Gedichte
Michael

Ich habe einen jungen Mann gekannt,

der hatte sich komplett verrannt.

Als kleiner Junge wollte er schon

zur Polizei, seinen Dienst da tun.

Doch er war Diabetiker,

hatte dadurch keine Chancen mehr.

Also entschied er sich für die Bundeswehr.

Er wollte partout an ein Gewehr.

Auch dort ist er nicht lange geblieben.

Schon gleich zu Beginn wurde er vertrieben.

Irgendwie war er auch sonderbar,

das war mir damals schon recht klar.

Er träumte davon, Macht zu haben,

glaubte an seine besonderen Gaben,

glaubte seinen Führungsgeist,

aber sein Herz, das war vereist.

Gefühle hat er kaum gekannt,

er hat sich in sich selbst verrannt.

Er hielt sich für den King der Welt,

hat sich in Träumen vorgestellt,

dass er irgendwann an der Spitze steht.

Ein Typ, der über Leichen geht.

Als er merkte, dass es so nicht läuft,

wurde er zu jemanden, der säuft.

Eine Flasche Korn schon früh am Morgen

musste seine Mutter ihm besorgen.

Danach brachte Bier ihn literweise

auf seine ihm ganz eigne Reise.

Dann höhnte er: „Ich sterbe bald,

ich sage euch, ich werde nicht alt.

Bevor ich 33 Jahre bin,

ist das Leben für mich hin.“

So ist es später auch gekommen.

Hat er sich selbst das Leben genommen?

Ich weiß es nicht, kann es nicht sagen.

Wer will die Verantwortung dafür tragen?

Um jeden Menschen tut es mir leid,

doch bei Michael gab es eine Zeit,

da hab ich wirklich Angst gehabt.

Ein junger Mensch, klug und begabt

und dabei völlig abgehoben,

selbstüberzeugt und auch verschroben,

dem sein Sinn stets nach Waffen stand.

Ich weiß es, ich habe ihn gekannt.

Ich frage mich, was wäre geschehen,

würde er, wie gewünscht, an der Spitze stehen?

Ich glaube heute, das wäre nicht gut.

Michael ist jetzt schon lange tot.