Romane & Erzählungen
Ich bin nicht Schuld

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"Ich bin nicht Schuld"
Veröffentlicht am 28. Juli 2008, 8 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Es fällt mir nicht leicht, etwas über mich zu schreiben. Also ganz kurz: 52 Jahre alt,glücklich geschieden, Mutter von drei Superkindern, Psychologisch-technische Assistentin - fühle mich viel jünger als ich bin. Noch Fragen, dann fragt ruhig, ich stehe jederzeit Rede und Antwort.
Ich bin nicht Schuld

Ich bin nicht Schuld

Hannelore verbrachte eine richtig gute Zeit in diesem Mutter-Kind-Heim. Vielleicht war es sogar die beste Zeit ihres Lebens. Sie lachte viel und gern. Sie hatte sich mit Nicole richtig angefreundet. Frau Peters konnte sie sogar dazu überreden, regelmäßig zum Arzt zu gehen. Die erste Untersuchung war zwar noch etwas unangenehm für sie, aber dieser Arzt nahm sich die Zeit, mit Hannelore zu reden. Er redete nicht mit ihren Eltern, mit Frau Peters oder mit sonst irgendjemandem sondern mit ihr, mit Hannelore. Das tat ihr richtig gut. Sie fühlte sich plötzlich viel erwachsener. Dieser Arzt zeigte ihr Bilder, auf denen sie sehen konnte, wie sich ihr Baby in ihrem Bauch entwickelte. Er rieb ihr eine glibberige Masse auf den Bauch und sagte: „Jetzt machen wir einen Ultraschall, da können Sie Ihr Baby sehen.“ Er erklärte ihr, was sie da sah, zeigte auf Striche auf dem Monitor und sagte: „Sehen Sie, hier sind die Ärmchen und dort die Beinchen.“ Fasziniert blickte sie auf den Bildschirm, auch wenn sie nicht wirklich etwas erkennen konnte. Es sah für sie eher aus wie ein Schwarzweißfernseher. Später dann wurden Gumminoppen auf ihrem Bauch befestigt und sie an ein anderes Gerät angeschlossen. So konnte sie den Herzschlag ihres Babys hören, wurde ihr erklärt. Sie hätte nie gedacht, dass es möglich sein würde, ein zweites Herz außer ihrem eigenen in ihrem Bauch zu hören. Sie hätte auch nie gedacht, dass ein Babyherz so unglaublich schnell schlagen würde.

Ja, es war eine gute Zeit. Sie ging sogar zur Schule. Hier lernte sie zwar nicht richtig gut Lesen und Schreiben, aber doch besser, als sie es bisher in ihrem Leben gelernt hatte. Hier waren alle Leute nett zu ihr. Hier hatten die Lehrer so viel Geduld mit ihr. Oft sagten sie: „Gib nicht auf, Hannelore, du schaffst das schon.“ Und Hannelore gab nicht auf. Langsam und laut fing sie sogar an, ein Märchenbuch zu lesen. Das hatte sie noch nie in ihrem Leben getan. „Siehst du, Hannelore“, munterte Nicole sie auf: „Dann kannst du deinem Kind später sogar Märchen vorlesen, ist das nicht toll?“ Ja, das war es wirklich.

Hannelores Eltern hatten sich hier noch nicht einmal sehen lassen. „Machen Sie doch was Sie wollen“, sollte ihre Mutter am Telefon gesagt haben: „Wir wollen keinen Bastard in unserer Familie und damit basta.“ Sicher war Hannelore enttäuscht und traurig, nur ändern konnte sie nichts daran. Außerdem ging es ihr hier viel besser, als es ihr in all den Jahren Zuhause ergangen war. Sie fühlte sich rundum wohl.

Aber das Beste war, dass Peter sie besuchen durfte. Übernachten durfte er aber nicht bei ihr, das war eine Regel dieses Hauses. Bevor Hannelore ihn zum ersten Mal sehen konnte, seit sie hier war, führte Frau Peters ihn in ihr Büro und sprach lange und ausführlich mit ihm. Am liebsten wäre Hannelore sofort auf ihn zugerannt, hätte ihn am liebsten fest in ihre Arme geschlossen, ihm von dem Baby erzählt und davon, wie gut es ihr hier ging, aber Frau Peters hatte ihn in ihr Büro gezogen. Hannelore bekam nicht mit, worüber die beiden sich unterhielten. Als Peter dann aber später das Büro verließ und sich endlich Zeit für sie nehmen konnte, sah sie Sorgenfalten auf der Stirn von Frau Peters, die sie vorher dort noch nie gesehen hatte. Schnell hatte Hannelore diese Sorgenfalten aber wieder vergessen. Sie zeigte Peter ihr Zimmer, das Gebäude, den Speisesaal und alles, was zu dieser Einrichtung gehörte. Peter streichelte ihren Bauch und flüsterte: „Wir bekommen also ein Baby, ja?“ „Ja“, Hannelore strahlte ihn an: „Ist das nicht toll?“ fragte sie: „Wenn das Baby da ist, muss ich noch zwei Monate hier bleiben, damit die mir zeigen, wie ich das alles machen muss. Dann können wir beide uns eine Wohnung suchen und endlich zusammenziehen, das wird toll.“ Peter sagte nichts. Er sah tief in seinen Gedanken versunken aus dem Fenster. Mittlerweile begannen schon die ersten Blätter sich zu verfärben, erste Anzeichen des nahenden Herbstes.

So verging die Zeit sehr schnell. So oft es ging, aber leider nicht jedes Wochenende besuchte Peter sie. Er erzählte aber nicht mehr so viel von seiner Arbeit. Wenn sie ihn fragte, wie seine Arbeit sei und was er da so machen würde, murmelte er nur: „Was Ärzte eben so machen, Leute verarzten.“

Hannelore wollte ihn nicht nerven, also bohrte sie nicht weiter nach. Ihr Bauch wurde runder und runder. Langsam fiel ihr das Treppensteigen schwer. Auf halber Treppe musste sie jetzt oft Halt machen, legte eine Hand in ihren Rücken und atmete erst einmal schwer durch. Sie ging regelmäßig zum Arzt, der ihr immer wieder sagte, dass alles in Ordnung sei.

 

Hannelore hatte eine sehr unruhige Nacht hinter sich. Immer wieder war sie wach geworden, ohne richtig zu wissen, warum. Mühsam hob sie sich aus dem Bett und spürte plötzlich ein starkes Ziehen in ihrem Rücken. Sie lehnte sich an den Tisch und schnaufte. „Nicole blinzelte sie fragend an: „Is was? Geht es los? Soll ich jemandem Bescheid sagen?“ Hannelore schüttelte nur den Kopf. Sie wusste doch selbst nicht, was mit ihr los war. Irgendeines der anderen Mädchen hatte ihr vor ein paar Tagen erzählt, dass es wohl so etwas wie Senkwehen geben würde. Dann würde es im Rücken ziehen, das würde aber bald wieder aufhören. Das Baby bahnt sich so seinen Weg in den Geburtskanal, hatte der Arzt erklärt, was immer das auch heißen mochte. Wieder war da dieses Ziehen, diesmal heftiger als zuvor. Hannelore atmete schwer. Nicole sprang aus dem Bett und rannte zur Tür. Gleich nachdem sie die Tür aufgerissen hatte, rief sie laut auf den Flur: „Bei Hannelore geht es los.“ Hannelore hörte, wie nach und nach verschiedene Türen auf dem Flur geöffnet wurden. Sie hörte trappelnde Schritte und sah mehrere Köpfe neugieriger junger Mädchen in der Tür erscheinen. „Lasst mich in Ruhe“, seufzte sie.

Es dauerte nicht lange, da erschien auch Frau Peters im Zimmer. Bei jeder bevorstehenden Geburt versuchte sie, Ruhe zu bewahren, aber bei jeder bevorstehenden Geburt war sie so aufgeregt, als wenn sie selbst die werdende Mutter sei. „Lasst uns allein.“ Mit wedelnden Bewegungen scheuchte sie alle Mädchen aus dem Zimmer und ging auf Hannelore zu: „Es wird schon gut gehen, du wirst sehen“, tröstete sie: „Wann soll das Baby kommen?“ „Erst in drei Tagen“, schnaufte Hannelore: „Es tut schon wieder weh.“ Kein Zweifel, das waren Wehen, die Geburt von Hannelores Baby hatte begonnen.

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Chrissy55
Es fällt mir nicht leicht, etwas über mich zu schreiben. Also ganz kurz: 52 Jahre alt,glücklich geschieden, Mutter von drei Superkindern, Psychologisch-technische Assistentin - fühle mich viel jünger als ich bin. Noch Fragen, dann fragt ruhig, ich stehe jederzeit Rede und Antwort.

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aerztefan1412 Re: Re: Ich bin nicht Schuld - ja stimmt
ist bestimmt nicht umsonst offenes ende
Vor langer Zeit - Antworten
Chrissy55 Re: Ich bin nicht Schuld -
Zitat: (Original von aerztefan1412 am 28.07.2008 - 22:41 Uhr) das ist eine wunderschöne geschichte und sehr spannend
sehr schön geschrieben


Danke, meine liebe, aber spannend wird es erst, lass dich überraschen, ich habe da noch viel vor.
LG Chrissy
Vor langer Zeit - Antworten
aerztefan1412 Ich bin nicht Schuld - das ist eine wunderschöne geschichte und sehr spannend
sehr schön geschrieben
Vor langer Zeit - Antworten
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