Vor fünfzig Jahren brach die Apokalypse über die Welt. Die Tore der Hölle schienen weit aufgestoßen worden zu sein. Kreaturen, Fabelwesen und Sagengestalten fielen über die Menschheit her und veränderten für immer die Welt. Vald und Sonny sind Brüder und sie sind Vampire. Nachdem sie sich im ehemaligen London wieder trafen reisen sie von nun an gemeinsam mit der Jägerin Zane. Vald zieht es nach Deutschland, wo er seine ganz eigene Geschichte verfolgt und seine Begleiter nach Möglichkeit heraus halten möchte.
Im Wolfsregierten Deutschland gehen jedoch mysteriöse Dinge vor sich sodass das ungleiche Trio wieder einmal in eine fantastisch, mysteriöse Geschichte verwickelt wird.
Prolog
Minute um Minute kroch dahin, als wären es Stunden. Ich konzentrierte mich auf die dunkle Straße vor mir, die von den grellen Scheinwerfern des Vans nur bedingt erhellt wurde. Ich strich mir ein paar Strähnen meines langen Haares aus dem Gesicht, die mir lästig meine Sicht versperrten. Natürlich war mir die Nachtschicht zugefallen und ich ärgerte mich schon seit Stunden über meine große Klappe.
Die gesamte Situation war sehr angespannt, denn für jeden von uns war es neu. Ich war es gewohnt alleine zu reisen und auf niemanden als auf mich zu achten und er war es sicherlich auch so gewohnt.
Ich blickte in den Rückspiegel. Da lag er. Über die gesamte Rückbank hatte er sich gelegt und sein Hut hing an dem Band um seinen Hals, seine Colts schwangen mit den Bewegungen des Vans mit. Ich seufzte und ließ den Blick wieder auf die Straße wandern.
Einige Wochen waren vergangen seit wir Hollow hinter uns gelassen hatten. Wir waren einem Gerücht über eine Hexe nach Schottland gefolgt. Es gab dort eine Hexe, die uns ziemlich übel ausgenommen hatte. Danach war sie verschwunden. Diese Pleite hing immer noch wie eine schwarze Wolke über uns, auch wenn wir alle wussten, das es keinen Sinn ergab sich länger darüber auf zu regen oder auch nur einen Gedanken zu verschwenden.
Doch nicht nur dies erschwerte unsere Reise. Da war noch sie.
Als Vampir verspürte man nach einigen Tagen lediglich Durst, als physisches Bedürfnis. Wenn man sehr lange damit lebte, dann waren einem menschliche Bedürfnisse absolut fremd. Hunger zum Beispiel...
Am Horizont tauchten Lichter auf. Endlich. Allerdings wurde auch der Straßenrand allmählich dichter mit Bäumen. Ich drosselte das Tempo und schärfte meine Sinne. Jederzeit konnte etwas den Van angreifen. Diese Gegenden waren rau geworden, so sehr sie mir auch friedlich in Erinnerung geblieben waren, doc die Dämmerung hatte vor allem hier aller verändert.
Ich kurbelte mein Fenster ein Stück runter und fuhr dann mit einer Hand über das Armaturenbrett, bis ich meine Schachtel Zigaretten zwischen den Fingern hatte.
Der frische Wind der mir durch den Fensterspalt entgegen schlug erweckte mich ein bisschen. Ich hatte überhaupt nicht mitbekommen wie müde ich inzwischen geworden war.
Neben mir raschelte es und ich warf einen Blick auf den Beifahrer. Sie hatte sich mit ihrer Jacke zugedeckt. Ihre braunen Locken fielen ihr ins Gesicht und ihr Atem war tief und regelmäßig- Kein Wunder das auch ich müde wurde.
Aber sie war es. Sie brachte alles durcheinander. Nachdem ich mein Leben als einsamer Wolf aufgegeben hatte, bereute ich es schon nach wenigen Stunden.
Sein andauerndes Gequatsche und ihre Jammerei raubten mir den letzten Nerv. Wir waren ihr zu schnell, sodass sie uns kaum folgen konnte oder sie hatte Hunger und musste ständig auf Toilette.
Mir zuckte ein Nerv am Augenlid und ich zündete schnell die Zigarette an. Der Rauch füllte meine Lungen und ich beruhigte mich sofort. Beide sorgten dafür das ich mehr als gewöhnlich rauchte. Auch jetzt hoffte ich möglichst bald da zu sein um mir wieder eine Schachtel besorgen zu können.
Inzwischen waren die Bäume so dicht, das ich die Lichter der Ortschaft nicht mehr sehen konnte. Der Van ruckelte über den Asphalt und die sie wurde wach. Sie streckte sich und blinzelte müde.
Dann hörte ich es. Die Geräusche drangen durch den Spalt am Fenster. In dem Wald war etwas und es verfolgte uns.
„Wann sind wir da?“ nuschelte das Mädchen müde.
„Sei still!“ knurrte ich und kniff die Augen zusammen. Ich beugte mich etwas über das Lenkrad und schielte zum Himmel hinauf. In diesem Moment lichteten sich die Wolken und der Vollmond warf sein silbriges Licht auf uns. „Perfektes Timing!“ zischte ich und lauschte erneut in die Nacht.
„Da draußen ist etwas.“ flüsterte das Mädchen und sie zückte ihren Dolch.
„Ich weiß.“ murrte ich. Ich musste mir etwas überlegen. Ich konnte beschleunigen, doch sie würden uns sowieso einholen, denn in Geschwindigkeit standen sie meiner Art in Nichts nach. Noch dazu würde bei erhöhter Geschwindigkeit ihr Angriff auf den Van fatale Folgen haben.
Dann also Geschwindigkeit drosseln und eine Konfrontation provozieren. Wie hoch unsere Chancen im Kampf standen konnte ich mir kaum ausmalen, dafür kannte ich sie nicht gut genug. Vielleicht waren unsere Sorgen auch übertrieben und sie griffen gar nicht an, sondern begleiteten uns nur. Schließlich war dies ihr Gebiet.
„Vald, was ist das? Irgendwas huscht durch die Bäume da draußen.“
Sie klang verängstigt. Natürlich, wenn sie sie sah, dann war ihr garantiert ihre Größe aufgefallen. Doch wenn sie jetzt in Panik fiel war das nur hinderlich. Ich beschloss beruhigend auf sie ein zu reden. Meiner Stimme konnte sie sich nicht entziehen.
„Weißt du wo wir sind?“ fragte ich daher, fast schon raunend. Sie sah mich sofort an.
„Du wolltest nach Deutschland.“ antwortete sie prompt.
Ich nickte und trat leicht auf die Bremse.
„Was weißt du über Deutschland?“
„Nichts.“
Ich musste grinsen und warf meinen Zigarettenstummel in den Ascher am Amaturenbrett. „Ganz genau. In der Dämmerung ist hier eines der Höllentore aufgebrochen, so kann man sagen. Die Wölfe kamen nämlich. Innerhalb weniger Stunden waren die Deutschen von der Außenwelt abgeschnitten und sie übernahmen die Kontrolle.“
„Was meinst du mit Wölfen?“
Ich antwortete nicht sofort, denn vor uns auf der Straße war eine Gestalt aufgetaucht. Ich trat die Bremse durch und ein lautes Poltern verriet mir das der Schwachkopf von der Rückbank gepoltert war. Der Van kam nur knapp vor der Gestalt zu stehen.
Es war eine hünenhafte Gestalt. Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück. Das Mädchen hielt den Atem an und er beugte sich brummelnd zu mir vor.
„Was soll das, Vald?“
Ich sagte nichts, ich kannte den Hünen, der da auf der Straße stand.
Er war annähernd zwei Meter groß und sehr muskulös. Er hatte einen vollen Bart der in einen zersausten Haarschopf überging. Seine Augen glühten in dem Scheinwerferlicht hell und stierten mich direkt an. Er trug kein Oberteil, aber eine dunkle Hose, an der ein Fell und mehrere kleinere Waffen befestigt waren. Zwischen seinen Fingern drehte er eine Zigarette. Als er sie fertig gedreht hatte ging er zur Fahrertür.
„Sagt nichts!“ befahl ich den Beiden und kurbelte das Fenster komplett runter.
„Entschuldigung...“ sagte der Hüne dunkel und seine Augen waren nach wie vor auf meine geheftet, „Hast du mal Feuer?“
Ich nahm mein Feuerzeug und zündete den dürren Stengel an, der in seinen Pranken nahezu lächerlich wirkte. Er löste seinen Blick einen Moment von mir und hob seine linke Hand Richtung Vald. Ich verfolgte die Geste und bemerkte schlagartig unzählige leuchtende Augenpaare die auf uns gerichtet waren. Wir waren umzingelt. Ich konnte uns retten, sofern es mir gelang diplomatisch zu bleiben.
„Also Lian... Was treibt dich wieder her?“ fragte der Hüne und schenkte mir wieder seine volle Aufmerksamkeit.
Ich zog den Autoschlüssel. An eine Flucht war nicht zu denken. Absolut sinnlos. Ich hörte das Rascheln im Unterholz des Waldes und das schwere Atmen des Mädchens neben mir. Hinter mir hörte ich wie er mein Schwert mit den Füßen unter der Rückbank hervor zog. Das Mädchen verbarg indes ihren Dolch und löste unauffällig den Gurt. Trotz aller Streitereien und Missverständnisse waren wir immer noch ein Team. Ich schluckte ein Grinsen runter und lehnte mich mit einem Arm auf das herunter gekurbelte Fenster.
„Ungeklärte Angelegenheiten.“ antwortete ich daher.
Der Hüne lehnte sich ebenfalls an und bließ mir kalten Rauch ins Gesicht. Ich verzog keine Miene.
„Und deine Begleitung... Ein Mensch? Ist sie ein Geschenk für uns?“
Das Mädchen regte sich nicht. Sie blieb gelassen, umklammerte lediglich den Dolch fester als ich ihr einen Blick zu warf.
„Sie ist Maynes Mündel. Du willst ihr nichts tun.“
„Mayne ist tot. Sieh mich nicht so an, Lian, Nachrichten verbreiten sich schnell in diesen Zeiten. Ich weiß das du und dein Bruder in dieser Geschichte verwickelt wart.“
Was sollte ich antworten? Leugnen war zwecklos und es machte auch keinen Sinn. Dennoch verbesserte es unsere Situation nicht. Sie mochten meinesgleichen sowieso schon nicht besonders, doch was ich und mein Bruder taten verabscheuten sie zutiefst. Das wir den Menschen in Hollow geholfen hatten ärgerte sie sicherlich.
„Nun schau nicht so verbiestert!“ Plötzlich lachte der Hüne, „Du hast bei uns noch etwas gut! Schließlich hast du bei deinem letzten Besuch den Zerberus zerschlagen!“ Der Hüne lachte und ich atmete auf. Der Zerberus... Natürlich. Der Wolf der diese Gegend terrorisierte und sogar seinesgleichen unterdrückte und jagte. Eigentlich war ich damals lediglich auf Durchreise gewesen, als dieser Narr mir in den Weg sprang. Ich hatte gedacht das sie mich deswegen verachten würden, doch ich hatte mich wohl getäuscht.
„Verzeih mir dieses Theaterstück, Lian. Sei willkommen. Wir werden euch bis zum Dorf begleiten. Und du Kleine, kannst dein Messerchen wieder wegstecken.“
Der Hüne lachte noch einmal und verschwand dann zwischen den Bäumen. Ich sah ihm nach und sah gerade noch wie er sich krümmte und veränderte. Ich wendete den Blick schnell ab und kurbelte das Fenster wieder hoch. Doch es brachte nichts, das Geheul erschütterte den Van.
„Das war Hugh.“ erklärte ich und startete den Motor, „Der Leitwolf.“
„Es gibt also wirklich Werwölfe?“ hauchte das Mädchen.
„Hugh hat gegen Mayne gekämpft vor einigen Jahren und verloren. Er hat großen Respekt vor ihm. Es wundert mich das Mayne dir nichts davon erzählt hat.“ sagte ich und fuhr los. Ich bemerkte das das Mädchen plötzlich schwieg. Taktlos, wie es sonst nur mein Bruder war, hatte ich sie daran erinnert, das Mayne nicht mehr unter uns weilte.
„Alles was wir tun können, ist darauf vertrauen das sie uns wohlgesonnen sind.“ fuhr ich fort, „Denn im Zweifelsfall haben wir keine Chance gegen sie.“
„Wenn es so gefährlich ist, was machen wir dann hier?“ fragte er von der Rückbank.
„Das geht euch nichts an.“ antwortete ich grollend und beendete somit das Gespräch.
Zwischen den Bäumen tauchte das Funkeln des Dorfes wieder auf und ich verspürte wieder das Verlangen nach einer Zigarette.
Ihnen meine wirklichen Absichten zu verraten hielt ich für falsch. Sollten sie sich doch den Kopf zerbrechen, denn auch wenn wir schon den einen oder anderen Ärger zusammen durch gestanden hatten, so waren wir immer noch nur Gefährten die derselbe missliche Umstand zusammen schweißte. Ich konnte mir nur eines Gewiss sein. Elizabeth würde sich nicht in das Gebiet der Wölfe wagen, womit wir zumindest in der nächsten Zeit in Sicherheit waren.
In der Ferne vernahm ich das Heulen der Wölfe und zwischen den Bäumen war ab und an ein Augenpaar zu sehen, oder eine vorbei huschende Gestalt.
Dies wäre die ideale Gelegenheit, endlich eine alte Geschichte zu beenden.
Kapitel 1
Einige Wochen waren vergangen seit sie ihrem Zuhause den Rücken gekehrt hatte. Vieles erschien ihr immer noch surreal. Schon ihr Leben in der Jägergilde im ehemaligen London war wie ein Traum. Kein schöner Traum, eher ein Traum der sich mit Absonderlichkeiten in die Länge zog und aus dem man einfach nicht erwachte, doch sobald man erwachte vergass man sofort jedes einzelne Detail und dann wusste man nur noch, das man etwas seltsames geträumt hatte.
Der Tod des Gildengroßmeisters Robert Mayne hatte alles verändert. Er hatte sie nach dem Tod ihrer Eltern aufgenommen und war über die Zeit hinweg wie ein Vater für sie geworden. Sie konnte immer noch nicht so recht glauben das er nicht mehr da war.
Die trüben Gedanken rissen sie irgendwie herunter und sie schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Das Klatschen riss auch ihre Mitfahrer aus ihrem Gedankendelirium. Der Fahrer des Vans riss glatt das Lenkrad herum.
„Pass doch auf!“ zischte der Blonde grimmig vom Rücksitz.
„Wenn du wach bist, kannst du doch übernehmen.“ giftete der Fahrer zurück und warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu.
„Entschuldige...“ nuschelte sie daher.
Sie waren schon seit Tagen unterwegs und legten nur Pausen ein, wenn sie es nicht mehr aushielt. Inzwischen konnte sie nicht mehr sitzen. Der Gurt fühlte sich an wie eine Fessel und die ewig gleiche Landschaft ermüdete sie. Doch darüber zu jammern war nicht fair. Vald fuhr schon die ganze Nacht durch und er sah inzwischen ziemlich gereizt und erschöpft aus. Seine langen schwarzen Haare, die sonst perfekt und glatt über seinen rücken fielen, hingen nun zerzaust in einem lockeren Zopf und viele Strähnen umrahmten sein Gesicht. Seine Augen waren verkrampft auf die Straße gerichtet. Dunkle Schatten zeichneten sich unter ihnen ab und im Mundwinkel hing eine erloschene Zigarette. Vermutlich hatte er noch nicht einmal bemerkt das sie längst aus war.
„Du rauchst zu viel.“ meinte sie, doch Vald knurrte nur. Er war schon seit geraumer Zeit schlecht gelaunt. Vermutlich hatte er von ihr und Sonny genug. Sie wusste das die Beiden sehr lange alleine unterwegs gewesen waren und bisher hatten sie auch bewiesen das sie keine Ahnung hatten, wie es ist mit einer Frau zu reisen. Noch dazu mit einem Menschen.
Denn die Beiden waren keine gewöhnlichen Männer die wie Vagabunden einfach umher zogen. Sie ernährten sich für gewöhnlich von Blut. Mit Vampiren zu reisen war schon ungewöhnlich genug, doch Zanes ursprünglicher Job rundete die Absurdität des Trios ab, denn sie war Jägerin. Sie jagte Vampire und andere Wesen. Ihr ganzes Leben hatte sie in diesen Wesen ihre Feinde gesehen und Jagd auf sie gemacht, doch ihr kürzliches Abenteuer hatte ihre Sicht auf diese Kreaturen verändert. Sonny und Vald waren einfach anders. Selbst für Vampire.
Zane wurde wieder aus ihren Gedanken gerissen als Vald die Geschwindigkeit drosselte und vor ihnen eine Siedlung auf tauchte.
„Wie sehr vertraust du Hugh?“ fragte sie plötzlich und Vald stieß ein Seufzer aus.
„Wie stark sollte man einem Wolf vertrauen?“ fragte er anstatt zu antworten. Sonny grunzte.
„Sie verlassen sich auf ihr Rudel doch darüber hinaus schwören sie keinem die Treue. Wir sollten auf der Hut sein.“ Sonny beugte sich vor. Die letzten Wochen hatten auch ihn gezeichnet. Er trug einen stoppeligen Drei-Tage-Bart und auch unter seinen Augen schimmerten dunkle Augenringe. Zane überlegte wann die Beiden das letzte Mal Blut zu sich genommen hatten.
„Es wäre Zeit sich zu überlegen wie wir vorgehen.“ schlug Vald vor und entzündete die erloschene Zigarette.
„Das kommt ganz darauf an, was du hier vorhast... aber du meintest ja, das es uns nichts anginge.“ meckerte der Blonde schnippisch und Zane pflichtete ihm gedanklich bei. Auch sie fühlte sich gekränkt angesichts Vald's Misstrauen. Er war es gewesen der ihnen vorgeschlagen hatte nach Deutschland zu gehen. Wobei 'vorgeschlagen' sehr nett formuliert war, er hatte ihnen in Wirklichkeit keine Wahl gelassen.
„Schlag was vor.“ sagte Zane daher müde.
Vald kurvte durch die Siedlung bis zu einem großen Platz kamen. Dort parkte er elegant in einer kleinen Parklücke und zog den Zündschlüsel. Er lehnte sich seufzend in seinem Sitz zurück, beobachtet von Sonny und Zane.
„Ich habe hier etwas zu erledigen. Es geht euch auch nach wie vor nichts an, was das ist. Ihr solltet mir nur mitteilen wo ich euch finde.“
Stille folgte auf diese Bemerkung. Sonny schnaubte nur und aus Zane platzte es schließlich heraus.
„Vald, wir wissen nicht wo wir hier sind! Das einzige was wir wissen, das...“ sie gestikulierte mit den Armen „.. das sind die Werwölfe da draußen! Wo sollen wir denn hin?“
„Tja...“ war seine Antwort. Zane klappte der Mund runter und Sonny brach in lautes Gelächter aus. Vald rieb sich die Augen und Zane stieg wütend aus dem Van aus. Sie waren alle müde, sicher. Sie waren auch ziemlich genervt von einander, dennoch hätte er sich zumindest ein paar Gedanken machen können!
„Komm schon Zane, dir wird schon was einfallen!“ rief Vald und Zane knallte ihre Tür zu. Vielleicht sollte sie einen Spaziergang machen, bevor sie einen der Beiden noch anschrie.
Die Straßen der Siedlung waren wie ausgestorben. Wie immer in der Nacht. Denn die Nacht gehörte ihnen und jeder Narr, der sich nach Einbruch der Dunkelheit hinaus wagte, bezahlte dies mit seinem Leben. Hugh beobachtete den Van vom Dach eines kleinen Hauses aus. Er sah wie das Mädchen sich langsam vom Van entfernte und nun auch die anderen Beiden ausstiegen. Er konnte Vald erkennen, der dem Blonden etwas zuwarf, was wie die Autoschlüssel aussah. Dann kehrte er ihm den Rücken.
„DEINE SACHEN!“ brüllte der Blonde doch Vald winkte nur ab und verschwand dann. Ob er ihn aufsuchen würde? Es war noch gar nicht so lange her, seit er dem Dunklen das erste Mal begegnet war. Vald der Zerberus erschlug... Noch viele Generationen später würde man sich davon erzählen.
„Hugh.“
Der Hüne blickte zur Seite. Dort hockte die Jüngste seines Rudels. Sie hatte wirres rotes Haar und ihr Gesicht war übersät mit Sommersprossen. Er hatte sie gefunden als sie dem Tod sehr nahe war. Sie in seinem Rudel auf zu nehmen hatte für viel Wirbel gesorgt, da das Berühren von Jungen ein absolutes Tabu war. Für gewöhnlich besassen Kinder noch nicht die Nervenstärke um sich einem Rudel anzuschließen. Anders war es wenn sie im Rudel geboren wurden. Sirra hatte er sie genannt und sie folgte ihm seit dem Tag ihrer Wiedergeburt. Sirra lernte schnell und hatte sich dem Leben im Rudel sehr schnell angepasst.
„Was tust du hier, Sirra?“ knurrte Hugh, bemüht streng zu sein. Sie hatte seine Anweisung bei den Jungen zu bleiben ignoriert und war ihm gefolgt. Er hatte sie bis eben nicht bemerkt und irgendwie machte es ihn stolz, wie geschickt sie geworden war.
„Ich wollte wissen, warum du so plötzlich gegangen bist.“ antwortete sie ruhig und ihre Augen folgten dem Blonden, der nun den Marktplatz überquerte.
„Erinnerst du dich an Lians Sohn?“
„Der, der Zerberus erschlug?“
„Genau der. Er ist zurück gekommen, was glaubst du warum?“ fragte Hugh ins Blaue hinein. Denn eigentlich hatte Vald damals gesagt er sei nur auf Durchreise gewesen und habe nicht vor gehabt sich mit dem Wolf an zu legen. Dieser hätte ihm nur im Weg gestanden.
„Vielleicht hat er uns nicht alles erzählt und er war gar nicht auf der Durchreise.“ sinnierte Sirra. Sie richtete sich zur vollen Größe auf und kniff die Augen leicht zusammen. „Ich trau denen nicht.“
Hugh beobachtete das Mädchen, welches zwischen zwei Häusern verschwand.
„Du behältst den Blonden im Auge, ich nehme das Mädchen.“ befahl Hugh.
„Und der Dunkle?“
„Ich kenne ihn, er wird keinen Ärger machen.“ murmelte Hugh und sprang vom Dach des Hauses. Das Menschenmädchen wollte er sich mal vornehmen, jetzt wo sie von ihren Bodyguards getrennt war.
Der Himmel hellte sich schon allmählich auf. Das Schwarz der Nacht färbte sich langsam in ein dunkles Blau. Zane war eine ganze Weile gelaufen. Die Siedlung war sehr klein, so dass sie das Endes des Ortes bald erreicht hatte und dort ließ sie sich auf einer Bank fallen, die neben einem kaputten Haltestellenschild stand.
Sie war so schrecklich müde und ihr tat alles weh. Am Liebsten wäre sie in eines der Häuser eingebrochen um dort ein Bad zu nehmen und sich aus zu schlafen. Und sie hätte den Kühlschrank geplündert. Seit dem Zwischenfall in Schottland sah es mit dem Geld eher mager aus und die Brüder waren der Meinung an den Rationen für sie zu sparen, anstatt an den Zigaretten.
Sie war das Herumreisen nicht gewohnt und der leichte Hunger gepaart mit Erschöpfung machte sie einfach nur noch wütend. Schuld waren ohnehin die Beiden. Schließlich hatten sie die Jägerin entführt. Zane war überzeugt das sie sich hätte durch schlagen können. Irgendwie wäre sie den Fängen ihrer Stalkerin entkommen. Stalkerin...
Zane musste grinsen. Der Titel für diese Frau war ihr ganz spontan gekommen. Sie nannte sich eigentlich Elizabeth und teilte eine bewegte Vergangenheit mit Sonny und Vald. Zane war ihr in hollow begegnet und Elizabeth hatte einen Narren an der Jägerin gefressen. In Schottland war sie mit den Brüdern in einem Streit geraten in dem sie ihnen die Entführung vorwarf und die Beiden beteuerten ihr, das sie sie dadurch schützten.
Tolle Beschützer, dachte Zane grimmig und lehnte sich in der Bank zurück um in den Himmel über sich zu schauen. Ein paar Sterne funkelten noch schwach und in den Bäumen zwitscherten schon munter die Vögel.
Sie befand sich im Herzen eines Gebietes das von Wölfen regiert wurde, was für einen Schutz konnten die Beiden ihr schon bieten und überhaupt, als ob sie geschützt werden wollte.
„Was für ein schöner Morgen, nicht wahr?“
Zane erschrak sich heftig. Sie rutschte etwas von der bank, als wie aus dem Nichts der Riese namens Hugh neben ihr saß und in die Sterne hinauf sah. Seine Größe machte ein anschleichen unmöglich. Zane wurde ganz flau im Magen, denn sein Erscheinen hieß, das auch er sich so schnell wie die Vampire bewegen konnte. Sie schluckte hart und rutschte wieder auf die Bank. Der Dolch befand sich an ihrer Hüfte und im Rücken hatte sie nach wie vor einen kleinen Colt verborgen, den sie von Sonny geschenkt bekommen hatte.
„Vermutlich.“ murmelte Zane unsicher. Sie musterte den Riesen aus den Augenwinkeln. Er hatte sehr kantige Gesichtszüge und einen dichten Bart, sowie wirres, zottiges Haar. Er trug kein Oberteil wodurch sie seine Muskeln deutlicher als ihr lieb war sehen konnte. Das Auffälligst war sein Gürtel, welcher sich um die abgerissene Stoffhose schlang. Der Gürtel war das Fell eines Wolfs. Der Schwanz des toten Tiers (oder das was davon übrig war) baumelte buschig herab, und der Kopf war darin verbissen. Zumindest sah es so aus. Vielleicht bildete sie es sich auch nur ein. Dennoch stimmte irgendetwas nicht mit diesem Fell, gerade so als sei der Wolf nicht tot.
„Du reist also mit Lians Söhnen?“ fragte Hugh gerade heraus. Er wandte seinen Kopf ihr zu und Zane erstarrte. Seine grauen Augen erschienen ihr ungewöhnlich hell. Es erinnerte sie an die Brüder im Licht der Dämmerung. Die Antwort blieb ihr im Hals stecken, deshalb nickte sie nur einmal.
„Und warum?“
Er war sehr direkt. Zane beschloss sich nicht einschüchtern zu lassen. Vielleicht konnte er sie binnen Sekunden töten, doch sie wollte wenigstens ihren Stolz bewahren.
„Das ist meine Sache.“ sagte sie daher mit fester Stimme. „Ich weiß das ich um diese Uhrzeit ein hohes Risiko eingehe. Wenn dir das nicht passt dann sprich mit Vald.“
Hugh lachte auf. Sein Lachen klang wie ein Grollen, sodass Zane reflexartig ihren Dolch umklammerte.
„Ich tu dir nichts. Du gehörst zu ihm das ist dein Glück.“ meinte Hugh immer noch kichernd, „Als ob ich ihn um Erlaubnis fragen würde, du bist wirklich dumm, kleines Mädchen.“
Die Jägerin fühlte sich angegriffen. Doch sie konnte ihrem Ärger wohl kaum Lugt machen. Typen wie Hugh waren ihr vertraut. Auch Mayne war früher oft derart schroff und direkt zu ihr gewesen. Damals, als Kind hatte sie darunter gelitten und es sehr persönlich genommen, heute wusste sie das solche Typen es nicht einmal halb so ernst meinten wie es oft rüber kam.
„Darf ich dir dann ein paar Fragen stellen, um meiner Dummheit Grenzen zu setzen? Vald hat nämlich nichts über diesen Ort erzählt.“ sagte sie daher zähneknirschend.
„Du reist nicht freiwillig mit ihnen?“
„Nein, darf ich nun auch etwas fragen?“
„Leg los.“ Hugh lehnte sich zurück und legte seine Arme auf die Rückenlehne der Bank. So wirkte er noch breiter und größer und Zane kämpfte gegen das Gefühl an, nicht mehr zu sein, als eine Maus in den Pranken eines Löwen.
„Kannst du mir erklären wie das Leben hier verläuft? Gibt es hier Menschen oder nur....“
„Es gibt Menschen, doch sie verlassen nach Einbruch der Dunkelheit nicht ihre Häuser. Wir dürften sie dann töten. Hier regieren wir. Die Menschen sind in der Unterzahl und haben sich unserer Übermacht gefügt. Sie tun uns nichts, sondern leben einfach damit, nachts in ihren Behausungen zu leben. Hast du noch eine Frage?“
„Ja. Bist du geboren als Wolf oder als Mensch?“
„Diese Frage würdige ich keiner Antwort.“
„Dann eine andere!“ sagte Zane hastig als sie merkte das die Stimmung von Hugh kippte. „Ich möchte etwas essen, ein Bad nehmen und in einem Bett schlafen... Kannst du mir sagen wo ich hier ein Hotel finde?“
Hugh runzelte die Stirn, „Es gibt eine Herberge östlich vom Marktplatz. Ist das alles was dich beschäftigt?“
Zane sprang sofort auf. Ein Hotel! Sie wusste zwar noch nicht wie sie eine Nacht dort bezahlen sollte, aber das würde sie schon hin bekommen.
„Im Moment ja. Ich bin die Beiden gerade über und bin auch sehr mies gelaunt. Ein bisschen Luxus bessert diese vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich danke dir Hugh, ich gehe dann jetzt zur Herberge.“
Die Jägerin marschierte entschlossen los. Der Himmel war inzwischen sehr hell, sodass die Herberge sicherlich auch bald ihre Tore öffnen würde.
„Warte!“ donnerte Hugh, er stand ebenfalls auf, „Ich bringe dich hin, ich will noch mit dir reden.“
Sie hatte gehofft einfach so gehen zu können. Weg von dem Riesen, einfach weg.
„Ein Gentleman, was?“ murrte sie zynisch und fügte sich ihrem Schicksal. Es machte keinen Sinn sich seinem Entschluss zu wieder setzen. Für Diskussionen war sie ohnehin zu müde.
„Rede dir nichts ein. Du bist Maynes Mündel... Sein Tod tut mir Leid.“ Er ging los und die Jägerin senkte den Blick und flüsterte ein kaum verständliches: „Danke.“
„Ein stolzer Mann, ein Krieger. Das er die Verantwortung für ein Jung-ein Mädchen übernimmt, kann ich kaum glauben. Er wirkte nicht gerade wie eine Vaterfigur.“
„Die hat er allerdings gut beherrscht.“
„Wenn du so empfindest, ist das deine Sache. Mir ist es im Grunde einerlei. Was mich wirklich interessiert sind die Motive des Mannes. Er gehörte nicht zu denen die aus purem Mitleid Kinder großziehen. Ich glaube das du etwas verbirgst, das es einen Grund für seinen Entschluss gab und das Lians Söhne sich nicht im Klaren sind, das sie eine tickende Zeitbombe beherbergen.“
Hugh hatte immer weiter geredet und als er geendet hatte, fiel ihm auf, das ihm das Mädchen nicht mehr folgte. Er drehte sich um und sah die zarte Gestalt mitten auf der Straße stehen. Ihr Blick war auf die Straße gesenkt und sie zitterte leicht. Sie roch nach kaltem Schweiß und das Tier in ihm lechzte nach Beute. Er hatte sie anscheinend durch schaut, das musste die Erklärung für ihre Starre sein. Hugh verschränkte die Arme und bleckte die Zähne.
„Wie ist dein Name, Mädchen?“ raunte er.
„Zane.“
„Und weiter, was ist dein Geheimnis? Hm?“
Sie hob den Kopf und ihre braunen Augen trafen die seinen. Er konnte sich ein Erstaunen nicht verkneifen, denn die Augen waren dunkel und irgendwas loderte in ihnen. Sie war also nicht erstarrt weil sie Angst hatte, sondern weil sie wütend war?
„Zane, Zane, Zane... Wenn du dich jetzt sehen könntest. Ein Dämon blickt mich aus diesen großen Augen an... Was willst du mir antun? Oh ich kann es in den dämonischen Augen sehen, du willst mir etwas antun nicht wahr?“
„Wovon redest du?“ zischte sie und Hugh lachte.
„Schon im Van, hatte ich das Gefühl, als würde ich kein Mädchen sehen, sondern Dunkelheit. Du hast etwas Finsteres an dir, ich kann es sehen, ich kann es fühlen. Ich störe mich nicht an den Blutsaugern, aber du bist mir ein Dorn im Auge. Wölfe riechen so etwas Meilenweit... Sobald du Ärger machst, reiße ich dir den Kopf ab.“ Er wandte sich wieder dem Weg zur Herberge zu, „Nun komm, ich sagte das ich dich zur Herberge begleite, also tue ich dies auch.“
Doch das Mädchen stand auf der Straße als wäre sie versteinert. Sie hatte die Fäuste geballt und blickte ihn aus ihren braunen dunklen Augen an, als überlege sie tatsächlich ihren lächerlichen Dolch zu zücken oder den kleinen Colt, von dem sie wahrscheinlich glaubte das dieser ihm noch nicht aufgefallen war.
Doch so sehr er diesem Mädchen misstraute, so stark faszinierte sie ihn.
„Komm, lass uns gehen.“ sagte er daher sanft und sie folgte ihm wieder, wenn auch der Unmut ihr im Gesicht geschrieben stand. „Und erzähl mir mehr von dir. Erzähle mir davon wie du dich fühlst, das du, davon wie du manchmal etwas tun möchtest was deiner Moral wieder spricht. Wer bin ich, wenn ich das Tier im Menschen leugne? Sie sind sogar inspiriend wenn sie zu Monstern werden. Als würden sie ein Bild malen, mit dem Blut ihres Nächsten. Auch du bist dieser Gier sicherlich schon einmal erlegen. Der Augenblick in dem sich ein Schalter umlegt vergisst man sein ganzes Leben nicht. Das ist der Moment in dem Moral zu etwas Absurdem wird. Regeln lösen sich in Rauch auf und zurück bleibt die Gier nach Leben und Macht. Sie ist allgegenwärtig, in jeder Sekunde und die einzige Frage die sich einem jedem stellt ist, wer die Macht hat. Hast du die Kontrolle über die Dunkelheit in dir, oder sit es die Dunkelheit die dich kontrolliert?“
„Was ist es bei dir Hugh?“
„Was spielt das für eine Rolle?“ sagte Hugh und lachte, „Ich bin der böse Wolf und du, Rotkäppchen, warum ist deine Kappe rot?“
„Ich würde sagen weil mir diese Farbe steht?“
Hugh sah sich um. Das harmlose Mädchen lief angespannt daher, doch ihre Antworten waren gewählt und scharf. Sie spielte mit seinem Misstrauen. Auf der einen Seite gab sie etwas Finsteres von sich preis und auf der anderen Seite verschleierte sie es. Wieviel Wahrheit steckte tatsächlich in ihren Worten und Blicken.
„Du hast keine Furcht in dir, nicht wahr?“
Sie waren am Marktplatz angekommen und die Herberge kam in Sicht. Hugh deutete auf das Gebäude. Inzwischen krochen die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont und die Straßenlaternen erloschen.
„Das ist sie und Zane...“ Das Mädchen blickte auf und er kam ihr sehr nahe, so dass sich ihre Gesichter fast berührten. Er spürte ihre Wärme und ihren Atem. „Ich werde dich im Auge behalten.“
Im nächsten Moment war er verschwunden und sie schüttelte sich, konnte ihn immer noch seine bohrenden Blicke spüren.
An dieser Stelle ein kleiner Abriss über die Wirklichkeit in welcher sich die Drei bewegen. Vor fünfzig Jahren brach das Ende der Welt über die Menschheit hinein. Sie hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt die verschiedensten Szenarien ausgemalt, wie die Apokalypse aussehen könnte, doch die Wirklichkeit überrumpelte sie mindestens genauso, wie ein Meteor oder ein Tsunami. Weder Naturkatastrophe noch kosmische Ereignisse drohten der Menschheit ein Ende zu bereiten. Wie aus dem Nichts tauchten überall auf der Welt Kreaturen auf, die bis dahin nur als Figuren von Märchen und Sagen bekannt waren. Niemand hatte an die Existenz von Vampiren oder Werwölfen geglaubt, geschweige denn an Hexen und andere Wesen. Die einzigen Menschen die dies Ereignis erwarteten und auch nicht im Mindesten verwundert waren über den Anblick dieser Wesen, das waren die Jäger. Es gab sich schon seit sehr langer Zeit und sie waren nicht mehr als Jäger die Jagd auf Kreaturen wie Vampire machten. Sie organisierten sich in Gilden und hatten bis zum Tag der Apokalypse die Existenz der Kreaturen geheim halten können. Der Tag an dem sich die Wesen erhoben wurde Dämmerung genannt. Der Krieg währte sehr lange, über viele Jahre hinweg sodass kaum noch klar war, wofür welche Seite kämpfte, geschweige denn wer am Gewinnen war. Generation löste Generation ab und die Jüngeren wuchsen in einer zerrütteten chaotischen Welt auf, die nach Ordnung schrie. So kam es dazu das manche Menschen sich für einen Waffenstillstand stark machten in dem sie sich Verbündete auf beiden Seiten suchten. Sie hatten Erfolg und ein vorläufiges aber lückenhaftes Gesetz trat in der gesamten Welt in Kraft, genannt die Regel der Dämmerung. So lebten die Menschen am Tag hingegen die Nacht den Kreaturen gehörte. Wenn ein Mensch sich nachts außerhalb seiner Behausung befand so durften die Kreaturen mit ihm anstellen was ihnen beliebte und andersherum durften die Menschen genauso mit Kreaturen verfahren die ihnen tagsüber begegneten. Das führte dazu das eine Zeit lang in dem Augenblick in dem die Sonne untergeht oder aufgeht, der einzige Zeitpunkt war in dem sich Mensch und Kreatur friedlich gesonnen waren. Für manche ein Traum einer möglichen Zukunft.
Nach fünfzig Jahren hatten sich auch unterschiedlich regierte Gebiete entwickelt. Großbritannien wurde überwiegend von den Menschen kontrolliert, hingegen der Rest von Europa immer noch ein Gebiet war über das man nichts genaueres wusste, außer das es in der Dämmerung regelrecht überrannt wurde. Das die Inseln nicht gelitten hatten mochte daran liegen das sich das Meiste auf dem Kontinent ereignete.
Zane war ursprünglich die Tochter einer Jägerfamilie. Nach dem eines Nachts ihre Eltern jedoch getötet wurden, nahm der Großmeister einer ruhmreichen Jägergilde das Mädchen bei sich auf und übernahm die Vormundschaft für sie. Er kontrollierte sie permanent und doch war sie über die Zeit hinweg alles was er hatte. Auch Zane hatte so empfunden und war dem Drang erlegen ihm zu beweisen das sie eine große Jägerin war, die einem Mayne in Nichts nach stand. Im Zuge dieses Drangs war sie auf Sonny und Vald gestoßen. Bis zu dieser Begegnung gab es für sie keinen Zweifel, das Vampire Monster waren die sich von Menschen ernährten. Nie hatte sie es für möglich gehalten das sie den Menschen gar nicht so unähnlich waren. Sie hatte die Vampirbrüder sehr gut kennen gelernt und war schlussendlich deren Todfeind begegnet, was der Grund ihrer gemeinsamen Reise war.
Nun räkelte sie sich in dem Bett der Herberge. Die Sonne war schon lange aufgegangen und damit sie vom Sonnenlicht nicht gestört wurde hatte sie die Vorhänge zu gezogen.
Er saß am Fußende des Doppelbettes in dem sie sich quer hinein geworfen hatte. Es war ein leichtes sie auf zu spüren und noch viel leichter war es, der Herbergsmutter eine Lüge aufzutischen, warum er in das Zimmer des Mädchens musste. Obwohl ihm die Wolfsverseuchung dabei sehr hilfreich war. Die Deutschen hatten anscheinend nicht so viel mit Vampiren zu tun, als das sie einen erkennen würden wenn er mit dunkler Stimme zu ihnen sprach. Doch als er ihr Zimmer betrat hatte sie schon geschlafen. Tief und fest. Der gesamte Raum war erfüllt von der Seife die sie wohl für ihr Bad verwendet hatte. Ihre Kleidung war achtlos in den Raum geworfen und das Bad dampfte noch. Allzu lange hatte sie noch nicht gelegen als er kam. Doch er wollte sie nicht wecken. Die letzten Tage waren anstrengend genug gewesen. Darum hatte er angefangen seine Revolver zu reinigen. Er tat dies bedächtig und möglichst ohne zuviel Lärm zu machen. Seinen Bruder wollte er nicht aufsuchen und was blieb ihm dann anderes als sich mit der zu verbünden die sich ein Boot mit ihm teilte, auch wenn sie ausflippen wird, sobald sie ihn bemerkt. Ein Lächeln huschte über sein stoppeliges Gesicht und er drehte die Trommel des Colts. Das Klicken ließ die Jägerin zusammen zucken. Sie murrte und schlief dann weiter, doch Sonny bemerkte das ihre Hand um einen Griff geklammert war der unter ihrem Kissen hervor blitzte. Manchmal war sie professioneller als er es ihr zu trauen würde.
Er reinigte seine Colts noch eine ganze Weile und schließlich regte sie sich. Plötzlich schoß sie auf ihn zu und er reagierte sofort. Blitzschnell packte er ihr Handgelenk mit dem Dolch und warf sie auf das Bett zurück, dann drückte er ihre zweite Hand auch auf das Bett und sie verharrten einen Moment. Er über die mäßig gekleidete Jägerin gebeugt, bis sich auf ihrem Gesicht ein Ausdruck der Überraschung abzeichnete.
„Du bist es.“ sagte sie verwundert und Sonny grinste.
„Ja, ich bin es, hab dich gefunden!“
„Lass mich los!“ fauchte sie und lief rot an. Sie trug nur ein Top und keine Shorts.
„Nur weil du es bist.“ entgegnete Sonny süffisant und ging von ihr runter. Zane wickelte sich sofort in ihre Decke, als ob er nicht schon alles gesehen hätte. Sie sprang damit vom Bett auf und suchte ihre sieben Sachen zusammen.
„Warum bist du hier?“ fragte sie zischend und stapfte ins Bad.
„Ich habe mir Sorgen gemacht.“
Er hörte wie etwas im Bad polterte, sie streckte den Kopf raus und musterte ihn argwöhnisch.
„Weshalb?“
„Du bist so wütend abgezogen und das in dieser Gegend. Ich dachte schon das der böse Wolf mein Rotkäppchen gefressen hat.“
Etwas klirrte erneut und Sonny spürte Anspannung. Hatte er etwas falsches gesagt? Er stand vom Bett auf und steckte seine Colts und die Reinigungsutensilien in seinen braunen Mantel zurück.
Die Jägerin kam aus dem Bad und knöpfte sich gerade die Hose zu. Sie sah wirklich erschrocken aus.
„Du redest Blödsinn,, ich kann auf mich aufpassen.“
„Natürlich kannst du das... Wollen wir zusammen frühstücken?“ schlug er zur Güte vor und zu seiner Überraschung lachte Zane.
„Hast du nicht langsam genug von mir?“ erwiderte sie lachend und schnappte sich ihre kleine Tasche, die sie sich um die Hüften schlang.
„Ich habe mich an dich gewöhnt und nach der Fahrt solltest du was essen.“
„Deine Fürsorge rührt mich.“
Sie verliessen gemeinsam das Zimmer und Sonny wurde das Gefühl nicht los, das sie ihm irgendwas verschwieg. Vermutlich bildete er sich das nur ein, doch schon in Hollow war sie manchmal wirklich merkwürdig drauf gewesen. Der Entschluss sie mit zu nehmen war von Vald gekommen. Zumindest war er dieses Mal nicht schuld, wenn sie wirklich etwas anderes war, als sie vorgab.
„Ich wusste nicht das du Deutsch sprichst.“ stellte er verblüfft fest, als Zane in perfektem Deutsch ein prächtiges Frühstück bestellt hatte. Sie zuckte mit den Schultern.
„Mayne hat mich vieles gelehrt. Ich spreche Englisch, Deutsch und noch ein paar andere Sprachen.“
„Das ist erstaunlich.“
„Er meinte es könnte mir noch nützen...“ sagte sie gelangweilt und zwang ihre Lockenmähne in einen wirren Pony. „Was machen wir jetzt?“
„Keine Ahnung. Ich kenne mich mit Wölfen nicht aus. Wir sollten auf uns achten, nicht das sie uns doch noch angreifen.“
„Wie stehst du zu ihnen?“ fragte die Jägerin neugierig.
„Ich kenne sie nicht genug, Wölfe gehören nicht zu meinem sozialen Umfeld.“
„Ich dachte du umgibst dich gern mit der Gefahr.“ bemerkte sie spitzzüngig. Er suchte ihre Blick und hielt ihn fest. Seine Augen durchdrangen sie.
„Süße, du bist keine Gefahr für mich.“ raunte er und sie lief erneut rot an. Vermutlich erinnerte sie sich an ihre erste Begegnung, bei der er es war der sie überwältigt hatte und fast getötet...
In der Zwischenzeit servierte die Herbergsmutter das Frühstück. Diese war eine rundliche Dame mit einem freundlichen Gesicht. Ihre von grauen Strähnen durchzogene Dauerwelle erweckte einen mütterlichen Eindruck. Doch ein Merkmal an ihr störte dieses warme Bild.. An ihrem rechten Arm schlangen sich schwielige Narben empor. Er war gefangen vom Anblick dieser Narben bis ihm schließlich auffiel das sie seinem Blick folgte.
„Entschuldigen Sie.“ sagte er daher höflich in perfektem Deutsch.
„Schon gut, Sie sind nicht der Erste.“ erwiderte sie und lächelte ein sehr warmes Lächeln.
Sie war sehr gutherzig. Sonny beschloss sie ein bisschen aus zu fragen um wenigstens etwas mehr über diesen Ort zu erfahren. Er räusperte sich, denn er würde nun seine mächtigste Waffe ein setzen um die Dame ein zu lullen: Seine Stimme. Schon früher benötigte er nicht mehr als ein paar Worte und die Menschen gaben sich ihm hin.
„Wir sind nicht von hier darum wüssten wir gern, was wir hier beachten sollten?“ raunte er und die Dame lief etwas rot an. Zane warf ihm einen giftigen Blick zu, was ihn nicht wunderte, da auch sie in der Vergangenheit schon Opfer seiner Macht geworden war.
„Natürlich, sehr gern. Das Sie und ihre Schwester nicht von hier sind ware mir auch schon aufgefallen.“
Ein weiterer böser Blick traf Sonny der allerdings nur Augen für die Dame hatte. Sie setzte sich mit an den Tisch und hielt das Tablett auf ihrem Schoß fest.
„Als sie kamen hatten wir keine Chance gegen sie. Die Jäger hatten sich schon während des Krieges verzogen und so fügten wir uns. Wir dürfen uns während des Tages draußen bewegen und nachts nicht. Da sind sie auch sehr streng, Sie sollten sich auch daran halten. Wenn sie jemanden erwischen töten sie ihn. Doch sonst sie friedlich, verlangen nicht viel von uns. Ab und zu ein Schaf oder eine Kuh, manchmal auch einfach nur Lebensmittel.“
Sie drehte das Tablett zwischen ihren Fingern und wirkte sehr angespannt. Sonny fragte sich ob sie sich davor fürchtete mehr zu sagen.
„Mehr müssen wir nicht beachten?“ hakte er daher nach.
„Wir leben ganz gut so. Doch das die Jäger uns im Stich liessen...“ Sie brach ab und sah sich um.
„Sie verschwiegen uns etwas.“ stellte Zane kühl fest.
Sonny sah Zane an, die inzwischen Milch in ihren Kaffee goss und sich keine Blösse gab. Ausgerechnet Zane sprach von Geheimnissen...
„Wenn Sie nicht möchten, müssen sie nicht darüber reden, was Sie belastet.“ raunte Sonny sanft und verfehlte auch dieses Mal die Wirkung nicht.
„Nun da ist schon etwas...“ Sie drehte das Tablett schneller und senkte verschwörerisch die Stimme, „Vor einigen Wochen ist ein toter Wolf hier auf der Straße aufgetaucht. Direkt vor meiner Herberge! Dann kamen Sie her und stellten fragen, wollten wissen wer es gewesen ist. Doch keiner von uns würde so eine Dummheit begehen.“
Die Türglocke ging und im Eingang stand ein alter Mann, mit einem krummen Rücken Er trug einen Filzhut den er sich vom Kopf zog und ihn auf den Kleiderständer hängte.
„Morgen, Dolores!“ murrte er.
„Guten Morgen, ich bin gleich bei dir!“ rief sie ihm zu und er nickte nur kurz und setzte sich an einen Tisch in ihrer Nähe.
Sonny nutzte die Gelegenheit um einen Blick durch den Raum wandern zu lassen. Es war urgemütlich eingerichtet, nahezu wie bei Oma zuhause. Der gesamte Raum war mit dunklem Holz verkleidet, kitschige Plastikblumen standen in geblümten Vasen auf karierten Tischdecken, verzierend die schweren Holztische mit den gepolsterten Stühlen. Hinter der Bar hing ein Bild mit einem röhrenden Hirsch.
„Jedenfalls...“ begann Dolores und Sonny wandte sich wieder ihr zu, auch Zane rückte näher an sie heran, „Glaubten sie uns und verschwanden mit dem toten Wolf. Das war sehr seltsam. Ich dachte sie würden sie an uns rächen.“
„War es denn jemand aus dem Dorf?“ fragte Sonny und rieb sich den stoppeligen Bart. Dolores schüttelte den Kopf.
„Um Gottes willen, das wäre unser Todesurteil. Nun, ich habe noch Gäste..“ Sie stand auf und schob ihren Stuhl wieder an den Tisch. „Lassen Sie es sich schmecken.“
„Danke, Dolores.“ meinte Sonny ehe sie davon wuselte um den alten Mann zu bedienen.
Zane ignorierte sie und machte sich stattdessen über die Eier in dem Weidenkörbchen her. Das Frühstück war mit viel Liebe zubereitet und duftete herrlich. Da waren verschiedene Brötchen in einem Korb und die Eier ebenfalls, abgedeckt mit einem Handtuch. Dann noch Marmelade in kleinen Gläschen und aufgeschnittene Wurst.
Sonny nahm eines der Marmeladengläschen in die Hand und drehte es nachdenklich.
„Willst? Es schmeckt gut!“ Zane bot ihm ein halbes Marmeladenbrötchen an doch Sonny schüttelte den Kopf.
„Nee, lass mal, sag mir lieber wie du das hier bezahlen willst?“
Schließlich hatte die Hexe sie bis aufs Hemd ausgenommen un der Einzige der noch Geld in Petto hatte, war Vald. Nur das er davon keinen Cent herausrückte.
„Vald bezahlt.“ entgegnete sie trocken und er sah sie verdutzt an.
„Vald ist nicht hier.“
„Eben, er bekommt die Rechnung serviert, genauso kalt, wie er uns hier ausgesetzt hat.“
„Du bist ganz schön mutig.“
„Nein, nur bockig. Also, was tun wir jetzt? Herausfinden was mit dem toten Wolf geschehen ist?“
Er schüttelte den Kopf und lehnte sich zurück. Sie war wirklich taff. Traute sich Sachen die er sich nie gewagt hätte und das beeindruckte ihn ungemein. Schon in Schottland hatte sie bewiesen das Valds herablassende Art sie nicht besonders beeindruckte, sodass sie immer einen frechen Spruch für ihn parat hatte.
„Was willst du tun?“ fragte er und nahm sich nun doch eines der beschmierten Brötchen.
„Zuerst...“ begann sie un nippte an dem herrlich duftenden Kaffee, „... will ich frühstücken. Und dann hole ich meine Sachen aus dem Van. Anschließend suche ich sie auf.“
„Du meinst diesen Hünen und seine Gang?“ fragte Sonny nach und biss dann in das Brötchen. Sie hatte recht, es schmeckte einfach fantastisch.
„Jap und wenn ich das nicht alleine machen muss wäre es noch besser.“
„Das hört sich fast so an, als wolltest du mich um etwas bitten?“
„Ich dachte du wolltest mich um etwas bitten, so plötzlich wie du an meinem Bett saßt.“
Statt zu antworten grinste er sie hämisch an und sie streckte ihm die Zunge raus. Sie waren einander über aber irgendwie brauchten sie einander doch.
Den ganzen Tag schon hatte er hier gesessen und die Sonne beobachtet. Er wusste nicht warum, aber dieses glühende Ding übte eine eigenartige Faszination auf ihn aus. Er fuhr sich durch seine langen blonden Haare und lehnte sich zurück. Am Morgen hatte er die Schicht abgelöst und war direkt auf den Baum geklettert. Das war einfach der beste Aussichtspunkt und man bemerkte Eindringlinge einfach schneller, als vom Boden aus. Obwohl er Fremde auch meilenweit riechen konnte. Doch er beobachtete auch sehr gern die Sonne.
„Skal!“ rief jemand von den Wurzeln des Baumes und er zuckte zusammen. Hatte man ihn beim Faulenzen erwischt?
Er sah nach unten und erblickte Hugh dort. Auch von hier oben sah Hugh sehr mächtig aus. Er führte das Rudel noch nicht lange und dennoch hatten alle Respekt vor ihm, obwohl alle wussten das er den alten Zerberus nicht besiegt hatte. Es gab im Rudel immer noch Zweifler an Hugh, doch seine Taten und seine Stärke sprach für sich.
„Schläfst du etwa?“ donnerte Hugh und Skal schüttelte eifrig den Kopf. Er war im rudel geboren und aufgewachsen und wenn es eins gab das er gelernt hatte, dann war es die einfache Regel den Rudelführer nicht zu erzürnen.
„Ich habe von hier oben einfach den besseren Durchblick!“ erwiderte er daher hastig doch Hugh kniff die Augen zusammen.
„Wenn du mich belügst, mach ich dich fertig!“ rief er und Skal schluckte. Hugh mochte ihn irgendwie nicht. Skal hatte das schnell gemerkt und war dem Leitwolf deshalb immer aus dem Weg gegangen. Er wusste nicht warum Hugh ihm gegenüber so aggressiv war, doch nachfragen und ihn noch mehr provozieren, lag ihm fern. Er hoffte einfach das Hugh ihn nicht aus dem Rudel warf und er vielleicht irgendwann seinen Platz in Hughs Rudel finden würde.
Hugh wandte sich um und Skal atmete erleichtert aus. Dieser Tag war schon merkwürdig genug, auch ohne das Hugh ihn fertig machte. Am frühen Morgen war da plötzlich dieser Blutsauger aufgetaucht. Ein seltsamer Typ. Skal hatte noch nie einen gesehen aber Geschichten von ihnen gehört. Sie waren wohl unsterblich und ernährten sich lediglich vom Blut der Menschen. Außerdem vertrugen sie kein Sonnenlicht und sie konnten kein Gewässer überqueren. Doch diese Geschichten stimmten wohl nicht, denn der Typ kam im Morgengrauen und behauptete von England her gereist zu sein. Sofern er die Wahrheit sagte, hatten die Wölfe ihn belogen. Was wahrscheinlicher war, als das ihn der Blutsauger belog. Er hatte keinen guten Stand im Rudel und wurde oft veräppelt. Die blosse Tatsache das man ihm nichts darüber erzählte wie Zerberus besiegt worden war und das er immer nur Wache schieben durfte, sprach für sich.
Skal seufzte und stützte sein Kinn auf seine Knie, die er mit den Armen umschlang. Eigentlich war es wirklich komisch das der Blutsauger so einfach passieren durfte. Hugh selbst war wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatte den Vampir wie einen alten Freund begrüsst und obwohl Skal eine lange Predigt geschwungen hatte warum und weshalb der Vampir nicht passieren durfte, hatte er den Schwarzhaarigen einfach eingeladen ins Lager. Ganz so als würde da niemand auf dem Baum sitzen und die Ehre des Rudels verteidigen...
Den Blutsauger hatte er seitdem nicht gesehen, überhaupt war das Einzige Wesen das er heute noch gesehen hatte, Hugh gewesen.
Doch dabei sollte es nicht bleiben.
Die Sonne senkte sich langsam und im Wald wurde es allmählich dunkel, da hörte er in der Ferne das Knacken und Brechen von Ästen. Jemand stampfte durch das Gestrüpp wie ein Wildschwein, obwohl auch diese sich geschickter anstellten. Eigentlich konnte nur eine Art so einen Krach machen, doch ehe er daran zweifeln konnte, roch er es.
„Ein Mensch?“ flüsterte er und hielt seine Nase in den Wind. Konnte es wirklich sein das einer aus dem nächsten Dorf so dumm ist, sich hierher zu verlaufen?
Skal sprang vom Baum. Er drehte seinen Kopf und liess die Knochen knacken. Seine Leinenkleidung war weit genug geschnitten das sie im Zweifelsfall nicht reißen würde, dennoch war er sehr jung und könnte den Menschen wohl nicht besonders beeindrucken.
Das Geräusch des trampelnden Menschen wurde immer lauter und nun vernahm er auch Stimmen.
Es waren mehr als einer? Dabei hörte er nur einen Menschen! Plötzlich wurde Skal ganz flau im Magen, was wenn der Vampir vom Morgen nicht alleine war, wenn er auch noch andere Vampire mit gebracht hatte? Lebten Vampire nicht auch mit anderen Vampiren zusammen? Skal wusste es nicht und schluckte schwer. Da hörte er die Stimmen auch schon über deutlich.
„- nur das du so laut bist, wie ein Elefant im Porzellanladen oder ein Nachzehrer auf dem Friedhof.“ meckerte eine männliche Stimme.
„Wirklich witzig. Wessen Idee war es denn die Abkürzung zu nehmen? Ich hätte ja den Weg genommen, aber nein, Moinsieur muss ja durch den Wald stapfen, durch Spinnennetze und anderes Getier!“ fauchte eine weibliche Stimme.
„Welches Getier denn? Die haben uns schon vor einigen Kilometern gehört und sind abgehauen.“
„Sag das den Krabbelviechern in meinem Haar!“
Sie brachen aus dem Wald und betraten den fest getrampelten Boden, ein Weg der direkt ins Lager führte und von ihm bewacht wurde. Skal spannte sich an und reckte den Kopf in die Höhe.
Die Frau sah sehr mitgenommen aus. In ihren Haaren hingen Äste und Blätter, doch sie war nicht die merkwürdigste. Ihr hinten drein folgte ein großer Mann, der einen Cowboyhut trug und einen langen Mantel, der sich hinter ihm auf bauschte. Er trug darunter eine helles Hemd mit einem tiefen Ausschnitt und dieses ging über in eine Jeans die mit einem Ledergürtel samt schicker Schnalle verziert war. An den Füßen trug er dunkle Boots mit Sporen. Richtigen Sporen!
„Siehst, ich glaube wir sind da.“ sagte er und deutete auf Skal. An diesem Kerl war noch mehr eigenartig. Seine Stimme dröhnte in ihm wieder. Sie war anders als die des Mädchens, welche einfach nur laut und störend war.
Beide liefen auf ihn zu. Es war offensichtlich das sie keine Furcht empfanden und Skal wusste, das er sie davon abhalten musste das Lager zu betreten.
„Keinen Schritt weiter!“ rief er deshalb und streckte sie Hand aus. Beide erstarrten sofort und sahen ihn groß an. Was für schrägen Typen, dachte Skal bei sich. „Kehrt sofort um!“
„Aber wir sind den ganzen Weg extra hergekommen um mit euch zu reden.“ konterte der Cowboy und legte eine Hand auf seinen Hut, „So behandelt man doch keine Gäste, oder?“
Diese Stimme! Sie dröhnte in seinen Ohren. Skal verzog das Gesicht und rieb sich die Ohren.
„Sei bitte ruhig, ich vertrage diese Stimme nicht.“ murmelte er, „Und kehrt um. Wenn die Wölfe euch hier sehen, töten sie euch.“
Der Cowboy sah ihn verblüfft an, während das Mädchen sich das Grünzeug aus den Haaren pflückte und dann giftig zu dem Cowboy wisperte: „Das funktioniert bei dem nicht.“
Glaubte sie, das er sie nicht hören konnte wenn sie so leise sprach? Wollte sie ihn veräppeln?
„Wovon sprichst du?“ fragte er daher, „Ich kann dich sehr gut hören. Ich konnte dich auch hören als du durch den Wald gestampft bist.“
Das Mädchen erstarrte. „Entschuldigung, ist so ne Angewohnheit. Tut mir Leid, das ich so laut war.“ fügte sie noch mürrisch hinzu.
„Du bist immer laut.“ dröhnte es plötzlich und Skal erschrak sich, denn die dunkle Stimme kam von jemanden der hinter ihm stand. Der mysteriöse Jemand trat an seine Seite und jetzt erkannte er ihn. Es war der Blutsauger vom Morgen gewesen. Doch er sah nicht besonders glücklich aus. Warum eigentlich? Schließlich musste sich Skal nun mit diesem Vampir auch noch herumschlagen. Nicht nur die seltsamen Eindringlinge, der auch noch!
„Was tut ihr hier?“ donnerte der Schwarzhaarige. Er schien schrecklich wütend zu sein. Skal musterte ihn genauer, jetzt wo sie so dicht beieinander standen. Er hatte sehr lange glatte, schwarze Haare und eine helle Haut. Seine Augen waren grün, leuchtend grün. Er trug einen schwarzen Mantel, mit Spitze an den Ärmeln und schnörkeligen Ornamenten darauf. Darunter ein weißes Hemd, ähnlich wie das des Cowboys, mit einem tiefen Ausschnitt. Außerdem trug er eine schwarze Hose und schwarze Stiefel. Wenn es denn Stiefel waren, nur die Spitzen schauten aus dem leichten Schlag der Hose heraus. Skal fiel auf das an der linken Seite des Blutsaugers ein prächtiger Schwertgriff zu sehen war.
„Uns Beschäftigung suchen.“ erwiderte das Mädchen trocken, „Im Übrigen musst du meine Hotelrechnung begleichen.“
Der Dunkle atmete tief grollend ein und rieb sich die Nasenflügel. Skal spürte plötzlich etwas. Es wurde irgendwie kalt und etwas knisterndes lag in der Luft. Lag das an dem Dunklen? Konnte er so etwas bewirken?
„Vald, du hast uns hier ausgesetzt. Woher sollten wir wissen, das du zu den Wölfen wolltest? Wir hatten doch keine Ahnung was für Pläne du hast, somit ist es reiner Zufall das wir uns hier begegnen!“ schimpfte das Mädchen laut und ein paar Vögel im nächsten Baum flatterte aufgeschreckt auf.
„Hey!“ sagte Skal laut, der sich allmählich wirklich veräppelt vorkam. Alle Augen richteten sich auf ihn und Skal suchte nach dem Mut von eben. Er schluckte die Angst herunter und räusperte sich.
„Ihr seid hier immer noch unerwünscht. Ich möchte kein viertes Mal diesselben Wort sagen müssen, dann rufe ich einfach die anderen und sehe von meinem Baum aus dabei zu, wie sie euch fressen!“ giftete er und mit jedem Wort wurde seine Stimme fester, „Er hier-“ er deutete auf den Dunklen, „- ist ein Gast von unserem Leitwolf. Er kann ein und ausgehen wie er will, aber ihr -“
„Schon gut!“ unterbrach ihn der Blonde unwirsch. „Wir waren einfach planlos, okay? Deine Warnung ist bei uns angekommen.“
„Beruhige dich, Junge, sie gehören zu mir.“ sagte der Dunkle und legte eine Hand beruhigend auf Skals Schulter. Er sah den dunklen verwirrt an. Seit wann gab er hier die Befehle?
„Ich weiß nicht was Hugh dazu sagt...“ erwiderte er und der Dunkle lächelte.
„Hugh mag dich nicht besonders, nicht wahr?“
In Skal knallte eine Sicherung durch.
„Was geht dich das an?“ fauchte er wütend.
„Nun ja, deiner Schwester ist er wohl gesonnener...“
Als ob er das nicht wüsste. „Schön! Soll sich Hugh mit euch rumschlagen!“
Stinksauer kletterte Skal wieder auf seinen Baum. Er hatte genug. Dieser eine Satz war wie Salz in seinen Wunden.
„Unbeherrscht und launisch.“ murmelte Vald und schüttelte den Kopf. Zane und Son kamen auf ihn zu, doch Vald musterte den Jungen im Baum. Er könnte es sich noch anders überlegen und in seiner tatsächlichen Gestalt vom Baum hüpfen, nur um seiner Wut Ausdruck zu verleihen.
„Das war ganz schön gemein, selbst für dich.“ meinte der Möchtergernfürsorge-Cowboy.
Er antwortete nicht, sondern ging auf Nummer sicher, das der Kleine im Baum blieb. Er würde wohl bald abgelöst werden. Im Lager hatte er die Wache gesehen, die sich sehr viel Zeit liess mit der Ablöse.
„Bevor wir da reingehen müsst ihr ein paar Dinge wissen. Hugh ist speziell, er hat einen sehr feinen Instinkt für die verschiedensten Dinge. Das wir von den Wölfen nicht angegriffen wurden, haben wir dieser feinen Nase zu verdanken.“
Son grunzte. „Dann hat es nichts mit dieser Geschichte zu tun, wo du diesen Wolf erschlagen hast?“
„Wohl kaum. Hugh sagte mir damals das ich ihm die Chance geraubt habe es selbst zu tun und das er mir das nie verzeihen wird.“
Vald erinnerte sich sehr gut an den Augenblick, als er dem blutenden Leib den Rücken gekehrt hatte und Hugh in seiner wirklichen Gestalt aus dem Wald sprang und ihm in ruhigen aber kaltem Ton diese Worte sagte.
„Das verstehe ich nicht. Letzte Nacht wirkte er ganz anders, was diese Geschichte angeht.“
„Sein Rudel konnte ihn hören und die sind froh das ich es tat und nicht Hugh. Sie werden Hugh es vorwerfen, wenn er mir einen Vorwurf macht. Folgt mir.“ Er drehte sich um und schritt voran. Die beiden Idioten folgten ihm brav, wie dressierte Hunde. In Gedanken war er jedoch noch bei Zanes Äußerung das er eine Hotelrechnung zu begleichen habe. Für gewöhnlich verhielt sich niemand ihm gegenüber so dreist wie sie es tat, denn er ließ niemanden Zeit dafür und sei es eine kleine Einschüchterung. Doch Zane kannte seine Methode andere zu unterwerfen schon und wenn er ihr gegenüber die Beherrschung verlieren wollte, dann schob sie die schlichte Tatsache vor, das er es war, der sie mitgenommen hatte. Noch dazu war er milde beeindruckt von diesem Mut ihn so zu nerven und so frech zu sein.
„Verhaltet euch ruhig und lasst euch nicht provozieren. Und Son, lass das mit der Stimme. Für sie ist es ein störendes Dröhnen, sie fallen darauf nicht herein.“ Ein wahres Manko, wenn man darüber nachdachte, fügte Vald gedanklich hinzu.
„Das heißt ihr müsst auch mit mir völlig normal reden?!“ wisperte Zane begeistert doch weder Son noch er reagierten darauf. Sie liefen ein Stück durch den dunklen Wald und er roch bereits die Feuer und das gegrillte Fleisch. Hinter ihm stolperte das Mädchen über Stock und Stein und er hoffte inständig, das sie sich nicht gleich beschweren würde das sie nichts sehen könne. Doch sie jammerte nicht.
„Dann gibt es noch etwas merkwürdiges. Hugh stellte mir ein Mädchen vor, ein im Rudel geborenes. Sie heißt Hatil.“ Vald legte eine Pause ein, denn ihnen kam einer des Rudels mit einer Fackel entgegen. Die Ablöse, die gleichzeitig die Fackeln am Wegrand entzündete. Er hörte wie Zane darüber fluchte das hinter ihr der Weg erleuchtet wurde, doch dafür war auch vor ihnen alles in flackerndes Licht getaucht.
„Was ist daran merkwürdig?“ fragte son indes ungeduldig und Vald seufzte.
„Der Junge im Baum heißt Skal. Er schiebt immer die Wache am Tag und Hatil ist eine richtige Nachteule. Die Beiden kennen sich kaum. Als ich nach ihrer Herkunft fragte wurde Hugh wütend. Habt ihr schon einmal von der nordischen Mythologie über Skalli und Hati gehört?“ Vald stoppte und drehte sich um. Son blickte ihn an wie ein Schaf auf der Weide, doch Zane sah ihn groß an.
„Skalli jagt die Sonne und Hati den Mond, wenn es ihnen gelingt dann bricht die Götterdämmerung an.“ sagte sie atemlos und angespannt. Vald nickte.
„In der Kurzfassung ist das die Geschichte.“ bestätigte er, doch Son sah skeptisch drein.
„Ich weiß nicht, ist das nicht ein bisschen weit hergeholt?“
„Selbst uns beiden ist bis heute nicht klar was mit der Dämmerung über die Welt herein brach. Warum sollte es die Wölfe nicht geben? Aber es ist nur ein Gedanke gewesen, der mir kam weil Hugh sich verdächtig verhalten hat. Im Grunde ist es mir gleich, denn Ragnarök hatten wir schon und die beiden Jungspunde waren es wohl nicht, die uns das eingebrockt haben.“ Er wandte sich um und ging zielstrebig auf das Lager zu, von dem schon Stimmen und Gelächter zu hören war.
„Komplett vom Tisch fegen will ich deine Gedanken nicht, es klingt nur... naja wenn es die Wölfe gäbe dann müssten wir auch über die Götter sprechen, oder nicht?“ sagte Son und klang dabei sehr unsicher. Das Thema Gott oder Götter war ein rotes Tuch wenn man als Vampir lebte. Denn Vampir hieß, gestorben zu sein und dennoch zu leben. Es war, als würde man den Gesetzen des Lebens ein Schnippchen schlagen und so war allen Vampiren zumindest die Furcht geblieben, als eine Empfindung, die sie eng verband. Die Furcht vor dem Tod und alles was damit zu tun hat und die Furcht vor einem Gott der über sie richtet.
„Das ist … „Vald legte eine Pause ein und warf seinem Bruder einen abfälligen Blick zu, „... eine Äußerung die nur von dir kommen kann. Alle Sagen und Legenden beinhalten lediglich einen Funken Wahrheit. Ich bezweifle die Existenz solcher Götter. Was du glaubst, ist deine Sache.“
Vor ihnen teilten sich die Bäume auf und es kam eine große Lichtung in Sicht, auf der sich Wölfe und scheinbar Menschen gleichzeitig tummelten. An mehreren Stellen brannten Lagerfeuer und fackeln, die kleine Holzhütten beleuchteten.
Es war die verschiedensten Gestalten in den unterschiedlichsten Kleidungen, von Fetzen und Leinen bis hin zu Korsagen und Jeans.
Vald blieb stehen und suchte nach Hugh, er musste irgendwo an einem der Feuer sitzen. Zane tratt an seine Seite, sehr dicht.
„Vald, das gefällt mir nicht.“ sagte sie verunsichert und Sonny legte angespannt die Hände auf seine Colts. Erst da file ihm auf, das die Wölfe alle in ihre Richtung sahen, einige knurrten. Die 'Menschen' zogen Waffen oder waren schlichtweg aufgestanden und kamen langsam auf sie zu.
„Sie werden mich töten, die Sonne ist untergegangen.“ sagte Zane, wobei sie sich umsah. Hinter ihnen versperrten bereits einige Wölfe den Weg. Sie zogen den Kreis immer enger.
„Tja, das hättest du dir früher überlegen können.“ kommentierte Vald trocken und stemmte eine Hand in die Hüfte, die andere legte er auf sein Schwert um möglichst einen gelassenen Eindruck zu vermitteln, aber dennoch im Fall des Falles sein Schwert schnell parat zu haben.
„Dein verdammtes 'Tja' sagt mir das du dir wieder keine Gedanken gemacht hast!“ zischte sie wütend.
„Du stehst ganz schön neben dir Bruder.“
„An wen liegt das wohl?“ knurrte Vald, als er endlich Hugh erblickte. Er scheuchte die Wölfe fort und beschwichtigte sie.
„Die gehören zu mir, es ist in Ordnung.“ dröhnte er lachend und kam auf sie zu. In einer Hand hielt er eine Flasche, die er einem besonders angespannten Typen aus seinem Rudel in die Hand drückte. „Vald! Ich dachte du wolltest gehen?“
„Das dachte ich auch...“ murmelte er leise und Zane boxte ihn mit dem Ellenbogen, nur das sie dabei sein Schwert traf und leise aufstöhnte. „Hugh, das sind meine lästigen Begleiter, anscheinend wollen sie irgendwas mit dir bereden.“
Hughs Augen wanderte sofort zu dem Mädchen, „Das glaube ich gern.“ sagte er verheißungsvoll und Vald runzelte die Stirn. Wie sollte er das verstehen? Hugh verhielt sich äußerst merkwürdig.
„Guten Abend Hugh.“ begrüßte Zane den Hünen, der das Mädchen nicht aus den Augen ließ, hingegen Zane einen nahe stehenden Baum musterte. „Er hat mich letzte Nacht an gequatscht.“ fügte sie hinzu, als sie die fragenden Blicke der Brüder bemerkte.
Hugh hatte also mit ihr geredet? Vald warf diesem einen Blick zu. Er grinste breit, doch seine Augen waren kalt.
Hugh ist speziell, das waren seine eigenen Worte gewesen und es bestand kein Zweifel daran. Er durchschaute seinen Gegenüber mit dem ersten Blick. Als würde er ein Buch lesen, offenbarte sich ihm die Seele des anderen. Wenn er auch keine Gedanken lesen konnte, emphatisch wie kein zweiter war er dennoch. Und vielleicht sah er in Zane etwas, was ihm und Son bisher bisher entgangen war.
„Schön.“ sagte Vald und er spürte leichten Zorn auf wallen. Er hätte sie nie mit nehmen sollen. „Schön, es ist mir gleich was ihr zu bereden habt, ich gehe.“
„Ach bleib doch, lasst uns feiern!“ schlug Hugh vor und endlich ließ sein übermäßiges Interesse an Zane nach. Stattdessen drängte er sich zwischen ihr und Vald und legte seine Arme um die Beiden. „Es ist ein wundervoller Abend um zu trinken!“
Hugh war ein großartiger Gastgeber. Er ließ ein Schwein für seine Gäste grillen und ließ die besten und leckersten Sachen heran karren. Das Bier floß in Strömen und gegenüber Zane verhielt er sich wie ein Gentleman und goss ihr einen guten, roten Wein ein.
Zu Beginn waren alle drei verunsichert, was diese Feier bezwecken sollte. Doch Hugh beschwichtigte sie, das die Feier nur zu Ehren des erschlagenen Zerberus stattfinde und sie deshalb seine Ehrengäste seien. Und mit der Zeit entspannten sie sich.
Sonny musterte Zanes lachendes Gesicht. Sie sah endlich wieder glücklich aus. Das Grünzeug hatte sie aus ihren Haaren bis auf das letzte Blatt pflücken können und schon allein das, hellte ihre Stimmung ungemein auf. Neben ihr saß Vald, der auch seine Skepsis ausgeschaltet hatte und ein Bier nach dem anderen trank. Es war ungewöhnlich, das sogar Vald alle Vorsicht fahren ließ, aber Hugh hatte einen gewissen Charme, dem sich selbst gestandene Vampire wie sie es waren, nicht entziehen konnten. Sonny trank einen Schluck aus seinem Humpen und beobachtete Hugh, der gerade halb lachend davon erzählte wie er einen Wanderer veräppelt hatte, in dem er ihm berichtete, das es in der Gegend einen Wolf gäbe, der sich in einen Werwolf verwandelt, wenn er ihm nicht seinen wertvollsten Besitz opferte. Die Geschichte endete damit, das der Wanderer seinen Ehering hingab und frech zu ihm in Wolfsgestalt meinte, seine Frau habe den ihren schon einem anderen Wolf geschenkt, also solle er diesen Wolf doch lieb grüßen. Alle lachten am Ende der Geschichte und Zane wischte sich vor Lachen die Tränen weg. Sie war schon stark angetrunken, doch die anderen schenkten ihr immer nach, wenn das Glas wieder leer war. Irgendwann wurde die Stimmung ruhiger und es wurden dramatischere Geschichten ausgepackt.
Einer nach dem anderen erzählte entweder eine tragische oder eine düstere Geschichte, die ihm oder ihr, mal widerfahren war und das Rudel reagierte an den richtigen Stellen mit lauten Uuuhs und Aaahs, oder sie erschraken sich gekünstelt und stießen leise Flüche aus. Sonny hatte selten so einen Zusammenhalt gesehen wie in diesem Lager.
Als er sich mit Zane auf dem Weg gemacht hatte, waren seine Erwartungen von einigen Vorurteilen geprägt. Er rechnete mit Höhlen oder damit das die Wölfe einfach so auf dem nackten Waldboden schliefen und das sie sich permanent prügelten, um die Ränge im Rudel. Tatsächlich aber hatten sie sich richtige Hütten gebaut und jeder im Rudel kannte seinen Platz und keiner zweifelte diesen an. Der Respekt gegenüber Hugh oder einfach denen im Rudel besser gestellten, war zwar spürbar, doch es herrschte keine aggressive Stimmung. Eine junge Wölfin namens Sirra wurde von fast allen dort gefürchtet und als sie verkündete das sie zu müde sei um sich sinnlos zu besaufen, hielt sie niemand auf. Viel mehr wurde die Stimmung daraufhin ausgelassener.
„Und was ist mit dir, Lian.“ fragte Hugh und alle hielten gespannt die Luft an. Vald trank einen Schluck aus seinem Humpen und sah von einem Augenpaar zum anderen.
„Das interessiert euch, was?“ raunte er und alle Köpfe nickten begierig. Sie sahen aus, als wären sie eine Gruppe Kinder, denen ein spannendes Märchen versprochen wurde.
Sonny wusste das Vald gut war im Geschichten erzählen, denn er hatte auch eine Zeit lang ihm immer Geschichten erzählt.
„Nun welcher Art soll die Geschichte sein.“ murmelte er und blickte betont grüblerisch in den Himmel.
„Was lustiges!“ „Was trauriges!“ tönte es von den gierigen Wölfen, die wahrscheinlich genauso unsicher im Umgang mit Vampiren waren wie Sonny mit Wölfen. Er musste unwillkürlich lächeln, dieselbe Unsicherheit auf beiden Seiten und somit waren sie völlig gleich gestellt.
„Rose!“
Das war der Augenblick in dem die Stimmung endgültig kippte und es schien als würde mit einem Mal die Zeit still stehen, doch nicht für alle, nur für sie drei.
Zane sah Vald ernst an und wiederholte ihre Worte: „Erzähl ihnen doch von Rose. Diese Geschichte kannst du besonders gut erzählen.“
Sie wusste davon? Sonny hörte das zum ersten Mal und anscheinend war ihre Offenheit auch für Vald ein Ticken zu viel, denn er warf einen nervösen Blick zu Sonny rüber, als hätte er sich dem naiven Glauben ergeben, sein Bruder könnte das nicht gehört haben.
„Diese Geschichte ist nämlich der Grund warum ich hier bin. Und ich bereue es nicht.“ lallte Zane und lächelte.
Doch ihm war das zu viel, denn jetzt wurde ihm einiges klar. Die unausgesprochenen Dinge zwischen ihm und Zane erklärten sich durch diesen einen Namen, der an einem lustigen Abend fiel: Rose.
Sonny stand auf. Für welche Geschichte sich Vald auch entschied, es war ihm gleich. Denn seine Stimme zu hören oder die von Zane das war ihm im Moment zu viel.
Einige der Wölfe riefen ihm überrascht nach doch er winkte nur und stapfte in den Wald. Weg von den Feuern und Geschichten, weg von zwei Gefährten die schon vor dem Beginn der Reise ein Geheimnis vor ihm hatten
Er entfernte sich ein ganzes Stück vom Lager bis die Stimmen allmählich dumpfer wurden und die Geräusche des Waldes deutlicher. Sonny wunderte sich über den dichten Wald. In nur fünfzig Jahren hatten sich die Wälder Deutschlands erholt wie es schien. Von den Äckern blieben nur die Spuren in den jungen Wäldern übrig, wilder Weizen und Gerste.
Der gesamte Wald war von Leben erfüllt. Er hörte Äste knacken und geheimnisvolles Rascheln. Doch dann hörte er ein Gespräch unmittelbar vor sich.
„... was auch immer er sagt, es kommt darauf an, was du willst. Hatil! Eigentlich sollte es mir egal sein und weißt du, es ist mir egal!“
Sonny schlich sich lautlos näher und erblickte Sirras Rücken. Sie hatte die Arme verschränkt und das Mondlicht das dünn durch die Baumwipfel drang, erhellte ihre roten Haare.
„Es ist dir nicht egal.“ antwortete eine verträumte Stimme. Sonny schlich noch ein Stück näher, als er ein widerliches Geräusch hörte. Es klang wie brechende Knochen gepaart mit einem fürchterlichen Glucksen. Als Sonny endlich was erkennen konnte, war es auch schon vorbei. Neben Sirra saß ein Wolf. Kein gewöhnlicher. Er war sehr groß, bald so groß wie eine Dogge.
„Rede dir nichts ins Fell, Hatil. Was interessiert mich schon eure Geschichte? Skal ist ein Loser und du bist ein Sonderling.“ Sirra seufzte und setzte sich auf den Boden. Der große Wolf schnüffelte friedlich an ihr. Der Wolf hatte sehr langes weißes Fell und um den Hals herum bäumte sich das Fell wie eine Mähne auf. Plötzlich sah der Wolf in den Wald und Sonny hatte das Gefühl, das er bemerkt wurde, doch der Wolf verschwand im nächsten Moment und Sirra blieb allein zurück.
Sonny brach aus dem Gebüsch und Sirra sprang erschrocken auf. Sie erkannte ihn und schnaubte verächtlich.
„Hast dich verlaufen, Blutsauger?“
„Nein.“ antwortete Sonny lächelnd und kam auf sie zu. Es war eine sehr kleine Lichtung doch man konnte den Mond und die Sterne sehen. Der Boden war weich, durch ein ganzes Beet an Moos. „Ich wollte nur mal den Kopf frei bekommen.“
„Und die Feier? Gefiel sie dir etwa nicht?“ fragte Sirra schnippisch, setzte sich aber wieder auf den Boden. Sonny tat es ihr gleich.
„Tolle Party, aber zuviel Bier.“
„Hugh ist sehr um euch bemüht.“
Das war er wirklich. Sonny dachte darüber nach, wie Hugh sie auf der Straße weit vor dem Ort abgefangen hatte und wie gastfreundlich er sich im Lager gezeigt hatte. Ihm kam auch in den Sinn, dass Vald der Meinung gewesen war, das die Wölfe nicht begeistert von ihnen sein werden, weil sie üblicherweise ihresgleichen in ihre Schranken wiesen.
„Ihr habt ein Problem.“ stellte der Cowboy fest und griff in die Innenseite seines Mantels.
„Das hat aber gedauert.“ murmelte Sirra nachdenklich, „Zerberus war schrecklich, aber er hat andere von uns fern gehalten.“
Sonny zückte Tabak und Paper, samt Filter und begann sich in Ruhe eine Zigarette zu drehen. Sirra redete währenddessen weiter. Es schien als würde sie sich ihre Sorgen einfach von der Seele reden.
„Hugh war wütend als er mit Zerberus Kopf kam. Er beteuerte das er ihn nicht erschlagen habe sondern ein Vampir habe das getan. Doch die anderen waren überglücklich. Diese Narren wussten auch nicht was Hugh und ich wussten. Jetzt hatten wir unseren mächtigsten Schutz verloren und waren ausgeliefert, wie ein Reh auf dem Feld.“
„Hugh will also das Vald sich verantwortet?“ fragte Sonny und ließ die gedrehte Zigarette auf sein Knie, zwischen seinen Fingern, immer wieder herabfallen, damit der Tabak sich festigte.
„Ich denke schon, aber er sagt es ihm nicht. Vermutlich will er ihn jetzt in einen Gewissenskonflikt bringen. Er richtet eine Feier für ihn aus und jammert dann von unserer Pein und schon wird sich dein Vald verantwortlich fühlen, sich darum zu kümmern. So primitiv habe Hugh noch nie erlebt, aber er ist wirklich verzweifelt...“