Romane & Erzählungen
Naschkatze

Der Kater und der Junge

Paulchen, der dicke Kater, lag auf dem Sofa, ausnahmsweise einmal nicht schläfrig. Er war ein mächtiges Tier, war schwarz mit einer weißen Socke und glich in allem außer dem Aussehen Garfield.
Er starrte auf den kleinen Tisch, der in der Mitte der Sitzgruppe stand. Auf ihm lagen verschiedene Süßigkeiten, die die Menschen an Ostern so kaufen und essen. Schokoladeneier, mit oder ohne Füllung, Marzipaneier, Ostermotive aus Weingummi und - in der Mitte des Tisches - ein riesiger Osterhase, der weit in den Raum hineinragte. 
Paulchen war verfressen.
Paulchen war dickköpfig. Egal was passierte, er setzte seinen Willen stets durch. 
Und Paulchen wollte den Osterhasen haben.
Aber noch war der Vater im Zimmer. Also tat der Kater betont desinteressiert und machte ab und zu die Augen zu, dann wieder auf. Irgendwann verschwand der Vater. Paulchen wartete, bis er wirklich weg war, dann stand er auf, machte einen Katzenbuckel, gähnte herzhaft, dann sprang er vom Sofa. Sich das Mäulchen leckend, stand er vor dem Tisch. Seine Augen wurden groß und immer größer - der Osterhase. Da stand er, in all seiner Pracht.
Paulchen setzte zum Sprung an und - landete zielsicher auf dem Tisch. Er wusste sanft aufzukommen, damit nichts kaputtging.
Jetzt stand er dem Hasen direkt gegenüber.
Ein schneller Biss - und dem Hasen fehlte ein Ohr. Paulchen kaute, schmeckte - er schmeckte nichts, fühlte nur, dass er etwas im Maul hatte. Er schluckte es einfach und biss wieder zu. Doch, es hatte einen gewissen Reiz, das zu tun.
Bald war der Hase löffellos und Paulchen satt. Mehr wollte er nicht.
Sich zufrieden leckend placierte er sich wieder auf dem Sofa und machte ein Nickerchen.

"Paulchen! Du ungezogener Kater!" Schimpfend stand die Frau vor Paulchen. Der öffnete widerwillig die Augen und sah sie böse an, als wollte er sagen: Du hast mich geweckt!
"Raus mit dir! Los! Geh weg!"
Paulchen erhob sich und sprang herunter. Wenn sie es so gern wollte, er konnte auch draußen schlafen. Ihm war das egal. So witschte er zur Terassentür hinaus, die einen Spalt offen stand.
Inzwischen entdeckte die Frau den angeknabberten Hasen und erschrak. "Das war sicher Tommy", dachte sie. Wütend rauschte sie ins Nebenzimmer, wo Tommy friedlich saß und einen Comic las.
"Tommy, das gibt Ärger", begann sie. "Geh raus und schneide die Hecke als Strafe!"
Tommy machte sich kleinlaut aus dem Staub zur Hecke. Dort sah er Paulchen, der ihm sein Unglück zu klagen schien. Tommy verstand plötzlich und lachte, während er den Kater auf den Arm nahm. Sein orangener Schopf wippte dabei.
"Mutter hat uns verwechselt", sagte er. "Du hast den Hasen angeknabbert und ich habe die Koteletts heimlich verputzt!"