Kurzgeschichte
Meine Flüchtlinge - Teil 2

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"Meine Flüchtlinge - Teil 2"
Veröffentlicht am 07. Februar 2016, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich wohne in der Oberlausitz und schreibe gern über meine schöne Heimat, schon seit der ersten Klasse. Ich liebe meine vier Kinder und bin sehr stolz auf sie. Nun sind sie in die Welt gezogen von Berlin bis Tokio, also besorgten wir, mein Mann und ich uns zwei neue Babies: Katze Nala und Hund Willy. Jeder von uns hält einen im Arm.
Meine Flüchtlinge - Teil 2

Meine Flüchtlinge - Teil 2

Videos im Internet, nur gut gemeint, peitschen die Gefühle hoch. Sätze in Gazetten, aus dem Zusammenhang heraus gerissen, heizen auf. Was in vielen längst schlummerte, entlädt sich als Hass. Die Gesellschaft ist zerrissen. Politiker entscheiden, wie kopflos gewordene Hühner, nur für den Augenblick. Konzeptionen und Weitsicht fehlen.

Und doch möchte ich als Atheistin glauben, an die Einsicht des Menschen, an seine Vernunft, an Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein, ganz einfach an Humanität.

5 Wochen kennen wir uns nun schon, meine Flüchtlingsklasse und ich. Aus Kennen ist eine gewisse Zuneigung geworden. Nicht alle

sind den Weg mit mir gemeinsam gegangen. Einigen war unsere schöne Muttersprache doch zu schwer. Andere mühen sich trotz großer Schwierigkeiten weiter und zeigen mir stolz das dicke Schreiben- ihre Anerkennung als Flüchtling.

3 Jahre dürfen sie nun bei uns bleiben, so lange und doch so kurz.

Da ist Yasser, der Syrier, Automechaniker und Friseur, der mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern in einem nahen Dorf wohnt. Die Kinder, 5 und 2 Jahre, sind im Libanon geboren. Nun ist er hier, für 3 Jahre vielleicht. Wie lange irrte er schon durch die Welt, welche Entbehrungen mussten die Kleinen ertragen?

Faiz, mit 50 Jahren der Älteste, sorgt

väterlich für die jungen Leute in meiner Klasse. Er zeigt mir voller Stolz die Bilder seiner beiden Töchter, hübsche Mädchen mit langen Haaren, beide Studentinnen. Seine Frau lehrt als Professorin an der Universität von Damaskus „Internationale Beziehungen“. Faiz engagierte sich gegen IS, gegen den Krieg, wohl auch gegen Assad politisch. Er wurde zusammengeschlagen und landete 1 Monat im Gefängnis. Liebevoll streicht er über das Foto seiner Frau. Er vermisst sie sehr. Ob sie wohl zu ihm darf? „Ich bete jeden Tag für ein Ende des Krieges“, sagt Faiz, der Christ und zeigt mir ein Bild des in den Wolken schwebenden Jesus. Gut so, die Hoffnung stirbt zuletzt.

2 Reihen vor ihm sitzt Bodour., die junge

Moslimin. Ihre Mutter, eine Ärztin, besucht den Kurs meiner Kollegin. Sie haben den Vater und Ehemann in Syrien zurück gelassen. Bodour zeigt mir ihren Vater und die hübsch eingerichtete Wohnung mit den roten Plüschsesseln in Damaskus. Das Foto ist an ihrem letzten Geburtstag aufgenommen, bevor die einschlagende Bombe ihr Haus vollständig ausbrannte.

Heute spielen meine Schüler „Beim Arzt“. Mohammad 2, manchmal habe ich ja zugegebenermaßen etwas Probleme mit den Namen, humpelt gekonnt vor und bittet den Doktor in gutem Deutsch um eine Salbe. Er habe sich das Bein gebrochen.

Mohammad 1, der junge Anwalt, mimt den Doktor. „Haben Sie etwas gegen Husten?“

liest er als Antwort auf die Bitte seines Patienten aus den Buch vor. Oje, da ist wohl etwas schief gegangen. Die Klasse bemerkt den Fehler, alle lachen laut.

Wir haben stets viel Spaß miteinander, einer geht auf den anderen zu. Die unterschiedlichen Religionen sind bedeutungslos, ich kenne sie nicht, ahne höchstens, dass viele von ihnen Christen sind.

Am 25. Januar war in der Lausitz Vogelhochzeit. Diesen uralten sorbischen Brauch feiern besonders die Kinder. Wir besuchten einen Kindergarten und die 2,3 jährigen sangen und tanzten für und mit ihren Gästen als Vogelbraut und Vogelbräutigam - gelebte Integration.  Meinen Schülern traten

vor Glück Tränen in die Augen.

Heute spreche ich über unser Grundgesetz Artikel 1. Wir schauen nach: was heißt Würde auf Arabisch?  „Alle Menschen sind gleich“, erklärt Faiz, der Anwalt. „Warum sie schreien mich an, wenn ich nehme eine Tute Reis?“ fragt er mich weiter.“Wir wollen hier nur Gast sein, bis Krieg ist aus, dann wir zuruck.“

Was soll ich antworten? Ist das der Unterschied zwischen Theorie und Praxis?

Neulich sah ich einen Film. Das dicke Wollschwein Sebastian nahm nur Futter von lächelnden Menschen entgegen. Dass Schweine intelligent sind, wusste man seit langem. Dass sie empathiefähig sind, sogar über die eigene Art hinweg, war den Wissenschaftlern neu.

Warum schafft Sebastian so etwas und wir sind nicht in der Lage, den freundlichen Gruß eines fremdartig aussehenden Menschen zu erwidern?

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Hörbuch

Über den Autor

Albatros99
Ich wohne in der Oberlausitz und schreibe gern über meine schöne Heimat, schon seit der ersten Klasse.
Ich liebe meine vier Kinder und bin sehr stolz auf sie.
Nun sind sie in die Welt gezogen von Berlin bis Tokio, also besorgten wir, mein Mann und ich uns zwei neue Babies: Katze Nala und Hund Willy. Jeder von uns hält einen im Arm.

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pekaberlin Da bekommt der Satz "Schwein sein ist schön!" eine ganz neue Bedeutung,
Christine.
Ja, so soll es sein! Zuerst sind wir alle "nur" Menschen. Das allein muss reichen, dem Anderen eine Würde zuzugestehen. Dann erst kann man kritisieren, zustimmen oder über Gutes oder Schlechtes diskutieren.
Und, vor allem sollten wir lernen, die Bemühungen zu loben, die sich Ausländer machen, um sich zu integrieren! Statt nur jenes zu kritisieren, was sie, aus ihrer Kultur und Erziehung heraus, eben nicht nach unseren Vorstellungen vollbringen. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass solche Dinge wie z.B. Gleichheit der Geschlechter, mit ein wenig Überzeugungsarbeit oft auch gern wie eine Befreiung wahrgenommen werden. Schließlich wurden wir alle von Frauen geboren.
Liebe Grüße
Peter
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Liebe Christine, das wäre mir fast ungelesen durchgerutscht im Chaos meiner letzten Tage ...
Genauso ist es, sobald man sie einzeln als Persönlichkeiten wahrnimmt, haben sie ein Gesicht, sind nicht mehr DIE Flüchtlinge oder gar DIE Muslime. Sicher gibt es auch andere, aber um diese hier sollten wir alle uns bemühen und ihnen offen und hilfsbereit entgegentreten. Es ist kein Geheimnis, dass viele Greuelmärchen über die Flüchtlinge erstunken und erlogen sind ...
Mach weiter so, das ist der richtige Weg!

Ganz liebe Grüße
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Eine Antwort an dich steht ja noch aus, ich komme jetzt nicht mehr so oft ins Netz, hab zu viel zu tun (Arbeit stresst halt auch-grins!)
Für mich sind die Tag e von Mi-Fr wirklich schön, es macht so viel Spaß und wir lachen so oft zusammen, auch über uns selber, und keiner nimmt dem anderen Fehler übel (ich verschreibe mich auch ab und zu mal, wenn ich rede und schreibe). Das Thema Rekigion lasse ich ganz weg, höchstens, wenn eine Frage käme, werde ich darauf eingehen. Ansonsten - alle verstehen sich, warum sollte ich irgend etwas provozieren? Zumal ich ja alles andere als sattelfest bin, du weißt es.
letzten freitag waren wir im OBI, Unterricht über Werkzeuge, war das ein Spaß, aber natürlich hatte ich auch Mühe, ab und zu musste ein Verkäufer ran, der erklärte es wieder zu wissenschaftlich, ich konnte nicht übersetzen, und der nächste Lacher folgte. Zuletzt waren wir bei den herrlichen orchideen gelandet und fotografierten uns mit denen gegenseitig.
(Das war alles eine kleine Entschädigung für die Truppe von Mo u. Di, die 16 Std. lang wiederholen. das interessiert doch kein Schwein.
Schönes WE und ganz liebe Grüße
Christine
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Wir bräuchten viele solche Lehrerinnen, wie Dich. Wir können einfach nicht alle in einen Topf werden mit denen, deren Absichten nicht so gut gemeint sind. Ledier läßt sich die Masse der Menschen von den Medien verblöden und denkt einfach nicht nach.
Am Freitag war ich bei uns in der Stadt einkaufen. Da sah ich einen jungen "fremdländischen Mann" etwas ratlos vor dem Parkscheinautomaten stehen. Er fragte mich ganz höflich in gebrochenem Deutsch, wieviel ein Parlticket kostet. Ich sagte ihm, dass eine halbe Stunde frei ist und zeigte ihm, welche Knöpfe man drücken muss. Er bedankte sich freundlich Das war eigentlich mein erstes Zusammentreffen mit einem Asylbewerber.
Andererseits schrieb man in unserer "Freien Presse", dass abends in einer stillen Gasse ein Mann von drei ausländischen Personen überfallen und ausgeraubt worden sei. Leider steht es eben niemandem an der Stirn geschrieben, aus welchen Gründen er hierher kam. Es gibt eben solche und solche, genau wie bei uns.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Genauso ist es, schön, dass du auch angenehme Erlebnisse hattest. bei den vielen negativen Schlagzeilen und Videos im Internet bin ich mehr und mehr überzeugt, dass mit Absicht Angst geschürt werden soll. Außerdem verkaufen sich solche Meldungen besser. Stell dir mal vor, du würdest dein Erlebnis in die Zeitung schreiben! Zum anderen fiel mir jetzt auch wieder der Überfall in München auf diesen Herrn Brunner ein, der tot getrampelt wurde. Das waren keine Ausländer und Flüchtlinge gab es damals noch nicht. Wie viele solcher Vorkommnisse, wenn auch nicht so schwer, mag es täglich geben?
Liebe Grüße
Christine
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Die Medien stehen anscheinend in einer Zwickmühle. Berichten sie nichts oder nur Belangloses, werden sie ausgeschimpft. Berichten sie über solche Vorkommnisse, wird wiederum Angst geschürt. Ich denke, dass durch solche Meldungen manche Menschen erst zu angeregt werden, irgendwelchen Unsinn zu treiben, nur damit man in die Schlagzeilen kommt. Am besten, man ignoriert solche Nachrichten oder man lässt den Fernseher ganz aus. Ich schaue mir in der Regel eh nur Natur-oder Tierdokus an Alles andere lasse ich nicht in mein Innerstes dringen, da ich sowieso meine eigene Meinung habe und mich nicht von Pegida oder sonstwem beeinflussen lasse. Das Leben war ja schon immer lebensgefährlich....
Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Ungeschminkt und sehr gut zu lesen.
Ich schließe mich gern meinen Vorschreibern an. Es ist schade, dass es solche Geschichten in der Regel nicht in die Medien schaffen. Schlechte Nachrichten verkaufen sich besser.
Habe es wieder sehr gern gelesen, weil ich weiß, dass es eben nicht nur eine Geschichte ist.
Lieben Gruß zu dir
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Liebe Christine,
wie schon in meinem Kommentar zum 1. Teil Deines "Flüchtungsbuches" kann ich auch jetzt nur sagen, schön, so einen Text zu lesen. Leider wird über die helfenden Hände nur am Rande berichtet. Es verkauft sich besser, wenn die Schlagzeilen Hassparolen beinhalten, die irgendwelche Unterbelichteten von sich gegeben haben.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Ameise Ich mag deine kleinen geschichten. Ich finde es erschreckend das es in Deutschland zu keine Aufständen kommt wenn menschen im Fernsehen und aller Öffentlicheit sagen ich schiesse auch auf Kinder an der Grenze. Oder ich würde es tun. Wo bleibt die Gegenwehr? Schreib mehr vielleicht ändert sich ja dann etwas. LG Ameise
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Meine Flüchtlinge - Teil 2..."
Sobald man einen persönlichen Bezug
zu diesen vor Not und Elend geflohenen Menschen bekommt,
ist die Situation natürlich auch gleich eine ganz andere...
Aber wenn diese Hals über Kopf Politik der Regierung,
dieser nicht mehr beherrschbare Zustand nicht umgehend
beendet wird, so fürchte ich, wird jenen vor Krieg und Terror Geflüchteten eine weitere Welle des Unmutes und des Fremden-Hasses entgegenschlagen...
Ein absolut unhaltbarer Zustand, der die momentane Handlungsunfähigkeit und die Glaubwürdigkeit der Merkel-Regierung nur noch einmal unterstreicht...
Zum Glück besitzen wir beide eine schier unerschütterliche
humanistische Haltung und hoffen in der Flüchtlingspolitik
in absehbarer Zeit auf eine deutliche Wende zum Besseren...
LG Louis :-)
Vor langer Zeit - Antworten
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