Romane & Erzählungen
Auch das Meer kann keine Beziehung retten

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"Auch das Meer kann keine Beziehung retten"
Veröffentlicht am 22. Juli 2008, 10 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Es fällt mir nicht leicht, etwas über mich zu schreiben. Also ganz kurz: 52 Jahre alt,glücklich geschieden, Mutter von drei Superkindern, Psychologisch-technische Assistentin - fühle mich viel jünger als ich bin. Noch Fragen, dann fragt ruhig, ich stehe jederzeit Rede und Antwort.
Auch das Meer kann keine Beziehung retten

Auch das Meer kann keine Beziehung retten

Wütend hatte sie die Haustür hinter sich zugeworfen und war losgelaufen, ziellos, einfach nur weg von ihm, weg von diesen ständigen Streitereien. Sie hatte kein Ziel vor Augen. Dumpf hörte sie noch seine Stimme in ihren Ohren: „Du bist wirklich zu blöd. Ich weiß nicht, weshalb ich ausgerechnet dich geheiratet habe. Meine Mutter hat das auch immer gesagt. Junge, hatte sie gesagt, du hättest jede haben können, aber wen musstest du nehmen? Dieses dumme arme Blondchen. Die hat doch nicht einmal ein Haus. Willst du die etwa für den Rest deines Lebens aushalten?“ Sie hatte gedacht, dass ihre Liebe stärker sein würde als alle Unkenrufe, stärker als all ihre Widersacher, die es auch auf ihrer Seite gegeben hatte. „Sei vorsichtig“, hatten ihre Freunde sie gewarnt: „Er ist ein Muttersöhnchen und wird das auch immer bleiben. Er wird dir wehtun. Er ist einfach nicht gut für dich.“ Was wussten die denn schon? Sie liebte ihn. Zumindest hatte sie ihn damals geliebt. Aber mit der Zeit war ihre Liebe weniger geworden, das hatte sie gespürt. Sie wollte aber nicht aufgeben, sie wollte um ihre Liebe und um ihre Ehe kämpfen und nicht einfach in den Sack hauen, wie es ihrer Meinung nach viel zu viele leichtfertig taten. Allerdings machte er es ihr wirklich nicht leicht. In der letzten Zeit hatte er sich mehr und mehr zum Choleriker entwickelt. Es verging kein Tag, an dem er nichts zu meckern hatte. Wenn sie wieder einmal bemüht war, ihm alles recht zu machen, die frischesten Brötchen für das Frühstück zu besorgen, den Kaffee genau so stark zu kochen, wie er ihn gerne mochte, darauf achtete, dass das Frühstücksei seinem Geschmack entsprach, dann suchte er nach Gründen, um sie niederzumachen und diese Gründe fand er immer. Notfalls musste eben das Wetter herhalten.

Wir müssen hier raus, hatte sie gedacht. Wenn wir gemeinsam in Urlaub fahren, einen Tapetenwechsel bekommen, endlich einmal ohne seine Mutter, die immer präsent war, dann würden sie bestimmt wieder zueinander finden. Also schlug sie vor, für ein paar Tage an die Nordsee zu fahren. Vor Jahren hatte sie eine Frau kennen gelernt, die ihnen günstig ein kleines Ferienhaus nicht weit vom Strand zur Verfügung stellen wollte, spottbillig. „Spottbillig“, höhnte er: „Hast du vielleicht im Lotto gewonnen? Und die Fahrt dahin? Hast du dir mal die Spritpreise angesehen? Mutter hat doch Recht, du bist viel zu verschwenderisch.“ „Ich habe etwas gespart“, hatte sie leise erwidert. „Gespart.“ Polterte er lauthals: „Gebe ich dir vielleicht doch zuviel Haushaltsgeld, dass du davon auch noch sparen kannst?“ Den Floh hatte ihm bestimmt auch wieder seine Mutter ins Ohr gesetzt. Aber diesmal wollte sie keinen Rückzieher machen. Es war die letzte Chance für ihre Beziehung, das merkte sie genau. Sie war also an diesem Abend ganz besonders lieb zu ihm und er ließ sich tatsächlich erweichen. Hoch erfreut hatte sie sofort ihre Bekannte angerufen und bei ihr ein verlängertes Wochenende gebucht, damit er nicht am nächsten Tag wieder einen Rückzieher machen konnte.

Der erste Abend verlief dann auch relativ harmonisch. Sie waren beide von der langen Fahrt viel zu erschöpft, um sich zu streiten. Er mäkelte zwar als erstes über den Fernseher: „Nicht mal ein Flachbildschirm und viel zu wenig Programme.“ Aber über das Ferienhaus konnte er nicht klagen. Es lag direkt am Deich, war reetgedeckt und gemütlich eingerichtet. Vor dem Haus befand sich ein Bauerngarten mit vielen leuchtend bunten Blumen. Das Grundstück war durch einen Jägerzaun eingezäunt. Ständig pfiff ein leichter Wind um die Mauern. Bei ihrer Ankunft am Abend hatte sich der Deich wie ein schattiger Berg zum Meer hin abgegrenzt. Sie waren zu müde, um noch am Abend einen Spaziergang am Meer zu machen. Er hatte es sich vor dem Fernseher gemütlich gemacht, während sie die Koffer ins Haus schleppte und auspackte, die Betten richtete und ein leichtes Abendessen zubereitete. Während des Abwaschs hörte sie ihn im Wohnzimmer lachen: „Das musst du sehen, komm doch mal.“ Um ihn nicht zu entzürnen, war sie zu ihm gegangen, hatte mit ihm gelacht, obwohl ihr dazu gar nicht zumute war, hatte ihm die Hände auf die Schultern gelegt und liebevoll seinen Hals gestreichelt. Sie wollte sich gerade zu ihm hinunterbeugen, um ihm einen Kuss zu geben, als er sich kurz zu ihr umdrehte mit den Worten: „Küche schon fertig?“ Schnell zog sie ihre Hände zurück, ging in die Küche und erledigte die restliche Arbeit. Danach warf sie nur einen kurzen Blick ins Wohnzimmer und meinte müde: „Ich gehe schlafen.“ Er starrte auf den Bildschirm und gab nur ein leises: „Hmm“ von sich. Dieser Scheißfernseher, dachte sie, der war auch Schuld an ihrer Misere. Manchmal stellte sie sich vor, wie sie mit gepackten Koffern neben seinem Fernsehsessel stehen würde und ihm sagen würde: „Ich verlasse dich.“ Auch dann würde sie wahrscheinlich nur dieses berühmte „Hmm“ hören. Kurz bevor sie einschlief, hörte sie ihn wieder im Wohnzimmer lachen.

Dann, am nächsten Morgen war alles beim Alten. Der von ihr so schön geplante Kurzurlaub war im Eimer, bevor er überhaupt richtig angefangen hatte.  Sie war schon früh aufgestanden, um liebevoll das Frühstück zu bereiten. Sogar ein paar Blumen aus dem Bauerngarten hatte sie auf den Tisch gestellt. Schlaftrunken, unrasiert und im Schlafanzug hatte er sich an den Tisch gesetzt. Schnell goss sie ihm Kaffee ein. Er mäkelte als Erstes über die fehlende Tageszeitung. Dann sah er aus dem Fenster, runzelte die Stirn und brummte: „Sieh dir das mal an, was siehst du? Nichts siehst du, weit und breit nur Wiesen und Felder. Hier sieht man ja morgens, wer nachmittags zu Besuch kommt. Das ist doch mal wieder typisch. So ein Urlaubsziel kannst auch nur du aussuchen. Du bist doch wirklich…“

Sie war den Tränen nahe gewesen, ließ ihre Tasse fallen und rannte aus dem Haus. Sie musste weg hier, nur weg, weg von ihm. Keuchend war sie den Deich hinaufgestiegen und erlebte gleich die nächste Enttäuschung. Kein Meer. Weit und breit war kein Wasser zu sehen, nur dunkler Schlamm, der sich in Wellenlinien endlos hinzuziehen schien. Sie war vorher noch nie an der Nordsee gewesen und hatte vom Watt überhaupt keine Ahnung. Irgendwo, dache sie, wird ja Wasser sein, ich mache mich einfach auf den Weg. Sie stolperte den grasbedeckten Deich hinunter, kletterte über einen Steinwall, zog ihre Schuhe aus und warf sie ins Gras, bevor sie diese endlose braune Wüste betrat. Das Watt war gar nicht so glitschig, wie sie es sich vorgestellt hatte. Fest war der Boden und angenehm an den Füßen. Es war warm. Nur der leichte Nebel störte ein wenig. Zum Horizont hin nahm der Nebel sogar noch zu. Dort musste also Wasser sein. Entschlossen machte sie sich auf den Weg. Ab und zu zogen sich kleine Bäche durch das Watt. Sie sah nur nach vorne. Ihr einziges Ziel war im Moment, ans Wasser zu kommen und mochte es auch noch so weit sein. Ohne sich umzusehen marschierte sie wacker drauflos. Sie hatte jegliches Gefühl für Zeit und Ort verloren. Mit jedem Schritt fühlte sie sich befreiter. Mit jedem Schritt wurde sie selbstsicherer. Mit jedem Schritt wurde ihr klarer, dass diese Ehe keine Zukunft mehr hatte und es war ihr auch egal. Sollte er doch sehen, wie er ohne sie zurechtkam. Sie würde jetzt neue Ziele für sich suchen. Das erste Ziel war es, das ersehnte Wasser zu erreichen. Wenn sie das schaffen würde, sagte sie sich, wäre sie auch in der Lage, sich von ihm zu trennen. Dann würde sie nur noch einmal in dieses Häuschen gehen, um ihre Sachen zu holen. Sie würde es auch ohne ihn schaffen, wenn sie es jetzt schaffen würde, das Wasser zu erreichen.

Sie wusste nicht, wie lange und wie weit sie gelaufen war. Sie drehte sich um und erschrak. Vor sich konnte sie zwar schon das Wasser der Nordsee sehen, aber hinter sich bildete der Strand einen schmalen Saum. Der mehrere Meter hohe Deich schien mit der Küste zu verschwimmen. Leise drangen helle Stimmen anderer Urlauber an ihr Ohr. Ganz kleine Gestalten tummelten sich jetzt auf dem Gras des Deiches. Wie weit mochte der Strand entfernt sein? Sie wusste es nicht. Sprudelnd lief neben ihr ein Priel voll Wasser. Das Wasser kam langsam immer näher. Nun hatte sie ein neues Ziel vor Augen. Sie musste jetzt schneller sein, als die Flut. Sie musste vor dem Wasser die Küste erreichen. Sie hatte zwar von Ebbe und Flut gehört, hatte aber keine Ahnung, in welcher Gefahr sie sich jetzt befand. Würde sie es schaffen? Würde sie den Kampf gegen das Meer und gegen alle Widersacher in ihrem Leben gewinnen?

 

Was meint ihr, soll ich weiterschreiben?

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Chrissy55
Es fällt mir nicht leicht, etwas über mich zu schreiben. Also ganz kurz: 52 Jahre alt,glücklich geschieden, Mutter von drei Superkindern, Psychologisch-technische Assistentin - fühle mich viel jünger als ich bin. Noch Fragen, dann fragt ruhig, ich stehe jederzeit Rede und Antwort.

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PaulG Ja ... - unbedingt weiterschreiben - ist so lebensnah, sehr gut geschrieben!

*****
LG, Paul
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MaFo auf jeden Fall - schreib bitte weiter,man möchte doch wissen ob sie es schaft wieder ans Ufer zu gelangen und ob sie sich auch von ihrem Mann trennen kann vieleicht wird ja auch alles wieder gut und sie finden wieder zusammen. Bitte schreib weiter.
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