Krimis & Thriller
Das Hospiz - Kapitel 2

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"Das Hospiz - Kapitel 2"
Veröffentlicht am 14. November 2013, 12 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
© Umschlag Bildmaterial: Rainer Sturm / pixelio.de
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich bin PhanThomas, aber Leute, die mich kennen, dürfen mich auch gern Thomas nennen. Oder ach, nennt mich, wie ihr wollt. Denn ich bin ja ein flexibles Persönchen. Sowohl in dem, was ich darzustellen versuche, als auch in dem, was ich schreibe. Ich bin unheimlich egozentrisch und beginne Sätze daher gern mit mir selbst. Ich bin eine kreative Natur, die immer das Gefühl hat, leicht über den Dingen zu schweben - und das ganz ohne Drogen. Man ...
Das Hospiz - Kapitel 2

Das Hospiz - Kapitel 2

Kapitel 2

Während seiner Mittagspause saß Nils im Hof auf einer Bank und aß das zweite Salamibrot. Er warf einen Blick in seine Tupper-Dose und verzog das Gesicht. Einige Butterreste klebten noch darin, sonst war das grüne Ding leer. Verdammt, hätte er doch bloß noch was anderes eingepackt. Gerade heute hatte er ziemlichen Kohldampf. Neben ihm saß Mario, den hier - warum auch immer - jeder nur Locke nannte. Er war um die zehn Jahre älter als Nils, und würde die Rente, die ihm zustand, nicht so mickrig ausfallen, wäre es für ihn wohl allmählich Zeit, in den Ruhestand zu

gehen. Locke war eine echte Institution: Er hatte hier wahrscheinlich schon gearbeitet, als die Dinosaurier noch über das Angesicht des Planeten stampften. Seinerzeit hatte er Nils eingewiesen, und überhaupt war er der einzige Kollege, mit dem er sich wirklich verstand und vor allem, mit dem er sich in den Pausen auch mal richtig unterhalten konnte. Die meisten anderen Typen hier waren derart maulfaul, dass Nils hätte meinen können, sie besaßen ihren Mund nur zum Schmollen, oder sie waren aggressiv wie schlecht erzogene Hunde. Alles Eigenschaften, die die Arbeit hier irgendwann vielleicht einfach mit sich brachte. Aber die wiederum machten es

hier noch weniger angenehm. Ziemlich dämliche Sache. »Willst du das da eigentlich noch essen?«, fragte Nils und deutete auf das in Alufolie eingewickelte Brot, das neben Locke auf der Bank lag. »Nee, nimm du nur«, entgegnete dieser und biss von einem sauber geschälten Stück Gurke ab. »Packste nächstes Mal besser 'ne Butterstulle mehr ein, was?« »Besser wär's wohl«, stimmte Nils grinsend zu. Während des Essens sprachen sie, wenn sie gemeinsam Schicht hatten, meistens nicht sehr viel. Es gab Momente der Ruhe, die wollte man

einfach nur genießen und nicht mit Worten zerstören. Dies war so einer. Während sie kauten, beobachteten sie die Gestalten, die hier ein und aus gingen. Das waren nicht viele. Einige Hilfsschwestern, hin und wieder betrat ein Arzt oder eben irgendwer, der meinte, einen Kittel tragen zu müssen, das Hospiz und verließ es auch bald schon wieder. Ob die das hier freiwillig machten, fragte Nils sich manchmal. So wie sie aus der Wäsche schauten, bestimmt nicht wirklich. Wenn sie bemerkten, dass Locke und Nils sie musterten, warfen sie ihnen geringschätzige Blicke zu, grüßten nur selten aber nie freundlich und folgten

weiter ihren festen Schienen. Vielleicht waren es diese mürrischen und misstrauischen Gesichter der vorbeistreifenden Menschen, die Nils auf seinen kleinen Ausflug in Elsa Emmerlings Zimmer zurückbrachten, vielleicht war der Gedanke aber auch einfach von selbst wieder in sein Bewusstsein geklettert, so wie ein Gehirnschluckauf. »Die alte Emmerling meint, jemand würde sie vergewaltigen«, murmelte Nils durch den vollen Mund, in dem er die letzten Stücke von Lockes Käsebrot zu Brei zerkaute. »Ach echt?«, kommentierte Locke ohne Anteilnahme. Nichts besonderes, dachte Nils. Da draußen, nur ein paar

Meter weiter, würde so was einen riesigen Skandal auslösen. Ruckzuck stünden Zeitungen und Fernsehen Schlange für die Skandalmeldung schlechthin. Aber hier ... hier war die Welt eine andere. Hier interessierte niemanden, was die alten Gespenster redeten, die sowieso nur aufs Ende warteten. Spinnen sich doch eh nur was zusammen, das dachte jeder, und es stimmte ja auch meistens. »Drüben in meinem Revier gab's mal so eine alte Schachtel, die brüllte jedes Mal, wenn abends einer an ihrem Zimmer vorbeiging, so was wie: Hilfe, die kommen mich holen!«, sagte Locke mit schriller Stimme und stopfte sich das

letzte Stück Gurke in den Mund. »Und?«, fragte Nils. »Und? Und was?« »Na kam sie einer holen?« Locke zuckte mit den Schultern. »Was weiß denn ich? Hat sie jeden Abend gebrüllt. Also wird sie wohl keiner geholt haben, sonst hätte sie ja nicht brüllen können, oder was meinste?« »Schon, ja«, sagte Nils und nickte. »Und irgendwann hat sie halt der alte Schnitter geholt«, fügte Locke hinzu und gluckste, was wohl ein verschlucktes Lachen sein sollte. »Wenn man's so sieht, hat sie also doch einer geholt.« »Hmm«, machte

Nils. »Was'n los? Hat die Käsestulle nicht geschmeckt? Falls nicht, sag's nicht Peggy. Sonst kann ich mir demnächst meine Brote alleine schmieren.« Peggy war Lockes Frau, die ab und zu mit dem Auto vorm Hospiz aufkreuzte, um ihren Mann zum Feierabend abzuholen. Ziemlicher Drachen, soweit Nils das einschätzen konnte. Ob er das wirklich konnte, wusste er allerdings selbst nicht. »Was ist, wenn da wirklich einer kam?«, fragte Nils plötzlich in die Verdauungsstille hinein. »Wie meinst'n das jetzt?«, gab Locke mit fragendem Gesichtsausdruck

zurück. »Na ja, wenn wirklich einer vorbeikam und die alte Frau nachts belästigte. Stell dir doch mal vor, so was passiert dir. Dann schreist du, dass dir bald die Eier platzen, rufst um Hilfe, aber keiner glaubt dir hinterher, weil jeder denkt, du hast einen an der Waffel.« »Hast du was geraucht oder so?«, fragte Locke und setzte zu einem Lachen an, das so recht nicht hervorbrechen wollte. »Na nee, aber überleg mal: Da tut dir einer weh, vielleicht, weil er Spaß dran hat und weil du bettlägerig bist, und kein Schwein glaubt dir hinterher,

weil du alt und morsch im Oberstübchen bist. Ist doch schon irgendwie ganz schön gruselig, oder?« »Eklige Vorstellung, stimmt schon«, gab Locke schließlich zu. »Aber jetzt mach hier nicht so 'ne Stimmung, Alter. Ist schon trist genug hier, auch ohne dass du dir irgendwelche Horrorfilme zusammenspinnst, meinste nicht?« »Ja, wahrscheinlich schon«, stimmte Nils zu, doch seine Stimme klang eher nach dem Gegenteil. »Na los, knapp zwei Stunden noch, dann hau'n wir in'n Sack.« Locke schlug Nils mit der Hand auf die Schulter, dass dieser beinahe nach vorn von der Bank

gekippt wäre. »Also, keine Müdigkeit vorschützen.« Nils erhob sich träge und begann schließlich mit der zweiten Hälfte seiner Schicht. Bisher war alles gut gelaufen. Niemand gestorben, kein Gezetere, und die Betten waren auch noch sauber. Wenn es so weiterging, würde heute einer der ruhigsten Tage seit Langem sein. Einer von denen, die das Malochen hier so gut machten wie jede andere mies bezahlte Arbeit auf dieser Welt.


Fortsetzung folgt ...

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Über den Autor

PhanThomas
Ich bin PhanThomas, aber Leute, die mich kennen, dürfen mich auch gern Thomas nennen. Oder ach, nennt mich, wie ihr wollt. Denn ich bin ja ein flexibles Persönchen. Sowohl in dem, was ich darzustellen versuche, als auch in dem, was ich schreibe. Ich bin unheimlich egozentrisch und beginne Sätze daher gern mit mir selbst. Ich bin eine kreative Natur, die immer das Gefühl hat, leicht über den Dingen zu schweben - und das ganz ohne Drogen. Man trifft mich stets mit einem lachenden und einem weinenden Auge an. Das scheint auf manche Menschen dermaßen gruselig zu wirken, dass die Plätze in der Bahn neben mir grundsätzlich frei bleiben. Und nein, ich stinke nicht, sondern bin ganz bestimmt sehr wohlriechend. Wer herausfinden will, ob er mich riechen kann, der darf sich gern mit mir anlegen. ich beiße nur sporadisch, bin hin und wieder sogar freundlich, und ganz selten entwischt mir doch mal so etwas ähnliches wie ein Lob. Nun denn, genug zu mir. Oder etwa nicht? Dann wühlt noch etwas in meinen Texten hier. Die sind, äh, toll. Und so.

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Gunda Na, ich bin ÜBERZEUGT davon, dass dieser Tag nicht der ruhigste bleibt ... so wie ich Phanthomas kenne ;o)

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Hallo Gunda,

nee, bleibt tatsächlich nicht so ruhig. Na ja, wobei ... Richtig laut wird's eher nicht, schätz ich. ;-)

Liebe Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
shirley Erstaunlich, wie du es in nur zwei Kapiteln geschafft hast, einem den Nils so nahe zu bringen.
Ich ahne, gerade nach dem letzten Komi von dir an mich, das es nicht so friedlich weitergeht.
...shirley
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Hallo Shirley,

nee, so richtig friedlich wohl nicht. Wobei ich mich insgesamt schon ein wenig ärgere, dass ich's nicht so geschrieben habe, wie Gerd "Brubeckfan" nach Kapitel 6 kommentiert hatte. Aber fürs nächste Mal dann ...

Liebe Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Was soll man sagen... ist halt ne Männerunterhaltung. Am Ende haben sie jeder 50 Worte gesagt und gehen zufrieden übers Gespräch auseinander; Frauen brauchen dafür 5000. Ja, alter Hut, Caveman und so.
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Gut zusammengefasst. :-) Ein bisschen gemeinsames Herumgekaue auf 'ner Stulle in der Mittagspause kann weitaus befriedigender sein als ein ausuferndes Gespräch über die Neuigkeiten der letzten drei Jahre. Was das angeht, spreche ich aus Erfahrung.

Viele Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
Moena90 Hmm, hier passiert ja immer noch nicht so viel. Aber es werden mehr als drei Teile, oder? ;)

Diesmal ein netter Dialog ganz ohne übermäßigen Fäkaliengebrauch, liest sich gleich viel sauberer (muahaha). Und dass Frau Emmerling auch im zweiten Teil Thema ist, bestätigt meine Theorie aus Teil 1.
Das Einzige, was mir beim Lesen aufgefallen ist: Am Anfang schreibst du, dass Nils sich mit Locke so toll unterhalten kann, eine Seite später steht da, dass sie nie viel reden. ;)

Liebste Grüße,
deine Maus
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Es passiert auch insgesamt nicht so viel. Zumindest wird nicht rumgeballert oder so. Die Geschichte ist, vom Tonfall ab und an abgesehen, eigentlich eher ruhig. Zumindest im Verlauf. Ich wollte auch eher diesen Gedanken in den Vordergrund stellen, der hier ja auch diskutiert wird.
Und da steht, dass sie sich gut unterhalten können, und das tun sie ja auch. Aber beim Essen eben nicht. Mit vollem Mund spricht man schließlich nicht. ;-) Ich weiß aber, was du meinst.

Liebste Grüße zurück! :-*
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Wieder sehr lebendig und mit einem Augenzwinkern geschrieben. Dabei hast Du auch die kleinen Alltagsdinge nicht vergessen. Es ist sicher eine unterbezahlte Arbeit, eben für jene, die die Arbeit haben.
Einfach wieder ein Favo.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Huhu Bärbel,

vielen lieben Dank! :-) Viele Jobs sind unterbezahlt, die doch so wichtig sind. Das ist einer davon. Generell ist es eine Schande, dass die Berufe im Pflegebereich so schlecht entlohnt werden. Wenn die Gesundheit nicht mehr mitspielt, ist jeder darauf angewiesen, dass ihm jemand hilft. Und dass es dafür so wenig Geld gibt, während in den Banken dieser Welt das Geld der einfachen Leute verzockt wird und dann noch großzügige Boni an die gierigen Schlipsträger verteilt werden, ist eine der ganz großen Ungerechtigkeiten, die der Mensch sich selbst ausgedacht hat.

Liebe Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
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