Romane & Erzählungen
Die paradiesische Hölle - Teil 2

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"Scheinbar im Paradies gestrandet beginnt der nackte Kampf ums Überleben"
Veröffentlicht am 30. April 2013, 78 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
© Umschlag Bildmaterial: Andreas Hermsdorf pixelio.de
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Über den Autor:

Ich schreibe hauptsächlich um zu unterhalten. Dabei möchte ich Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts und egal welcher Herkunft unterhalten. Meine Ambitionen liegen bei den spannenden und aufregenden Romanen. Jedoch experimentiere ich hin und wieder auch mal an anderen Genres herum. Mehr über mich: www.porterthomson.de.tl sowie bei Facebook: "Porter Thomson, Autor aus Cuxhaven" und bei Google+ unter der web-Adresse: ...
Scheinbar im Paradies gestrandet beginnt der nackte Kampf ums Überleben

Die paradiesische Hölle - Teil 2

Allein

Ganz langsam, als würde er aus einem tiefen Traum erwachen, kehrten seine Sinne und Gefühle wieder. Als erstes waren da diese schrecklichen Schmerzen, die sich scheinbar gleichmäßig über seinen ganzen Körper verteilten. Da waren drückende Schmerzen, wie als hätte man sich böse am Kopf gestoßen, nur eben überall am Körper. Doch zugleich war da auch überall ein brennender Schmerz, ähnlich dem Schmerz, wenn man sich Jodlösung auf eine offene Wunde träufelt, aber viel intensiver. Das ganze Ensemble von Schmerzen wurde schließlich noch von

einem extremen Muskelkater in all seinen Gliedmaßen begleitet.

Nach den Schmerzen kam da dieses Knirschen zwischen den Zähnen und ein salziger Geschmack in seinem ausgetrockneten Mund, was denn auch gleich die Empfindung von unsagbarem Durst in ihm erweckte.

Ganz allmählich begann sein Gehirn wieder zu arbeiten, wohl noch nicht ganz reibungslos. Das erste was Christian dachte war: Ich fühle also lebe ich. Schwach öffneten sich seine Augenlider. Doch ging das irgendwie schwer, als hätte sie jemand zugeklebt. Nur mit energischem Nachdruck war er in der Lage seine Augenlider förmlich

auseinander zu reißen. Zwischen von irgendetwas verklebten Wimpern konnte er hellen, krümeligen Sand erkennen. Mit seinem Sehvermögen kehrte schließlich auch sein Gehör zurück, welches erfüllt wurde von einem gleichmäßigen Rauschen, wie ..., ja wie eigentlich? Christian versuchte erste klare Gedanken zu fassen. Was war das für ein Rauschen? Salziger Geschmack, Sand, Rauschen. Ach ja! Ich liege bestimmt am Strand von Sydney. Aber warum nur habe ich diese schrecklichen Schmerzen? Das kann nicht Sydney sein!

 Christian versuchte etwas den Kopf zu heben. Laut stöhnend vor Schmerz,

musste er dieses Vorhaben verschieben. Fangen wir klein an!, dachte er sich und bewegte zunächst die Finger seiner rechten Hand. Hey! Das funktioniert ohne Schmerzen! Sogleich versuchte Christian den Arm zu bewegen, was auch gut klappte, bis auf dass sich dieser extreme Muskelkater wütend meldete. Aufstöhnend brachte er seinen Arm nach vorne und ließ ihn über seinem Kopf sinken. Seine Finger spürten eine großflächige Verkrustung auf seinem Schädel. Im nächsten Moment brannte es an dieser Stelle schmerzhaft. Allem Anschein nach hat Christian da eine Wunde am Kopf, die von Sand und Blut verklebt war.

Mühsam setzte der junge Mann den anderen Arm nach vorn und atmete einige male tief durch.

Unter Aufbringung all seiner Kräfte und mit zusammen gebissenen Zähnen richtete er unter Schmerzen seinen geschundenen Oberkörper etwas auf.

"Das darf doch wohl nicht wahr sein!", fluchte er mit von Schmerz verzehrter Stimme. "Was ist bloß passiert, verdammt?!"

Jetzt konnte er auch ein wenig den Kopf heben und blickte gerade aus. Wasser! Zunächst sah er nur Wasser, Wellen schlagendes Wasser, welches in etwa drei Metern Entfernung vor ihm an den Strand, auf dem er lag, brandete.

Schmerzhaft hob er seinen Kopf ein Stück weiter. Da war Land hinter dem Wasser zu erkennen, gar nicht mal weit weg, vielleicht fünfzig Meter! Hinter dem Wasser erstreckte sich weiter weißer Strand, der in einen Wald aus Palmen auslief. Hinter den Palmen irgendwo weit dahinter stieg ein spitzer felsiger Berg scheinbar in den Himmel.

"Wo bin ich hier?"

Mühselig richtete sich Christian auf und drehte sich ein wenig, so dass er schließlich saß und in die andere Richtung schaute. Da ragte ein kleiner, spitzer, schwarzer Felsen bestimmt fünf Meter in die Höhe, an dessen Fuße wohl Christian die ganze Zeit gelegen haben

musste. Dieser kleine spitze schwarze Felsen scheint mitten im Wasser zu stehen. Moment! Schwarzer Fels! Da war doch was!, schoss es Christian durch den Kopf. Endlich kehrten langsam seine Erinnerungen zurück. Genau dieser schwarze nass glänzende Felsen war das letzte was ich gesehen habe, bevor ich da mit ...

"Die Kinder!!! Oh mein Gott die Kinder!!!"

Plötzlich waren seine Schmerzen vergessen. Christian kniete sich in den Sand und schaute sich verzweifelt suchend um.

"JENNY!!! LUKAS!!!", schrie Christian panisch. Seine Stimme überschlug sich

klirrend. Er lauschte einen Moment. Doch es war nichts als das Rauschen des Meeres zu hören. Entschlossen krabbelte er auf allen Vieren zum Wasser. Wenn die Kinder noch da waren, dann mussten sie da drüben bei den Palmen sein! Gut möglich, dass er sie bei dem Aufprall auf diese Klippe verloren hat und sie hoffentlich nach drüben gespült wurden. Manchmal hocken sie irgendwo zwischen den ganzen Palmen und haben schreckliche Angst, so allein wie sie sind!

Christoph stürzte sich krabbelnd ins Wasser und stellte fest, dass das Wasser nicht sonderlich tief war. Im Rahmen seiner Möglichkeiten beschleunigte er

ein wenig sein Tempo. Zudem vitalisierte ihn auch das kühlende Wasser an seinem Körper ein wenig, was ihn dazu veranlasste den Versuch zu wagen sich auf seine Beine zu stellen. Doch da waren wieder diese Schmerzen. Ein schrecklicher stechender Schmerz durchfuhr sein rechtes Bein. Ein festes Auftreten schien unmöglich. Aber ein beschwerliches Humpeln war noch immer schneller als ein Krabbeln. Schon bald hatte Christian das andere Ufer erreicht und schrie erneut so laut er konnte nach den Kindern doch war noch immer nichts zu hören. Keine Antwort, kein Weinen oder andere Geräusche, die

auf die Kinder schließen lassen würden. Wie gerne hätte Christian in diesem Moment die Kinder weinen gehört! Dann wüsste er, dass sie am Leben sind!

Er humpelte zum Waldrand, da wo die Palmen den Strand berührten und rief erneut. Doch nichts!

"Oh Gott verdammt!!" Christian fing an zu heulen "Oh du verdammter Gott! Warum hast du nicht mich sterben lassen!!?", schrie er wütend und sich zugleich seiner Hilflosigkeit bewusst. "Du gottverdammter Hurensohn!!! Warum mussten die Kinder sterben!!? WARUM!!!" schrie er zum Schluss verzweifelt und kniete sich, die Hände vors Gesicht haltend, in den Sand. Tief

erschüttert schluchzte er und sackte überwältigt zusammen. Warum nur? Er rettet sich mit den beiden Kindern aus der sinkenden "Trinity", kämpft sich mit ihnen die ganze Nacht durch diesen Sturm, und dann? Soll all das Schreckliche der letzten Nacht doch umsonst gewesen sein? Sollte am Ende doch das Monster gesiegt haben?

Alle Hoffnung verloren, lag Christian einfach nur da und heulte in den Sand. Es gab einfach keinen Grund mehr seine Emotionen zurück zu halten. In diesem Moment hatte er sich aufgegeben und wartete einfach nur auf sein Ende. Im Moment war einfach alles nur noch schrecklich. Er ganz allein, irgendwo,

die Kinder tot, alle tot! Was sollte das alles noch? Es war doch so oder so alles nur noch egal! Um ihn herum rauschten die Palmen und das Meer, am blauen Himmel schien die Sonne.

Versunken in tiefer Lethargie, Hoffnungslosigkeit und Trauer, gepaart mit einer gehörigen Portion Wut, merkte Christian nicht, wie sich leise Schritte im Sand auf ihn zu bewegten. 

Ein Keim der Hoffnung

"Haaa!!" Erschrocken fuhr Christian herum, als sich eine warme weiche Hand auf seine Schulter legte. Er schaute in das ebenmäßig lächelnde Gesicht von ... Das gibt´s doch nicht! "Maria!?"

"Na du? Kannst du aufstehen?", fragte ihn die Maatin der "Trinity" mit ihrer zuckersüßen Stimme, die in dieser Situation so was von unwirklich helle klang. Oder war das gar nicht Maria sondern nur Christians guter Engel, der ihm bei seinem Übergang ins Jenseits helfen sollte?

"Ich glaube schon!" Christian versuchte sich mühsam aufzurichten und ächzte

dabei.

"Ach komm, ich helfe Dir!" Maria hakte ihm unter dem Arm und half Christian auf. "Lass uns zu den anderen gehen! Die werden..."

"Die anderen??", wurde sie von Christian erstaunt unterbrochen. Er schaute Maria Freude strahlend an. Überwältigt von diesem plötzlichen Glücksgefühl kamen ihm die Tränen. Aber diesmal waren es Tränen der Freude. Sollten wirklich noch mehr Menschen von der "Trinity" überlebt haben?

"Ja! Sie werden sich alle riesig freuen dich zu sehen.", lachte Maria, legte ihren Arm um seine Taille und zog ihn

an ihren geschmeidigen Körper. Ihr betörender natürlicher Duft stieg Christian in die Nase und raubte ihm für einen Moment die Sinne.

Sie setzten sich in Bewegung.

"Wer hat noch überlebt? Bitte sag es mir." Christian war zum zerreißen gespannt und legte seinen Arm um ihre athletische Schulter.

"Leider viel zu Wenige. Du, ich, deine Schwester, deine jüngere Cousine, Joe..."

"Die Kinder? Bitte sag dass die Kinder bei Euch sind!", flehte Christian die junge Frau fast an.

"...und die Kinder."

"Gott sei dank! Wie geht es ihnen?"

fragte er, brennend darauf, alles zu erfahren. Vor lauter Euphorie vergaß er fast seine Schmerzen in den Knochen.

"Es geht ihnen blendend! Dank Dir. Sie fragen ständig nach Onkel Christian. Wir haben sie weiter unten am Strand gefunden. Sie konnten nur sagen, dass sie dich im Wasser verloren haben und an den Strand gespült wurden. Instinktiv haben sie sich zunächst vor dem Sturm in Sicherheit gebracht und sind in den Wald gelaufen. Heute morgen hat Joe sie gefunden, als sie einfach den Strand entlang spazierten, weinend zwar aber gesund."

Zunächst zufrieden, humpelte Christian, gestützt von Maria, weiter durch den

weißen Sand.

"Siehst du dahinten diese kleine Landzunge, die etwas ins Meer hineinragt?" Maria wies mit dem Kopf voraus. "Dahinter ist eine kleine geschützte Lagune. Da haben wir vorerst unser Camp aufgeschlagen. Es gibt da sogar einen kleinen Bach! Also verdursten werden wir hier nicht.", plauderte Maria drauf los, erpicht darauf Christian soviel wie möglich von ihrer momentanen Situation zu erzählen.

"Sag mal, wie habt ihr es geschafft?", lenkte Christian vom Thema ab. Diese Frage bewegte ihn schon die ganze Zeit, seit er von Maria gefunden wurde.  "Als ich mich mit den Kindern aus dem

Schiff retten konnte, habe ich verzweifelt nach weiteren Überlebenden gesucht. Aber nichts! Niemand war zu sehen! Ich hatte schon alle Hoffnung aufgegeben."

"Ich war gerade dabei mich von der Klubmesse zurück auf die Brücke zu kämpfen. Das war bei dem Sturm gar nicht so einfach. Als ich die Leiter zur Brücke hoch kletterte, wurde die "Trinity" von dieser Monsterwelle getroffen. Mich hat es von Bord geschleudert. Joe meint, dass er sich nach dem Aufprall aus dem Steuerhaus retten konnte. Wir haben uns erst hier auf der Insel wieder gesehen."

"Eine Insel? Was für eine Insel? Wir

sind auf einer Insel?", fragte Christian erstaunt und schaute Maria ins Gesicht.

"Ich weiß auch nicht genau auf welcher Insel wir sind. Aber Joe vermutet, dass wir uns auf der Insel befinden, vor der wir geankert haben. Weil im weiten Umkreis ist sonst keine Insel in den Karten verzeichnet gewesen, glaubt sich Joe jedenfalls zu erinnern. Aber wir sind definitiv auf einer Insel. Joe und ich sind bereits einmal rundherum gelaufen."

"Hm! Aha!" machte Christian grübelnd. Gestützt von Maria humpelte er gerade über die Landzunge. Da erstreckte sie sich vor ihm, die Lagune, ein weißer halbmondförmiger Strand, gesäumt von

etlichen Palmen, hinter denen sich auch schon ein dichter Urwald einen steilen Hang diesen spitzen Berg hinauf ausdehnte. Von diesem spitzen Berg herab bahnte sich ein kleiner Bach seinen Weg durch den Urwald und mündete hier ins Meer.

"Onkel Christian!! Onkel Christian!!", hörte er Kinderstimmen schreien, kaum dass er und Maria den Strand betreten hatten. Freudig jubelnd kamen Jenny und Lukas auf ihn zu gerannt und umarmten ihn euphorisch.

Von dem Kindergeschrei alarmiert, kamen auch die anderen unter den Palmen hervor und liefen dem Neuankömmling entgegen. Vor Freude

weinend fiel ihm seine Schwester Laura um den Hals und küsste sein Gesicht ab.

"Danke! Danke! Danke!", flüsterte sie immer wieder dabei und schaute ihm mit Tränen in den Augen ins Gesicht. "Danke, dass du meine Kinder gerettet hast!"

"Ach ich habe sie halt zu greifen bekommen. Ich glaube jeder hätte das gemacht!", versuchte Christian die Sache herunter zu spielen, war sich seiner Sache aber gar nicht so sicher.

Laura lächelte. "Wir beide wissen es besser!"

Auch seine kleine Cousine, ein blonder Lockenschopf von fast sechzehn Jahren, fiel ihm überschwänglich und jauchzend

um den Hals, dass ihm seine angeschlagenen Rippen schmerzten. "Christian! Ist das Geil!!!"
  "Oh Ashley!! Ich freue mich auch dich zu sehen!!", lachte Christian angestrengt und tätschelte besänftigend ihre grazile Taille.

Er schaute in die kleine Runde seiner verbliebenen Familie und Marie. Aus dem Hintergrund kam auch Joe angeschlendert.

"Ach bin ich froh Euch zu sehen. Auch wenn der Verlust unserer Familien, schrecklich und traumatisch ist, so sollten wir doch glücklich sein, dass wir wenigstens uns noch haben. Wir werden das schon schaffen!" War die Hoffnung

in Christian schon verschwunden, so begann sie gerade damit neu auf zu keimen. "Gemeinsam sind wir stark!" Christian legte seine Arme um die kleine Gesellschaft von Frauen und Kindern, die von diesem Augenblick an seine ganze Familie sein sollte.

Joe trat heran.

"Christian!" Er reichte ihm die Hand.

Christian schaute auf. "Skipper!"

Sie schüttelten sich die Hände.

"Ich bin froh, dass noch einer der Männer diese Katastrophe heil überstanden hat. So wird es leichter unser Überleben zu gestalten."

Joe war eigenartig reserviert, so kam es Christian vor. Warum? Darauf konnte er

sich im Moment noch keinen Reim machen.

Die Erkenntnis

Christian wurde, jetzt von Joe gestützt, zum "Camp" geleitet, was nicht vielmehr als eine Art Verschlag aus Palmenwedel und ein paar langen Ästen war, die zwischen zwei Palmen befestigt waren.

"Lass mich mal dein Bein anschauen!" Joe legte Christian unter dem Verschlag ab. "So kannst du nicht mit kommen, die Insel zu erkunden." Er schaute sich Christians Bein an. Das Knie war dick und blau unterlaufen. "Hoffentlich ist es nicht gebrochen!" Joe tastete die geschwollenen Stellen ab und versuchte ein wenig das Knie zu bewegen.

Christian schrie auf als ein schrecklicher

Schmerz durch sein Knie fuhr. Er wäre Joe am liebsten an die Gurgel gesprungen, konnte sich aber gerade so beherrschen.

"Nein! Das geht nicht! Schone dich einige Zeit. Ich ziehe mit Maria allein los, während ihr hier die Stellung haltet. Ihr könnt Euch ja etwas einfallen lassen, wie wir Feuer bekommen. Ich habe keine Ahnung, was hier nachts so kräucht und fleucht! Also dann, heute Abend spätestens sind wir zurück!" Joe ging in Richtung Urwald. "Maria! Kommst Du?"

Die junge Frau folgte ihm und winkte Christian noch zum Abschied lächelnd zu. Etwas geknickt lächelnd winkte er

zurück und schaute Maria hinter her, wie sie mit einem leichten Schwung in der Hüfte, Joe folgend, im dichten Urwald verschwand.

Er hörte sich schwermütig seufzen. Was war das denn??, dachte er sich. "Ach!", schimpfte er sich selbst und schaute zum Strand, wo die Kinder ausgelassen im flachen Wasser planschten. "Du hast jetzt wahrlich andere Sorgen als Maria hinterher zu schmachten!"

Scheinbar lief hier alles reibungslos. Joe hatte widerstandslos das Zepter übernommen, klar er war ja auch der Skipper und Christian war bis vor ein paar Minuten noch nicht da! Er raffte sich auf und humpelte mühsam zu Laura

und Ashley, die brav, wie es Joe befohlen hatte Holz und vertrocknete Palmenwedel sammelten. Er wollte ihnen wenigstens im Rahmen seiner Möglichkeiten helfen. So schnappte er sich einen größeren Ast und zerrte ihn, neben seiner Schwester her humpelnd, zum künftigen Feuerplatz.

"Laura?", begann Christian ein Gespräch.

"Ja!", antwortete Laura angestrengt, einen ziemlich schweren Ast schleppend.

"Wie verkraften Lukas und Jenny das Ganze!"

"Ach im Moment sehen die beiden das noch als ein riesiges Abenteuer, in dem du ihr großer Held bist!"

"Aha verstehe! Aber auf kurz oder oder lang müssen wir uns für die beiden was ausdenken, eine Art Struktur oder so. Sonst drehen sie in ein paar Tagen völlig ab. Haben sie heute schon etwas zu Essen bekommen? Wir können doch nicht bis heute Abend damit warten!"

Laura blieb stehen und schaute ihren jüngeren Bruder perplex an. Soweit hatte sie wohl noch gar nicht gedacht.

Manchmal tat ihm seine Schwester leid. Sie war eine herzensgute liebe Frau, die keiner Fliege etwas zu Leide tun könnte. Doch vertraute sie stets und ständig anderen scheinbar stärkeren Menschen mehr als sich selbst, ließ quasi diese für sich denken und entscheiden. Sie war

einfach auf eine liebe Art etwas naiv und verliebte sich dummerweise, so fand es Christian zumindest, in den falschen Mann, einem Macho vor dem Herrn, mit dem Christian nie so richtig grün geworden war. Aber das Ergebnis dieser Beziehung waren die zwei süßesten Kinder die Christian je gesehen hat. So manches mal entwickelte er gar väterliche Gefühle für die beiden, hatte er doch keine eigenen Kinder. Daran würde sich auch so schnell nichts ändern. Zur Zeit war er Single und hat auch so noch nie über Familienplanung nachgedacht.

Nun stand Laura verdutzt vor ihm und die ersten Tränen drückten sich aus

ihren Augen. Sie ließ den Ast fallen und drehte sich zum Wasser weg, wo noch immer die Kinder planschten. Auch Christian ließ seinen dämlichen Stock fallen.

"Hey komm mal her!" Er drehte seine Schwester zu sich, die ihren Kopf an seine Schulter lehnte und auch gleich anfing bitterlich zu weinen.
"Warum kann ich das nicht? Noch nicht einmal das bekomme ich auf die Reihe! Da lasse ich lieber meine kleinen Mäuse hungern! Ach Christian! Ich bin eine beschissene Mutter!" Die letzten ihrer Worte kamen von einem Heulkrampf verzerrt hervor.

"Nein sag nicht so was! Du hast nur ein

bisschen zu viel Gottvertrauen und bist einfach zu gut für diese Welt. Im übrigen bist du für die Kleinen die beste Mutter, die man sich denken kann. Also mach dich jetzt nicht fertig und lass uns nachdenken, was wir jetzt machen."

Laura schaute lächelnd, aber mit von Tränen überströmten Gesicht zu ihrem Bruder auf. "Ach Christian du bist lieb. Na komm lass uns nachdenken, was wir machen! Also was soll ich tun?", fragte Laura, sich bei Christian im Arm einhakend.

Da war es wieder! Laura wartete auf eine Entscheidung, wie immer in ihrem zurückliegenden Leben.

"Sag du es mir!" erwiderte Christian

trocken. Er könnte es sich jetzt einfach machen und das Zepter in die Hand nehmen. Aber er wollte doch seiner lieben Schwester helfen endlich ihr Leben in ihre eigenen Hände zu nehmen. Gerade jetzt wo sie mit den beiden Kindern allein in dieser Welt stand. Sie war ja nicht irgendwie blöde! Sie war einfach nur lieb und hatte kein Stück Selbstvertrauen!

"Ja aber was denn...? Wie denn...? Ich weiß doch nicht!" resignierte sie schon jetzt und schaute zu Boden.

"Schau zu Jenny und Lukas und stell dir vor, dass die Beiden Hunger haben! Also?"

"Sie brauchen etwas zu Essen.", gab

Laura kleinlaut zurück.

"Siehst du, besser hätte ich es auch nicht sagen können!"

"Du veräppelst mich gerade!", wollte Laura vorsichtig protestieren.

"Nein! Ganz bestimmt nicht! Aber so geht das Schwesterchen! Problem erkennen, Lösung finden! Neues Problem erkennen, neue Lösung finden! Nun komm machen wir weiter." Christian humpelte weiter neben Laura her. "Die erste Lösung, die Kinder brauchen was zum Essen. Neues Problem woher nehmen wir was zu Essen?"

"Wir müssen etwas Essbares finden!", stellte Laura jetzt schon mit etwas

festerer Stimme fest.

"Halten wir fest, die Kinder haben Hunger und brauchen was zum essen. Also müssen wir etwas Essbares finden. Also lass uns Nahrung finden!"

"Wir sollen doch aber Feuermaterial anhäufen und ein Lagerfeuer anmachen, meint Joe!"

"Ist das so?"

"Du hast ihn doch gehört!", versuchte sich Laura zu rechtfertigen.

"Das ist richtig! Was machen wir da? Weil wir können ja schlecht alle fünf in den Urwald laufen und was Essbares suchen. Wenn Joe und Maria nachher zurück kommen ist keiner mehr da. Wir müssen als Gemeinschaft erhalten

bleiben!"

"Ja aber wie sollen wir denn Nahrung finden, wenn wir das Lager nicht verlassen?" fragte Laura jetzt doch ratlos.

"Darf ich Dir ein Vorschlag machen, Deine Idee war ja schon mal nicht schlecht..."

"Hä? Aber das hast doch alles du..." fragte Laura verwundert

"Ich habe gar nichts! Ich habe immer nur dumme Fragen gestellt. Du hast die Antworten gefunden und somit auch die Idee gehabt. Also was hältst du davon..."

Laura knuffte ihren Bruder in den Oberarm. "Idiot! Also weißt du!"

Beide lachten herzlich und umarmten sich.

"Also, was hältst du davon wenn einer von uns die nähere Umgebung nach was Essbarem durchkämmt?"

"Das ist vielleicht das beste, was wir im Moment machen können!"

"Ja gut Laura! Wir machen das dann so! Ich schlage vor, da ich eh nicht so viel Feuerholz schleppen kann, suche ich nach Nahrung."

"Machen wir es so!", bestätigte sie, schon fast stolz, allein darauf gekommen zu sein.

Christian lächelte seine Schwester an und streichelte ihre Wange. "Ich geh dann mal! Sollte Joe früher zurück sein,

dann erkläre ihm alles."

Nahrung

Christian humpelte los und Laura widmete sich wieder dem Feuerholz. Er war noch nicht ganz im Wald verschwunden, als er Ashleys Stimme hinter sich rufen hörte.

"Christian warte! Warte auf mich!"

Er drehte sich noch einmal um und sah den blonden Teenager auf sich zu rennen.

"Ashley!"

"Warte auf mich! Ich komme mit!", rief sie. Das Mädchen war außer Atem, als sie bei ihm an kam.

"Ist es nicht besser, du hilfst Laura beim Feuerholz sammeln oder guckst ein

wenig auf die..."

"Nein nein! Laura meint das geht schon in Ordnung. Sie meint, ich soll dich ein wenig unterstützen, dein Bein und so." Ashley nahm seine Hand und strahlte ihren Cousin bewundernd an.

"Ja aber dann ist Laura mit den Kindern ganz allein!", intervenierte Christian mit ruhigen Worten und blieb vor Ashley stehen.

"Was soll denn schon passieren? Wir sind hier auf einer Insel, schon vergessen?"

"Das habe ich nicht, aber kennst du die Insel?"

"Ach nun komm! Hier ist es doch friedlich!"

"Hoffen wir, dass du Recht hast. Wir sind ja nicht lange weg, denke ich mal. Also gut! Dann lass uns los gehen."

Christian humpelte weiter durch den Busch und Ashley ging neben ihm her. Interessiert schauten sie sich im ungewohnten Urwald dieser Insel um. Das Mädchen trug noch immer ihr einfaches Schlafzeug, ein weißes und dünnes T-Shirt und dazu bequeme rosa Shorts.  In der Unglücksnacht wollte sie eigentlich gerade schlafen gehen, kurz bevor die Hölle über sie herein brach.

"Wie hast Du es eigentlich geschafft Ashley? Wir haben uns oben verzweifelt umgeschaut und niemanden gesehen. Ich habe schon mit dem schlimmsten

gerechnet." Christian schaute neben sich zu seiner Cousine herab, die mit ihren fast sechzehn Jahren doch sehr zierlich war und ruhig die eine oder andere Stulle mehr hätte essen können.

"Es war auch schrecklich! Zu unserem Glück war es an dieser Stelle des Meeres nicht all zu tief, so dass die "Trinity" schon bald den Meeresboden erreicht hat." Ashley begann bei der Erinnerung an die zurückliegende Nacht zu schluchzen und hakte sich bei ihrem Cousin ein. "In der Klubmesse hatte sich eine kleine Luftblase gebildet, in der sich alle mit Schwimmwesten versuchten rein zu zwängen. Es war schrecklich! So viele Menschen auf

engstem Raum, die nach dem letzten verbliebenen Rest Sauerstoff japsten. Anfänglich konnte ich mich an der Oberfläche halten. Alle schrien und heulten ohrenbetäubend durcheinander. Keiner traute sich ab zu tauchen, um das Schiff zu verlassen, dachten sie doch alle es wäre viel zu tief. Wahrscheinlich hätten sie es mit ihren Schwimmwesten auch gar nicht gekonnt. Sie quetschten sich alle immer enger in diese kleine Luftblase." Übermannt von ihren Gefühlen heulte Ashley nur noch und warf sich Christian an die Schulter. "Es war so schrecklich!!", sprach sie mit von Tränen erstickter Stimme weiter.

Christian tätschelte ihren blonden Lockenschopf und streichelte ihren Rücken. Er konnte jede einzelne Rippe unter ihrem dünnen Shirt fühlen. "Immer lass es raus, darüber sprechen hilft meistens!"

"Laura und ich wurden mehr und mehr abgedrängt und unter Wasser gedrückt. Laura, die panisch und aufgelöst schrie, bekam noch meine Hand zu packen, bevor wir beide untergingen. Wir versuchten noch etwas von der Luft ab zu bekommen. Doch wurden wir von den vielen strampelnden Füßen einfach nur weggetreten. Laura hatte sich bereits aufgegeben und schaute mich nur noch traurig an. Doch ich wollte den

Tod nicht so einfach hin nehmen. Ich wollte noch nicht sterben! Ich bin doch erst 15 Jahre alt! Also packte ich nun meinerseits ihre Hand und tauchte, Laura hinter mich herziehend, durch das zersprungene Dachfenster. Mehr als sterben kann ich nicht!, dachte ich nur noch. Anfänglich zappelte Laura panisch, so dass ich sie fast verloren hätte." Ashley weinte bitterlich und ihr zierlicher Brustkorb bebte unter Christians Händen.

"Draußen im Wasser war es so finster! Ich dachte erst ich könnte in die falsche Richtung tauchen und mein Schädel dröhnte vor Schmerz. Aber schnell merkten wir, dass wir glücklicherweise

von allein nach oben trieben. Doch wurde uns die Luft knapp. Ich kann dir nicht mehr genau sagen wann wir die wilde Wasseroberfläche erreicht haben, aber es schien ewig lang zu dauern, wir waren kurz davor zu ersticken! Irgendwie kamen wir irgendwann an die Oberfläche und ließen uns völlig geschafft, in den Armen liegend, treiben, bis wir im Morgengrauen hier landeten und auch schon von Joe und Maria gefunden wurden."

"Ist es nicht eine schreckliche Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet die überlebten, die keine Rettungsweste trugen?"

"Hmmm!" Ashley beruhigte sich nur

langsam. "Da müssen wohl all unsere Engel Sonderschichten geschoben und den lieben Gott bestochen haben! Aber der größte Held bist du! Du hast die Kiddis gerettet."

"Ha!", lachte Christian sarkastisch auf. "Zu welchem Preis? Dafür dass wir nun vielleicht verhungern oder für immer auf dieser Insel bleiben müssen? Dann wäre Ertrinken doch ein schnellerer Tod gewesen, und nicht so qualvoll!"

Die Beiden gingen  weiter. Christian schaute sich um. Er suchte nach etwas was irgendwie mit Nahrung zu tun hatte. Ob das nun Früchte waren die er aus dem Supermarkt kannte oder Getier, dass an einheimische Nutztiere

erinnerte. Doch nichts! Alles schien hier so fremdartig zu sein! Es gab zwar jede Menge bunte Früchte an einer Vielzahl von Bäumen. Doch waren sie Christian allesamt absolut fremd. Er hatte keine Ahnung welche von den Früchten man essen konnte und welche vielleicht seine letzte Mahlzeit bedeuten würden.

"Christian!", unterbrach Ashley nach einer Weile das Schweigen.

"Ja?"

"Glaubst du an Gott?"

Christian schaute Ashley mit skeptisch verzogenem Gesicht an. "Was soll die Frage? Nach dieser Nacht würde wohl jeder Gläubige ins Zweifeln kommen."

"Als ich heute morgen die beiden Kinder

sah, begann ich wieder zu glauben.", sprach das Mädchen mit ruhiger Stimme.

"Hm! Dann frage ich mich, nach welchen Maßstäben richtet der Herr? Uns lässt er leben, deine Mum, deinen Dad und deinen Bruder nimmt er zu sich? Warum?"

"Aber hast Du nicht gesehen, wie sie sich aufgeführt haben? Sie hätten uns doch verrecken lassen!", rief Ashley.

"Sie haben, auch wenn es schrecklich klingt, in diesem Augenblick ihre tief verborgenen Überlebensinstinkte reaktiviert! Sie haben irgendwo grausam menschlich reagiert! Dass sie mit ihren Instinkten falsch lagen, war vielleicht unser Glück. Oder hättest du dich von

deiner Schwimmweste getrennt um nach oben zu tauchen, solange nur noch etwas Sauerstoff in der Blase gewesen wäre? Tcha und als dann irgendwann der Sauerstoff zu ende war, da war es dann schon zu spät."

"Die haben nicht menschlich gehandelt! Die nicht!" presste Ashley verächtlich hervor.

"In dieser dramatischen Situation kamen einfach ihre tierischen Instinkte, die noch tief in einem jeden von uns schlummern, zum Vorschein! Ich weiß nicht ob es Gottes Fügung war oder einfach nur Glück für uns. So und nun lass uns endlich Nahrung finden!", wollte Christian dieses heikle Thema

abschließen.

"Christian?", fragte Ashley erneut.

"Ja?" Christian schaute ihr ins Gesicht, welches noch immer von Tränen überströmt war.

"Es ist schön jemanden zum reden zu haben. Gerade jetzt!" Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. "Danke!"

"Dafür doch nicht!", beschwichtigte Christian und hielt sich unbewusst die Wange, auf die ihn Ashley geküsst hat. "So wir müssen Nahrung finden!", versuchte Christian die ungewöhnliche Situation zu entspannen. "Es muss doch irgendwas geben was wir kennen. Keine Ahnung! Bananen, Orangen

irgendwelche Beeren! Es sieht hier alles so fremd aus! Diese Pflanzen hier habe ich noch nie gesehen!"

"Ja Sir! Jawohl Sir! Ich schaue!" Ashley salutierte linkisch.

"Verrücktes Huhn!", erwiderte Christian und klapste dem Mädchen sanft auf den Po, bevor sie weiter liefen. Ashley kicherte amüsiert.

Christian schaute sich um und lauschte. Der Urwald war erfüllt von einer mannigfaltigen Geräuschkulisse aus hunderten verschiedenen Vogelstimmen. Und durch das grün leuchtende Dach der vielen Bäume, die Christian nicht näher bestimmen konnte, vermochte kein Sonnenstrahl bis auf den Waldboden

vorzudringen, der überzogen war mit einem Wulst aus Ästen, Schlingpflanzen und anderem blättrigem hellgrünem Bewuchs. Allenthalben raschelte es irgendwo im Unterholz, ohne dass die Beiden etwas hätten erkennen können.

"Ich habe mal irgendwo gelesen...", schien Ashley auf einmal eine Idee zu haben, "dass die meisten Wurzeln der Pflanzen essbar sind, da diese keine Fressfeinde zu befürchten haben."

"Das Selbe kann man auch von den meisten Früchten an den Bäumen und Sträuchern behaupten. Die meisten Früchte sollen von den Tieren gefressen werden, damit diese die Samenkörner weiter tragen. Aber eben nicht alle!" Es

gibt auch Früchte, die sind tödlich giftig, wie die Tollkirsche oder die rote Beere der Eibe. Wiederum Vögel haben mit Tollkirsche und Eibenbeere überhaupt keine Probleme. Was machen wir nur? Wir können ja schlecht einen Vorkoster losschicken."

Missmutig stapften sie weiter durch den zu gewucherten Urwald. Man könnte auch Tiere fangen!, kam Christian der Gedanke. Aber wie? so ganz ohne Waffen und Werkzeug!

Sie waren nun schon eine geschlagene Stunde unterwegs. Ashley stapfte inzwischen schweigend vorneweg. Warum auch immer hatten die Bäume damit begonnen Regenwasser der letzten

Nacht zu verlieren. Beim näheren betrachten fielen Christian große trichterförmige Blätter auf, aus denen erst jetzt das Regenwasser der letzten Nacht rann. Überall im Urwald wuchsen diese unbekannten Bäume mit diesen großen trichterförmigen Blättern. Das war ein perfektes Wasserspeichersystem wie Christian feststellen musste.

Es tropfte wie gesagt beständig aus den Bäumen und berieselte Ashleys dünnes Shirt mit dicken und schweren Regentropfen, die sogleich an den Stellen wo sie aufschlugen, ihre helle Haut durch scheinen ließen. Schon bald war ihr ganzer Rücken nass.  

Plötzlich stutzte Christian. Links oben

von ihm, am Rande seines Sichtfeldes, registriert er eine Bewegung und schaute nach oben. Was war das? Es sah aus wie ein kleines Säugetier, etwa so groß wie eine Katze, hatte einen spitz zulaufenden Kopf mit großen Ohren und kletterte doch wie ein kleiner Affe durch das Astwerk eines Baumes. Es hatte lange Arme und Beine und einen noch längeren Schwanz, den es wie seine Gliedmaßen zum klettern benutzte und sich von Ast zu Ast hangelte. Für einen Moment hielt dieses Tier, was irgendwie wie eine Mischung aus Nasenbär und Affe aussah, inne, sah auf die beiden Menschen herab und pflückte sich dann doch ein paar rote Beeren von einem

Zweig, um sich diese sogleich in sein Maul zu stopfen. Das Tier schaute wieder zu den Menschen herab. Es machte gar keine Anstalten die Flucht zu ergreifen. Scheinbar erachtete dieses Tier den Menschen nicht als Bedrohung.

"Ashley!", flüsterte Christian.

Sogleich drehte sich das Mädchen zu ihm um. Ihre nassen blonden Locken klebten auf ihrer Stirn und das vollgeregnete Shirt schmiegte sich schwer an ihren Körper.

Christian lächelte. "Wir werden nicht verhungern! Sieh mal da oben!"

Ashley schaute nach oben und sah gerade noch wie sich dieses Tier erneut ein paar von diesen roten Beeren

einverleibte.

"Du meinst wir sollen dieses hässliche Vieh erlegen und über dem Feuer braten? Das ist jetzt...."

"Nein! Sieh doch nur hin! es ist offensichtlich ein pflanzenfressendes Säugetier. Vielleicht ist es auch ein Allesfresser. Auf jeden Fall dürfte seine Verdauung der unseren gar nicht so unähnlich sein. Die roten Beeren?"

" Ahh! Ich verstehe!", begann Ashley freudig zu begreifen. "Und ich dachte schon Du wolltest dieses Vieh auf essen!"

"Nun ja! Wer weiß?" Christian grinste breit. "Findest Du nicht auch, dass es am Spieß glatt als Hase..."

"Igitt! Das ist ja widerlich! Hör auf damit!" Ashley knuffte ihrem Cousin gegen den Oberarm.

Christian lachte belustigt über diesen Spaß. "Nein aber im Ernst. Wir sollten mal diese Beeren ausprobieren! Ich würde ja gerne selber da hoch klettern, aber im Moment..." Christian tippte auf sein verletztes Bein. "Wie gut kannst Du klettern?"

"Ich soll da rauf?", fragte das Mädchen ungläubig und zeigte nach oben.

"Aber anders kommen wir an diese Beeren nicht ran. Oder siehst Du hier am Boden welche von diesen Früchten?" Christian nahm das Mädchen aufmunternd in den Arm. "Ich helfe Dir

auch so gut ich kann."

"Ach Mensch, Christian! Das ist ganz schön hoch!" Ashley schaute nach oben, wo sich etwa fünfzehn Meter über ihr das grüne Gewölbe der dichten Baumkronen ausdehnte. "Und schau Dir doch mal den Stamm an! Der ist glatt, durch den Regen glitschig und ohne Äste. wo soll ich mich denn da fest halten? Nein! Christian ich habe Angst!"

Er besah sich den Baum noch einmal genauer und musste schließlich seiner Cousine zustimmen, dass sie mit ihren Zweifeln nicht so verkehrt lag.

"Vielleicht hast du sogar recht! Dann lass uns weiter suchen. Wenn wir Glück haben finden wir weiter oben auf dem

Berg etwas Essbares, was nicht so hoch hängt." Christian seufzte schwer vor lauter Enttäuschung. "Na dann wollen wir mal!"

"Ach Du wirst sehen weiter oben finden wir bestimmt etwas besseres.", versuchte Ashley ihren Cousin aufzumuntern und legte ihren Arm um seine Hüften, um ihn zu stützen.

Dankbar für den sanften Halt, welchen ihn Ashley mit dieser Umarmung gab, begann Christian, mit ihr zusammen diesen spitzen Berg der Insel hinauf zu klettern. Nicht nur einmal bewahrte das Mädchen mit den Armen ihren Cousin davor zu stürzen, da Christian, je unwegsamer das Terrain wurde, immer

schlechter auftreten konnte.

Anfangs kamen sie ja auch recht gut voran. Ihre Kräfte waren noch relativ wenig verbraucht, die Steigung war noch nicht so extrem und der Urwald spendete ihnen einen angenehmen Schatten. Auch wenn die Luftfeuchtigkeit bestimmt bei siebzig oder achtzig Prozent lag, war es nicht so, dass einem dieses Treibhaus förmlich erschlagen wollte. Die Beiden schafften Höhenmeter um Höhenmeter.

Doch kaum hatten sie die Baumgrenze passiert änderten sich auch schlagartig die Bedingungen. Plötzlich zog die Steigung stark an. Die Sonne am blauen Himmel knallte erbarmungslos auf die

beiden hernieder.War es im Wald das Regenwasser, welches sie permanent durchnässte, so sorgte hier am Hang ihr eigener Körper dafür. Völlig durchgeschwitzt klebten den Beiden Shirts und Shorts unangenehm am Körper. Besonders die hellhäutige Ashley hatte der sengenden Sonne nicht allzu viel entgegen zu setzen. Zusehends wurde ihre Haut röter und röter. Der Sunblocker, von dem sie sich extra für diese Segelreise 10 Flaschen gekauft hatte, lag gut gekühlt an Bord der Trinity auf dem Grund des Pazifiks.

Der Boden an diesem Hang war nur noch schroff und felsig. Diese Bodenverhältnisse erschwerten ein

Vorankommen doch ungemein.

Recht bald begannen die beiden schwer zu keuchen und mussten eins ums andere mal, in immer kürzeren Abständen, Pausen einlegen.

Jedoch hatte sich das Mühsal scheinbar auch gelohnt! In dieser Höhenlage standen kaum noch Bäume. Stattdessen war der Hang übersät mit einer Fülle der unterschiedlichsten Sträucher mit den verschiedensten Früchten. Allerdings gab es hier oben wohl nur wenige Tiere, die für Christian und Ashley den Vorkoster hätten spielen können. Es flogen zwar viele Vögel durch die Gegend, doch war Christian bekanntlich sehr vorsichtig damit die menschliche

mit der Vogelverdauung zu vergleichen.

Nach ihrem inneren Gefühl mussten die Beiden schon fast am Gipfel sein. Doch konnten einem die Sinne auch manchmal trügen! Man sah den Gipfel doch schon so greifbar nah...!

Wieder musste Christian inne halten. Sein schmerzendes Bein machte ihn zu schaffen und die brüllende Hitze hatte zur Folge, dass er beim atmen schwer keuchte, wie eine Dampfmaschine. Ashley lief hinter ihm, jeder Zeit bereit sich im Falle seines Sturzes ihm mit vollem Körpereinsatz entgegen zu stemmen.

Christian richtete sich mit verzehrtem Gesicht auf und schaute keuchend ins

Tal. Auf seiner Stirn standen dicke Schweißperlen.

Von hier aus konnte man die halbe Insel überschauen, und den unendlichen Pazifik sehen, wie er sich himmelblau vor ihnen bis zum fernen Horizont ausbreitete. Langsam suchte sein schwenkender Blick um sich herum alles ab. Doch nichts! Keine weitere Insel, kein entferntes Schiff am Horizont und auch kein Flugzeug am Himmel.

"Wer sollte uns hier schon finden!" murmelte Christian vor sich hin und sprach eigentlich mehr zu sich selbst.

"Wie meinst du das?" Ashley hatte es doch tatsächlich verstanden!

"Ach nichts Kleines!", versuchte

Christian zu leugnen. Er wusste nicht wie Ashley die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage aufnehmen würde. Er wollte das Mädchen nicht unnötig quälen.

"Wie, nichts? Du hast gesagt. Hier findet uns nie jemand! Warum sagst du so etwas?"

"So habe ich das doch gar nicht gesagt!" intervenierte Christian.

"Aber gedacht!", rief Ashley aufgebracht. "Du glaubst also, dass wir niemals hier weg kommen! Warum verdammt? Sie werden doch bestimmt schon nach uns suchen! Sag mir dass sie nach uns suchen!" Ashley begann zu heulen. "Ich will hier wieder weg! Ich will wieder nach Hause! In Melbourn

habe ich all meine Freunde, mein Leben alles..."

Christian nahm Ashley in die Arme und ließ sie sich an seiner Schulter aus weinen. "Bestimmt suchen sie schon nach uns. Ich bin mir sicher, dass sie uns finden werden, früher oder später!" Liebevoll streichelte er ihren Rücken. Ihr verkrampftes Schluchzen wurde flacher und ruhiger.

"Aber bis sie uns gefunden haben, müssen wir so einigermaßen über die Runden kommen, ohne zu verhungern. Dazu gehört auch das wir Nahrung finden und wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten auf dieser Insel häuslich einrichten. Sonst werden wir irgendwann

gerettet und sind tot."

"Versprichst du mir, dass sie uns retten?" Noch immer mit Tränen im Gesicht schaute Ashley ihn fragend an. Ihre Blicke hingen einen Moment an einander. Christian streichelte schließlich ihr blondes lockiges Haar und strich ihr eine verschwitzte Strähne aus dem Gesicht. Wie sollte er Ashley etwas versprechen ohne zu wissen, dass es so käme?

"Kopf hoch! Es wird schon alles gut!", versuchte er das Mädchen wieder aufzubauen.

"Na los, gehen wir wieder zurück zu Laura und den Kindern!" stieß er resignierend hervor "Unterwegs ernten

wir ein paar Trichterblätter voll mit diesen Beeren, irgendwie."

Er legte Ashley seinen Arm über die Schulter, während das Mädchen wieder seine Hüfte umschlang um Christian zu stützen. Sie machten sich gerade daran

wieder den Rückweg anzutreten, als im letzten Winkel seines Blickfeldes, es war schon fast verschwunden, etwas ungewöhnlich silbern glitzerndes oder blinkendes seine Aufmerksamkeit erregte, wie eine Kleinigkeit, die man gerne schnell wieder vergisst. Doch war dieses Glitzern oder Blinkern zu ungewöhnlich für diese sattgrüne Umgebung! Er schaute genauer hin. Es war weg! Christian wollte seinen Blick

schon wieder abwenden... Da! Da war es wieder! Aus einem Teil des Urwaldes in dem die beiden noch nicht waren, im tiefsten inneren der Insel, war zwischen den Bäumen hin und wieder dieses ... was auch immer zu sehen! Da war es auch schon wieder weg.

"Siehst Du das?" Christian zeigte mit dem ausgestreckten Arm auf diese Erscheinung und schob seinen Kopf direkt neben den von Ashley um diese Erscheinung aus ihrem Blickwinkel genau anzuvisieren. Der Duft ihrer blonden Haare stieg ihm dabei dezent in die Nase.

"Was ist denn da?" Ashley kniff ein wenig die Augen zusammen und suchte

verkrampft nach etwas Ungewöhnlichem.

"Da war ein silbern glitzerndes etwas!" versuchte Christian zu erklären.

Eine etwas kräftigere Windböe fegte ihnen in den Rücken und drückte die Beiden leicht nach vorn. Ashley musste sich um Christians Hüfte klammern, um nicht an diesem steilen steinigen Hang aus dem Gleichgewicht zu kommen. Christian fühlte wie sich ihre Finger in das weiche Fleisch seine Hüfte krallten.

"Da!" rief Christian im nächsten Moment, als sich unten im Urwald durch die Böe die Kronen der Bäume bewegten.

Jetzt sah es auch Ashley. "Ist das Metall

oder vielleicht ein See, der sich da in der Sonne spiegelt? "

"Schon möglich!" erwiderte Christian aufgeregt und drückte Ashley an sich. "Aber schaffen wir das noch bis zum Einbruch der Dunkelheit?"

"Ach bestimmt! Es geht doch nur bergab!" rief das Mädchen, von neuer Zuversicht gepackt. "Wenn wir es dann gefunden haben brauchen wir bloß noch zum Strand laufen, und zu den Anderen!"

"Na gut! Aber wir sollten uns beeilen."

Behände kletterten die beiden den Hang hinab, auch wenn sich Christian mit seinem schmerzenden Bein öfters auf Ashleys Schulter abstützen musste.

Sie waren gepackt von Eifer! Was war das da unten? Vielleicht etwas, das ihnen das Überleben erleichtern würde?"

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Über den Autor

PorterThomson
Ich schreibe hauptsächlich um zu unterhalten. Dabei möchte ich Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts und egal welcher Herkunft unterhalten. Meine Ambitionen liegen bei den spannenden und aufregenden Romanen. Jedoch experimentiere ich hin und wieder auch mal an anderen Genres herum. Mehr über mich: www.porterthomson.de.tl sowie bei Facebook: "Porter Thomson, Autor aus Cuxhaven" und bei Google+ unter der web-Adresse: https://plus.google.com/+PorterThomsonAutorausCuxhaven/posts

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JJ1968w Es ist sehr spannend, wie sie die Insel erkunden und nicht wissen was essbar ist und was nicht. Allerdings bezweifle ich das Christian mit dem kaputten Bein so lange Berg auf und ab wandern kann.
JG JJ
Vor langer Zeit - Antworten
PorterThomson Das sehe ich genau so! Wart´s ab! ;)
LG Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
FindYourselF hui das war lang... - ....Aber vor allem der Satz in dem Gott als hurensohn betitelt wird kommt hart. :) Find ich in der Konstellation nicht ganz passend... Und das ashley, die ja gerade mal 13 ist laura aus dem schiffwrack rettet, find ich etwas zu viel für ein kleines Mädchen? Ansonsten guter Teil, freu mich mehr zu lesen und vor allem was sie denn entdeckt haben :)

Glg

P.s. kritik nicht böse nehmen...
Vor langer Zeit - Antworten
PorterThomson Re: wann kommt die Fortsetzung? -
Zitat: (Original von anna911 am 13.05.2013 - 06:38 Uhr) Bitte bitte Fortsetzung..
Ist soo schön geschrieben!
Ich hab's vor ner weile mit einem mal durchgelesen..
Hat ca so lang gedauert,wie du brauchst um mein Gedicht(Vierzeiler)durchzulesen.. :*


Danke für dieses Kompliment! Das ging runter wie Öl! Wie Du siehst bin ich gerade auf mehreren Baustellen beschäftigt. Auch hier steht der dritte Teil kurz vor der Vollendung. Vielen Dank für Dein Interesse!

LG Porter
Vor langer Zeit - Antworten
anna911 wann kommt die Fortsetzung? - Bitte bitte Fortsetzung..
Ist soo schön geschrieben!
Ich hab's vor ner weile mit einem mal durchgelesen..
Hat ca so lang gedauert,wie du brauchst um mein Gedicht(Vierzeiler)durchzulesen.. :*
Vor langer Zeit - Antworten
PorterThomson Re: -
Zitat: (Original von Melquisedec am 02.05.2013 - 21:08 Uhr) Es ist wundervoll geschrieben
Der Text des buches spricht mich an
Mach weiter so


Vielen Dank für den netten Kommi. Ich hoffe Du verfolgst "Die paradiesische Hölle" auch weiterhin. Ich gebe mir Mühe, Dich auch weiterhin nicht zu enttäuschen. An der Fortsetzung sitze ich gerade dran.

LG
Vor langer Zeit - Antworten
Melquisedec Es ist wundervoll geschrieben
Der Text des buches spricht mich an
Mach weiter so
Vor langer Zeit - Antworten
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