Kurzgeschichte
FB 44 - 2 Randnotizen - Tierisches Vergnügen im Doppelpack

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"Aesop war ein Meister, ich geh bei ihm in die Lehre"
Veröffentlicht am 26. September 2015, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht: Der Winter ist ein Bösewicht, die Bäume tragen Schneegewicht, die Stämme sind kahl und so schwarz wie ein Pfahl, die Felder sind weiß und auf dem See liegt Eis. In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.
Aesop war ein Meister, ich geh bei ihm in die Lehre

FB 44 - 2 Randnotizen - Tierisches Vergnügen im Doppelpack

Aesops Lehrling

RANDBEITRÄGE ZU NACHSTEHENDEN VORGABE THEMA: »HINTER DER MASKE« MAXIMAL 2000 ZEICHEN 6 PFLICHTWÖRTER (FETT): SCHEINHEILIG, ZUKUNFT, FUSSSTAPFEN, WIDERLICH, TANZEN, NACHKOMMEN

Der Esel und die Ziege

Ein Bauer hatte einen Esel und eine Ziege. Weil nun der Esel sehr viel arbeiten und große Lasten tragen musste, erhielt er ein reichlicheres und besseres Futter als die Ziege. Diese beneidete den Esel, und um ihn um die bessere Kost zu bringen, oder doch wenigstens ihm Schläge einzutragen, sprach sie eines Tages scheinheilig zu ihm: »Höre, lieber Freund! Oft schon habe ich dich von Herzen bedauert, dass du Tag für Tag die schwersten Lasten tragen und vom Morgen bis Abend arbeiten musst;

ich möchte dir wohl einen guten Rat geben.« »Warum nicht?«, sagte der Esel, »ich bitte dich sogar darum!« »Nun, so höre: Wenn du an eine Grube kommst, so stürze dich hinein, stelle dich verletzt, und dann wirst du in Zukunft Ruhe haben und nichts arbeiten dürfen.« Dem Esel schien dies ein ganz guter Vorschlag, und kaum war er anderntags mit einer Last bei einer Grube angekommen, als er auch schon den Rat befolgte. Wie aus Zufall trat er fehl und stürzte hinein. Aber das hatte er sich nicht gedacht! Halb tot lag er da und dass er sich nicht ein Bein gebrochen,

war ein Glück. Vor seinen Augen tanzten Sterne einen Tango. Ganz geschunden wurde er herausgeholt und konnte sich kaum nach Hause schleppen. Sein Herr hatte nichts Eiligeres zu tun, als zu einem Vieharzt zu schicken, der dann verordnete: der Kranke solle eine frische, pulverisierte Ziegenlunge einnehmen. Da dem Herrn der Esel mehr wert war als die Ziege, weil er gesunde Nachkommen zeugte, die in seine Fußstapfen als Lasttier traten, so ließ er diese sofort schlachten, um den Esel zu retten. So büßte die Ziege für ihren

widerlichen Rat mit dem Leben. Die Folgen des Neides gereichen nicht selten dem Neider selbst zum Verderben.

Der Fuchs und der Esel

Ein Esel warf einmal eine Löwenhaut um sich her, lustwandelte tanzend im Wald und schrie sein ›Ia Ia‹ aus allen Kräften, um die andern Tiere und deren Nachkommen in Schrecken zu setzen. Alle erschraken, nur der Fuchs nicht. Dieser trat scheinheilig vor ihn hin und höhnte mit widerlichem Grinsen: »Mein Lieber, auch ich würde vor dir erschrecken, wenn ich dich nicht an deinem ›Ia‹ erkannt hätte. Deine Fußstapfen verraten dich zu allererst. Ein Esel bist und bleibst du - in alle Zukunft!«

Mancher Einfältige in prächtigem Gewande gälte mehr, wenn er schwiege, denn: Mit Schweigen sich niemand verrät.

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Hörbuch

Über den Autor

KatharinaK
Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht:
Der Winter ist ein Bösewicht,
die Bäume tragen Schneegewicht,
die Stämme sind kahl
und so schwarz wie ein Pfahl,
die Felder sind weiß
und auf dem See liegt Eis.
In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.

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Tintenklecks interessant umgearbeitet. So lernt sichs mit den Fabeln ganz gut, gelle?
lg der Tintenklecks
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Stimmt, man orientiere sich nach oben, hole sich die Inspiration und kreiert daraus sein eigenes Ding. Guten Morgen, Petra.
Liebe Grüße,
Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Sehr schöne Ideen hast du da gezaubert. Mir gefallen beide sehr gut.
Lieben Gruß
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Übungsstücke, Sabine. Lieben Dank fürs Lob,
Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
GertraudW 
Zwei ganz zauberhafte Geschichten.
Übrigens, den letzten Satz könnte man vielen Menschen
mit auf den Weg geben ... Ich sage immer: "Ein Schwätzer
beginnt schon zu reden, wenn er ein Ohr sieht."
Liebe Grüße an Dich
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Mach eine Fabel draus, Gertraud. Ich fände es tierisch .... Aesop war ein Meister darin. Ich bediene mich zu Lehrzwecken seiner Zeilen.
Liebe Grüße,
Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Tolle Fabel mit super Pointe, da kann man nicht meckern! ;-)

Lieben Gruß
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Beide habe ich geklaut und modifiziert ... sie passten mir grad ins Konzept. Zudem lernt man auf diese Weise, wie eine Fabel funktioniert und geschrieben werden kann ... Danke, ich leite das Lob wegen der Pointe weiter .... Liebe Grüße, Katharina
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