Romane & Erzählungen
Du

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"Hätte ich mich in dieser Nacht doch einfach umgedreht, wäre alles nie geschehen."
Veröffentlicht am 11. Februar 2013, 128 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Schreiben ist ein großer Teil von mir. Es hilft mir schwierige Momente zu bewältigen und ist für mich ein Stress abbau. Es ermöglicht mir meiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Und es ist eine guter Ausgleich zur Schule und Arbeit.
Hätte ich mich in dieser Nacht doch einfach umgedreht, wäre alles nie geschehen.

Du

 

 

 

 Für alle die nie wieder

zurückkehren.

 

 

Prolog


Du hast mich lange beobachtet, sehr lange. Verfolgtest mich, stelltest mir nach. Du hast mich nie aus den Augen gelassen. Warst auf Schritt und Tritt bei mir. Ich erinnere mich dunkel an das Gefühl damals, als ich dachte jemand verfolgt mich. Natürlich hab ich mir gesagt ich wäre paranoid. Doch hätte ich mich in dieser Nacht doch einfach umgedreht, wäre alles nie geschehen. In dieser einen Sommernacht im Park war das Gefühl verfolgt zu werden so stark wie noch nie. Du bist nur ängstlich und bildest dir das alles ein, sagte ich

mir. Die Schritte, die ich glaubte zu hören, kamen immer Näher und wurden lauter. Ich ging schneller, mein Herz schlug als wollte es mir aus der Brust springen. Plötzlich wurde ein weiches mit Alkohol getränktes Tuch über meine Nase gedrückt. Ich versuchte um Hilfe zu schreien, aber je mehr ich schrie desto mehr atmete ich von diesem Betäubungsmittel ein. Mir wurde ganz schwindelig und ich konnte nicht mehr klar denken. Meine Knie wurden weich und ich kippte zur Seite, aber du hast mich aufgefangen bevor ich auf dem Asphalt aufschlug. Du hast mich getragen und mich auf etwas Weiches gebettet, später erfuhr ich, dass du mich

in dem Kofferraum deines Audi´s legtest. Dann hörte ich nur mehr brummen und wurde hin und her geschaukelt. Langsam tauchte ich in die Tiefe meines Bewusstseins hinab und träumte von Zuhause und meinen Freunden.

Hannah - 1. Kapitel

Es war hell und sehr heiß als ich aufwachte. Der Raum um mir war aus Holz und altmodisch eingerichtet. Das Bett in dem ich lag war auch aus Holz und die Matratze war hart. Niemand hat noch in diesem Bett geschlafen, dass wusste ich. Du hast es für mich gemacht. Die Fenster waren von Vorhängen bedeckt, so dass ich nicht sehen konnte was oder wer draußen ist. Von dir war keine Spur, ich konnte weder deine Schritte noch dein Atmen hören. Langsam bekam ich Angst, ich wäre ganz allein. Meine Blase drohte zu platzen, doch ich hatte Angst irgendein

Geräusch zu machen. Du könntest mich ja hören. Ich lag im Bett und überlegte wie ich in diesen Raum gekommen bin. Zuerst hast du mich betäubt und mich auf etwas Weiches gelegt, wahrscheinlich in den Kofferraum. Dann bist du gefahren und ich bin hier in diesem Bett aufgewacht. Das schlimmste war, dass ich kein Zeitgefühl mehr hatte. Ich konnte nicht sagen was für ein Tag heute ist, geschweige dem welche Tageszeit. Es konnte früher Vormittag oder Nachmittag sein. Jetzt musste ich wirklich aufs Klo. Ich setzte mich langsam auf, checkte meine Gelenke. Alles war in Ordnung, nichts tat mir weh. Ich rutschte zur Bettkante und ließ

die Füße auf den warmen Boden gleiten. Auf dem Sessel im Eck lagen ein Paar Jeans, ein T-Shirt und Stiefel. Ich ging langsam und geräuschlos zu den Anziehsachen und schlüpfte rein. Natürlich wusstest du meine Größe, was hatte ich anderes erwartet. In der Erwartung. dass die Türe verschlossen war, schlich ich zur Tür und drückte die Klinge nach unten. Die Tür war unverschlossen und ich zog sie einen kleinen Spalt breit auf. Vor mir erstreckte sich ein langer dunkler Gang. An der linken Seite war eine Tür und an der rechten drei Türen. Als erstes versuchte ich die linke Tür, verschlossen. Die erste Tür auf der

rechten Seite war ebenfalls verschlossen. Doch die zweite ging auf. Dahinter das Badezimmer. Links von mir war ein Waschbecken, darüber ein Spiegel, und rechts war eine Dusche. Ganz hinten rechts im Raum war eine Tür, das WC. Es war dreckig und roch nach alter Pisse. In diesem Moment war mir das egal, ich musste so dringend. Da nirgends ein Knopf noch ein Seil war, konnte ich es nicht herunterlassen. Plötzlich hörte ich, wie eine schwere Tür ins Schlossfiel. Du warst hier. Vor Angst zitterten meine Knie, ich konnte kaum aufrecht stehen. Ich schaute auf den Boden als du im Türrahmen erschienst. Ich wollte dein Gesicht nicht

sehen. Denn alle wissen, dass wenn man das Gesicht des Entführers sieht, das man sterben muss. „Na Hannah, hast du dich schon eingelebt?“, sagtest du. Deine Stimme war rau, so als würdest du schon lange rauchen. Mein Blick war fest auf den Boden gerichtet. Als ich nichts sagte, kamst du näher zu mir, berührtest meine Schulter. Ich zuckte unter der zarten Berührung zusammen. Du hast deine Hand fallen lassen, als hättest du dich verbrannt. Noch immer sah ich dein Gesicht nicht. Ich wollte wissen wer du bist aber alles in mir sträubte sich auch nur einen kleinen Blick auf dein Gesicht zu werfen. Du bist groß, braun gebrannt und muskulös

gebaut. Meine Blicke sagten zu viel, denn du wusstest was ich wollte. „Du willst wissen wer ich bin, ha? Nenn mich einfach Ryan, mehr musst du nicht wissen.“ „Aber…“, setzte ich an, doch du warst schon in der ersten Tür rechts verschwunden, dein Zimmer. Ich fühlte mich elend, am liebsten hätte ich los geschriehen. Dein Name war Ryan aber ich wusste immer noch nicht wer du warst oder was du von mir wolltest. Ich kannte keinen Ryan, zumindest nicht im ersten Moment. Stunden vergingen und ich tat nichts anderes als in diesem- meinem Bett zu sitzen und nachzudenken. Ich starrte die leeren Wände an, bis ich irgendwann

einschlief. Es musste noch fast Nacht sein, als ich wach wurde. Ich sah mich im Zimmer um, es war dunkel und dadurch bemerkte ich dich nicht so schnell. Du warst am Fenster und beobachtest den Himmel. Zumindest sah es für mich aus als würdest du den Himmel beobachten. Ich war mir sicher, dass du meine Blicke auf deinen Rücken spürtest, als ich dich beobachte. Du hast einmal einen langen Seufzer von dir gegeben, als wärst du über irgendetwas besorgt. Langsam, ganz langsam drehte ich mich so auf die Seite, dass ich dich besser sehen konnte. Du hast mich gehört und schautest über deine Schulter. Ich vermied den Blick in

dein Gesicht, ich wollte ja nicht sterben, aber ich spürte dass du etwas sagen wolltest. Dazu musste ich dein Gesicht nicht sehen. Das was du sagtest traf mich völlig unerwartet. „Es tut mir leid, ich wollte das nicht. Es tut mir so leid“, deine Stimme war sanft. Es tat dir Leid? Niemals. Wie konnte dir das leidtun? Du warst ein Monster, bist es immer noch. Hast mich aus meinem Leben gerissen, ohne dass ich es wollte. Einfach so, von einem Tag auf den anderen war ich deine Gefangene geworden. Es tat dir Leid. Ich schüttelte meinen Kopf. „Was tut dir Leid?“, fragte ich ihn. Er antwortete nicht gleich. Zwei Minuten hast du sicher geschwiegen. Überlegtest dir, wie

du mich weiter verwirren konntest. Verwirrt, genauso fühlte ich mich. „Ich wollte das alles nicht“, flüstertest du. Regungslos starrte ich deine Füße an. Dein Gesicht wollte ich noch immer nicht ansehen. Ein Grunzen kam über deine Lippen und ich schrak zusammen. Du gingst auf die Tür zu, meine Augen folgten dir, als sich langsam die Tür hinter dir schloss. Ich konnte nicht schlafen. Du hast mich zu sehr verwirrt. Mein Kopf dröhnte, weil die Stimmen in meinem Kopf durcheinander redeten. Nein ich war nicht verrückt, ich hatte eigentlich nur eine Stimme in meinem Kopf, aber meine Gedanken waren so wirr, dass es sich

anfühlte, als würden sich in meinem Kopf zwei Personen streiten. Ich versuchte mich mit dem Zählen der Astlöcher abzulenken. Es gelang mir, denn ich konnte endlich einschlafen. Hinter meinen Augenlidern wurde es hell und ich wusste es war Tag. Langsam öffnete ich in der Erwartung dich wieder am Fenster zu sehen die Augen. Doch du warst nicht hier. Ich konnte dich nicht sehen und nicht hören. Diese Stille von der ich umgeben war, kam mir unheimlich vor. Das Knurren meines Magens durchbrach die Stille. Ich hatte Angst du könntest es hören. Ganz leicht konnte ich den Geruch von frisch gebackenem Brot wahrnehmen. Mein

Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Leise rutschte ich an den Rand des Bettes und glitt ebenso leise auf den Boden. Wieder schlupfte ich in die Jeans, das T-Shirt und die Stiefel. Auf Zehenspitzen schlich ich zur Tür und drehte langsam den Türknauf nach rechts. Der Duft nach frischem Brot wehte mir vom Ende des langen Ganges entgegen. Ich ging schnellen Schrittes auf das Ende zu. Gerade aus befand sich eine Tür, der Ausgang. Links standen ein altes Sofa mit einem Couchtisch, ein Fenster in der Mitte der Wand und eine Glastür. Rechts befand sich die Küche. In der Mitte ein Tisch mit vier Stühlen, auf einen von denen du sitzt. An der

hinteren Wand befand sich eine Küchenzeile mit E- Herd, einem Backofen, einer Spüle und einem Kühlschrank. Mein Blick glitt zurück zu dir, auf deine Schulter nicht auf dein Gesicht. Du sagtest nichts, bliebst stumm. Deine Hand bewegte sich und streckte mir das Körbchen mit dem Brot entgegen. Schnell nahm ich mir eines und setzte mich so weit wie möglich von dir entfernt auf einen der vier Sessel. Ich biss in das Brötchen und kaute genüsslich. Es war wirklich gut. „Dies ist das Frühstück. Hoffe das reicht für uns zwei. Ich weiß ja nicht, wie viel du isst, “ sagtest du im Plauderton. Ich

nickte einfach. Das Brot war wirklich gut, darauf brauchte man keine Butter oder sonst was geben. Auf der Rinde befanden sich ganze Körner. Zehn Minuten später hatte ich das dritte Brot runtergeschluckt. Dein Blick ruhte auf mir. Keiner von uns traute sich etwas zu sagen oder sich zu bewegen. Ich konnte mich einfach nicht dazu zu überreden dein Gesicht anzusehen, obwohl ich doch so neugierig war. Nur deine Stimme oder dein Körper war mir kein Hinweis darauf, wer du bist. Da kam mir der Gedanke, falls du festgenommen wirst und ich dich identifizieren muss würde ich dich wieder erkennen. Auch jetzt hattest du schon genug Grund mich zu

töten. Ich, Hannah, konnte dich identifizieren. Also ist es vollkommen egal ob ich dein Gesicht sah oder nicht. Ich war so nervös, dass ich endlich nach zwei Tagen (oder war es auch schon länger) dein Gesicht ansehen darf, ohne das es etwas an meiner Situation geändert hatte. Du würdest mich vielleicht nicht sofort umbringen, aber früher oder später auf jeden Fall. Dein Gesicht war kantig. Das Kinn war markant und die Wangenknochen traten hervor. Das Blau deiner Augen war das Blau des Ozeans, tief und geheimnisvoll. Unter der makellosen Nase befanden sich volle Lippen. Deine Haare waren lang, so lang das du sie mit einen Gummi im

Nacken zusammen gebunden hast, und waren von einem eigenartigen Blond schon fast golden. Auf der rechten Gesichthälfte hattest du eine lange gerade Narbe, die sich vom Haaransatz bis zu deinem Ohr zog. Du bist schön, ging mir in diesem Moment durch den Kopf. Mir gefiel was ich da sah, auch wenn es total verkehrt war, meinen Entführer attraktiv zu finden. Ich konnte nichts dagegen tun. Aber das hieß noch lange nicht, dass ich dich mag. Natürlich fiel es dir auf, dass ich dich zum ersten Mal richtig ansah. Ich spürte wie meine Wangen glühten, na toll jetzt wurde ich auch noch rot. Das man das nicht einfach abstellen kann. Aber als ich

den Blick in deinem Gesicht wahrnahm, war das Blut aus meinen Wangen gewichen. Du hast mich mit so viel Wut angesehen, das es mir kalt den Rücken runterlief. Schnell sah ich wieder weg. Der Drang von dir davon zu laufen war da, doch ich konnte kein einziges meiner Beine bewegen. „Tut mir leid“, flüsterte ich mit zittriger Stimme. „Ist okay. Es ist nur so. Ich bin nicht daran gewöhnt, dass mich jemand auf diese Art und Weise ansieht wie du“, deine Stimme war nur ein flüstern. Du drehtest dich um, legtest deinen Teller in die Spüle und den Korb mit dem Brot stelltest du in die Ecke neben dem Kühlschrank. Du gingst zu der Tür, die zu einer Terrasse führen

musste. Langsam zogst du sie zur Seite und entschwandst nach draußen. Allein zurückgelassen in der Küche kamen meine Gedanken wieder zurück.

2. Kapitel

Nach diesem Frühstück, konnte ich nicht mehr aufhören zu denken. Alle meine Gedanken drehten sich um dich. Was machst du gerade? Planst du meinen Tod? Wie werde ich sterben? Denkst du auch gerade an mich? Gott, diese Fragen quellten mich. Ich konnte nicht mehr aufhören zu denken. In deiner Vergangenheit, vielleicht als Kind, warst du mal ein guter Mensch. Doch das war lange her. Du warst durch und durch Böse. Denn nur jemand der böse war, konnte mir das antun. Vielleicht denkst du, du hast mich gerettet oder so etwas ähnliches. Die

Wahrheit ist, du hast mich entführt, hast mich in ein Haus gebracht das irgendwo in der Welt steht und hast meine Familie und Freunde verzweifelt zurück gelassen. Draußen hörte ich ein rhythmisches Geräusch, als würde jemand Boxen. Wahrscheinlich trainiertest du, damit du in Form bleibst. Ich stellte mir vor, wie du mich mit deinen Schlägen bewusstlos, vielleicht sogar Tod schlägst. Bei diesen Gedanken fröstelte es mich. Ich stand auf und sah mich in der Küche um. Sie war alt, dass konnte man an der abgewetzten Arbeitsplatte sehen. Aber sie war funktionell. Ich drehte mich in die Richtung von der das Geräusch der

Schläge kam. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, dich heimlich zu beobachten. Doch dann entschied ich mich für die sicherste Variante, zurück in mein Zimmer. Dort angekommen ging ich zu dem Fenster in der Mitte und zog den Vorhang zur Seite. Alles was ich auf dem ersten Blick sah, waren Sand, Steine, kleine Büsche und vertrocknete Bäume. Meine Augen mussten sich erst an das helle Licht gewöhnen. Die Sonne schien vom Himmel herab und verbrannte alles was sich darunter befand. In der Ferne waren sogenannte Steppen zu sehen und weiter am Horizont eine leicht grünliche Fläche, vielleicht eine Oase. Aber diese Oase

schien weit Entfernt zu sein. Plötzlich kam dein Gesicht vor dem Fenster zum Vorschein. Vor Schreck entrang mir ein kurzer, heiserer Schrei. Deine Mimik veränderte sich nicht. Du winktest mich zu dir. „Komm raus“, sagtest du und gingst Richtung Terrasse zurück. Zuerst musste ich mich sammeln. Mein Herz raste wild in meiner Brust und mein Atem ging schnell. Langsam erholte ich mich von dem kleinen Schrecken. Na gut, du wolltest also, dass ich raus kam. Aber warum? Die Antwort auf diese Frage, konnte ich nur auf einen Weg bekommen. Ich musste zu dir gehen. Ich musste den Schutz meines Zimmers, des Hauses

verlassen. Du standst reglos am Rand der Terrasse da, als ich rauskam. Die Luft fühlte sich schwül und schwer an, als wollte sie mich zerdrücken. Es hatte sicher 40°C. Ich blieb so weit wie möglich von dir entfernt stehen. Hier sah es nicht anders aus. Soweit man sehen konnte, gab es Sand, Büsche und Bäume. Vereinzelte Felsen waren hier zu sehen, oder waren es Sanddünen? Ich wusste es nicht. Mein Blick traf den Deinen. Deine tiefen blauen Augen hielten mich in ihrem Bann. „Ich wollte dir dein neues Zuhause zeigen. Ist es nicht wunderschön hier? Weit und breit keine Zivilisation. Der nächste größere Ort ist Tage entfernt.

Hier kann sich die Natur entfalten. Keine schädlichen Stoffe verschmutzen das Land oder die Luft“, als du sprachst, veränderte sich das Blau deiner Augen, es wurde flüssiger, strahlender. „Ich konnte deine Ansichten nicht teilen. Was du da sagtest, hörte sich für mich irgendwie falsch an. Ja okay, vielleicht war das Land um uns schön und gesünder als das Leben in irgendeinem Ort oder einer Stadt. Aber heutzutage kann keiner mehr hier überleben. Es war so unmöglich dieser Gedanke, dass es wieder möglich schien. „Was willst du von mir?“, fragte ich und du antwortest: „Dich. Ich will dich.“ Deine Stimme war kühl und dein Gesichtsausdruck ernst.

Ich wusste du sagtest die Wahrheit. „Aber warum genau ich?“ „Weil es niemanden sonst für mich gibt. Du hast mich ausgewählt, damals in der Schule. Du warst diejenige, die mich zuerst beachtet hat, mich wahrgenommen hat. Jeder hat mich ignoriert, versucht mich unsichtbar zu machen. Doch du hast mich richtig angesehen. Ich war für alle immer der Spinner, weil meine Eltern beide in der Klapse sind und ich bei meiner Oma lebte. Du hast mich wieder zurück ins Leben geholt.“ Und da viel mir ein, wer du bist. Du hast dich im Unterricht immer zurückgehalten, bist in der letzten Reihe in meinen Kursen gesessen. Hast alles

Still beobachtet. Jeder hielt dich für einen Freak, obwohl du gutaussehend bist. Niemand hat mit dir geredet. Ich war die einzige, die dich beachtet hat. Täglich hab ich dich auf dem Gang gegrüßt und dich ab und zu beobachtet. Ich wollte einfach höflich sein. Wollte dass du dich nicht so ausgegrenzt fühltest, wegen deiner privaten Geschichte. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, wie das ist, wenn die eigenen Eltern in einer Anstalt sind weil sie Geisteskrank sind. Deine Oma hat dich täglich zur Schule gebracht und wieder abgeholt. Nie hast du mit jemanden gesprochen. Vor gut einem Jahr ist deine Oma mit dir in eine andere Stadt gezogen

und du musstest die Schule wechseln. Es war so lange her das ich dich das letzte Mal sah, dass ich dich nicht schon vorher erkannte. Mir viel noch etwas anderes ein. Im ersten Jahr an der Highschool hast du erzählt, dass dein Opa ein Stück Land in der Wüste besitze, irgendwo in Afrika oder war es Südamerika? Ich konnte mich nicht recht erinnern. Jedenfalls hatte ich jetzt einen Anhaltspunkt wo ich war. Endlich wusste ich wer du warst. Aber eins verstand ich nicht und das war das WARUM. Plötzlich wurde mir schwindlig, alles um mich drehte sich und mir wurde schwarz vor Augen. Als ich wieder zu mir kam, lag ich in

meinem Bett. Das Licht hinter den Vorhängen schien dunkler zu werden. Ich ging davon aus, dass du mich aufgefangen hast, bevor ich auf den Boden auftraf. Anschließend hast du mich in mein Bett getragen. Vermutlich war das alle zu viel für mich. Die Erinnerung an dich und die Antwort auf meine Frage, warum ich. Meine Tür öffnete sich einen Spalt breit und du stecktest deinen Kopf herein. „Es gibt Abendessen“, sagtest du und gingst wieder. Da fiel mir ein, dass ich mich nicht erinnern konnte wie viele Tage ich schon bei dir war. Vielleicht so vier Tage. Vielleicht auch länger. Ich wusste nicht wie lange ich nach dem

Betäubungsmittel aus Gefecht gesetzt war. Mein Magen knurre und ich beschloss etwas zu essen. Auf den Weg zur Küche konnte ich den Geruch nach etwas würzigen wahrnehmen. Du hast auf dem gleichen Stuhl gesessen wie beim Frühstück. Ich nahm auf meinem Stuhl Platz. Du schobst mir eine Schüssel über den Tisch. Ich zog sie ran und roch an ihr. Es gab Reis mit einer Curry – artigen Soße. Es schmeckte richtig gut. Wir schwiegen die ganze Zeit über während wir aßen. Du hast auch nichts gesagt als du den Tisch abräumtest und dich an den Abwasch machtest. Ich stand auf und ging wieder in mein Zimmer. Kurz vor meiner Tür

hörte ich ein leises „Gute Nacht“ von dir. „Gute Nacht, Ryan“, antwortete ich dir und zog die Tür hinter mir zu. Ich ging zur Kommode und sah die Schubläden durch. In der Ersten befand sich Unterwäsche, in der Zweiten T-Shirts, in der Dritten Hosen und Jeans und in der letzten Pyjamas. Ich nahm einen der Pyjamas heraus und zog ihn mir über. Mein dreckiges Gewand schmiss ich einfach in die Ecke. Ich kroch in mein Bett und deckte mich mit dem dünnen Lacken zu. Ich schlief schnell ein. Ich träumte von daheim und von dir. Meine Träume waren wirr. Am Anfang stand ich im Wohnzimmer meiner Eltern,

doch sie nahmen mich nicht wahr. Ich schrie mit aller Kraft, versuchte die Vase auf dem Kamin umzuwerfen doch meine Hand glitt hindurch. Ich stand direkt vor meiner Mutter, doch sie sah durch mich hindurch. Meine Mutter weinte und mein Vater wirkte aufgebracht. Vielleicht haben sie gemerkt, dass ich nicht mehr zurückgekommen bin. Vermutlich haben sie die Polizei informiert und die suchten jetzt nach mir, vergeblich. Ich ging durch das Haus, sah mich um und stand plötzlich in mein Zimmer. Da hörte ich deine Stimme. „Du hast mich ausgewählt. Hast mich gefunden.“ Deine Stimme klang als käme sie von weit weg. Ich hörte ein Scharren an der

Glasscheibe des Fensters. Ich ging dorthin und als ich hinaussah, sah ich dich. Du hast auf mich gewartet, hattest die Arme nach mir ausgestreckt… Keuchend wachte ich auf. Nach dem ich mich beruhigt hatte, fiel ich in einen traumlosen Schlaf.

3. Kapitel

Mehrere Tage vergingen ohne dass irgendetwas Aufregendes geschah. Den Tag verbrachte ich im Haus oder auf der Terrasse. Du gingst hinter das Haus in ein anderes kleineres Gebäude. Das Gebäude hatte etwa die Größe einer Garage. Was du dort tust, hast du mir nicht erzählt. Du bist erst bei Sonnenuntergang wieder ins Haus gekommen um zu Kochen. Das Essen war vielleicht nicht das Beste und ausgewogenste, aber es schmeckte. Ich duschte mich am Abend und danach ging ich in mein Bett und grübelte über alles Mögliche nach. Was meine Eltern gerade

machten oder meine Freunde. Es musste der 16. Tag gewesen sein, als du zum Frühstück ein weiches Ei gekocht hattest. „Woher hast du denn das Ei?“, fragte ich erstaunt. „Na, von den Hühnern natürlich. Woher denn sonst“, du schütteltest deinen Kopf. Ich fragte dich, wo denn diese Hühner seien und du meintest: „Gleich hinter dem Haus, bei der Hütte. Dort hab ich ungefähr sechs Stück Hennen und einen Hahn. Ach übrigens, wie wäre es wenn ich dich mit deiner neuen Umgebung vertraut mache? Mit einem kleinen Spaziergang?“ „Gut“, antwortete ich, noch immer erstaunt über die Hühner. Nach fast zwei Wochen fragte ich mich

immer noch, warum ausgerechnet ich. Ich verstand das es für dich schwer gewesen sein musste, mit deiner Familie und dass du ignoriert wurdest von den anderen Schülern. Aber warum ich? Warum nicht ein anderes Mädchen? Und warum mussten wir einsam und ganz allein in einer Hütte, weit weg von jeder Zivilisation leben? Ich verstand dich nicht. Deshalb hoffte ich, auf diesen „Spaziergang“ mehr von dir zu erfahren. Wenn ich denn jemals zurückkehren würde. Also gingen wir am Nachmittag nach draußen. Du führtest mich um das Haus herum. Wir gingen auf ein paar Steinplatten die um das Haus zu führen

schienen. Vorbei an der Terrasse und Richtung Hütte gingen wir. Die Sonne stand schon etwas tiefer und verbreitete ein leicht rosiges Licht. „Ist das Licht der Sonne nicht wunderschön?“, hast du mich gefragt als du bemerkt hattest dass ich in den Westen schaute. „Ja, das ist sie“, antwortete ich dir. Ich war verblüfft, wie locker ich mit dir reden konnte, wenn ich nicht daran dachte, dass du mich Entführt hast. Die Beziehung zwischen Entführer und Entführten ist nicht immer die leichteste. Es ist kompliziert. Auf der einen Hand verabscheut man den Entführer, weil er etwas Unrechtes getan hat. Weil er mich aus meiner Welt gerissen hat, mir

Schmerzen zugefügt hat. Auf der anderen Hand versteht man ihn vielleicht ein wenig. Auch wenn es unverständlich ist, aber ich verstehe seine Beweggründe zum Teil. Du gingst voraus um das Schloss der Hütte zu öffnen. Ein leiser Klick war zu hören als es offen war. Die Tür öffnetest du, bis sie an der Wand anstand. Drinnen war es dunkel, ich konnte nichts erkennen. Auf einmal hatte ich solche Angst da reinzugehen. Meine Hände zitterten, Tränen liefen mir über die Wangen. Ich wollte doch nicht sterben. Ich dachte, du wolltest mich nicht umbringen. Doch in diesem Moment verstand ich dich. Du wolltest

nur, dass ich dir vertraue, so dass ich mit dir hierher ging und du mich umbringen konntest. Gott war ich blöd, einem Mörder zu vertrauen. Du musst gewusst haben was ich dachte, denn du hast dich vor mir gestellt. „Du brauchst doch keine Angst haben. Ich werde dir nichts tun. Da drinnen ist nur etwas das ich dir zeigen möchte. Ich werde dir nicht wehtun, ich verspreche es dir. Also wisch deine Tränen jetzt bitte weg“, sagtest du mit sanfter Stimme. Als deine Wörter deinen Mund verlassen hatten sind deine blauen Augen geschmolzen, wie Eis in der Mittagssonne. Ich konnte mich nicht bewegen um die Tränen fortzuwischen,

mein Körper war vollkommen erstarrt. Die Tränen rannen weiter meine Wangen runter, bis sie sich an meinem Kinn sammelten und runter tropften. Ich konnte deinen Worten nicht vertrauen. Ich glaubte dir nicht. Deine linke Hand streckte sich nach mir aus. Geradezu zärtlich hast du mir die Tränen von den Wangen gewischt. Deine Hand war rau und doch nicht unangenehm. Dort wo mich deine Hand berührte, wurden meine Wangen etwas rot. Noch nie zuvor hat mich jemand so sanft berührt. Wie konntest du, obwohl du böse bist, so sanft zu mir sein? Ich verstand die Welt nicht mehr. Du hast mir eine Hand auf die Schulter gelegt und führtest mich

Richtung Tür. Ich wehrte mich nicht viel. „So, jetzt werde ich dir mein ein und alles zeigen. Daran arbeite ich schon sehr lange. Nun bin ich fast fertig damit“, sagtest du als wir durch die Tür gingen. Du hast das Licht angeschaltet und nun konnte ich sehen was du den ganzen Tag machtest. In der Mitte des etwa 14m² großen Raumes befand sich etwas Großes aus Holz. Ich konnte nicht gleich erkennen, was es darstellen sollte. Die Holzplatte lag auf einen Tisch und war rechteckig. Darauf waren kleine Erhöhungen und Vertiefungen zusehen. Teilweise hast du etwas mit Farbe angemalt, aber das meiste war noch so hellbraun wie das Holz. Ich ging näher,

um es besser zu sehen. Was ich sah, ließ mich staunen. Es war eine dreidimensionale Landkarte der USA. Ich konnte das Death Valley sehen und die Rocky Mountains. Den Mississippi hast du auch eingezeichnet. Jeden einzelnen Fluss oder See war eingeritzt. Jeder Berg und noch so kleine Erhabenheiten hast du beachtet und in das Holz geschnitzt. „Das ist der Wahnsinn. Du bist wirklich talentiert. Es ist einfach wunderschön“, sagte ich etwas zu erstaunt über deine Fähigkeiten. Du hast dich direkt neben mich gestellt und hast es ebenfalls bewundert. Es war unglaublich, wozu du fähig warst. „Ja das ist es. Es hat mir auch viel Zeit geraubt, doch jetzt bin ich

fast fertig. Sind nur mehr Kleinigkeiten zu machen. Komm Hannah, ich zeig dir die Hühner“, als du die letzten zwei Wörter sagtest, drehtest du dich um und gingst zur Tür hinaus. Ich folgte dir und schloss die Tür hinter mir. Ich glaubte immer noch nicht, dass hier Hühner lebten. Nie habe ich eines Gackern gehört oder den Hahn krähen. Hinter der Hütte war ein engmaschiger Drahtzaun gespannt. Darin befanden sich tatsächlich Hühner. Jedes sah wohlernährt aus. Der Hahn befand sich in der hintersten Ecke rechts. Er sah ein wenig mager aus, aber noch nicht krank. Du hast ihnen etwas Getreide gegeben. Alle stürzten sich wild gackernd darauf.

Du hast auf etwas in der Ferne gedeutet. Es sah aus, wie eine eingestürzte Felsspitze. Als ob ein Teil vom Berg mit einem stumpfen Messer abgeschnitten worden war. „Das ist mein Lieblingsberg. Ich weiß nicht genau warum, doch er gefällt mir. Er ist nicht perfekt und trotzdem wunderschön. Er ist nicht vollkommen in seiner Schönheit, doch er zieht mich an. Wenn ich nachdenken will, komme ich hier raus und setzte mich in den Sand, oder dort drüben auf den kleinen Stein, und beobachte ihn. Mein Urgroßvater hat ihn mir gezeigt und meinte er sei etwas ganz Besonderes. Er meinte er wäre magisch. Und das hat ihm sein Urgroßvater erzählt

usw. Jeder in meiner Familie kannte die Geschichte dieses Berges, doch ich kenne sie nicht, weil mein Urgroßvater zu früh gestorben ist und keiner mir je die Geschichte weitererzählt hat. Manchmal glaube ich dass er mit mir spricht. Ich hoffe, du denkst jetzt nicht, ich sei verrückt oder so“, als du fertig warst, hast du mich angesehen, als wolltest du etwas von mir, das ich dir nicht geben kann. Ich nickte einfach. Wir gingen um das Haus und du zeigtest mir alles was du mochtest an diesen Ort. All die kleinen Dinge, wie ein Baum dessen Ast etwas durchhängte, genauso dass man sich darauf setzten konnte oder ein Stein, dessen Farbe in der Sonne zu

glitzern schien. Du hast mir von den Tieren hier erzählt. Es gab Spinne aller Art, Käfer, Skorpione, Schlangen und jede Menge Ameisen. Vereinzelt gäbe es auch Kojoten, aber die kommen nur selten in die Nähe von Menschen, meintest du. Du bist immer neben mir gegangen, darauf bedacht mich nie zu berühren, aber nah genug dass ich die Wärme deines Körpers spüren konnte. Es machte mir nichts aus. Später am Abend als die Sonne schon vollkommen untergegangen war, saßen wir noch auf der Terrasse und haben die kühle Brise genossen. Du meintest mal in der Schule, dass es in der Wüste am Tag sehr heiß werden konnte und in der

Nacht sehr kalt. Jetzt verstand ich was du meintest. Es war spürbar kühler geworden, seit dem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war. Ich fröstelte etwas, fand es aber angenehm nach dem heißen Tag. Vermutlich würde ich die Fenster in meinem Zimmer öffnen, damit die kühle Luft rein kann. Du sagtest kein Wort, die ganze Zeit über nicht. Mein Kopf schwirrte, als ich darüber nachdachte, warum ich mich nicht mehr so stark wie am Anfang gegen dich wehre. Irgendwie schien ich zu akzeptieren, dass ich jetzt hier war, mit dir. In der Schule haben wir in Psychologie das Thema Stockholm – Syndrom durchgenommen. Laut

Definition wird von den Opfern ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführer aufgebaut. Entweder durch Isolation, weil die Opfer sonst keinen haben. Oder weil sie sich von der Polizei allein gelassen fühlen, dagegen wird das Handeln des Entführers bewusster wahrgenommen und schon kleinste Zugeständnisse wie Essen, Trinken werden als große Erleichterung angesehen, das Opfer sieht den Entführer als etwas „Gutes“. Soviel wusste ich noch ungefähr. Alles traf auf mich zu. Ich wurde Entführt, lebe Isoliert mit meinen Entführer. Es ist doch verständlich, dass man irgendwie klarkommen muss. Ich kann doch nicht

mit niemanden reden, ich würde vielleicht stumm werden. Dann könnte ich nie wieder reden und wenn ich hier irgendwann in weit entfernter Zukunft gerettet werde, könnte ich der Polizei nichts erzählen. Nein, ich musste mit dir reden, es gab gar keine andere Möglichkeit. Du bist alles was ich jetzt noch habe. Jedenfalls der einzige menschliche Kontakt. „Worüber denkst du gerade nach?“ fragtest du mich und holtest mich damit aus meinen Gedanken zurück. „Über nichts Besonderes. Nur über das hier alles. Das mit der Entführung und so. Du weißt was ich meine. Ist nicht leicht für mich. Aber ich denke ich komme klar, bis sie mich

finden und wieder zurückholen“, antwortete ich dir, etwas verlegen. Du hast verwundert deinen Kopf geschüttelt. „Du kommst hier nicht mehr fort, dass ist dir doch klar oder? Ich lass dich nicht mehr los. Nie wieder“, deine Stimme war plötzlich eisern und hart. Ich war geschockt.

Schreib mir was!

4. Kapitel

Die nächsten Tage hielt ich Abstand von dir. Ich konnte einfach nicht verkraften, was du zu mir sagtest. Glaubte keines deiner Worte. Wie konntest du so nett zu mir sein und im anderen Moment warst du gefühllos wie ein Stück Granit. Deine Gegenwart erfüllte mich mit Schmerz und Unwohlsein. Die Stimmungsschwankungen, die du hast, machten es mir schwer dich einzuschätzen. Einerseits versuchtest du mir es so angenehm wie möglich zu machen und auf der anderen Seite sagst du zu mir, du lässt mich nie mehr gehen. Das ist hart alles unter einen Hut zu

bekommen. Nur zu den Mahlzeiten verlies ich mein Zimmer. Die Zeit dazwischen verbrachte ich mit lesen. Du hast mir Bücher gegeben, die wir in der Schule lesen mussten. Ich kannte sie zwar, aber so hatte ich eine Beschäftigung. Du hast nicht mehr versucht ein Gespräch mit mir zu beginnen, als ich dich anschrie und gegen deine Brust trommelte. In diesem Moment war ich so verletzt von dir. Du hast mir alle Hoffnungen geraubt die ich noch hatte. Wie sollte ich das den auch verkraften? Für immer dasselbe Gesicht und dieselbe Landschaft zusehen. Nie mehr mit jemand anderes zu reden, als mit dir? Hast du eine Antwort? Ich denke

nicht. Es fällt mir schwer, dass alles zu verkraften. Nie werde ich meine Eltern wiedersehen. Sie werden mich für Tod erklären lassen. Ich hoffe, ich bereite ihnen nicht zu viel Kummer. Es tut mir Leid, Mama und Papa. Seit einiger Zeit weine ich mich wieder in den Schlaf wegen dir. Du hast mich enttäuscht. Ich dachte, früher in der Schule, du wärst ein netter Kerl. Doch das bist du nicht. Wie naiv von mir zu denken, du würdest mich jemals gehen lassen. Falsche Hoffnungen hast du mir beschert. Ich hab das Vertrauen in die Welt verloren, wegen dir. Es war Nachmittag. Du warst draußen auf der Terrasse und hast wieder in

diesen Sandsack geboxt. Das rhythmische Schwingen war durch die Wand zu hören. Ich konnte meine mir selbst auferlegte Isolierung nicht aushalten. Alleine zu sein, war schlimmer als mit dir Zeit zu verbringen. Also lehnte ich im Türrahmen der Terrasse und beobachtete dich. Bei jedem Schlag spannten sich deine Rückenmuskulatur und deine Armmuskeln an. Sie sahen hart aus. Deine Haut war jetzt gebräunter, du musstest viel Zeit im Freien verbringen. Deine Schläge wurden härter, gezielter. Wut war in jedem deiner Grunzen zu hören. Auf was, wusste ich nicht. Jedenfalls hat es dich nicht gestört von

mir beobachtet zu werden. Es war gut, etwas anderes zu sehen als die Wände in meinem Zimmer. Auch wenn es du warst, das ich sah. Das rhythmische Schwingen des Sandsackes wurde langsamer. Deine Schläge waren nicht mehr so kräftig. Du hast auf gehört zu schlagen. Ich starrte auf deine Hände. Sie waren an den Knöcheln aufgerissen und bluteten. Du hast keine Handschuhe getragen. Das Blut ran dir an deinen Arm runter bis zum Ellbogen, dort tropfte es zu Boden. „Was machst du da?“, fragte ich dich. Langsam hast du dich umgedreht und mich angesehen. „Das mache ich wegen mir selber. Weil ich dich so verletzt habe. Es tut mir so

unglaublich leid, dass ich diese Worte habe über meine Lippen kommen lassen. Sie dich doch nur an. Du wandelst durch das Haus wie ein Geist, hast dich seit Tagen nicht mehr gewaschen. Es ist fast so, als wärst du dir selber egal. Das will ich nicht. Ich will, dass wir glücklich werden. Du und ich“, sagtest du, deine Stimme zitterte und brach am Ende ganz weg. Tränen rannen deine Wangen herab. „Wenn du wolltest, dass ich glücklich bin, dann hättest du mich, verdammt nochmal, nicht entführen dürfen! Du bist so ein Heuchler. Versuchst nur, mich um den Finger zu wickeln mit deinen Wörtern. Du bist der beste Schauspieler den ich je gesehen habe“,

sagte ich, kopfschüttelnd ging ich um das Haus und dem Berg entgegen. Ich spürte, dass du mir folgtest. Doch das war mir egal. Du hast keine Antwort gegeben. Still gingst du mir nach, so wie damals nach der Schule. Das warst doch du hab ich Recht? Ich hätte es damals schon spüren müssen. Doch wie gesagt, ich bin zu naiv. „Hannah, warte doch mal!“, hast du mir hinterhergeschrien. Ich drehte mich nicht um und antwortete dir nicht. „So warte doch!“, du lässt nicht locker. Nun wurdest du schneller, wolltest mich einholen. Ich lies es geschehen. Neben mir angelangt, hast du mich von der Seite angestarrt. Ich blieb stehen und starrte zurück. Das Blau

deiner Augen haut mich jedes Mal um. Egal wie oft ich sie sehe. Daran konnte man sich nicht gewöhnen. In diesem Moment wünschte ich mir, darin zu versinken und nie wieder aufzutauchen. Was für ein Gefühl das wohl wäre? Du studiertest mein Gesicht, jedenfalls hat es sich so angefühlt. Du kamst näher, legtest mir eine Hand an die Seite meines Halses. Ich war wie gelähmt als du mich berührtest. Ich wollte rennen doch meine Beine taten nicht wie geheißen. Dein Gesicht kam näher. Ich dachte du wolltest mich küssen, doch deine Lippen berührten mein Ohr als du mir ins Ohr flüstertest. „Hannah, ich weiß, dass ich dich zu tiefst verletzt habe. Es tut mir

leid. Ich verspreche dir, dass ich es nicht mehr tun werde.“ Ich konnte deinen Worten nicht glauben. Noch immer waren deine Lippen an meinem Ohr. Du wolltest noch etwas sagen. „Hannah? Ich weiß es ist nicht der richtige Zeitpunkt oder der richtige Ort. Aber ich liebe dich“, flüstertest du. Ich konnte nicht denken. Mein Kopf drehte sich. Du bist einen Schritt zurückgegangen und hast deine Hand zurückgezogen. Die Gefühle in meinem Gesicht spiegelten sich in deinen Augen wieder. Ich war überrascht, verletzt, traurig, ungläubig und verwundert. Obwohl verwundert und ungläubig für manche Menschen dasselbe ist, aber für

mich ist es seit diesem Moment vollkommen verschieden. Du hast gelächelt, so richtig. Ich konnte nicht glauben was du da eben gesagt hattest. Du warst der Erste, der mir seine liebe gestand. Auch wenn es noch so absurd war, du warst der Erste. Ich stand einfach da und brachte kein Wort heraus. Wie sollte ich dir antworten, wenn ich dich nicht liebe? Ich weiß nicht mal, was ich für dich empfinde. Vielleicht Hass, Verachtung. Vielleicht beides. Du hast es mir angesehen, dass ich dir nicht antworten werde. „Es ist ok, wenn du keine Antwort darauf hast. Nicht weiter schlimm. Ich bin in der Hütte, falls du reden willst oder so“, sagtest du und

drehtest dich Richtung Hütte um. Als du gegangen warst, weinte ich. Ich weinte lange und laut. Ich beruhigte mich wieder nach einiger Zeit. Ich muss länger hier gestanden haben, als angenommen, denn die Sonne begann sich zu senken. Es musste also so gegen fünf vielleicht auch schon sechs Uhr. Zeit hat seine Bedeutung für mich verloren. Es wurde einfach Tag und Nacht. Ich wachte auf, verbrachte irgendwie den Tag und ging wieder schlafen. Ich ging zur Hütte und beobachtete dich. Du hast wieder an deiner Landkarte gearbeitet. Sie sah jetzt etwas größer aus und feiner geschnitzt. Angemalt hast du

sie noch nicht, obwohl die Farben auf einem kleinen Tisch bereit standen. Ein Teil schimmerte leicht grün. Wahrscheinlich hast du schon begonnen mit dem anmalen, doch dann ist dir klar geworden das es noch nicht richtig ist. „Für was ist diese Landkarte?“, fragte ich dich leise um dich nicht zu erschrecken. „Oh, du bist ja hier. Hab dich gar nicht bemerkt. Also zurück zur Frage. Diese Landkarte, wie du sie nennst, stellt das Amerika von früher dar. Wie noch nicht so viele Menschen diesen Ort besiedelt haben. Nur die Uhreinwohner und ein Paar weiße Menschen. Doch ich weiß nicht ob es genauso ausgesehen haben muss.

Vielleicht auch anders. Aber so stelle ich es mir vor“, antwortetest du auf meine Frage. Du hast sehr distanziert geklungen in diesem Moment. Ich nickte nur, auch wenn du es nicht sehen konntest. Ich verließ die Hütte und ging zur Terrasse. Dort saß ich auf der Bank und beobachtete den Sonnenuntergang. Ich dachte an zu Hause. Ich stellte erschrocken fest, dass ich die Gesichter meiner Eltern und meiner Freunde nicht mehr hinter meinen Augen sehen konnte, wenn ich sie schloss. Das verängstigte mich etwas. Vielleicht war es normal wenn man so lange von ihnen getrennt ist. Ich wusste es nicht. Jetzt war ich schon etwas mehr als einen Monat bei

dir. Eine sehr lange Zeit, wenn die Zeit einem selber unwichtig geworden ist. Langsam schien ich zu akzeptieren, dass du mich nicht gehen lassen wirst, solange ich lebe. Doch der Tod war kein Ausweg für mich. Ich bin eine Kämpferin. Jetzt in diesen Moment, hörte ich dich lachen. Es war ein schönes lachen. Du hast noch lange gelacht. Später als die Sonne schon fast hinter dem Horizont verschwunden ist, bist du zu mir gekommen. „Wie wäre es mit einer Decke?“, fragtest du mich, weil du die Gänsehaut auf meinen Armen sahst. „Klar“, antwortete ich dir. Jetzt merkte ich erst, wie kühl es geworden war. Du kamst mit zwei Decken zurück, eine für

mich und eine für dich. Ich hab mich in die Decke eingedreht. Es gab mir das Gefühl der Sicherheit, als ich die Decke fester um mich zog. Du bist neben mir gesessen, hast mich fast berührt. Heute war ein seltsamer Tag. Du hast mich wütend auf dich gemacht, im nächsten Moment sagtest du mir, dass du mich liebst und dann warst du wieder so furchtbar distanziert und dann auch wieder nicht. Was war mit dir los? Ich hatte das Gefühl, du weißt nicht recht was du willst. Ich betrachtete dein Gesicht von der Seite. Du schieltest immer wieder zu mir runter. Du hast dich ganz zu mir gedreht und mich mit einem Lächeln angesehen. Dir gefiel was

du sahst. Dir gefielen meine dunkel braunen Augen, mein glattes braunes Haar und meine feinen Gesichtszüge, die ich alle von meiner Mutter habe. Ich konnte es in deinen Augen sehen. Du fandst mich schön, zumindest hübsch. Du schütteltest deinen Kopf und hast in die Ferne gestarrt. Es hat auf mich gewirkt, als wolltest du etwas sagen oder tun, und hast es doch gelassen. Du bist kompliziert. So undurchschaubar. Aber auch wieder durchsichtig wie Glas. Ich gähnte in diesem Moment. Ich war so müde von diesem Tag. Meine Augen fielen mir zu. Mein Kopf sank langsam auf deine Schulter. Du hast es geschehen lassen. In diesem Moment war es mir

egal. Ich wollte einfach schlafen.

5. Kapitel

Am nächsten Tag warst du zurückhaltend. Hast nur das nötigste Gesprochen. Ich wusste nicht warum. Eigentlich sollte ich diejenige sein, die nicht weiß, was sie sagen soll. Vielleicht warst du nicht der, für den ich dich gehalten habe. Vielleicht war Ryan gar nicht dein richtiger Name, vielleicht bist du jemand anderes. Wer weiß das schon. In der Schule hab ich deinen Namen auch nie gekannt. Du könntest ihn einfach erfunden haben, um mir deine wahre Persönlichkeit zu verbergen. Was weiß ich schon. Ich bin in letzter Zeit so verwirrt. Ich weiß nicht, was ich über

dich denken soll oder was ich für dich empfinden soll. Beim Frühstück hast du dich neben mich gesetzt und mich die ganze Zeit über beobachtet. Ich wollte dich schon fragen, ob ich etwas im Gesicht habe, das man anstarren muss. „Was willst du heute machen?“, hast du mich gefragt. „Weiß nicht, vielleicht einen kleinen Spaziergang“, antwortete ich unschlüssig. „Gut“, hast du gemeint. Du klangst, als hättest du schon etwas geplant und wolltest nur höflich sein. „Du musst nicht mit mir mitkommen, wenn du nicht willst. Ich kann auch alleine gehen, das ist kein Problem für mich“, sagte ich. „Nein, das kommt

nicht infrage. Du gehst nirgends alleine hin. Du kennst dich nicht aus. Was ist wenn du dich verirrst? Wer wird dich dann finden? Hier draußen ist niemand, außer uns beiden. Ich würde mich nur sorgen machen um dich. Große Sorgen“, deine Stimme klang besorgt und du hast mich während du geredet hast, die ganze Zeit in die Augen geschaut. Schon wieder hatte ich den Eindruck, dass du mehr wolltest von mir. Dein Gesicht ist für mich wie ein offenes Buch, all deine Gefühle und Sehnsüchte spiegeln sich darin. Du starrtest mich regelrecht an. Mich machte das nervös, wie deine Augen mein Gesicht musterten. Sie zogen jede einzelne Kontur, jede einzelne

kleine Falte nach. Plötzlich hast du gelacht und deinen Kopf geschüttelt. Wie ich schon einmal erwähnte, deine Stimmungsschwankungen machen es mir unmöglich dich auch nur Andeutungsweise zu verstehen, auf deine Gefühle bezogen. Du hast den Abwasch gemacht und ich trocknete das nasse Geschirr ab. Wobei ich versuchte dich weder anzusehen noch zu berühren, wenn du mir einen Teller oder ein Besteck reichtest. Als wir fertig waren, hab ich mir meine Stiefel für draußen angezogen und wartete vor der Eingangstür auf dich. Du meintest, du müsstest dich etwas frisch machen und was Neues anziehen. Ich hatte den

Eindruck, du wärst etwas nervös gewesen wegen unseren Spazierganges. Eigentlich ist es ja seltsam, dass DU nervös bist. Ich sollte an deiner Stelle nervös sein. Wer weiß, vielleicht hast planst du gerade meinen Tod. Und stellst es als Unfall hin, falls jemals wer darauf kommt. Du könntest sagen, ich wäre gestürzt und hätte mir den Hals gebrochen. Deine Schritte unterbrachen meine Gedanken. "Komm Hanna, wir gehen", sagtest du enthusiastisch. Du gingst vorraus und ich folgte dir in einigem Abstand. Langsam entfernten wir uns vom Haus, in welche Richtung konnte ich nicht sagen. Jedenfalls auf die Berge zu, von denen du mir am

Angfang erzählt hattest. Auf deinem Rücken hattes du einen Rucksack mit Proviant und einem Schlafsack. Für alle Fälle, meintest du. "Warum hast du nur einen Schlafsack für alle Fälle? Wo soll ich dann bitte schlafen?“, fragte ich dich. "Na bei mir in meinem Schlafsack", sagtest du, wobei den Grinsen breiter wurde und du mir zu zwinkertest. Ich verdrehte meine Augen und schüttelte meinen Kopf. Was du dir schon wieder einbildetest. Bevor ich mit dir einen Schlafsack teile, schlaf ich im Freien und friere. Es war noch kühl als wir losgingen. Jetzt spürte ich schon wie die ersten Sonnenstrahlen in meinem Nacken kitzeln, wie sich langsam der erste

Schweiß bildete. Erst jetzt merkte ich, dass du schon ein ganzes Stück von mir entfernt warst. Ich lief, um dich einzuholen. „Warst wohl ein bisschen zu langsam unterwegs, Hanna?!“, sagtest du, als ich schnaufen bei dir ankam. Ich musste erst zu Atem kommen um dir zu antworten. „Ich kann ja nichts dafür, dass du so schnell gehen musst. Es ist schon viel zu warm für dieses Tempo“, entgegnete ich. Du bist stehen geblieben und hast in den Himmel gestarrt. Später hast du mir erklärt, dass du keine Uhr hast und das du anhand des Sonnenstandes die Uhrzeit abschätzen konntest. „Ist doch noch nicht mal 10Uhr. Also ist es noch nicht so heiß

wie zu Mittag“, meintest du. Du bist weitergegangen und ich folgte dir nun mit weniger Abstand. Heimlich beobachtete ich dich. Dein T-Shirt war etwas feucht von deinem Schweiß und klebte dir am Rücken. Dadurch konnte ich jeden einzelnen Muskel sehen. Im Nacken sah ich eine Schweißperle die deiner Wirbelsäule zu folgen schien. Dein Hintern war nicht schlecht. So richtig knackig. Ich hatte das Bedürfnis ihn anzufassen, doch ich hielt mein Verlangen im Zaum. Du warst einfach der gut ausehenste Mann den ich kannte. Ich hatte kein Schuldgefühl, weil ich dich gutaussehend fand. Das ist einfach Tatsache.

Der Schweiß rann mir an den Schläfen hinab. Es musste Mittag sein. Das hieß, wir waren schon seit vier Stunden „spazieren“. Es kam mir eher wie eine Wanderung vor. Du hattest nicht vor eine Pause zu machen. Mein Mund war so trocken, doch du hast mich nicht trinken lassen. Du meintest, wir würden gleich eine längere Pause machen, aber zuerst mussten wir den einen Ort finden von dem du gesprochen hattest. Dieser Ort soll schattig und kühler sein. Ich bin gespannt wo der liegt. Bestimmt nicht hier in der Wüste. Eine weitere Stunde verging, bis ich etwas Grünes in der Ferne sah. Es war

bestimmt noch mehrere hundert Meter entfernt, doch ich sah es. „Ryan? Was ist das Grüne da?“ fragte ich dich und zeigte auf das Ding. „Das ist der Ort, den finden müssen. Der Ort, an dem wir eine Pause einlegen“, als du mir das sagtest, grinste ich. Pause bedeutete Wasser. Wasser bedeutete keinen trockenen Mund mehr zu haben. Wie schön. Ich ging schneller, überholte dich. Je näher es kam desto schneller wurde ich. Zum Schluss rannte ich beinahe. Dort angekommen, erkannte ich, dass das Grüne eine Art Oase war. Nur diese Oase war zu groß um einer gerecht zu werden. Vermutlich haben hier mal Menschen gewohnt, denn ich

sah ein altes Holzhaus, das schon in sich zusammen fällt. Überall war es grün und Bäume gab es auch. Ich hörte das Plätschern eines Baches. Und tatsächlich sah ich ihn durch die Mitte des Feldes rinnen. „Hier ist es so schön. So voller Leben. Manchmal komme ich einfach hierher und genieße die Natur. Früher haben hier mal einfache Bauern gelebt, bis jemand sie von diesem Stück Land verscheucht hat. Jedenfalls hat dieser jemand das Land dann alleine gelassen. Er hat sie einfach nur aus Habgier verscheucht,“ sagtest du. Ich fand es traurig, dass du mich nicht hierher entführt hast. Hier war es viel schöner, als bei dir in deinem Haus. Doch ich

konnte dir das nicht sagen, du wärst böse auf mich geworden. Du hast dich unter einen der großen Bäume gesetzt und ich mich neben dich. Deine Nähe machte mir jetzt nicht mehr viel aus. Schließlich hatte ich es akzeptiert, dass ich nie mehr von dir wegkomme. Du hast mir ein Sandwich gegeben, das total zusammen gedrückt war, und eine Flasche Wasser. Hastig trank ich die halbe Flasche leer. Ich war so durstig. Das Sandwich war okay, würde ich sagen. Jedenfalls hatte ich keinen Hunger mehr.

6. Kapitel

Ungefähr eine Stunde saßen wir so da, unter diesem Baum. Ich genoss die Landschaft und den Schatten. Denn bald gab es keinen Schatten mehr, weil du meintest wir würden wieder für Stunden unterwegs sein, bis wir zu Hause ankommen. Die Hitze war selbst im Schatten noch nicht zu ertragen. Schweiß rann mir an meinen Schläfen hinab. Eine Zeit lang hab ich dich einfach nur angesehen. Irgendwie bekam ich das Gefühl, dass du nicht mehr der von der Schule warst. Du warst viel selbstbewusster als damals. In der Schule hielten dich alle für schüchtern

und für einen Spinner. Und sie hatten Recht, das mit dem Spinner. Psychisch warst du sicher nicht normal. Vermutlich hattest du eine schwere Kindheit, da deine Eltern ja Geisteskrank sind. Es tat mir Leid für dich, dass deine Eltern dich verdorben haben. Aber das rechtfertigt noch lange nicht, dass du mich entführen musstest. Du hast mich auch angesehen. Irgendwie denke ich, dass du in mich verliebt warst. Du hast mich immer so nebenbei berührt, wenn es die Situation ergab. Es fühlte sich so an, als machtest du es nicht absichtlich. Einfach nur Zufall. In diesem Moment hast du mich angelächelt. Dein Lachen war die Bestätigung für meinen Verdacht. Du

warst in mich Verliebt. So ein Blödsinn. Der Entführer verliebte sich in die Entführte. Was für eine romantische Liebesgeschichte. Irgendwann legte ich mich ins Gras und beobachtete den Himmel. Er war so blau, keine einzige Wolke war zu sehen. Keine Flugzeugspuren. Nichts, nur blau. Du hast dich auch zu mir gelegt und starrtest in den Himmel. „Ist er nicht schön?“, fragtest du. „Ja, allerdings“, antwortete ich dir. Eine Stunde war schon vorbei, doch du machtest keine Anstalten zu gehen. Das Gras war kühl unter meiner Kleidung. Ich genoss es. Ab und zu warf ich dir einen Blick zu, um zu sehen, ob du mich beobachtest.

Natürlich hast du mich angesehen und sobald ich meinen Kopf bewegte sahst du weck. Ich schloss meine Augen. Hinter meinen Liedern war alles rötlich von der Sonne. In diesem Moment hast du die Chance genutzt und meine Hand in deine genommen. Ganz zufällig. Ich sah auf unsere Hände. Deine Hand lag oben und hielt meine Finger fest umschlossen. Ich ließ meine Hand locker und bewegte keinen Finger. Dein Daumen zeichnete Kreise auf meinen Handrücken. Dort wo dein Daumen meine Haut berührte, empfand ich ein Krippeln, so als wären tausend kleine Ameisen darüber gekrappelt. Das Krippeln breitete sich aus, wanderte meinen Arm entlang, bis

zu meiner Brust. Plötzlich schlug mein Herz schneller. Ich konnte mir das alles nicht erklären. Ich sah dich an, und als ich deinen Blick sah, wusste ich Bescheid. Du warst zu 100% in mich verliebt. Über meine Gefühle für dich, war ich mir nicht sicher. Ich durfte keine Gefühle für meinen Entführer haben. Das wär ja krank. Deine Augen hielten mich dort fest und ließen mich nicht mehr los. Langsam entzog ich dir meine Hand. Dein Blick veränderte sich nicht. Seit Tagen, vielleicht sogar Wochen, weinte ich das erste Mal wieder. Das war zu viel für mich. Du hast mich in den Arm genommen und ich ließ es zu. Für eine ganze Weile lag ich

auf deiner Brust und weinte. Als ich mich beruhigt hatte, hast du mich wieder frei gelassen und gemeint, wir müssten jetzt los, sonst würde es dunkel werden und wir müssen unter freiem Himmel schlafen. Auf halber Strecke mussten wir tatsächlich unser Nachtlager aufschlagen. Es war viel zu dunkel um weiter zu gehen. Man konnte ja fast seine eigene Hand nicht erkennen. Du hast den Schlafsack aus deinem Rucksack genommen und auf den Boden gelegt. Danach hast du das Vorzelt vom eigentlichen Zelt darüber aufgebaut. Das Zelt hattest du vergessen mitzunehmen. Mir hast du einen von deinen alten

Pullover gegeben, damit mir nicht zu kalt wird. „Wo soll ich bitte schlafen?“, fragte ich dich. „Ja, hier bei mir im Schlafsack natürlich. Außer du willst da draußen erfrieren. Es wird nämlich ziemlich kalt Hannah“, antwortetest du mir. Dabei klangst du, als würdest du mit einem sechs jährigen Mädchen sprechen. „Okay. Aber wehe du berührst mich“, warnte ich dich. Du hast den Schlafsack ausgebreitet, nun konnte ich erkennen, dass er etwas größer war als normal geschnittenen. Er war breiter, so dass zwei Personen leicht Platz hatten. Vermutlich hast du ihn selber gemacht, denn ich hatte noch nie welche gesehen. Ich zog mir den Pulli über und wartete

bis du in den Schlafsack geschlüpft warst. Es war eine große Überwindung zu dir in den Schlafsack zu steigen. Unter dem Schlafsack war es warm und kuschelig. Doch ich fühlte mich nicht wohl, denn du lagst nur wenige Zentimeter hinter mir. Ich konnte deinen Atem in meinem Nacken spüren. Mir lief es kalt den Rücken runter. Noch immer vertraute ich dir nicht zu 100%, vielleicht zu 40%. Aber das war auch schon viel. Jedenfalls hatte ich weniger Angst, dass du mich umbringen könntest. Du hättest es schon längst tun können. Du bist eingeschlafen, das merkte ich an deinem leisen Schnarchen. Irgendwie

fand ich es beruhigend, dieses gleichmäßige Schnarchen. Es war menschlich. Du bist ein normaler Mensch mit dem Unterschied, dass du eine Macke hast. Tut mir leid das so zu sagen, aber du bist krank, in gewisser Weise. All die Überlegungen brachten mich nicht zum Schlafen. Mir war einfach zu kalt. Ich zitterte am ganzen Körper. Ich wunderte mich, dass du mein Zähneklappern nicht hörtest. Meine Augen waren so schwer, dass sie mir fast zufielen, aber es war einfach zu kalt um zu schlafen. Plötzlich hast du einen Arm um mich gelegt und zu dir gezogen. Ich spürte dich überall. „Jetzt kannst du aufhören mit dem Zähneklappern“,

flüstertest du mir ins Ohr. In diesem Moment war ich dankbar dafür. Die Nacht ging zu Ende und du hattest noch immer einen Arm um mich gelegt. Ich bewegte mich keinen Millimeter aus Angst, dass ich dich wecken könnte. Die Sonne ging langsam auf. Ich konnte die ersten Sonnenstrahlen auf unserem „Zelt“ sehen. Ein neuer Tag begann, und das hieß, ein neuer Tag mit dir. Ich glaube, du bist der einzige menschliche Kontakt, den ich in meinem weiteren Leben noch haben werde. Der Gedanke, dass ich mit dir mein Leben verbringen werde kam mir gestern, als du mich in deine Arme genommen hast. Ab diesen Moment habe ich gewusst, du lässt mich

nie mehr gehen. Ich bin dein. So wie du es immer schon wolltest. Hier in dieser trostlosen Wüste werde ich sterben, vermutlich mit dir an meiner Seite. Meine Augen fühlten sich mit Tränen, die mir langsam an den Wangen runterliefen. Eine Träne tropfte auf deinen Handrücken. Du schliefst noch. Dein Atem war ruhig und ein leises Schnarchen war hörbar. In dieser Nacht hast du in deinen Träumen gesprochen. Ich weiß nicht worum es ging, doch du klangst verzweifelt. Deine Hand bewegte sich und du hast sie von mir genommen. Ich drehte meinen Kopf langsam zu dir. Du sahst mich mit deinen so unglaublich blauen Augen an. Ich drehte meinen Kopf

von dir und rutschte ein Stück weg von dir. Du hast dich auf den Rücken gedreht. „Guten Morgen, Hannah. Hast du gut geschlafen?“, fragtest du mich. „Ja, hätte besser sein können. Du?“, antworte ich dir. Ich hatte wirklich gut geschlafen, so gut wie schon lange nicht mehr. Aber ich konnte dir das nicht sagen, sonst hättest du dir darauf was eingebildet. „Das war einer der schönsten Nächte in meinem Leben“, hast du gesagt. Ich nickte einfach. Darauf eine Antwort zu geben wäre nicht die beste Idee gewesen. Du meintest wir sollten aufbrechen, bevor es zu heiß werden würde. Du hast das Zelt und den Schlafsack wieder eingepackt und wir

gingen los. Den Pulli von dir behielt ich noch an. Es war noch frisch. Schweigend setzten wir unseren Weg zurück fort. Die Sonne stieg immer weiter in den Himmel. Irgendwann zog ich mir deinen Pulli aus und hab ihn mir um die Hüften gebunden. Stunden später kamen wir endlich bei deinem Haus an. Die Wanderung zurück hatte sicher drei Stunden gedauert. Als erstes setze ich mich auf die Terrasse und genoss die Ruhe wenn du nicht bei mir warst. Egal ob wir reden oder nicht, deine Anwesenheit ist immer mit Geräuschen verbunden. Ich war so erschöpft von unserem „Spaziergang“, dass ich sicher zwei Tage

verschlief. Schlafen, war mein einziger Gedanke an diesen zwei Tagen. Du hast gemeint, dass wäre normal. Dir würde es nicht viel anders gehen. Am dritten Tag ging es mir schon besser, die Müdigkeit war nicht mehr so stark. Zum Frühstück hast du wieder diese Brötchen gemacht, die so gut schmeckten. Ich aß so viel wie ich konnte. Du hast mich angestarrt. „Was ist?“, hab ich dich mit vollem Mund gefragt. „Nichts. Es wundert mich nur, dass du so viel Hunger hast. Es tut mir leid, was ich vor drei Tagen in der Wüste erzählt habe. Ich glaub es war einfach zu heiß und ich hab nur Blödsinn geredet. Hab es nicht so gemeint, wie es geklungen hat“, hast du mir geantwortet.

Ich war nicht wirklich überrascht über deine Entschuldigung. Es musste so kommen. Du hast gemerkt, dass ich nicht so reagiert hatte wie du wolltest und hast es zurückgenommen. Du warst ein richtiger Feigling. Deine Augen haben dich verraten. Das tiefe Blau deiner Augen ist wie ein offenes Buch für mich. Jede noch so kleine Gefühlsregung ist darin sichtbar. Ich hielt dich mit meinen Augen fest, sodass du nicht wegschauen konntest, bevor ich nicht wegsehe. Ich hab dir angesehen, dass es dir unangenehm ist, wenn ich dich so anstarre. Anders kann ich es nicht beschreiben. Ich starrte einfach in deine Augen und nahm sonst absolut nichts

wahr. Irgendwann hab ich dann meinen Blick von dir abgewendet, weil ich nicht das sah, was ich sehen wollte. Und das war Reue. Aufrichtige Reue für das was du mir angetan hast. Die Zeit verging, Tage zogen vorüber wie nichts. In den meisten Tagen beobachtete ich dich einfach oder las eines der Bücher die du mir gabst. Wir redeten nur das nötigste und du distanziertest dich immer mehr von mir. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass du es auch merktest, dass es ein Fehler war mich herzubringen. Vielleicht bereutest du es bereits. Ich hoffte es. Hoffnung baute sich in mir auf während du dich immer weiter von mit entferntest.

Hoffnung, dass du mich wieder zurückbringen würdest. Du berührtest mich nicht mehr, auch nicht mehr zufällig. Irgendwas ging in dir vor, vor dem ich Angst hatte. Ich muss zugeben, ich hab vor dir Angst, ein wenig.

7. Kapitel - Ryan

Ich bin so bescheuert. Wirklich. Nur weil ich mich in Hannah verliebt habe, entführe ich sie gleich. Das kann nur einem Dummkopf wie mir einfallen. Aber ich wollte mit ihr alleine sein. Niemand sollte sie mir wegnehmen. Meine Vergangenheit war nicht gerade der perfekte Start ins Leben. Meine Eltern sind in der Klapse und meine Oma hat mich immer nur bevorzugt. Irgendwann war ich für alle der Spinner. Kein Mädchen interessierte sich für mich. Weil ich nicht der coole Footballspieler bin, in das sich jedes Mädchen verliebte. Na gut, ich bin nicht so unschuldig. Ich

habe schon einige Vorstrafen von denen niemand etwas wusste, außer meine Oma. Ich habe wegen Diebstahl, Einbruch und leichte Körperverletzung vor Gericht verantworten müssen. Kam aber immer mit einer Bewährungsstrafe davon. Da liegt es nicht weit, einen Menschen der Freiheit zu berauben. Nur ein kleiner Sprung vom Brett und man war auf der anderen Seite. Der bösen Seite. Ein Teil von mir mag böse sein, aber im Grunde bin ich gut. Nur eine Kurzschlussreaktion lies mich so handeln. Vielleicht will es keiner wissen aber ich erzähle euch meine Geschichte. In Highschool war alles okay. Ich lebte zwar bei meiner Oma aber mir ging es

nie schlecht. Ich hatte Freunde die sich mit mir Unterhalten haben und mit mir was unternahmen. Mädchen waren auch nicht immer von mir abgeneigt. Es schien gut zu laufen, bis jemand meine Vergangenheit herausfand. Meine Wahre. Ich hatte allen erzählt dass meine Eltern bei einem Autounfall gestorben sind und dass ich seit meinen 10 Lebensjahr bei meiner Oma lebte. Irgendjemand muss es herausgefunden haben und hat es gleich jeden erzählt. Danach war ich der Spinner, dessen Eltern Geisteskranke sind. Meine Freunde wendeten sich von mir ab. Lehrer beäugten mich seltsam. Nur eine Person lächelte mich am Flur noch an. Hannah. Sie hat mich gefunden

und aus meinem tiefen schwarzen Loch meiner Seele an die Oberfläche gebracht. Manchmal haben wir uns höflich unterhalten, nie zu tief gehend. Doch ich konnte sehen, dass sie mich nicht verurteilte wegen meiner Vergangenheit. Für sie war ich einfach Ryan. Meine Oma musste ihre Wohnung aufgeben weil sie zu teuer war und ich musste mit ihr mit. Wir zogen weit weg, so weit dass ich auf eine neue Highschool gehen musste. Das war ein Jahr vor meinem Abschluss. Hannah war einige Klassen unter mir. Es war hart sich wieder neu einzugewöhnen. Das einzig Positive war, niemand kannte meine Vergangenheit, doch ich fand trotzdem nicht viele

Freunde. Ich konnte keinem mehr vertrauen. Die Mädchen versuchten es immer wieder bei mir, doch mein Herz war bei Hannah. Sie war mein Lebenselixier. Doch ich konnte sie nicht sehen, Meilen trennten uns. Als ich den Abschluss in der Tasche hatte, fuhr ich zu dem Haus meines Onkels. Er war schon vor langer Zeit verstorben. Sein Haus, besser gesagt Hütte, lag mitten in der Wüste. Keine Ahnung was er daraus machen wollte. Vielleicht hatte er die Irrsinnige Idee hier draußen zu leben. Meine Idee war es. Ich wollte hier mit ihr leben. Nun musste ich alles Vorbereiten. Ich kaufte Vorräte ein für die nächsten Jahre. Reis, Nudeln alles

was nicht verderben konnte. Trockenfleisch, Getreide, Trockenfürchte. Alles was mir einfiel kaufte ich und packte es in Holzkisten die im Lagerraum platz fanden. Kleidung für Hannah in ihrer Größe, Hygieneartikel, Duschutensilien und noch vieles mehr was eine Frau alles braucht. Hühner brachte ich auch zu der Hütte für frische Eier und vielleicht könnte ich mal eines Schlachten um frisches Fleisch zu haben. Wer weiß, dachte ich mir. Als alles vorbereitet war, lauerte ich Hannah auf und entführte sie. Das Betäubungsmittel war zu stark dosiert, ich hatte Angst dass sie nicht mehr wach wurde. Sie war ganze 2 Tage

ausgeknockt von dem Mittel. Als sie sich durch das Haus schlich hab ich sie beobachtet. Das erste Mal als ich ihr gegenüber stand, spürte ich dass sie Angst vor mir hatte. Sie hat mich nicht angesehen, starrte nur auf meine Schuhe oder auf meine Beine. Mein Gesicht mied sie. Ich war mir sicher, sie wusste wer ich bin, als ich sie das erste Mal ansprach. Nur ihr Gehirn verarbeitete die Informationen zu langsam. An diesen einen Tag als sie mich das erste Mal ansah, sah ich erstaunen ihn ihrem Gesicht und irgendwie Erleichterung. Erleichterung vermutlich weil sie mich kannte. Ihre Augen musterten mich. Ich hatte das Gefühl sie sah direkt in meine

Seele. Sie wusste ich würde ihr nicht wehtun und dass sie keine Angst vor mir haben brauche. Aber ich konnte es ihr immer ansehen, dass sie Angst vor mir hatte. All die Tage die wir miteinander jetzt schon verbracht haben, spürte ich ihre Angst. Nie konnte sie sie ganz unterdrücken. Diese Tage in der Wüste auf unserem Spaziergang waren die schönsten. Ich konnte sie während sie schlief im Arm halten, sie fühlen und riechen. Das mit dem „ Ich liebe dich“ ist mir einfach so rausgerutscht und ich verstand ihre Reaktion. Ich musste es zurücknehmen. Als ich es tat, wusste ich, dass ich sie verloren hatte. In den darauffolgenden Tagen hab ich mich von

ihr distanziert. Ich wollte ihr Raum lassen und Zeit. Doch ich hielt es nicht länger aus. Ich musste sie überzeugen dass ich der Richtige für sie bin. Wie würde mir noch bestimmt einfallen.

8. Kapitel - hannah

6 Monate später


Ryan und ich haben uns aneinander gewöhnt. Einmal im Monat nimmst du mich mit ins nächst gelegene Dorf um Lebensmittel zu besorgen. Einmal hast du mir sogar Geld gegeben, damit ich mir meine Lieblingssüßigkeiten kaufen konnte. Ich genieße die Zeit im Dorf. An Abhauen hab ich noch nie gedacht und es auch nie versucht. Für diesen Ausflug ins Dorf benötigen wir den gesamten Tag. Wir fahren los bevor die Sonne aufgeht und kommen heim wenn es wieder dunkel ist. Ja, ich nenne diese

Hütte in der Wüste mein Zuhause. Die Nächte sind noch immer das Schlimmste für mich. Denn da bin ich einsam. Du schläfst in deinem Raum und ich in meinem. Du hast nicht mehr versucht mir nah zu kommen und berührst mich nur selten. Manchmal sehne ich mich nach einer Umarmung oder einer einfachen Berührung. Einmal bin ich auf dich zugegangen und hab dich einfach umarmt. Unter meiner Umarmung hast du dich total versteift und bist einen Schritt zurückgegangen. Seit dem hab ich es nicht mehr getan. Heute ist ein guter Tag. Ich stehe am Herd und koche. Die Hauptspeise besteht aus frischem Hühnerfleisch mit

Kartoffeln. Als Nachspeise mach ich eine Topfencreme mit Früchten. Ryans Lieblingsessen. Ich decke den Tisch als ich die Tür ins Schloss fallen höre. Deine Schritte sind schnell und laut. Die Haare in meinen Nacken stellen sich auf und ein Schauer läuft mir dem Rücken runter. Dr legst deine Hände auf meine Hüfte und drehst mich um. Ich sehe zu dir hoch. Deine Augenlieder sind gesenkt als du auf mich herabblickst. Die linke Seite deines Mundwinkels ziehst du nach oben zu einen schiefen Grinsen. Ich kann nicht denken. Mein Blick ist auf deine Lippen geheftet. „Ich hab es fertig gestellt“, sagst du. Ich schüttle meinen Kopf und lächle. Ryan meint damit seine

Landkarte oder wie er das nennt. Nach Monaten an harter Arbeit hast du es endlich fertig. Deine Hände drücken meine Hüften als du mich an dich ziehst. Ich schling meine Arme um deinen Hals und drücke mein Gesicht an deine Brust. „Ich freu mich für dich. Nach dem Mittagessen musst du es mir zeigen“, sage ich leise. Ich löse mich von dir und geh an den Herd um nach dem Fleisch zu sehen. Heute hast du mich berührt und mich umarmt. Ein guter Tag. Das Fleisch ist fertig und ich nehme es aus der Pfanne und richte es zusammen mit den Kartoffeln auf den Tellern an. Ryan nimmt sich seinen Teller und stellt es vor sich auf dem Tisch. Ich setze mich

hin und fange an zu essen. Wir essen leise. Ryan wäscht die Teller ab und stellt sie zurück in die Vitrine. Ich wische den Tisch ab und warte dann auf dich bei der Tür. Du gehst auf mich zu, nimmst meine Hand in deine und ziehst mich zur Hütte. Meine Hand fühlt sich so klein in deiner großen, rauen Hand an. Du öffnest die Tür und machst das Licht an. In der Mitte des Raumes steht die Karte. Sie ist angemalt und sieht wunderschön aus. Ich kann es nicht beschreiben. Es ist farbenfroh und detailgenau. „Wow. Es ist wunderschön, Ryan“, sage ich und dreh mich um. Dein Blick ist auf mich geheftet. Ich habe so ein komisches Gefühl im Bauch. Es fühlt

sich an, als hätte ich mich verliebt, aber das darf ich nicht. Ich darf und kann mich nicht in meinen Entführer verlieben. Deine Hand bewegt sich vor meinen Augen. „Hannah? Wo bist du mit deinen Gedanken?“, fragst du mich mit einem belustigten Ton. Ich schüttle meinen Kopf und sage dir, das ich nur an was denken hab müssen. Du zuckst deine rechte Schulter und lächelst mich verschmitzt an. Später am Nachmittag sitze ich auf der Terrasse mit einer Tasse Tee in der Hand. Du hast sich zu einem Nachmittagsschläfchen hingelegt. Ich lass meine Gedanken schweifen und irgendwann gelangen sie wieder zurück

zu dir. Du warst der, der mir in der High School geholfen hat. Vielleich weißt du es nicht mehr, aber an diesen einen Tag, hast du vermutlich mein Leben gerettet. Ty war ein arroganter, aggressiver Typ in meiner Klasse. Seine Eltern sind super reich und er dachte er hätte alle Freiheiten. Zu diesen Freiheiten gehörten anscheinend auch, dass er uns Mädchen schlagen durfte bzw. an Stellen berühren dürfe, an denen man nicht berührt werden wollte. Eines Tages kam Ty mir im Gang entgegen, drückte mich an die Wand und fuhr mit seiner Hand an der Innenseite meines Oberschenkels hinauf. Ich versuchte mich zu befreien aber er hielt meine beiden Hände fest. Ich schrie

und schrie. Ich bettelte ihn an mich loszulassen. Du kamst um die Ecken und hast ihn bei der Schulter gebackt, ihn von mir losgerissen und gemeint wenn er jemals wieder ein Mädchen gegen ihren Willen anfasst wird er nicht so leicht davonkommen. Seit diesem Tag, hat er nie mehr ein Mädchen angefasst oder auch nur angesehen. Ich bin dir dankbar. Du weißt vermutlich gar nicht, dass ich das Mädchen war. Das Geräusch von knarrendem Holz reist mich aus meinen Gedanken. Ich stehe auf und strecke mich. In der Küche stelle ich meine Tasse in das Spülbecken und setzte mich auf die Couch. Deine Tür geht auf und du kommst mit einer Gitarre in der Hand

raus. Ich liebe es wenn du spielst. Du setzt dich neben mich hin und legst die Gitarre in deinen Schoß. Deine Finger gleiten über die Gitarrensaiten. Leise Töne erfüllen den Raum. Du fängst an, dein Lieblingslied >Everything< von Lifehouse zu spielen. Deine Stimme ist tief und rau. Ich könnte dir stundenlang zuhören. Du hast mir vor drei Monaten erzählt, dass du Gitarre spielen kannst und auch ein bisschen singen. Ich war so neugierig und bettelte dich richtig an. Seit dem höre ich dir jeden Tag zu. Manchmal höre ich dich in der Nacht, wie du auf der Gitarre einen neuen Song übst. Wenn du singst, bist du wunderschön. Nicht nur von außen,

sondern auch von innen. In diesen Momenten will ich für immer mit dir zusammen sein und Tag und Nacht deine Stimme hören. Aber das geht nicht. Denn eines Tages werde ich von hier entkommen und dann werde ich deine Stimme, deine Wunderschönen blauen Augen und dich als Ganzes nie mehr wiedersehen. Ich werde laufen und mich verstecken. Wenn ich das nicht tue, werde ich hier, mit dir, den Rest meines Lebens verbringen. Und das will ich nicht. Ich will zurück in mein altes Leben und zu meiner Familie. Aber egal was ich auch versuchen werde, ich werde nie ganz von dir weg kommen. Ein Teil von dir, wir immer bei

mir bleiben. Das macht mir Angst. 


Tränen rollen meine Wangen hinunter. Du hörst auf zu singen und siehst mich an. Mit dem Daumen wischt du mir die Tränen aus dem Gesicht. Deine Hand verweilt für einen Moment auf meiner Wange und dann ziehst du mich auf deinen Schoß und ich weine und weine, so lange bis ich einschlafe vor Erschöpfung.

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Über den Autor

MissM
Schreiben ist ein großer Teil von mir. Es hilft mir schwierige Momente zu bewältigen und ist für mich ein Stress abbau. Es ermöglicht mir meiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Und es ist eine guter Ausgleich zur Schule und Arbeit.

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JJ1968w Ich war schwer beeindruckt, du hast da wirklich eine sehr außergewöhnliche Geschichte geschrieben. Gefällt mir sehr gut!
LG JJ
Vor langer Zeit - Antworten
MissM Re: -
Zitat: (Original von schnief am 06.05.2013 - 19:59 Uhr) Bin gespannt, wie es weiter geht, sehr flüssig geschrieben


Danke! :) lg
Vor langer Zeit - Antworten
schnief Bin gespannt, wie es weiter geht, sehr flüssig geschrieben
Vor langer Zeit - Antworten
MissM Re: Du -
Zitat: (Original von Julietta am 28.02.2013 - 12:46 Uhr) Mit *Du* hast du eine große Spannung in deinen Roman gebracht..
nach lesen der ersten Zeilen, machte ich mir sogleich Gedanken über die Person, die du *Du* nennst
auf jeden Fall werde ich noch weiter lesen, um das Geheimnis um *Du* zu lüften ;)
Lg Julietta


Hey!
Danke! Hoffe dir gefällt wie es weitergehen wird!
lg Marion
Vor langer Zeit - Antworten
Julietta Du - Mit *Du* hast du eine große Spannung in deinen Roman gebracht..
nach lesen der ersten Zeilen, machte ich mir sogleich Gedanken über die Person, die du *Du* nennst
auf jeden Fall werde ich noch weiter lesen, um das Geheimnis um *Du* zu lüften ;)
Lg Julietta
Vor langer Zeit - Antworten
MissM Re: -
Zitat: (Original von Frieda08 am 19.02.2013 - 20:28 Uhr) Ich bin gespannt was es mit der Landkarte auf sich hat. Kommt die noch zum Einsatz? ;) Lieben Gruß und weiter so!!! :)


Hey,
vermutlich schon. Ich lass mich überraschen was noch auf mich zu kommt. Aber geplant hab ich´s schon, dass sie nochmal vorkommt!

Liebste Grüße, bis bald
Vor langer Zeit - Antworten
MissM Re: -
Zitat: (Original von Vania am 19.02.2013 - 19:59 Uhr) Du kannst die Sympathie von Melanie mit Ryan mit dem Stockholm-Syndrom erklären (S 22).
Die Gründe sind für Außenstehende dann zwar immer noch schwer zu verstehen, jedoch ist es einfach ein psychologischer Aspekt und die sind oft leichter zu akzeptieren.

MfG Vania :)




An das Stockholm-Syndrom hab ich auch schon gedacht, gute Idee.
Liebe Grüße
Marion
Vor langer Zeit - Antworten
Frieda08 Ich bin gespannt was es mit der Landkarte auf sich hat. Kommt die noch zum Einsatz? ;) Lieben Gruß und weiter so!!! :)
Vor langer Zeit - Antworten
Vania Du kannst die Sympathie von Melanie mit Ryan mit dem Stockholm-Syndrom erklären (S 22).
Die Gründe sind für Außenstehende dann zwar immer noch schwer zu verstehen, jedoch ist es einfach ein psychologischer Aspekt und die sind oft leichter zu akzeptieren.

MfG Vania :)
Vor langer Zeit - Antworten
MissM Re: -
Zitat: (Original von Frieda08 am 15.02.2013 - 09:30 Uhr) Sag, wird das ne Art Roman, oder zählt deine Geschichte als Kurzgeschichte? :) Liebsten Gruß


Hi,
da bin ich mir noch nicht sicher. Zurzeit hat mich meine Muse verlassen. Aber ich glaube es wird eine Art Roman werden.

Lieben Gruß
Vor langer Zeit - Antworten
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