Journalismus & Glosse
Kleinigkeiten aus der Großstadt - Nummer 5

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"Wahre kleine Begebenheiten, voll echt"
Veröffentlicht am 02. November 2018, 8 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
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Über den Autor:

Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und ...
Wahre kleine Begebenheiten, voll echt

Kleinigkeiten aus der Großstadt - Nummer 5

Turn around

Ein Club wie jeder andere, auch die paar grauhaarigen Tänzer sind nichts beson-deres, die noch „Diskothek“ sagen. Ge-nau dorthin werden sie dann zurück-versetzt, als plötzlich wohlbekannte Musik aufgelegt wird. Und die Jugend singt laut mit! „Völlig losgelöst…“ Text-sicher sind sie, deutlich besser als unser-eins damals. Aber hej, das ist meine Musik, das ist meine Jugend! Als hätte ich mich dazu-mal für Swing oder Foxtrott begeistert, als hätten meine Eltern Charleston ge-tanzt oder meine Oma Menuett oder

so. Bei einer großartigen Schnulze kulmi-niert die Stimmung: „… nothing I can say…“ (alle Arme und Gesichter thea-tralisch gen Himmel gereckt) „… eclipse of the heart…“ (alle Hände ans Herz gepreßt). Überwältigend, Leute. Ganz großes Kino. Schon deshalb hat sich der Abend gelohnt. Also gut: Unsere Musik sei auch eure. Zumal ihr ja heutzutage auf dem Tanz-boden nicht eben mit modernen Melo-dien verwöhnt werdet.

Mal was Kleingeld

Auf dem U-Bahnhof fotografiert abends eine mittelalte kleine Frau mit ihrem Smartphone die Zuganzeige, versendet das Bild und telefoniert dann eine Weile in einer slawischen Sprache mit einem Mann. Steckt das Smartie weg, steigt in den Zug ein und… läuft bettelnd durch die Wagen. Könnte sie nicht zuerst ihr Quatschofon verkaufen? (Es ist nicht lebensnotwendig: Ich lebe ja.) Wer zahlt ihren Vertrag, wer kassiert ihre dürre Beute? Auch die Frau, welche jedem die Tür zur Sparkasse aufhält, scheint organisiert zu

sein und tritt Tag für Tag früh um acht Uhr den „Dienst“ an. Als Selbständige würde sie doch wenigstens die Tage mit Mistwetter auslassen? In meiner früheren Heimat gab es Bettel-männer nur in Kinderreimen und Mär-chen. Betteln ist großer, unwürdiger Scheiß; und selbst der ist nicht immer, was er mal war. Vor dem Kaufland hockte neulich einer, der hatte seinen Plan wohl erfüllt. Er saß einfach entspannt da, auch nicht das Centstück auf dem Pflaster vor ihm konnte ihn beunruhigen. Ich hob es auf und sah ihn an: Nein, blind war der

nicht. Ja dann, toi toi… Etwas pervers fühlte sich das Finderglück dann doch an.


Ich spende regelmäßig und gebe gern immer mal was. Nicht aber, wenn von Station zu Station der nächste mit wieder und wieder einer Zeitung kommt; wenn einer nach freundlicher Abweisung „Arschloch“ brummt; oder eben wenn es nach „Bettlerzuhälter“ riecht.


In einer anderen Großstadt, in Barcelona, hockte neulich eine junge Britin und trällerte froh und aus ganzem Herzen zum Kassettenrekorder, nur so aus Spaß. Das war mir einen Taler wert.



Das sollte die einzige Art des Bettelns auf der Welt sein.




© 2018 Brubeckfan

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Brubeckfan
Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und das ist allermeistens.

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cassandra2010 
Der kleinen Britin hätte ich auch was gegeben... zumal die es ja demnäx verflixt brauchen werden, bei DEM Brech it!!!

Holleri du ddl di? Du dödl do
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan 3. Gerundium bei Londoner Nebel?
Gerry
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Ach, ich war schon ewig nicht mehr in Berlin, es wird mal wieder Zeit!
Die Bettler am Hbf sind manchmal auch ganz schön nervig, eine Obdachlosenzeitung sollte ich abonnieren ... Ahnte gar nicht, dass ich - Rentnerin aus der Provinz - anscheinend sooo abgerissen ausgesehen haben muss ...
Um die Kulturangebote beneide ich euch schon sehr, gucke öfter mal RBB.
Schöne Grüße
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan :-) Nein, Du siehst wohlsituiert genug aus, um regelmäßig was zu spenden und in der Zeitung vlt. noch Tipps dazu zu finden.

Na denn, gib Dir einen Schubs Richtung Berlin, wir haben hier auch Flüsse und Flußtouren...

Vielen Dank und viele Grüße!
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Muss erst wieder richtig gesund werden, noch vor Weihnachten ist der nächste Besuch geplant. Und die "Brückenfahrt" mit dem Schiff durch Berlin haben wir schon gemacht, war spitze!

Herzlichen Gruß
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Laß Dich schön pflegen.
Und wie wärs mit Newton-Museum, Varieté Chamaleon, Untergrund-Museen, Brauhaus Lemke, Kantinenlesen, Jazzbrunch im Duke, Elchbraten in Munch's Hus ich hör schon auf.
Tschühüs,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Wieder eine echte "Milieuzeichnung" und denke, welch Glück, dass ich auf dem Dorf lebe. Da sieht man so was nämlich nicht bzw. äußerst selten.

LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan ... da hast Du z.B. auch nicht die unfreiwillige menschliche Nähe wie diese Woche, als das Ostkreuz gesperrt war und alle auf die U-Bahn ausweichen mußten. Aber natürlich auch nicht die Lesebühnen, Bars, Kinos, Tanztempel...
Sonnige Wochenendgrüße!
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
baesta In meinem Alter ist man nicht mehr so scharf drauf. Gut! Lesebühnen, Kabarett und Kino gibt´s auch bei uns. Auch auf´m Dorf ist immer mal was los. Bars Tanztempel sind in der Nähe, aber ich mag eher die Ruhe.
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Bin vor n paar Tagen von ner kleinen Tour durch Ostwestfalen wiedergekommen. Der erste Spruch der mir am ZOB Hamburg in die Ohren gebrüllt wurde: "Haste mal n Euro?" - Schön wieder daheim zu sein.
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
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