Sonstiges
Verräterische Geräusche

0
"Autoren-Challenge 16"
Veröffentlicht am 30. Januar 2017, 22 Seiten
Kategorie Sonstiges
© Umschlag Bildmaterial: Andrea Minutillo
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich - eindeutig rot - freiheitsliebend - in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt - nach außen der Fels in der Brandung - die Person, auf die man sich verlassen kann - auch mal anlehnen, kein Problem - ein dunkles samtiges Rot also - richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand - Struktur - Kunstschule Zürich - zahlreiche Ausstellungen in der Region - flippig - flapsig - bunt in mir drin - auch mal ...
Autoren-Challenge 16

Verräterische Geräusche

Ich möchte nicht. Wirklich nicht! Das Zimmer so kalt. Die Wohnung so kalt! Und doch zwingt mich mein Körper hoch. Ich muss. Ich muss aufstehen. Meinen Körper aus dem warmen Bett rollen. Ich hätte nicht so viel trinken sollen. Am Abend. Wasser in Strömen. Warum habe ich nur abends immer so einen Durst? Warum, warum? Ein Blick auf den Wecker. 4:20 und 23 Sekunden.


Mein Lieber hat bestimmt gerade „Mittagspause“. „Mitternachtspause“! Ich stelle mir vor, wie er seinen Apfel futtert. Und jede Menge dummes Zeug erzählt. Die anderen zum Lachen bringt. Lächeln. Auf meinen Lippen. Und jetzt stehe ich wirklich auf. Tapse durch die kalte dunkle Wohnung. Kalt und dunkel. Gänsehaut. Noppen überall. Ich muss mal.

Rauschen. Abspülen. Aufstehen.

Ich halte inne. War da was? Spitze die Ohren. Bilde mir manchmal viel ein! Wenn ich damit anfange … Ich öffne die Tür. Einen Spalt. Schritte. Da ist wirklich was! Eilige Schritte. Leise, aber auch nicht so leise. Und dann … Rums. Die Wohnzimmertür lässt sich nicht leise öffnen. Nur laut. Da ist tatsächlich jemand!

Zwei Personen können es sein! Müssten es eigentlich sein. Meine Beine schlackern. Mein Herz rast. Kalt ist mir trotzdem. Habe nichts an. Trage nachts keine Kleidung. Wie doof! Was soll ich machen? Die Küche wird vom Flur durch einen Vorhang getrennt. Weil alles so klein ist. Eine Tür? Sie würde zu viel Platz benötigen. Stehe mitten in der winzigen Küche und weiß nicht … Lausche. Im Wohnzimmer rappelt es ordentlich!

Verkrieche mich unterm Tisch. Entschuldige mich bei den Spinnen, deren Werk ich gerade eben zerstört habe. Ein kleiner Döner-Rest unter meinem Fuß. Geschäftiges Treiben im Flur. Ich hocke. Wie eine Maus! Unterm Tisch an die kalte Wand gelehnt. Ein Krampf in der Wade kündigt sich an. Ich sollte … Ich sollte schreien. Hervorspringen und denen die Gurgel umdrehen! Ich sollte unser Hab und Gut verteidigen. Ich sollte … zumindest das Kennzeichen notieren.

Dafür müsste ich einen guten Meter bis zum Fenster schaffen. Stift und Papier liegen gegenüber auf der Ablage. Das Handy befindet sich im Schlafzimmer. Neben dem warmen Bett. Dem warmen Bett! Wenn die bemerken, dass das Bett warm ist, werden sie mich suchen! Zittere am ganzen Leib. Zitternd und steif hocke ich unterm Tisch. Starr vor Angst. Ich sollte hervorkriechen, um den Tisch herum, Stift und Papier greifen, um den Tisch wieder zurück, zum Fenster, die Lamellen auseinander ziehen, lautlos(!), das Kennzeichen lesen und dann …

ohne Zahlendreher notieren und schnell wieder unter den Tisch. In mein Versteck. In mein Versteck, das eigentlich keines ist. Der Plan steht. Mein Körper zeigt sich unfähig. Rumpeln im Flur. Ich kann mir nicht glauben. Nicht glauben, dass ich es schaffen kann. Darum flüstere ich. Ganz leise! „Komm, steh auf! Du schaffst das! Bei drei! Eins, zwei …“ Plötzlich herrscht Stille im Flur. Eine Männerstimme.

Gedämpft.

„War da was?“ „Weiß nicht. Lass uns verschwinden!“ Ich bin ganz still. Bis auf mein Herz. Es macht einen Höllenlärm! Wenn die jetzt abhauen, habe ich nicht mal das Kennzeichen! Ich muss mich beeilen. Wenn nicht jetzt, dann ist es zu spät! Also … Ich bewege mich völlig geräuschlos. So gut es geht. Mein Knie knackt. Warum bloß? Schnell ducke ich mich wieder zurück in meine Hockstellung. Mein Ohr pfeift.

Bin völlig blockiert. Mit dem Hinterteil reiße ich das Wandkörbchen runter. Blödes Körbchen! Mein täglicher Schmuck, also ein paar Ringe, eine Uhr und Millionen Armbänder krachen auf die Fliesen. Der Vorhang wird zur Seite gerissen. Ich stehe da. In halber Hockstellung und zugekniffenen Augen. Idiotisch! Als könnten sie mich so nicht sehen! „Lass uns abhauen! Die macht nichts“, zischt der eine. Laut polternd rennen sie raus. Autotüren schlagen.

Der Motor heult auf. Und ich? Stehe zitternd auf wackeligen Beinen. Bewegungsunfähig. In halber Hockstellung und heule. Ich möchte nicht. Wirklich nicht! Das Zimmer so kalt. Die Öfen noch kalt. Das Bett so muschelig warm. Beinahe Tag. Es dämmert. Ich muss. Ich muss aufstehen. Mein Körper fordert seinen Tribut.


Ich atme durch und wische gedankenverloren die Tränen aus dem Gesicht. Wundere mich. Tränen? Schlüpfe in die warmen Puschen. Der Fleece-Morgenmantel wärmt in wenigen Augenblicken meinen Körper. Als erstes heize ich den Wohnzimmerofen an. Das Holz knackt heimelig. Ich ziehe den Vorhang zur Küche beiseite ... Und staune nicht schlecht. Ein großer Strauß Tulpen verkündet den kommenden Frühling. Wie ist der …? Wann ist der hier …? Hat er …? Auf dem Boden die Bescherung!

Mein Schmuck liegt durcheinander auf dem Fußboden. ??? Ach ja, ich war dagegen gekommen. Als ich mal musste. In der Nacht. Oder? Wasserrauschen. Oh! Mein Lieber ist schon da! Natürlich! Die Tulpen … Die Schiebetür öffnet sich sachte. Schuldbewusst sieht er mich an. „Ich räum es gleich auf! Bin dagegen gekommen.“


Gemeinsam hocken wir über den Millionen Armbändern. Sammeln alles zusammen. Ein zartes Küsschen. „Danke“, sag ich, „die Tulpen sind wunderschön.“

0

Hörbuch

Über den Autor

Frettschen
Ich
- eindeutig rot
- freiheitsliebend
- in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt
- nach außen der Fels in der Brandung
- die Person, auf die man sich verlassen kann
- auch mal anlehnen, kein Problem
- ein dunkles samtiges Rot also
- richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand
- Struktur
- Kunstschule Zürich
- zahlreiche Ausstellungen in der Region
- flippig - flapsig - bunt in mir drin
- auch mal nachdenklich
- manchmal introvertiert
- stets auf der Suche nach Neuem
- in meinem Bereich versteht sich
- Sternzeichen Löwe
- Querdenker und Rebell
- reiße mir die guten Seiten des Alltags unter die Nägel
- manchmal erwische ich auch die weniger Guten,
doch die schüttele ich hastig ab

ich liebe:
- einsame Orte
- den Wind
- das Geklapper der Taue an den Masten
- ob an Fahnen oder Booten, ist mir egal
- die Ruhe im Wald
- der Schutz eines Baumes - wenn man sich darauf einlässt
- das Eintauchen in die Arbeit an der Staffelei
- wenn`s gelingt
- das sichere und untrügliche Gefühl,
etwas Besonderes entstehen zu lassen
- das Spielen mit unserer Sprache
- gutes Essen
- ein unerwartetes Lächeln
- Musik - alle Richtungen
- am besten schön laut
- Tanzen
- Ausdruck
- Profil
...

Leser-Statistik
33

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
RachelWonder Ideenreich und kunstvoll verschnörkelt! Toll, hat echt Spaß gemacht. Deine Bilder sind irre!!!
Vor langer Zeit - Antworten
Felix wundervolle Bilder - super Text. Ich wünsche dir einen sehr schönen Abend
Vor langer Zeit - Antworten
flovonbistram Klasse, geschrieben, wie man in solchen Momenten empfindet und dann die Bilder...sie erzählen auch einem dem Lesen nicht Mächtigen die ganze Geschichte. Klasse

Grüße von Flo
Vor langer Zeit - Antworten
Kornblume Hallo Frettschen,
Die Idee mit dem heimlich hingestellten Blumenstrauß als Überraschung finde ich super. "Unheimliche"Geräusche die neugierig auf die Fortsetzung und das Umblättern machten gab es dabei viele. (Verräterische) eher weniger).Der stakkatohafte Schreibstil ist allerdings Geschmacksache.Die Bilder, jeweils passend zum Verlauf der Geschichte, sind in ihrer Ausfürung durchdacht und in ihrer Minimalität sehr gelungen.(Kohle, Kreide oder?????)
Das Lesen und Anschauen hat mir Spaß gemacht,
Ob du die Thematik hundertprozentig erfasst hast, kann nur Andy wirklich beurteilen.
Grüße durch die Nacht schickt die Kornblume.

Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Frettschen-mässig stark!
Wie schreibt Tintenklecks - Stakkato-Stil - das triffts genau, denn das ist dein Stil, der mir auch so gefällt. Ich glaube, so könntest du das Telefonbuch abschreiben und sogar das wäre dann spannend :))
Vom Inhalt her hast du den Spannungsbogen sehr fein gespannt und die Bilder sind ja eh der Hammer.
Suche die ganze Zeit schon was zum Nörgeln, finde aber leider nichts :)
Lieben Gruß
Sabine

Vor langer Zeit - Antworten
Himbeere Schön geschrieben, die Bebilderung einzigartig :) So schöne Details herausgearbeitet um das Ganze dann doch wieder erahnen zu lassen.
Der Schreibstil passt sehr gut dazu, ist dem "Pinsel"(äh Stifte,ähKreide,Kohle...) - strich ählich. :) LG Himbeere
Vor langer Zeit - Antworten
Pfauenfeder Ich war in Spannung gehalten, und konnte mir doch ein Lachen hier und da nicht verkneifen - wollte ich ja auch nicht. Die Auflösung passt super zum Anfang der Liebste ist überall! :D Und die Bebilderung setzt allem noch einen drauf!
Einen großen, dicken Daumen hoch!

Liebe Grüße an Dich!
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Das freut mich - ganz spannend zum Lachen gebracht!
Das ist doch mal was anderes!
Haha - tanze um den Tisch herum ... juhuu!
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Ungewöhnlich und ein wenig Spannung, schon passt es. Die Bebilderung ist prima!
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
Herbsttag Eindrucksvoll beschrieben und gemalt. Diese verflixten Geräusche;-) Tolle Story. Ira
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
22
0
Senden

150496
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung