixt!
Ich werfe das Handy ans Ohr.
Die Assistentin der Tierpraxis ist ziemlich gereizt, reagiert genervt, aber ich flöte so gut ich kann. Schließlich erreiche ich einen neuen Termin, nachdem ich Astas Fresssyndrom herausgestellt hatte.
Abgesehen davon, dass Asta dem Merlin, dem Aufräummagier wahrscheinlich nur schwänzelnd im Wege steht, habe ich keine Ahnung, warum sie eigentlich zum verhassten Tierarzt muss. Ich muss Susi fragen. Das hatte sie mir nicht aufgeschrieben. Die Impfung, welche die Assistentin angesprochen hatte, kann es ja nicht gewesen sein. Wer braucht schon Tollwutschutz? Lächerlich. Da

sollten die mal zornige Rentner sehen, die können noch viel mehr ausrasten, oder randalierende Jugendliche!
Jedenfalls bin ich um diesen Job herumgekommen. Asta ist mir fast den ganzen Tag auf meinen Nerven herumgesprungen. Sie hat es gar nicht verdient, dass ihr der Arztpraxisgeruch vorerst erspart bleibt, den jeder Hund wie die Pest hasst.

Die fehlende Einkaufsliste wurmt mich, aber da kann man nichts machen. Ich vermute, sie liegt in der Küche. Erinnern kann ich mich lediglich, dass sie in verschiedene Sparten unterteilt war. Pro Haushaltsabteilung ein eigenes Kapitel. Also Lebensmittel frisch, Lebensmittel Fleisch, Lebensmittel in Dosen,

Waschmittel, Tiefkühlkost usw. Susi sagt immer, dass man die Preise genau vergleichen muss. Völlig überflüssig! In diesem Monstermarkt gibt es ja alles. Alles, was man nur will. Man braucht nur zuzulangen. Es erspart überflüssige Wege, das Herumeiern von Laden zu Laden. Und vor allem, was in meiner Situation am dringensten ist, man spart Zeit.
Also dann: Auf in den Kampf! Ich muss ja nur das Gebäude abfahren. Ich überlege mir also, organisiert wie ich bin, ein Raster zur Durchfahrt durch das Labyrinth, wobei ich an jeder Abteilung und allen Angeboten vorbei komme. So erfasse ich auch die Sonderangebote.

Und wenn ich an den Regalen vorbei defiliere,

fällt mir schon ein, was Susi braucht.
Ich zerre also meinen LKW-Einkaufswagen - warum sind die eigentlich so groß? – durch die Gegend. Siehe da! Das erste Sonderangebot, Lychi in großen Familiendosen. Die sollen doch so gesund sein. Ab in den Korb. Die Waschmittelabteilung taucht auf. Die lasse ich aus. Wer braucht sie schon? Im Keller hatte ich doch die halbvolle Packung stehen, die den Schaumberg verursacht hat. Die Drogerieabteilung erfordert schon mehr Aufmerksamkeit. Als Belohnung für den Stresstag gönne ich mir ein teures After Shave. Also weiter. Das Gemüse sieht gut aus. Ich streite noch ein bisschen wegen Genmanipulation, ökologischem Anbau und wegen der mangelnden Frische der Ware

herum, aber der Angestellte rückt kein Jota von seinem ausgewiesenen Preis ab. Susi soll nicht sagen, ich hätte es wenigstens versucht. Ich dampfe mit meinem Containerschiff weiter. Zum Troz habe ich extra mehr genommen. Die Paprika in der ganzen Steige waren um 4% billiger!
Ich kann rechnen.
Inzwischen packe ich noch ein paar unbedeutendere Kleinigkeiten dazu, wie zum Beispiel für mich eine Funkarmbanduhr. Und ein glücklicher Zufall will es, dass mir die richtige Stichsäge ins Auge fällt. Genau dieses Modell habe ich schon seit langem gesucht. Da heißt es nicht lange fackeln! Es flutscht nur so. Eigentlich wollte ich bei der Computerabteilung nicht Halt machen, aber

man wird sich doch noch informieren dürfen.
Ganz stolz bin ich auf mich, weil ich keine Gamermaus und auch sonst nichts gekauft habe. Ich lasse mich nicht zu sinnlosen Einkäufen verführen, wenn ich für unseren Haushalt sorgen muss. Der USB Speicherstick (32 GB!) hingegen war dringend nötig.
Ich habe das Gefühl, dass die Zeit wie im Fluge vergeht. Jedenfalls weiß ich jetzt, ob in Zukunft eine Graka (ich bin „in“! – eigentlich ist eine Grafikkarte für den Computer gemeint) unter 24 Pixelshaders und PCIe Bus überhaupt in Frage kommen kann.
Irgendwie macht der Einkaufswagen einen reichlich überladenen Eindruck, obwohl ich doch nur das wirklich Allernötigste berücksichtigt habe. Ich habe mir sogar den

goldenen Füller verkniffen und auch Susi hat auf die mobile Trockenhaube verzichten müssen.
Auf zur Kasse!
Es wird Zeit.
Ich habe bestimmt alles dabei. Kann gar nicht anders sein.
An den Kassen herrscht Gedränge. Praktisch ein Massenauflauf. Dass die Leute alle so gerne bezahlen? Ich stürze mich in das Getümmel. Wichtig ist, dass man mit Argusaugen den Rückstau im Blick hat. Da! Ich erspechte eine Kassenreihe, die deutlich kürzer ist. Nichts, wie hin. Ich wische noch mit einem Ausbremsmanöver vor einer älteren Wetterhexe in die Reihe, die mit ihren gichtigen Hinterläufen keine Chance gegen

mich hat. Zufrieden schaue ich zu den anderen Schlangen, die wesentlich länger sind. Ich lächle in mich hinein. Was bin ich doch für ein Tausendsassa. Aber halt! Bei den anderen Reihen ist alles in Bewegung, nur in unserer Reihe geht nichts voran. Nun erst hüpft mir ein Schild in die Pupille.
„Bitte haben Sie Verständnis, die Kollegin wird erst eingearbeitet!“
Fliehen kann ich nicht mehr, da ich bereits eingekeilt bin. Mist! Die da vorne ist aber auch eine Transuse! Bei aller Liebe, aber ein Tritt in den Hintern wäre jetzt nicht verkehrt, denke ich. Ausgerechnet, da ich so in Zeitdruck bin. Ich traue mich schon gar nicht mehr auf die Uhr zu schauen und tue es trotzdem. 19.00 Uhr! Fürchterlich!

Um viertel nach Acht sollte ich bei diesem Elternabend sein, wo sowieso nur überflüssiges Geschwafel auf einen wartet. Niemand will dort hingehen, aber gut, ich habe es versprochen. Außerdem will ich dabei klar stellen, dass man eben Pech hat, wenn man meinen kleinen Bruce Lee grundlos anmacht, nur um Schlägern zu können.
„Na, was ist denn nun“, entfährt es mir. „Geht’s denn?“ Ich hoffe, jeder hat es vernommen. Vor allem die Bummeldrossel an der Kasse. Ich hüpfe von einem Bein aufs andere. Schnecken würden hier jedes Rennen gewinnen, selbst wenn sie Keuchhusten hätten. In meinem Wagen findet sich noch ein kleiner Zwischenraum und ich fülle ihn mit ein paar Süßigkeiten, einige Videokassetten und

Batterien können auch nicht schaden. So was braucht man immer. Sie liegen sowieso an der Seite auf dem Weg und bei der Warterei, was soll man denn sonst tun? Eine Packung wiederbeschreibbare DVD-Rohlinge gibt es zum Glück auch.
Oh, nein! Da vorne fummelt einer mit einer Kreditkarte herum und die Azubi bentutzt das Mikrofon für einen Hilfeschrei. Ich habe aber auch Pech! Es dauert natürlich endlos, bis ihre Helferin erscheint.
„Mann, Mann“, brummle ich gestresst. „Schildkröte, blinde!“
Die vor mir stehende Krähe fängt das keifen an.
„Sie werden es wohl noch erwarten können! Wir müssen alle anstehen!“

Das überholte Gichtweiberl spuckt Galle von hinten.
"Mich hat er auch weggedrängelt!"
Ich nehme den Kampf in der Arena an. Die alte Mistamsel soll mich kennen lernen! Außerdem bin ich am Ende meiner Geduld.
„Ja, sie schaukeln nur einfach ihren Hintern nach Hause, ich aber habe Geschäfts-termine!“

Dass sie eine alte Brunzkuh ist, das sage ich ihr vorsichtshalber nicht. Sie würde es mir sowieso nicht glauben.
„Sie Drängler, sie elender“, wirft sie mir entgegen. Leider sind alle anderen in der näheren Umgebung derselben Meinung.
Speziell ein Hühne von Mann ruft gewichtig:
"Um Dich kümmere ich mich gleich, du

Hirnbeisser, du Hosenmatz!"
Das kann ich gar nicht verstehen. Ich habe Zeitdruck! Wer sonst außer mir? Die anderen wollen sowieso nur miteinander schwatzen. Das könnten sie auch in ihrem Strickkränzchen für gefallene Frauen durchführen, oder im Taubenzüchterverein von Hinterdummsdorf. Den ganzen Tag haben sie Zeit, aber nein, dann wenn Überbelastete Menschen ihre wertvolle Zeit opfern müssen, um einzukaufen, ausgerechnet dann rotten sich diese Herrschaften ebenfalls zum Kaufrausch zusammen.
Von hinten schiebt sich nun ein weiß bekittelter Schnösel heran.
„Ich bitte doch höflichst, sich hier anständig

zu benehmen!“

Er ist offensichtlich ein höheres Tier in diesem Saftladen. Ich nicke zerknirschend und bebe innerlich vor Zorn.

Aber gut, jetzt geht es endlich weiter und das Summen von Volkszorn um mich herum ebbt auch wieder ab. Ich häufe auf das Fließband und wundere mich, welche Sachen alle aus dem Einkaufswagen auftauchen. Was wollte ich eigentlich mit dieser großen Palme. Ach stimmt! Es war ein sehr günstiges Angebot. An der Kasse sitzt nun jemand anderes. Ein jüngerer Herr hat die lahme Schildkröte abgelöst. Er tippt mit großer Geschwindigkeit, aber das Meiste geht an dem Laserstrahl vorbei und wird so registriert. Mir ist nur recht, dass er schnell ist, aber mir wäre lieber, wenn er endlich zu einem Ende kommen würde, weil

ich an meine Barschaft denke. Meine Kreditkarte verwest im Anzug und Susies Karte ist eine leere Hose. Ich sehe die Zahl auf der Digitalanzeige an der Kasse und sehe sie doch nicht, denn sie verschwimmt vor Entsetzen. Ich klaube die Kröten zusammen, aber es reicht nicht.
„Typisch“, meckert man von hinten. „Erst drängeln und dann den Betrieb aufhalten!“
Ich muss mich von der Funkuhr trennen. Die Stichsäge kriegen sie nicht! Der Mann subtrahiert, aber es reicht immer noch nicht. Also gut, dann geht eben das Beistelltischchen auch wieder zurück. Es war sogar recht teuer, aber dafür auch liebreizend. Na ja, wie gewonnen, so zerronnen. Jetzt bin ich entlassen und schiebe meine Beute zum

Parkplatz. Ich erkenne durchaus, dass die Reihe an der Kasse fassungslos den Kopf schüttelt und was sie alle von mir denken. Idiot dürfte noch vorsichtig ausgedrückt sein. Im Ganzen war das fürchterlich beschämend. Ich belade das Auto. Die Palme macht Schwierigkeiten. Schließlich ist ein Fiat kein Brummi, aber ich schaffe es doch das Grünzeug hinein zu stopfen. Nun ab nach Hause!

Es ist 18.45 Uhr, als ich ankomme. Der Ferrari steht noch da, also ist Wolfgang auch noch da. Entladen kann ich später. Als ich hereinkomme, prüfe ich und inspiziere. Ich finde Wolfgang oben im Schlafzimmer. Er wechselt gerade das Bettzeug. Ich staune nur

noch. Der Kerl ist ein echtes Wunder, denn die Küche ist erledigt, und zwar perfekt und so ist es auch im Wohnzimmer.
Selbst die angebrannte Bratpfanne auf der Terrasse ist verschwunden.
„Ich gehe immer Stockwerksweise vor, eins nach dem anderen“, erklärt er.
„Sehen sie, ich gehe den meisten Hausfrauen nach ein, oder zwei Tagen so auf die Nerven vor lauter Übereifer und Perfektion, dass sie von mir genug haben. Das setzt sie selbst nämlich zurück, beschämt sie und das können sie nicht vertragen. Deshalb immer den ganzen Wochenlohn im voraus!“
Ich kann nur staunen.
Das erklärt auch den Ferrari.
„Es gibt natürlich auch Glücksfälle, wie sie. Da

ist es grundsätzlich nur ein Tag, höchstens, weil ich verschwunden sein muss, wenn die Hausfrau wieder auf der Matte steht. Und dann können sie behaupten, sie hätten keine Probleme gehabt.
Stimmts?“
Der Mann hat es leider haargenau auf den Punkt gebracht. Ich muss es mir eingestehen.
„So ungefähr“, murmle ich.
„Übrigens, ihr Frau hat angerufen.
Sie kommt leider, leider nicht vor 22.30 Uhr“
Ich nicke und atme auf. Zeit gewonnen!
„Ich habe gesagt, dass ich ein ehemaliger Schulfreund bin und das Haus hüte, damit Karli und Asta nicht alleine sind. Warum ich vorbei gekommen bin, das habe ich offen gelassen. Ich überlasse es ihrer Phantasie.“

Wolfgang ist wirklich ein Tausendsassa.
„Und dann hat sich noch ein Mann gemeldet. Irgendeinen haarigen Namen hat er gehabt.“ „Doktor Pelzig vom Golfplatz.“
„Er sagte, sie seien ein rudimentäres Arschloch und er würde ihnen mit dem 6er Schläger etwas drüber ziehen. Und die Golfplatzgebühr müssen sie blechen. Er war, gelinde gesagt, stinkesauer!“
Pelzig kann mich mal.

Der Tag klingt aus

Verflixt die Zeit! Ich muss mich beeilen, muss mich umziehen. Ich komme sowieso schon zu spät zu diesem Elternabend. Ich greife mir den Anzug mit „meiner“ Kreditkarte. Dann kann ich noch auf ein Bierchen gehen, wenn ich die schrulligen, besserwisserischen Lehrertypen abgefertigt habe.
Wolfgang klärt mich noch auf, dass die Pfanne auf der Terasse nicht mehr zu retten war und er sie entsorgt hätte. Er hebt den Zeigefinger.
„Und den Feuerwehreinsatz nicht verschweigen! Über die Nachbarn erfährt sie es sowieso. Erzählen sie etwas von einem geplatzten Schlauch. Vielleicht geht es noch

weit, dass sie Bedauern zeigt“
„Ich verstehe.“
„Ich mache noch das Bad, dann verdünnisiere ich mich. Wissen sie, Frauen kommen grundsätzlich zu spät, außer man kann sie nicht brauchen. Dann tauchen sie hundertprozentig zu früh auf.“
Trotz seiner jungen Jahre, stelle ich fest, dass er ein weiser Mann ist.
„Ich schicke ihnen die Rechnung zu.“
Wir schütteln uns noch zum Abschied fest die Hände.
„Kann ich sie noch mal erreichen? Man weis ja nie“
„Klar, wenn sie wieder eine Woche buchen. Aber nur bei einem Notfall, sonst müsste ich vielleicht die ganze Woche schuften.“

Ich schaue dem Ferrari wehmütig nach.
Auch Karli steht neben mir. D
"Das war mal ein cooler Feger. So einen Schlitten hast du nicht. Reichlich uncool, sag ich dir“, sprach’s und trollte sich ins Haus.
Der Langweilige Spießer setzt sich in den Fiat, damit der Anschlag auf meinen Sohn aufgeklärt wird.

Es ist natürlich schon nach halb neun, als ich den Klassenraum betrete. Alle starren mich an. Der eindeutige Vorwurf springt aus ihren Gesichtern. Ich setze mich vorsichtig und bescheiden in eine Schulbank. Der Oberindianer dieser Sitzung schaut mit Absicht und besonders missbilligend auf die Uhr. Ich entschuldige mich und zucke mit den

Schultern
„Aber sie wissen ja, die Geschäfte.“
Ich befürchte, dass die Anderen, genauso wie ich wissen, dass das eine faustdicke Lüge ist.
„Kommen wir doch mal auf ihren Sohn zu sprechen.“
„Gerne“
„Wissen sie, was heute vorgefallen ist?“
„Natürlich“, sage ich, aber ich ahne, rieche förmlich, dass da etwas nicht stimmt.
„Er hat einen Mitschüler verprügelt und zwar gehörig.“
Eiserne Augen, wie Nadeln, springen drohend aus ihren Gesichtern. So leicht lasse ich mich aber nicht einschüchtern.
„Ich finde es ganz natürlich, dass man sich

seiner Haut wehrt.“
„Ihr Sohn Karl hat ein Mädchen belästigt.“
Tragende Pause. Ich soll richtig leiden.
„Das ist doch unmöglich!“
„Und ein anderer Mitschüler kam dem Mädchen zu Hilfe.“
„Der andere Schüler befindet sich übrigens in ärztlicher Behandlung“, betont die Gouvernante mit dem Dutt.
Mir bleibt der Mund offen stehen. Dann werde ich über Karlis Verhalten und seine erbärmlichen schulischen Leistungen aufgeklärt. Es dauert über eine Stunde. Dann gehe ich niedergeschlagen. Ich konnte gerade noch verhindern, dass er von der Schule fliegt. Mit einem gewissen Karli Wendel möchte ich nicht verwandt sein. Da

macht es auch nichts, dass die Palme im Auto wahrscheinlich nicht mehr zu retten ist.
Es ist fast 22 Uhr und ich falle in die nächstbeste Kneipe und bestelle mir ein Bier. Ich bin frustriert. Dann fahre ich nach Hause.
In die Garage will ich hinein fahren. Pustekuchen! Den Fiat habe ich auch noch nicht entladen. Er ist schlichtweg vollgestopft. Die Palme verliert die ersten Blätter. Wer wollte denn nun eigentlich wirklich eine Palme haben. Susie natürlich.
Also nochmals die Fernbedienung geknipst. Nichts! Es geschieht einfach gar nichts. Da bin ich aus dem Auto herausgehüpft und knalle mit der Stiefelspitze an die Felgenkappe. Und gleich noch mal, weil es notwendig ist. Scheppernd kullert die

Abdeckung zu Boden. Ich stampfe auf sie ein. Dann gehe ich gemessenen Schrittes ins Haus. Sozusagen an den heimeligen Herd. Der Ferrari vor der Türe ist weg, Wolfgang ist nicht mehr und Karli möchte ich jetzt erst gar nicht sehen, weil ich ihm sonst seinen Baseballschläger durch die Ohren stopfen könnte.
Den Notdienst für die Garagentoranlage, den ich anklingle, lullt mich ein und zwar mit trällernder Musik, die meine Telefonrechnung belastet. Schließlich salbadert ein süßholzraspelndes Fräulein. Sie fragt Modelltyp, wann gekauft und ob ich Hämorriden habe. Sie weiß offensichtlich Bescheid.
„Haben sie die Rückholfedern geölt?“ Was

weiß ich, was Rückholfedern sind. Vorsichtshalber sage ich: „Ja, ein wenig.“
„Nicht zuviel?“
Die Schwester nervt. Wahrscheinlich ist sie wasserstoffblond.
„Na, ja“, antworte ich, „ich war nicht kleinlich. Es ist aber schon viele Stunden her. Weil, das war am Vormittag. Macht das was?“ Ein spitzer Seufzer prustet durch die Leitung.
„Dann haben sie den Elektromotor ertränkt!“
Das will ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen. „Man wird doch wohl noch...“ Blondine würgt mich ab.
„Das ist bei diesem Modell leider so.“
Ich merke, wie sehr es der Tussi an die Nieren geht. Sie will mich, das lästige Ungeziefer, wahrscheinlich nur los werden.

„Der Elektromotor ist bei diesem Modell nämlich nicht genügend abgeschirmt.Wenn jemand unsachgemäß die Federn mit Öl tränkt, dann kann über das Gestänge etwas in den Elektromotor eindringen. Dazu muss man aber schon eigentlich eine Öl-Pipeline benutzt haben. Trotzdem, es kommt öfters vor, wenn Hobbyhandwerker herumpfuschen.“
Also müssen alle Modelle dieser Baureihe offensichtlich an Ischias leiden. Natürlich habe ich so einen Krüppel gekauft. Was sonst.
„Wir kommen morgen“, säuselt sie zuversichtlich.
Das ist wenigstens eine Aussage. Dass ich einen neuen Motor brauche, dazu brauche

ich kein Wettbüro. Gewiss hat der Nepper, das sich morgen einfinden soll, bereits Ersatz dabei, ohne überhaupt zu prüfen, ob der alte Motor noch reparabel ist. Die Rechnung wird, wie üblich mehrere Milliarden Euro betragen. Mann bin ich geladen! Dem Fistelmäuschen zeige ich es:
„Ist schon gut. Ich danke auch recht schön, dass das so schnell geht“, rasple ich dankbar Süßholz.
Ich hänge ein, stiefle in den Keller, der so fremdartig sauber aussieht, um mir eine Flasche Wein zu gönnen. In der Küche setze ich mich ziemlich geschafft hin. Ich bin einfach ausgepowert. Und als ich durch das Haus schnüre, entdecke ich auch die Einkaufsliste im Wohnzimmer. Ich kann mir

wirklich nicht erklären, wie sie dort auf dem Sofa landen konnte. Karli ist der Übeltäter, beschließe ich.
Wer Mädchen überfällt, der boxt auch absichtlich Zettel in einen Sofaspalt, um Papi zu ärgern. Ich lese spaßeshalber den Wisch. Habe ja sonst nichts zu tun. Tatsache ist, dass dort nicht eines der Dinge aufgezählt ist, die ich besorgt habe.
Wer denkt schon an Milch, Eier, Brot? Kein Mensch! Solche Sachen sind einfach immer da, oder etwa nicht? Man muss ja nur den Kühlschrank aufmachen.
Ich öffne den Wein. Selbst der bröselnde Korken bietet kein Hindernis. Wenn nicht anders, dann wird er eben hereingedrückt. Hauptsache man kommt an den Rebensaft

heran.
Bei Wendels ist jede Flasche fällig. Einschließlich mir selbst. Karli geistert in meinen Gedanken. Frankenstein scheint noch ein niedlicher Hamster, ein Milchbubi-Welpen-Eichhörnchen gegen ihn zu sein.
Da entdecke ich in der Küche ein Zettelchen. Ich hatte es heute früh für ihn kreiert. Für Karli, weil ich mich so über sein Zimmer geärgert hatte. Ich ächze. Von den aufgeschriebenen Aufgaben hat er genauso wenig erledigt, wie ich. Es ändert jedenfalls kaum etwas an der Tatsache, dass die Zielsetzung verfehlt wurde. Und zwar satt!

Susie taucht ein Glas später auf.
Ich schaue irgendwohin in den Raum. Ich

schaffe es einfach nicht sie direkt anzublicken. Sie wirkt sehr aufgeräumt und turnt fröhlich, entspannt in die Küche herein. Ich dagegen sehe noch die Ameisenleichen, die gar nicht mehr da sind, bildlich vor mir. Sie sieht frisch und munter aus, wie ein knackiger Blumenstrauß. Ihr Mund verzieht zu einem roten Tulpenlächeln. Ich dagegen fühle mich, wie zerschlagen und zerrüttet. Bevor wir zu Bett gehen muss ich ihr beichten. Es hilft nichts. Dazu kenne ich sie nur zu genau. Was bleibt denn sonst übrig? Es hat einfach keinen Sinn Frauen etwas vormachen zu wollen. Speziell Susie nicht!
„Warst du auf dem Elternabend?“, fragt sie und setzt ihr Handtäschchen auf dem Küchentisch ab.

„Ja“, brummle ich erschöpft.
Sie fragt: „Was hältst du jetzt von unserem Wonneproppen? Unserem Karlilein?“
„Ich wusste gar nicht, was er für ein Schweinepriester ist!“
„Er ist auch nicht schlimmer, als die anderen Bengels, glaub´s mir“, sagte sie und gießt sich ebenfalls ein Gläschen Wein ein.
„Die bauschen immer alles auf.“
Sie nippt.
"Wahrscheinlich wurde wieder ein Mädchen belästigt. Mir hätten sie das nicht vormachen können. Karli und Spenzers Franz sind sich einfach nicht grün. die kriegen sich immer wieder in die Wolle. Da kriegt dann jeder von denen seine Strafe und damit hat sichs."
Sie nippt erneut und wimpert wissend.

„Ich weiß doch, dass etwas im Busch ist“, erklärt die Wahrsagerin.
„Der Vorgarten sieht gelinde gesagt einigermaßen ramponiert aus. Woher?“
Ich beschließe zu schweigen.
Sie schnalzt mit ihrem Züngelchen.
"Morgen bestelle ich den Gärtner", verspreche ich kleinlaut.
„Also, was Karli angeht, da werde ich Morgen mit den Lehrern noch ein paar Takte reden.“
Ich bin mir sicher, dass die Lehrerschaft keine Chance hat.
Ich habe ja auch keine.
Die Katastrophe zu übertünchen ist sinnlos.
Ich werde mich im Bett an sie kuscheln und dann werde ich ihr alles beichten.


Aber eines weiß ich gewiss.

Ich muss unbedingt verhindern, dass sie mich für einen Tag im Büro vertritt. Wenn Susie einen Tag für mich schmeißen würde, wäre ich schnell entlassen und sie würde postwendend für mich eingestellt werden.

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Hörbuch

Über den Autor

welpenweste
Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten.
Hoffentlich glückt es.
Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren.
Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert.

Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.

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Brubeckfan Ach Günter, welch Kompliment am Ende, und eigentlich die ganze Erzählung hinweg.

Hm, im vorigen Jahr lobten gleich zwei Frauen die Ordnung in meiner Singlewohnung. Seitdem grüble ich, freue ich mich übers Lob oder war es nur feministischer Chauvi-Kram?

Hier etwas Schreibkram: Tierschützer, der
zum Reihern zum Verzweifeln zum Heulen
die Straße
wie ich finde
ein Hüne

Viele Grüße
nach vergnütem Lesen,

Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Freut mich, dass Du Dich durch die ganze Erzählung hindurchgewurstelt hast. Ich hoffe, dass es Spaß gemacht hat. Herzlich Günter
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Die Kurzfassung kannte ich ja schon: "Das bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann ..."
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Johanna von Koczian! Nett und swinging! Ich kam aber durch einen Wasserrohrbruch im Bad auf die Idee zu diesem Monumentalwerk (lach).
Vor langer Zeit - Antworten
CHM3663 Herrlich! Genial! Köstlich! Von der ersten bis zur letzten Seite! ;-)
Ich habe wieder und wieder schallend gelacht und jedes Horror-Szenario genau vor mir gesehen. ;-)
Das sollte unbedingt verfilmt werden, denn das wäre der absolute Hit! ;-)
Und gleichzeitig ist es das schönste versteckte Kompliment an die Frauenwelt, das ich je gelesen habe! ;-)
Ich empfehle es allen gestressten, genervten Frauen, die maßlos unterschätzt werden, und allen Männern mit zu viel Selbstbewusstsein! ;-)
Vielen herzlichen Dank und liebe Grüße,
Chrissie
Vor langer Zeit - Antworten
trixi1303 Oh man, so einen Mann möchte ich nicht zu Hause haben. Und dann noch der Sohn, wie der Herre so das Gescherre, sag ich nur. Aber ich hab mich köstlich amüsiert. War einfach wunderbar geschrieben.
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Danke auch für Dein Durchhaltevermögen. Dies ist eigentlich ein Buch zur Veröffentlichung gedacht.
Hauptsache, es konnte gut unterhalten!
Gruß
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Habe fertich ...
... und schon sehr lange nicht mehr so gelacht.
Ich starte jetzt kein langweiliges Männer-können-das-besser-und-Frauen-das-Geblubber, denn das ist an dieser Stelle wohl nicht dein Plan. Außerdem wissen wir ja alle, dass es so ist.
Ich bleibe dabei - es war ein Lesevergnügen der Oberklasse, amüsant, sehr kurzweilig und einfach köstlich.
(Und falls es deinen Protagonisten tröstet - mir ist auch schon eine Waschmaschine explodiert und ich hatte auch schon mistig-dreckige Haustiere im Bett und und und ... )
Hausfräuliche und sehr herzliche Grüße
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Einfach herrlich. Habe ein Lesezeichen gesetzt und werde mich morgen weiter vergnügen. Natürlich will ich wissen, wie der Held mit Pauken und Trompeten, ähnlich der Titanic untergeht :)
Die Planung der sadistischen besseren Hälfte verspricht viel Freude.
Lesevergnügen der Oberklasse!
LG Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Ich lache mich ab ... ein ums andere Mal ein riesiges Lesevergnügen ... zwei Kapitel habe ich schon ... einfach herrlich!
LG Heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
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