Kurzgeschichte
Herbstgedanken

Auf dem ausgekühlten Waldboden liegen die wunderschön rot und gelb gefärbten Herbstblätter mit dem Blick auf die teilweise noch grünen Geschwister an den Ästen und Zweigen ihrer Blattfamilie.

Das eine, fast ganz rote machte sich gerade Gedanken darüber, weshalb es nicht kräftig genug gewesen war, sich festzuhalten als es vom letzten Sturm überrascht wurde. Es fragte die grünen noch am Baum verbliebenen Blätter: "Wie habt ihr das nur gemacht".

Wobei die Antwort auf diese Frage völlig unsinnig war, denn zurück auf den Baum kam das Blatt dadurch nicht. Bei dieser Erkenntnis weinte das Blatt eine Träne, um seine Frische ein wenig zu verlängern 

Sieh dich um, riefen die grünen Blätter, während wieder eines von ihnen zu Boden ging, rund um dich herum liegen viele, denen es viel schlechter geht als dir, sie liegen dort schon so lange, daß sie braun, vertrocknet und verschrumpelt sind.

Das fast rote Blatt wollte aber das Elend um sich herum genau so wenig ansehen, wie die grünen Blätter etwas vom Sterben der Natur wissen wollten.

Just in diesem Moment hob ein Spaziergänger das rote Blatt vom Boden auf und streichelte es mit den Worten:" Was für schöne Farben der Herbst hervorbringen kann, es ist eine schöne bunte Jahreszeit."

Das rote Blatt hatte sich gerade wohlig in der warmen Hand zusammengerollt und wollte darüber nachdenken, ob es die rote Farbe wohl entwickelt hatte, um einem Menschen die Freude an der Farbigkeit der Natur zu schenken, als der Mensch es wieder mit den Worten fortwarf: "aber es hat schwarze Flecken und riecht nach Moder und Vergänglichkeit".

Die letzte Berührung, die letzte Hoffnung auf Beachtung schenkte dem roten Blatt die Gnade des Vergessens und es wurde braun.

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