Romane & Erzählungen
Ich bin nicht Schuld 2

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"Ich bin nicht Schuld 2"
Veröffentlicht am 21. Juni 2008, 6 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Es fällt mir nicht leicht, etwas über mich zu schreiben. Also ganz kurz: 52 Jahre alt,glücklich geschieden, Mutter von drei Superkindern, Psychologisch-technische Assistentin - fühle mich viel jünger als ich bin. Noch Fragen, dann fragt ruhig, ich stehe jederzeit Rede und Antwort.
Ich bin nicht Schuld 2

Ich bin nicht Schuld 2

So vergingen einige Monate. Hannelore und Peter waren immer noch ein Paar, aber eine eigene Praxis, wie er es versprochen hatte, hatte er immer noch nicht. Hannelore wusste eigentlich auch gar nicht, was er machte, wenn er nicht bei ihr war. Er erzählte ihr, wenn er bei ihr war, dass er sehr viel zu tun hätte. „Ärzte müssen viel lernen, weißt du“, sagte er und sie glaubte ihm. Er war ja so klug. Sehr oft konnten sie sich aber leider nicht sehen, denn Hannelore war jetzt in einem Jugendaufbauwerk. Da sind viele junge Menschen, die noch keinen Beruf lernen. Die meisten hatten auch noch keinen Hauptschulabschluss. Dafür lernten sie aber viele andere wichtige Dinge. Man konnte sich dort verschiedene Berufe ansehen und ausprobieren, was einem Spaß machte. Es gab eine Tischlerei, ein Gewächshaus, in dem Gemüse angepflanzt wurde, eine Schneiderei, eine Wäscherei und natürlich auch eine Küche. Hannelore arbeitete zuerst in der Wäscherei. Eigentlich war es verboten, Zeug zu waschen, das den Jugendlichen gehörte, aber Hannelore dachte sich, dass es niemand merken würde, wenn sie ihren roten Pulli einfach mit in die Waschmaschine tun würde. Sie liebte diesen Pulli und der sollte doch am nächsten Tag unbedingt sauber sein, denn dann würde sie Peter wieder sehen. Also stopfte sie ihn einfach mit in die Waschmaschine mit der ganzen weißen Bettwäsche als gerade niemand hinguckte. Später, wie viel später wusste Hannelore nicht, kam die Leiterin der Wäscherei wütend auf Hannelore zu: „Mädchen, was hast du jetzt schon wieder angestellt?“ rief sie und holte einen kleinen roten Fetzen aus der Maschine. Hannelore sah zu Boden: „Weiß nicht“, sagte sie und fing an zu weinen. Der rote Fetzen hatte Ähnlichkeit mit ihrem Lieblingspulli, aber er war viel kleiner. Was war nur passiert? Sie konnte es sich nicht erklären. Als nächstes zog die Hausangestellte rosa verfärbte Bettwäsche aus der Maschine, ein Teil nach dem anderen und sah Hannelore strafend an: „Du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen“, sagte sie. Da war er wieder, der berühmte Satz. Nichts konnte sie gut machen. Dabei hatte sie es doch gar nicht böse gemeint. Hannelore riss den roten Fetzen an sich und rannte aus der Wäscherei. Sie lief in den Garten, setzte sich unter einen Baum, vergrub ihr Gesicht in den roten Fetzen, der einmal ihr Lieblingspulli gewesen war und weinte bitterlich.

Sie wusste nicht, wie lange sie da gesessen hatte. Bestimmt hatten alle anderen schon gegessen, aber das war ihr jetzt egal. Sie würde nie wieder etwas essen. Keiner verstand sie, keiner mochte sie, immer machte sie alles falsch. Peter, dachte sie, warum bist du jetzt nicht bei mir? Wenn Peter nicht wäre, würde sie nicht mehr leben wollen. Aber Peter hielt zu ihr. Was sie auch tat, er konnte sie verstehen. Er liebte sie einfach so, wie sie war und morgen würde sie ihn wieder sehen. Dann würden sie wieder schmusen. Sie liebte dieses Schmusen. Niemandem hatte sie erzählt, dass Peter und sie das taten. Sonst würde bestimmt wieder irgendjemand sagen: „Das darfst du aber nicht.“ Also behielt Hannelore es für sich. Peter und sie, das war eine andere, eine gute Welt, das war Sonnenschein auch wenn es regnete. Das war immer noch wie auf einer Wiese liegen, in die Wolken sehen und träumen. Wenn sie mit Peter zusammen war, passierten ihr auch all diese Dinge nicht, die andere in den Wahnsinn trieben. Wenn sie mit ihm zusammen war, dann waren die Welt und das Leben schön, aber nur dann. Hannelore stand auf und schlich in ihr Zimmer. Sie legte sich auf das Bett, zog die Bettdecke über ihren Kopf als sei sie gar nicht da und schlief ein.

Am liebsten wäre es ihr gewesen, wenn sie nicht länger im Jugendaufbauwerk hätte bleiben müssen, aber das musste sie. Als nächstes wurde sie in die Küche versetzt. Aber auch hier ging alles schief: Sie ließ die Kartoffeln anbrennen, weil sie gerade am Fenster stand und von Peter träumte. Wütend dachte sie: Ich war ja nicht allein in der Küche, die anderen hätten auch aufpassen können. Dass es ihre Aufgabe war, hatte sie nicht verstanden.

Auch hier, im Jugendaufbauwerk, fand Hannelore keine richtigen Freunde. Alle waren viel klüger als sie.  Am Anfang wurde sie noch gefragt: „Welche Musik hörst du gerne?“ „Weiß nicht“, sagte Hannelore. „Wie findest du den Schauspieler?“ „Wer ist das? Weiß nicht.“ „Willst du mit ins Kino, da läuft gerade….“ „Weiß nicht.“ Hannelore wusste so vieles nicht. Nach und nach sonderten sich die anderen von ihr ab. Sie merkte, dass sie tuschelten, wenn sie einen Raum betrat. Sie spürte, dass sie über sie lachten. Das tat weh, aber sie war es ihr Leben lang gewohnt, dass andere Menschen ihr weh taten oder sie nicht verstanden, also machte es ihr nicht mehr soviel aus. Sie versuchte immer noch, das, was ihr aufgetragen wurde, so gut wie möglich zu machen, aber es gelang ihr einfach nicht. Eigentlich lebte sie nur für die Zeit, in der sie Peter, ihren Peter sehen konnte. Mittlerweile waren ihr alle anderen völlig egal, sogar ihre Eltern. Nie fragten sie, wie es ihr ginge. Wahrscheinlich waren sie sogar froh, dass sie nun nicht mehr Zuhause war. Wenn ich erst mit Peter verheiratet bin, wenn er seine eigene Praxis hat, dann werde ich es euch zeigen, dachte sie oft, dann werdet ihr uns alle beneiden.

 

Fortsetzung folgt

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Über den Autor

Chrissy55
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