Humor & Satire
Bayerischer Architekturpreis

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"Bayerischer Architekturpreis"
Veröffentlicht am 18. Februar 2020, 14 Seiten
Kategorie Humor & Satire
© Umschlag Bildmaterial: Pixabay
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Über den Autor:

"Friedemann" ist nur mein Vorname, für meinen Nachnamen "Kriegsfuß" reichte (aufgrund der von myStorys vorgegebenen Obergrenze von 14 Zeichen) leider der Platz nicht mehr. Mein Name besagt, dass ich im Grunde ein sehr friedliebender Mensch bin, der aber verbalen Auseinandersetzungen nicht grundsätzlich aus dem Weg geht. Diese sind gelegentlich die Folge von satirischen Texten, für die ich schon seit meiner Schulzeit (als noch Lehrer und ...
Bayerischer Architekturpreis

Bayerischer Architekturpreis

Vorwort: Vor einigen Jahren wurde der der Bayerische Architekturpreis ausnahmsweise nicht für ein Museum, Theater oder sonstiges beeindruckendes Bauwerk vergeben, sondern an eine - auf den ersten Blick unscheinbare - Garage in unserem Heimatdorf Enghofen*. Ausgelobt hatte diesen Preis die Bayerische Architektenkammer auf ausdrücklichen Wunsch des Bayerischen Kultusministers*, welcher die umseitige Laudatio hielt. * Alle Namen aus Datenschutzgründen geändert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie beurteilte einstmals der Münchner Stadt-Philosoph Karl Valentin das künstlerische Schaffen? „Wenn’s einer kann, ist’s keine Kunst. Wenn’s einer nicht kann, dann erst recht nicht.“ Diese populistische These - welche die Kunst per se in Frage stellt - wurde in eindrucksvoller Weise durch ein zukunftsweisendes Bauwerk widerlegt, das in avantgardistischer Manier die heutige Architektur wieder in den Olymp der Künste zurückführte und diese Kunst in höchster Vollendung repräsentiert. Die Rede ist von der Garage des Bauherrn Armin* Axtmann* im oberbayerischen

Enghofen*, die von dem wohlbekannten Architekt Friedensreich Zwanzigwasser* entworfen wurde, der einmal mehr das heutige Architekturverständnis in wegweisender Ausprägung interpretierte. Ein bestechender Beweis dafür, dass mit verblüffend einfachen, jedoch stilsicher angewendeten architektonischen Finessen sich auch ein schlichter, profaner Zweckbau in den Rang eines wahrlich auserlesenen Kunstwerks internationalen Ranges aufzuschwingen vermag. Worin liegt nun das Geheimnis dieses Entwurfs? Edle Einfalt und stille Größe - mit dieser denkwürdigen Wortschöpfung charakterisierte einstmals Johann

Winckelmann die Erhabenheit antiker Bauten und würde (wenn er noch lebte) - gewiss auch die Axtmann´sche Garage mit diesen seinen Worten lobpreisen! Denn in ihrer einfachen, schnörkellosen und sich bewusst zurücknehmenden - und dennoch fühlbar überwältigenden - Formensprache, in der sich die stilistische Botschaft ohne jegliche Aufschneiderei auf das Wesentliche reduziert, legt dieser Bau - in Fortführung der großartigen Bauhaus-Tradition des zwanzigsten Jahrhunderts - ein faszinierendes Zeugnis modernen Architekturschaffens ab und lässt die kubistische Formenwelt eines Mies van der Rohe in einzigartiger Perfektion

wiederauferstehen. Denn wie äußerte sich dieser unvergessene Wegbereiter der Neuen Sachlichkeit damals schon? „Weniger ist mehr!“ Und weniger als dieser Kubus geht wahrhaftig nichts mehr!! Aber!: Zukunftsweisende Architektur schenkt nicht nur - sie fordert auch! Sie hinterfragt überlieferte barocke oder noch bombastischere Schönheitsideale und verlangt von den Betrachterinnen und Betrachtern dieser Garage daher unvoreingenommene Sehgewohnheiten - mag sich deren spröde Schönheit manchem Auge auch erst auf den zweiten oder dritten Blick erschließen! Erst dann

nämlich, wenn sich die Betrachterinnen und Betrachter deren architektonischer Botschaft vorurteilsfrei öffnen und die Reinheit deren Stils sowie die Ausgewogenheit ihrer - dem Goldenen Schnitt verpflichteten - Proportionen verinnerlichen! Sodann bedarf es nur noch wenig der Phantasie, um in den grandiosen Pyramidenbauten von Gizeh - in ihrer ähnlich klaren und signifikanten Dreiecksform - die Vorboten jener puristischen und zeitlos schönen Architektursprache zu erahnen, die in der kongenialen Viereckform der Axtmann’schen* Garage schlussendlich ihre Erfüllung finden sollte!


Jedoch!: Die heutige Baukultur erschöpft sich nicht nur in bloßem Ästhetizismus, sondern ist im Sinne einer zeitgemäßen ganzheitlichen Betrachtungsweise mehr denn je den ökonomisch-ökologischen Kriterien unserer Zeit verpflichtet und fordert daher NACHHALTIGKEIT!. Doch auch hier setzt Bauherr Axtmann* zukunftsweisende Akzente!! Im Vergleich zur Cheops-Pyramide, die zwar formal-ästhetisch verwandt und ähnlich hinreißend anzuschauen ist, bei der aber unfassbar verschwenderisch mit den Ressourcen Mensch, Material und Umwelt umgegangen wurde, ist der Landschaftsverbrauch seiner Garage um den (Nachhaltigkeits-) Faktor 5000

geringer! Mit anderen Worten: Würde man nur diese eine Pyramide abreißen, könnten anstelle einer toten Mumie dort 5000 Ägypterinnen und/oder Ägypter Raum für ihre Autos finden! Eingedenk der anerkannten These, dass Architektur „steingewordener Zeitgeist“ sei, fragen wir uns nicht zu Unrecht: Welches Bauwerk spiegelt den Geist unserer Zeit noch nachhaltiger wieder als diese Garage? Wo nimmt Nachhaltigkeit noch eindrucksvoller Gestalt an? Möge ihr daher - als Zeitzeuge unseres beginnenden Jahrtausends - noch ein langes Dasein beschert sein - sei es unter dem Schirm des Denkmalschutzes, sei es als Weltkulturerbe!!

Und Laast Not Liest: Möge dieser Preis darüberhinaus dazu verhelfen, diesem Juwel fortschrittlicher Architektur auch in den Augen der bodenständigen und zu derbem Spott neigenden Enghofer* Dorfbevölkerung (boshafte Äußerungen wie beispielsweise „Riesen-LEGO“ oder „Schuhschachtel“ sind hier leider an der Tagesordnung) endlich jene Anerkennung zuteil werden zu lassen, die es aufgrund seiner herausragenden Bedeutung für die überregionale Architekturszenerie schon längst verdient hätte! Anstatt hinter vorgehaltener Hand darüber zu lästern und zu kichern, sollten die Enghofer* Bürgerinnen und Bürger stolz sein auf diese ihre einzigen Sehenswürdigkeit!

Ich gratuliere den Preisträgern allerherzlichst und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Nachlese 1: Diese Rede wurde vom Verfasser dieses Textes bei Einweihung der Garage seines Freundes Armin* verlesen. Nachlese 2: Leider musste ein Jahr nach seiner Überreichung dieser Architekturpreis dem Bauherren Axtmann* wieder aberkannt werden, da jener das Flachdach seiner Garage mit wilden Wildkräutern bepflanzt und hierdurch die architektonische Botschaft des Bauwerks nachhaltig verfälscht hatte.

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Hörbuch

Über den Autor

Friedemann
"Friedemann" ist nur mein Vorname, für meinen Nachnamen "Kriegsfuß" reichte (aufgrund der von myStorys vorgegebenen Obergrenze von 14 Zeichen) leider der Platz nicht mehr. Mein Name besagt, dass ich im Grunde ein sehr friedliebender Mensch bin, der aber verbalen Auseinandersetzungen nicht grundsätzlich aus dem Weg geht. Diese sind gelegentlich die Folge von satirischen Texten, für die ich schon seit meiner Schulzeit (als noch Lehrer und Mitschüler ihre Opfer waren) eine Vorliebe habe. Gemäß meinem Motto - Humor ist das Knopfloch, mit dem wir verhindern können, dass uns der Kragen platzt - kommt hierbei allerdings der Humor (meistens) nicht zu kurz.

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welpenweste Leider findet eine Architekturschönheit immer noch nicht die Wertstellung, die sie verdient. Ich rede von der Siebener-Bahn. Wenn am Oktoberfest aufgebaut wird, dann kann man sie für eine ganze Weile kulturell genießen, nämlich die Acher-Bahn, die noch nicht fertig ist.
Sie spiegelt die Zerrissenheit der Gesellschaft wider, sowie die Umwälzung (u.a. die Rotation der Umweltsünden) der Situation der Erde. Was für ein gesellschaftspolitischer und kultureller Genuss!
Eigentlich ein Weltkulturerbe!
Günter.
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
herzlichen Dank für Deinen reichhaltigen Geschenkkorb und insbesondere für Deine Fürsprache für die Aufnahme der Axtmann'schen Garage in die UNESCO-Liste der Weltkulturerbestätten, da dies - zugunsten eines genügsamen Architekturverständnisses - ein deutliches Zeichen setzen würde gegen die verschnörkelten Prunk- und Protzbauten barocker Kirchenfürsten; wie z.B. der Würzburger Residenz.

Liebe Grüße,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
DoktorSeltsam Ganz großes Kino, werter Friedemann. Ich sag's nicht gerne, aber so wunderbar formulierte, pointensichere und hintersinnige Texte findet man nicht häufig in diesem Forum. Im Übrigen ist mir ein Mann, dem es gegeben ist, Valentin zu zitieren, gewissermaßen automatisch ein Bruder im Geiste, Und daher schließe ich meine Ausführungen auch im Hinblick auf meine Vorredner mit den Worten: "Es ist bereits alles gesagt. Nur noch nicht von allen."
Beste Grüße
Dok
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Hallo Dok,
ich danke Dir für Dein dickes Geschenkpaket und für Dein dickes Lob, dessen Superlative ich mir garnicht so richtig bewusst sind. Es ist halt eine Satire mit teilweise schon märchenhaften Übertreibungen, und Karl Valentin mag ich, auch weil er aus Worten oft unerwartete Bedeutungen herauskitzeln kann.

Liebe Grüße,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Einfach herrlich, lieber Friedemann.
Da könnte sich manch ein "Redenschwinger" ein Beispiel dran nehmen.
Lieben Gruß
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Auch Dir, liebe Sabine,
herzlichen Dank für Dein herrliches Lob und Deinen Favo obendrein.

Liebe Grüße und gute Nacht,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Lieber Friedemann,
endlich hat sich ein Vergabegremium von verkrusteten Bewertungskriterien gelöst. Ein Meilenstein für neue Sichtweisen und Projekte in der Architektur.
Außergewöhnliches will erkannt sein. :-))
Schmunzelgrüße
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Kara,
Deine lobenden Worte sind mir eine große Freude, doch wollte ich mit dieser Satire eigentlich nur einen Freund - aufgrund seiner Gartenverschandelei durch diesen Zweckbau - ein wenig durch den Kakau ziehen, und nun wurde ein Meilenstein daraus. Zwar rege ich mich oft über Architekten auf, wenn sie sich selbst ein Denkmal setzen wollen anstatt ihr Werk in die Umgebung oder die Landschaft zu integrieren, doch gehe ich nicht so weit wie der Design-Rebell Luigi Colani, der die Architekten in Bausch und Bogen als „die größten Nachkriegsverbrecher“ verurteilte. Doch falls Colani - der keine Ecken und Kanten mag und stolz darauf war, in seinem Leben nie ein Lineal benutzt zu haben - damit ausschließlich die Fertiggaragen-Architekten gemeint hätte (sofern es solche überhaupt gibt), könnte ich mich ihm inhaltlich anschließen.

Liebe Grüße und Dankeschön für die Talerchen,
Friedemann Kriegsfuß
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Dieses einmalig geniale Denkmal der Bauhausarchitektur hast du mit höchst erfreulichen passenden stilistischen Reverenzen geschmückt, lieber Friedemann, da geht nur noch eins - lachen, bis der Arzt kommt! ;-))
Liebe Grüße,
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Fleur,
auch Dir herzlichen Dank für Dein Lob, Dein Lachen und Dein Favo,
ich freue mich sehr,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
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