Romane & Erzählungen
Was von der Seele übrigbleibt

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"Was von der Seele übrigbleibt"
Veröffentlicht am 14. Oktober 2012, 212 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

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Was von der Seele übrigbleibt

Was von der Seele übrigbleibt

Beschreibung

Ein schon in seiner Kindheit schwer traumatisierter junger Mann kämpft verzweifelt um seinen Platz im Leben. Seine Erlebnisse im Bürgerkriegsland Somalia ändern seine Sicht auf die Menschen und das Leben grundlegend. Roman mit stark autobiografischen Zügen.

Vorwort

Es ist das Dilemma eines jeden Soldaten, dass er sich im Grunde seines Herzens nichts sehnlicher wünscht als Frieden. Und weil er eine Spur von Leid, Tod und Verwüstung hinter sich lässt, führt er erbarmungslos Krieg gegen alles, was er liebt.

  

 "Anders gesagt: Hunger, Seuchen, Durst und andere armutsbedingte Lokalkonflikte zerstören jedes Jahr fast genauso viele Männer, Frauen und Kinder wie der Zweite Weltkrieg in sechs Jahren. Für die Menschen der Dritten Welt ist der Dritte Weltkrieg unzweifelhaft in vollem Gang."

Jean Ziegler: Die neuen Herrscher der Welt.


                                                                                    

 

 

                                                                                Prolog                                                                      




Außer dem tausendfachen Zirpen der Grillen, einem leichten Wind, der Verwesungsgeruch aus der Ferne herantrug und dem beinahe unwirklichen Sternenhimmel, der sich über Ihm ausbreitete, gab es in dieser Dunkelheit nichts, das wirklich wahrnehmbar gewesen wäre. Aber er wusste es. Sie waren da. Irgendwo hinter dem Marulabaum, dessen gewaltige Silhouette sich in einiger Entfernung im schwachen Mondlicht gegen den Nachthimmel abzeichnete, waren sie und trachteten ihm genauso nach dem Leben, wie er ihnen. Die Fahrzeuge seiner kleinen Einheit hatten sie, gut getarnt, weit zurückgelassen und nur das mitgenommen, was sie wirklich brauchten. Waffen, Munition, Wasser und ein paar Medipacks. Jetzt lagen sie hier schon seit Stunden und beobachteten das Lager, das sich ungefähr 600 Meter in nördlicher Richtung vor ihnen befand, durch ihre Nachtsichtgeräte und Infrarot-Zielfernrohre. Gegenüber bewegte sich nichts, nur Fahrzeuge und ein paar Zelte waren zu erkennen. Wahrscheinlich fühlten sich die Männer da drüben absolut sicher und schliefen. Sie hatten keine Ahnung von dem, was auf sie zu kam. Er hoffte, dass all seine Vorbereitungen und taktischen Manöver richtig gewesen waren und er und seine Kameraden das Überraschungsmoment auf ihrer Seite hatten. Und auch die schmale Mondsichel mit ihrem fahlen Licht machte ihm Hoffnung. Bei Vollmond wären sie hier draußen in der Savanne Zielscheiben. So aber waren sie nahezu unsichtbar.
Während sie sich vorsichtig Meter um Meter weiter vorwärts arbeiteten, lauschte er immer wieder angespannt in die Dunkelheit, um jedes noch so ungewöhnliche Geräusch aufnehmen und orten zu können. Aber alles, was er hörte, war das Atmen seiner acht Kameraden und ein leises, verräterisches Rascheln des dürren Grases, wenn einer von ihnen seine Lage änderte, um einen Stein, einen Busch oder einen trockenen Ast zu umgehen. Auch die Geräusche der Nacht ließen keinen Schluss darauf zu, dass sich in ihrem Umkreis irgendetwas unbemerkt bewegte. Die Zikaden sangen ihr eintöniges Lied und dieses eigentümliche Geräusch erfüllte die Nacht. Jede unvorsichtige Bewegung ließe sie sofort verstummen und so konnte er einigermaßen sicher vor unliebsamen Ãœberraschungen sein. Die Hitze des Tages war mit dem Sonnenuntergang gegangen und allmählich breitete sich eine angenehme Kühle aus. Er liebte diesen Ãœbergang vom Tag zur Nacht, die kurze Dämmerung und das unwirkliche Farbenspiel, dass das Land verzauberte und immer mehr an Intensität gewann, je tiefer die Sonne sank. Fast schien es, als ob die ganze Natur in der folgenden Kühle aufatmete, befreit von der drückenden Hitze des Tages. Wenn jetzt noch der Wind drehen würde“ dachte er, „und diesen unerträglichen Gestank von uns wegtragen würde, wäre es hier fast romantisch“. Als sie sich endlich bis auf 400 Meter dem Lager genähert hatten, ließ er seine Männer halten. Mittlerweile war es Nacht geworden. So einen Sternenhimmel wie hier in Afrika hatte er noch nie gesehen, und unter anderen Umständen hätte er wohl stundenlang auf dem Rücken gelegen und in den Nachthimmel gestarrt, wie er es als Jugendlicher zu Hause oft getan hatte. Die Sterne hier schienen zum Greifen nahe, sie leuchteten viel heller und intensiver als in Europa. Fast schien es, als könnte man sie einfach von diesem schwarzen Himmel, der wie ein Samttuch über ihnen ausgebreitet war, herunter pflücken. Auch die Sternbilder waren andere und anfangs hatte er Schwierigkeiten, sich an ihnen zu orientieren. Er verließ sich aber sowieso lieber auf Karte und Kompass, sofern es gute Karten von den Gegenden gab, in denen sie eingesetzt wurden. Viele Sachen lagen einfach im Argen, und wenn er etwas zu sagen gehabt hätte, wären ihre Einsätze besser geplant und vorbereitet gewesen. Im Zeitalter der Satelliten musste es doch möglich sein, den Männern, die die Drecksarbeit machen sollten, wenigstens gute Karten zur Verfügung zu stellen. Aber von den alten Herren die am grünen Tisch, in klimatisierten Containern über Menschenleben entschieden, musste ja auch keiner hier draußen in der Scheiße liegen.

Immer wieder tastete er nach seiner Waffe, obwohl sie noch an derselben Stelle neben ihm lag, an der er sie abgelegt hatte. Er prüfte, ob die Positionen die er und seine Männer für den Angriff gewählt hatten, optimal waren. Seine Lunge schrie nach einer Zigarette, aber die Glut konnte man bei dieser Dunkelheit wirklich kilometerweit sehen. Schnell unterdrückte er den Gedanken daran, wie wohltuend jetzt ein tiefer Zug wäre. Seine Gedanken kreisten wieder um eine Sache, die ihm seit längerer keine Ruhe mehr ließ. Immer wieder fragte er sich, wie um alles in der Welt er in diesen Schlamassel hineingeraten konnte.

 

erstes Kapitel

Eigentlich begann das ganze Dilemma mit dem Tag seiner Geburt. So angestrengt er auch darüber nachdachte, es fiel ihm einfach nicht eine Begebenheit aus seiner Kindheit ein, die er mit dem Begriff „glücklich sein“ in Verbindung bringen konnte. An das Gesicht seiner Mutter erinnerte er sich nicht mehr. Sie hatte ihm nicht die Chance gelassen zu erfahren, was Mutterliebe ist. Auch einen wirklichen Vater gab es für ihn nicht, jeder auf der Straße hätte es sein können. Seine Brüder und seine Schwester wurden ihm genommen, bevor er überhaupt die Möglichkeit hatte, sie richtig kennenzulernen und das, was er an Erfahrungen und Erinnerungen aus fernen Kindertagen mitnahm, war eine Mischung aus unvorstellbarer Traurigkeit, Angst und Wut. Was seine Mutter damals wirklich dazu veranlasste, ihre Kinder aufzugeben und zu den Großeltern zu bringen, hat er nie richtig erfahren. Alles, was er darüber wusste, hatte ihm seine Großmutter erzählt, als er sie einst nach 15 Jahren wiedersah. Sie hätten es vielleicht verdient, doch sie durften nicht lange bei den alten Leuten bleiben. Eines Tages, im Morgengrauen, als sich der Großvater gerade auf den Weg zur Arbeit machen wollte, stand die Polizei vor der Tür und holte die vier Kinder ab. Ohne viel Federlesen wurden sie frühmorgens im Schlafanzug in ein großes schwarzes Auto gesetzt, egal wie sehr sie auch schrien und sich wehrten. Ein Polizist hielt die Großmutter fest, der andere forderte neugierige Passanten auf, weiterzugeben. Lange war das einzige, was ihm von seiner geliebten Großmutter blieb die Erinnerung, wie sie in ihrer bunten Kittelschürze weinend auf der Straße stand, dem davonfahrenden Auto mit den 4 Kindern mit einem großen Taschentuch hinterherwinkte und dann zu Boden sank. Als er sich viele Jahre später mit ihr darüber unterhielt sagte sie „das kannst du doch gar nicht wissen, du warst noch so klein damals“ Aber er wusste es. Genauso war es. Er hatte es gesehen. Alles, was er bis dahin hatte, alles was er liebte, war von einem Augenblick zum anderen nicht mehr da, und das einzige, was ihm blieb, waren seine Geschwister. Aber niemanden kümmerte es damals ernsthaft, wie es mit den Kindern weitergehen sollte, die wie Kletten aneinander hingen. Er wurde von seinen Geschwistern getrennt. Erst verschwand das Schwesterchen, dann war plötzlich der kleine Bruder nicht mehr da und zuletzt wurden er und sein großer Bruder auseinandergerissen. Nicht vom Schicksal, sondern von Menschen.

Er war auf einmal mutterseelenallein, voller Sehnsucht, Misstrauen und Angst. Seine Kinderseele verkraftete das nie. Für ihn begann eine Reise, die wahrscheinlich nie zu Ende gehen würde. Es war ein Trauma, das ihn bis heute nicht losließ und ihm manchmal die Tränen in die Augen trieb.

 

Er war in Kinderheimen aufgewachsen, die diese Bezeichnung nicht verdienten und wurde in die Obhut von Menschen gegeben, die ihn mehr verletzten als erzogen. Niemals kam er zur Ruhe oder fühlte sich irgendwo zu Hause, da er selten länger als ein paar Wochen an einem Ort lebte. Er wurde von einem Heim zum nächsten geschickt, war überall „der neue“, der sich einzuordnen hatte und meistens Schuld und Prügel bekam, wenn die anderen Kinder etwas ausgefressen hatten. Es gab für ihn keine Freunde, keine Spielkameraden, nicht mal ein eigenes Spielzeug. Irgendwann vertraute er niemandem mehr, keinem Erwachsenen, keinen Kindern, nur noch sich selbst. Er zog sich zurück in seine eigene, innere Welt. Es war seine Zufluchtsstätte, in die ihm niemand folgen und die niemand zerstören konnte.

In dieser Welt gab es keine Schläge oder Gemeinheiten, keine abgeschlossenen finsteren Räume, in die man ihn sperren konnte. Es gab nicht die graugestrichene kalte Wand, an der er nächtelang stehen musste, weil er vor lauter Sehnsucht nicht einschlafen konnte und weinte. Hier konnte ihn niemand zum Essen zwingen, er konnte gehen wohin er wollte, ohne an Mauern oder Gitter zu stoßen. Insgeheim wünschte er sich, immer da bleiben zu können. Aber sie ließen ihn nicht.

Wenn der Satz stimmen sollte, dass die Kindheit den Menschen prägt, hätte er ein Monster werden müssen. Aber irgendetwas muss bei ihm anders gelaufen sein als bei denen, über die er manchmal fassungslos Berichte im Fernsehen sah oder in Zeitungen las, die sich bei all den Verbrechen, die sie begangen hatten, auf eine schwere Kindheit beriefen. Seltsamerweise waren immer Experten zur Stelle, die verständnisvoll für eine Therapie nach der anderen plädierten, anstatt diese Leute tatsächlich für das zu bestrafen, was sie getan hatten. Er hatte nie einem Menschen absichtlich etwas Böses getan, und Raufereien war er möglichst aus dem Wege gegangen. Doch gab es wirklich einmal Meinungsverschiedenheiten, versuchte er zumindest erst, die Dinge mit Worten zu regeln ehe er zuschlug.

Wenn es allerdings einen Menschen auf der Erde gab, dem er die Pest an den Hals wünschte und den er am liebsten ertränkt hätte, war es die Frau, die sich irgendwann mal seine Mutter nannte.

Und jetzt lag er hier in dieser gottverlassenen Einöde mitten in Afrika...

 

Ein leises „psssst“ riss ihn aus seinen Gedanken. „Something´s happening over there“ Es war Pete, sein Kamerad aus Manchester, der in der vergangenen Stunde aktive Wache hatte. Sie kannten sich jetzt seit fast 4 Jahren und konnten sich blind vertrauen, im übrigen war Pete der einzige Engländer, den er wirklich gut leiden konnte.

 

Das lag daran, dass er sich ein bisschen für Geschichte interessierte und die Briten, was Moral und Menschlichkeit anbelangte, seiner Meinung nach nicht allzu gut wegkamen. Überall da, wo das britische Reich seit dem 17. Jahrhundert seine Finger im Spiel hatte, gab es Tote, Tote und nochmals Tote. Egal, ob in Indien, China, Palästina, den Kolonien in Übersee, Irland oder den Kolonien in Afrika. Die Liste der Länder, in die das britische Königreich in der Vergangenheit Krieg, Sklaverei, Leid und Not gebracht hatte und Hunger als Waffe einsetzte, war lang. Wie viele Millionen Tote es zum Wohle des Empire gab, konnte nur geschätzt werden.

Auch Somalia war vom britischen Kolonialismus nicht verschont geblieben, obwohl sich die Engländer in British-Somaliland überwiegend darauf beschränkten, das Gebiet als Versorgungsbasis für ihre Schiffe und als Militärstützpunkt zu nutzen und somalisches Vieh zu exportieren. In die inneren Konflikte und Strukturen mischten sich die Briten kaum ein, sie waren an einer Entwicklung des Landes ebenso wenig interessiert wie an seiner Bevölkerung. Aber es gab Clans, die sich einer Fremdherrschaft nicht beugen wollten und 1899 einen Guerillakrieg gegen die Briten begannen, der bis 1920 dauerte. Die Briten waren wie immer nicht zimperlich, wenn es um Machterhalt und wirtschaftliche Interessen ging und so kam im Laufe dieses Konflikts ein Drittel der Bevölkerung von British - Somaliland ums Leben. Und irgendwie haben die Engländer damals den Grundstein für das Chaos gelegt, das bis heute in Somalia herrscht und letztendlich auch ein Grund dafür war, warum er jetzt hier im Dreck lag.

Diese verfluchten Engländer!

Pete allerdings entsprach nicht seiner Meinung über Engländer. Eigentlich war der ebenfalls ein Opfer britischer Kolonialpolitik und so sah sich der Ire auch augenzwinkernd selbst.

Aber Somalia – das war hier und jetzt.

 

Mit einem Schlag war er hellwach, laute Geräusche verscheuchten seine Gedanken. Das Zirpen der Zikaden verstummte plötzlich und alle seine Sinne waren in Alarmbereitschaft.

Pete machte eine kaum wahrnehmbare Kopfbewegung Richtung Norden, hob seine Hand und schloss und öffnete seine Faust zweimal. Fünfzehn Mann also. Vielleicht auch mehr, wenn ein paar von denen in Deckung geblieben waren, aber es war kein unüberschaubares Risiko. Er griff nach seiner Waffe und legte den Sicherungshebel um.

Drüben gingen jetzt mehrere Scheinwerfer an. Irgendeiner versuchte, einen Motor zu starten, was aber offensichtlich nicht funktionierte. Lautes Fluchen und Gelächter war zu hören, einer der Brüder stimmte einen seltsamen Singsang an. Wenn jemand mitten in der Nacht in der Savanne solch einen Lärm machte und dazu noch weithin sichtbar die Szenerie beleuchtet, fühlt er sich entweder absolut sicher und allein oder er weiß, das er seinem Gegenüber haushoch überlegen ist. Niemand konnte wissen, dass er mit seinen Leuten hier war. Da war er sich relativ sicher. Also rechneten sie nicht mit ihm und seinen Männern. Das war gut für ihn und schlecht für die da drüben. Und über die These mit der haushohen Überlegenheit dachte er nicht ernsthaft nach. Sie waren eine Spezialeinheit mit einem Faktor 73/1. Das bedeutete, dass rechnerisch auf jeden getöteten Kameraden seiner Einheit 73 getötete Gegner kamen. Bis jetzt hatte er vier Mann verloren. Die Statistik machte auch vor dem Krieg nicht halt.

 

Seit Wochen jagten er und seine Männer diese Bande nun schon, doch immer wieder waren sie zu spät gekommen und fanden nichts als niedergebrannte Hütten und Leichen vor. Sie folgten einer Blutspur, die sich von Norden nach Süden, von einem Dorf zum anderen quer durchs Land zog und bisher blieb ihnen nichts weiter übrig, als dem Hauptquartier die Zahl der aufgefundenen Toten zu melden, die Leichen einzusammeln und zu verbrennen. Die Geier, die am Himmel kreisten, wiesen ihnen den Weg. Meistens fanden sie nur Frauen und Kinder, manchmal auch ein paar alte Männer, die geglaubt hatten, ihr Dorf beschützen zu können. Nicht selten waren die Körper grauenvoll verstümmelt, denn aus irgendeinem Grund liebten es die Skinnys, ihre Opfer zu töten indem sie immer und immer wieder mit Macheten auf sie einschlugen. Sie hatten sich an diesen Anblick schon beinahe gewöhnt. Auch an den Gestank der Leichen, denen man unter diesen klimatischen Bedingungen beim Verwesen förmlich zuschauen konnte. Und an die Milliarden von Fliegen, die das tote Fleisch fraßen, die Maden, Schaben und Insekten, die in und auf den Körpern herum krochen und das manchmal in solche Massen, das sich die Toten zu bewegen schienen.. Und auch daran, das Geier, Schakale und Hyänen keinen Unterschied machten, ob das Aas, das sie zerfetzten und mit dem sie sich die Bäuche voll schlugen, ein Kudu war oder Stunden vorher noch ein Mensch. Diese Bilder brannten sich in sein Gedächtnis ein und lange kotzte er sich jedes Mal fast die Seele aus dem Leib. Mittlerweile hatte er diese im Grunde menschliche Reaktion des Geistes unter Kontrolle. Aber mit jedem toten Kind, das er fand, machte er einen weiteren Strich auf seiner Rechnung, und mit jedem Mal wurde die Wut stärker. Es war das, was ihn und seine Kameraden vorwärts trieb.

Und sie kamen näher. Erst fanden sie nur verbrannte Dörfer, deren Asche schon kalt war. Dann schwelende Hütten. Vorgestern waren es rauchende Trümmer, doch in der Siedlung, durch die sein Trupp heute Morgen kam, züngelten hier und da noch die Flammen. Der Tag der Abrechnung war nah. Sehr nah. Und ja. Dann würde er die Hunde des Krieges von der Kette lassen. Hunde des Krieges. Dieser martialische Ausdruck ging ihm nicht mehr aus dem Kopf, seit er ein Lied gehört hatte, das diesen Titel trug. Und das Sinnbild gefiel ihm.

 

Sie jagten eine Bande von Dieben und Mördern, die sich darauf spezialisiert hatten,

den Ärmsten der Armen das wenige zu rauben, was an Hilfe in diesem von Gewalt, Hunger und Krankheit gequälten Land ankam. Lebensmittel. Mais und Zucker, Milchkonserven und Mehl. Sauberes Wasser und dringend benötigte Medikamente. Die Raubzüge liefen immer nach dem gleichen Schema ab. Irgendwo im Hafen von Mogadishu und in den Verteilzentren des Roten Kreuzes, des Roten Halbmondes oder des UNHCR hatten sie ihre Informanten sitzen. Die gaben sofort Bescheid, wenn ein Schiff mit Hilfsgütern ankam und entladen wurde oder sich ein Konvoi mit Wasser, Lebensmitteln, Zelten und Medikamenten in Bewegung setzte. Die Angaben über Ziele, Anzahl der Fahrzeuge, Art und Menge der Ladung und die Sicherung des Konvois waren immer erstaunlich präzise. Zumindest ließ die Durchführung der Überfälle diesen Schluss zu. Die Transporte wurden dann entweder feige in Hinterhalte geführt oder in offenem Gelände überfallen, je nachdem, wie stark die Begleitmannschaft war. Erfahrungsgemäß wurden die Fahrer getötet, die einheimischen Bewacher liefen entweder zu den Banditen über oder wurden niedergemetzelt. Es war immer wieder dasselbe erbarmungslose Vorgehen. Wenn sich die Gelegenheit ergab, wurden die LKW gleich mit der Beute mitgenommen, ansonsten wurde alles umgeladen und die Transportfahrzeuge in Brand gesteckt.

 

Die Bewaffnung der Bande war hervorragend, sie verfügten über Granatwerfer, AK 47 und RPG 75 genauso wie über ein 20mm Geschütz, das auf einen Geländewagen montiert war. Warum allerdings für solche Umbauten immer wieder Toyotas bevorzugt wurden, verstand er bis heute nicht. Er hatte diese umgerüsteten Fahrzeuge das erste Mal in Mogadishu gesehen, zwar nur als ausgebrannte Wracks, aber er hatte auch gesehen, wie effektiv und tödlich diese Art der Bewaffnung war. „Nichts ist unmöööööglich – Toyotaaaa...“ Der Werbegag, über den er früher so herzlich lachen konnte, entlockte ihm heute nur noch ein zynisches und bitteres Grinsen.

Mit den erbeuteten Kraftwagen der UN war die Bande mobil, die Banditen tauchten wie aus dem nichts auf und verschwanden genauso schnell wieder. Sie machten sich die fast endlose Weite des Landes genauso zu Nutze wie die Gegebenheiten der Natur. Sie hielten es nicht mal für notwendig, das Aussehen der Fahrzeuge zu verändern. Deshalb wusste man nie, ob es wirklich ein UN-Fahrzeug war, das sich aus der Ferne näherte, bis es heran war. Es konnte genauso gut sein, dass hinten auf der Ladefläche 20 Halunken saßen, die auf Raubzug waren. Natürlich war das auch eine hinterhältige Taktik, denn so konnten sie sich leicht ohne weiteres bis auf Schussweite nähern, ehe der Betrug aufflog.

 

Solche Banden gab es mittlerweile, abgesehen vom äußersten Norden des Landes, in ganz Somalia und alle gingen nach demselben Prinzip vor. Wenn ein Überfall während des Transports zu risikovoll war, warteten die Banditen irgendwo in der Nähe in einem Versteck seelenruhig ab, bis die Fracht ihren Bestimmungsort erreicht hatte. Ihre Beute wurde ihnen sozusagen noch frei Haus geliefert. Sie wussten sehr genau, dass man ein so riesiges Gebiet nicht einmal ansatzweise ausreichend gegen Überfälle absichern konnte. Wenn die Ladung verteilt und der Konvoi mitsamt der bewaffneten Begleitung weit genug weg war, kamen sie aus ihren Löchern gekrochen und schlugen blitzschnell zu. Die Skinnys besaßen offensichtlich genügend Fahrzeuge oder Tragetiere um die Beute abzutransportieren, jedenfalls fanden sich an den Schauplätzen der Überfälle höchstens kleine Reste der gelieferten Sachen. Wurde der Überfall vom Konvoi bemerkt gab es zwei Möglichkeiten. Entweder der Konvoi machte kehrt und versuchte zu helfen. Aber wenn man am Ort des Geschehens ankam, war der Spuk schon längst vorbei und man fand nur noch rauchende Trümmer und Leichen vor. Die zweite Möglichkeit war, einfach weiter zu fahren. Das war die gängige Praxis, denn den meisten Fahrern war das Hemd näher war als der Rock und keiner forderte wegen ein paar halbverhungerter Dorfbewohner sein Glück heraus.

Es war mittlerweile sowieso sehr schwierig geworden, unter den Einheimischen zuverlässige Fahrer für diese Konvois zu finden. Das, was ehemals als begehrter und sicherer Job galt, um den sich die Somalis auch regelmäßig prügelten, galt heute als Himmelfahrtskommando, an dem sich niemand mehr beteiligen wollte. Auch zusätzliche Gelder, die von der UN zur besseren Bezahlung der Fahrer lockergemacht wurden, änderten daran nicht viel.

 

Die Anzahl der Gangsterbanden und Milizen nahm jedoch immer mehr zu, da es für viele Somalis offensichtlich lukrativer und aussichtsreicher war, durch Ãœberfälle ihrer bitteren Armut zu entrinnen, oder zu mindestens einem „Warlord“ zu dienen, der ihnen Schutz, ihre tägliche Ration Maisbrei, Bier und Miraa garantieren konnte. Miraa oder auch Khat war eine weitere große Krankheit dieses Landes. Alle kauten es. Alle brauchten es und es wurde geliefert. Die Blätter des Khatstrauches werden gekaut und wirken wie Amphetamine, allerdings schwächer, aber da es fast ununterbrochen konsumiert wurde, relativierte sich das. Die meisten nahmen es, weil Khat das Hungergefühl betäubt. Viele Bauern bauten statt Lebensmitteln jetzt lieber Khat an, weil sie sich davon ein besseres Einkommen erhofften, oder sie wurden von Banden dazu gezwungen. Der Anbau dieses Strauches braucht sehr viel Wasser und verschlang die ohnehin sehr begrenzte Fläche, auf der überhaupt etwas angepflanzt werden konnte. Bezahlt wurden die Blätter mit Lebensmitteln oder den Dollars, die man aus dem Verkauf von gestohlenen Lebensmitteln gewann. Lukrativer als der Handel mit Khat war nur noch der Handel mit Waffen, die natürlich genauso bezahlt wurden wie das Rauschgift. Das Zahlungsmittel lieferten die UN und Hilfsorganisationen in großen Mengen gratis, man musste es sich nur holen. Und holen konnte man es sich am einfachsten und in großen Mengen, wenn man über Waffen verfügte. Es war ein endloser Kreislauf, der am Ende nur denen etwas nützte, die das alles kontrollierten und ihrem Willen mit Waffengewalt Nachdruck verleihen konnten. Es herrschte das Gesetz des stärkeren. Die Schwachen starben zu zehntausenden. Woche für Woche.

 

Alles, was dieses geschundene Land und seine Menschen seiner Auffassung nach wirklich brauchte, waren Bildung, Nahrung für alle und eine wirkliche Zukunftsperspektive für die Menschen. Aber deswegen war er nicht hier. Sein Job war einfacher.

 

Nach Möglichkeit festnehmen und nach Mogadishu bringen“ lautete sein Befehl. Doch er wusste, dass es für ihn heute Nacht keine Möglichkeit zu Festnahmen geben würde. Zu viele Leichen hatten sie dafür in den letzten Tagen gesehen und er und seine Männer waren fest dazu entschlossen, heute, jetzt und hier einen Schlussstrich zu ziehen. Zumindest für diese Banditen da drüben. Er hatte sie tagelang durch die Savanne verfolgt, immer darauf bedacht, unentdeckt zu bleiben aber doch das Tempo zu halten. Stundenlang hatten sie tagsüber in glühender Hitze nahezu regungslos ausgeharrt, nachts Erkundungsmärsche von 30 Kilometern und mehr hingelegt, um den Anschluss nicht zu verlieren, dabei schleppte jeder gut 35 Kilo Ausrüstung inklusive Waffen und Munition mit sich herum. Doch sie waren gut trainiert, topfit und für solche Missionen bestens ausgebildet. Bei längeren Einsätzen ohne Nachschub waren sie in der Lage, Dinge zu essen, die andere nicht einmal mit der Fußspitze angerührt hätten, sie kondensierten notfalls Wasser aus ihrem Urin und sie waren dazu erzogen worden, Schmerzen zu unterdrücken. Sie bewegten sich im Gelände fast geräuschlos und jeder von ihnen beherrschte seine Waffen perfekt. Das Arsenal, das sie mit sich führten, hätte ausgereicht, eine Kleinstadt zu entvölkern. Vom M650 bis zum TCI M89 war alles dabei, mit dem man auf große Entfernung präzise töten konnte, dazu kamen Sturmgewehre, Maschinenpistolen, Gewehrgranaten, Raketenwerfer und kleinere Handfeuerwaffen. Jeder von ihnen hatte seine Favoriten und im Einsatz war die Mischung der verschiedenen Kaliber und Waffenarten sowie ihre Präzision für die Gegner meist verheerend. Wenn sie kamen, war es fast immer zur Nacht, und viele von denen, deren Leben sie auslöschten, merkten es nicht einmal.

 

Jeder von Ihnen wusste, was er zu tun hatte. Sie hatten sich blitzschnell auf ihre Positionen im Gelände begeben, die sie sich noch in der kurzen Dämmerung gesucht hatten, weit genug voneinander entfernt aber doch noch als Einheit funktionierend. Alle hatten die perfekte Schussentfernung, ihre Primärziele im Visier, ein Sekundärziel in Beobachtung und ein freies Schussfeld. Dennoch waren sie gut getarnt und nahezu unsichtbar. Auf sein Zeichen begann für die da drüben ein kurzer Alptraum. Als ersten traf es einen der Männer, die in der Zwischenzeit die Motorhaube des Geländewagens geöffnet hatten, den sie nicht starten konnten. Es war ein sauberer Schuss aus Pete´s M650. Noch bevor der Mann den Schuss überhaupt hörte, flog die Hälfte seiner Schädeldecke davon, er sackte zusammen und blieb liegen. Sein Kumpan schaute erstaunt und wollte sich gerade zu ihm hinunter beugen, als die zweite Kugel aus Pete´s Waffe ihn herumriss und seinem Leben ein Ende bereitete. Maurice, ein kleiner, immer mürrischer Franzose mit dem Herz eines Löwen, jagte einen Schuss nach dem anderen aus seiner TCI, von denen jeder einzelne sein Ziel fand. Die Somalis hatten inzwischen bemerkt, dass irgendetwas nicht stimmte und begannen, wild und nach allen Seiten um sich zu feuern. Aber offenbar wussten sie immer noch nicht, aus welcher Richtung der Tod zu ihnen kam.

 

Ein paar Garben aus den AK 47 lagen gefährlich nahe bei Ihm und seinen Leuten, aber die Projektile verschwanden mit fröhlichem Pfeifen in der Nacht, ohne Schaden anzurichten. Pete hatte sein M650 zur Seite gelegt. Es nutzte nur bei Zielen etwas, die sich kaum oder nur langsam bewegten. Aber drüben rannten sie jetzt herum wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen und sonderbarerweise fiel es keinem von denen ein, in Deckung zu gehen. Sie waren keine reguläre militärische Einheit, sondern ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Mördern und Dieben, die sich, wenn die Gelegenheit günstig und die Beute lohnend war, ohne zu zögern auch gegenseitig umgebracht hätten. Eine andere Sache war es bei den Milizen. In dem, was sie taten, unterschieden sich die verschiedenen Gruppierungen nur unwesentlich voneinander. Aber die Milizen waren straff organisiert, gut ausgebildet und wurden oft von Offizieren der ehemaligen somalischen Armee geführt. Aber mit so einem Gegner hatten sie es hier und heute nicht zu tun.

 

Pete´s Maschinengewehr fing an zu bellen und Leuchtspurgeschosse zeichneten weiße Striche in die Nacht. Es sah geradezu malerisch aus, fast wie Silvester, aber die hellen Bahnen, die da gen Norden zischten, brachten keine Freude. Wenigstens wussten die da drüben jetzt, woher sie angegriffen wurden. Augenblicklich schlug Ihnen heftiges Feuer entgegen, aber da sie in Deckung blieben, und die auf der anderen Seite, wie die meisten Somalis, schlechte Entfernungsschützen waren, war alles im grünen Bereich. „Ha“ dachte er, „ihr solltet weniger von Eurer Scheiße fressen, dann würdet ihr nicht den ganzen Tag zugedröhnt rumrennen“

Grimmige Gedanken durchzuckten seinen Kopf, während er den Geländewagen mit der aufmontierten 20mm immer im Sucher seines Zielfernrohrs behielt. Das Geschütz stammte entweder, wie fast alle Waffen der Somalis, aus russischer Uralt-Produktion oder war ein chinesischer Lizenzbau. Aber eben leider äußerst effektiv. Sollte es denen da drüben gelingen, dieses Geschütz einzusetzen, könnte das wirklich eine Menge Probleme bringen. Bis jetzt hatten zwei Somalis den Versuch, auf die Ladefläche des Landcruiser zu kommen, mit dem Leben bezahlt. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich im Schatten des Marulabaumes eine Gestalt erhob, die eine RPG 7 geschultert hatte. Aber bevor der Skinny ein Ziel suchen und abdrücken konnte, schlug unmittelbar vor ihm eine Granate aus einem XM320 ein. Nachdem die Staubwolke sich verzogen hatte, erinnerten nur noch ein paar in den Ästen baumelnde Fetzen daran, dass an dieser Stelle Sekunden vorher ein Somali auf sie angelegt hatte.

 

Nein, sie taten ihm nicht leid. Gefühle im Einsatz hatte er sich abgewöhnt, seit er in Mogadishu einem höchstens 13-jährigem gegenüberstand, der mit einer Kalaschnikow auf ihn anlegte. Er war damals völlig geschockt und nicht in der Lage, auf ein Kind zu feuern. Pete hatte den Jugendlichen damals erschossen und ihm damit das Leben gerettet. Der Junge hätte ohne Gewissensbisse abgedrückt. Klar, er hatte davon gehört und er kannte die Berichte, aber trotzdem vergaß er alles um sich herum und ging auf Pete los. Er schrie ihn immer wieder an. „You kill a Child...“You kill a child“ Pete zerrte im am Kragen hinter den nächsten Mauervorsprung, weil sie immer noch unter Beschuss lagen und sagte mit einer sehr ruhigen und sehr betonten Stimme: „He or you. And I prefer you as him“. Genauso war es. Er oder Du... Er brauchte sehr lange Zeit, um das Gesicht des toten Jungen zu vergessen, aber er wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, das er eines Tages an Pete´s Stelle stehen würde.

 

Diese Kindersoldaten gab es in allen Krisengebieten Afrikas und sie wurden von klein auf darauf abgerichtet zu töten. Es gab einige Berichte darüber, das Banden Dörfer überfielen, die Mütter töteten und Mädchen und Jungen ab ungefähr 3 Jahren entführten um sie entweder als Sklaven in den Sudan oder als zukünftige Soldaten an Warlords zu verkaufen. Verschiedene Milizen, die große Teile des Landes kontrollierten, holten sich die Kinder gleich selbst. Wer sich dagegen wehrte, wurde umgebracht. Es gab Fälle, in denen wegen ein paar Kindern ein ganzes Dorf ausradiert wurde. Viele dieser Kinder wurden zu den gewissenlosesten Killern, die man sich vorstellen konnte und begingen unvorstellbare Grausamkeiten. Immer wieder musste er sich dazu zwingen, die aufsteigende Wut zu unterdrücken. Wut ist ein schlechter Ratgeber. Was er brauchte, war Kaltblütigkeit. Auch der dritte Somali, der wild um sich schießend versuchte, in die Nähe der Schnellfeuerkanone zu kommen, wurde wie von einer unsichtbaren Faust von den Füßen gerissen, als ihn seine Kugel traf.

 

Langsam wurde das Abwehrfeuer auf der anderen Seite schwächer, seine Männer verrichteten ihren Job mit tödlicher Präzision. Einer nach dem anderen da drüben fiel um und diejenigen, die noch am Leben waren, wurden immer panischer und versuchten endlich, in Deckung zu gehen. Ein paar RPG 7 Geschosse zischten in die Nacht, aber sie gingen irgendwo weit hinter ihnen nieder. „Zu blöd, wenn diese Arschlöcher jetzt zufällig meinen Jeep treffen würden“, dachte er. Er ließ die Raketenwerfer in Stellung bringen und griff nach seinen Gewehrgranaten. Was jetzt begann, war ein Inferno. Eine Wand aus Feuer erhob sich auf der anderen Seite und setzte augenblicklich das trockene Savannengras in Brand. Autos und Zelte wurden durch die hochexplosiven Geschosse genauso zerfetzt wie die Männer, die in ihrer Nähe oder unter ihnen Deckung zu finden versuchten. Eine Rakete nach der anderen fauchte in das Lager, und er verschoss seine Gewehrgranaten, bis er ins Leere griff. Maurice sorgte mit seinem FAMAS G2 dafür, dass keiner der Männer da drüben ausbrechen konnte. Heute war Zahltag für all die Strapazen, schlaflosen Nächte und all die Toten, die die Skinnys auf ihrem Weg hinterlassen hatten. Die anderen Jungs hatten das Lager in der Zwischenzeit weiträumig umgangen und versperrten den Rückzug nach Norden oder über die Flanken. Langsam trat Stille ein. Drüben regte sich nichts mehr, kein Lebenszeichen war mehr zu entdecken, kein Schuss fiel. Es war eine unwirkliche Stille, selbst das Zirpen der Grillen war verstummt. Der Geruch von trockenem, brennendem Gras erfüllte die Luft und dazwischen nahm er den süßlichen Gestank von verbranntem Fleisch wahr.

 

Die ganze Aktion hatte nicht mehr als 15 Minuten gedauert. Er wartete noch eine Minute ab, um sicherzugehen das sich drüben wirklich nichts mehr bewegte, dann hob er die Faust und gab seinen Männern damit das Zeichen zum sammeln. Langsam und nach allen Seiten sichernd, gingen sie auf die Stelle zu, an der zuckender Feuerschein ein gespenstisches Licht auf die Umgebung warf und dicke Rauchschwaden in den Himmel stiegen. Sie durchkämmten das ganze Lager, blickten in jeden Winkel, unter jedes Fahrzeug, die Waffen immer im Anschlag. Er wollte jede Überraschung ausschließen, und er sollte Recht behalten. Hinter einem alten russischen Ural am Rande des Schlachtfeldes kauerte ein verwundeter Skinny und wartete auf eine Gelegenheit, in der er sich unbemerkt aus dem Staub machen konnte. Er sah den Afrikaner zuerst und befahl ihm, sich hinzulegen. Der Somali aber schleuderte blitzschnell seine Machete nach ihm, die surrend an seinem Kopf vorbeiflog.

Als seinem Gegenüber bewusst wurde, das er ihn verfehlt hatte und jetzt unbewaffnet war, änderten sich seine hasserfüllten Gesichtszüge. Er ging auf die Knie, hob die Hände und setzte ein Mitleid erregendes Gesicht auf. In gebrochenem Englisch wimmerte er „leave me to life. I´m wounded“. Tatsächlich blutete er aus einer Wunde am Kopf.

Wie im Zeitraffer flogen die Bilder der letzten Tage an ihm vorbei. Verbrannte Dörfer, erschossene Frauen, erschlagene Greise und verstümmelte Kinder. Langsam hob er die Mündung seiner Waffe. Der Somali riss entsetzt die Augen auf. „No“. Ein Schuss zerriss die Nacht. Hier bewegte sich nichts mehr.

 

zweites Kapitel

So einfach ist das“ dachte er bei sich. Hätten die feinen Herren von der UNO sich schon eher dazu durchringen können, ihrem Einsatz zuzustimmen, wie viele Menschen hätten nicht sterben müssen.

Doch war es nicht einerlei, ob all diese armen Teufel wegen ein paar Säcken Mais umgebracht wurden oder nach ein paar Wochen von selbst verhungerten? Er hörte sich bitter auflachen.

Tot ist tot. Daran konnte er nichts ändern, auch wenn er sich und seinen Männern die größten Strapazen abverlangte. Es lag einfach nicht in seiner Macht. Sie konnten nur versuchen, inmitten von Chaos und Zerstörung anständig zu bleiben und sich das Menschsein zu bewahren. Nicht immer gelang das.

 

Auf einer Fläche, die nicht viel größer war als ein Fußballfeld, lagen verteilt zwischen verlassenen Fahrzeugen, brennenden Fahrzeugwracks und überall verstreuten Ausrüstungsgegenständen die Leichen von ungefähr 30 Männern.

Viele von ihnen schienen noch sehr jung, nicht viel älter als 18, vielleicht auch 20 Jahre, aber in dieser Beziehung konnte man sich bei Afrikanern leicht verschätzen. Einige der Toten trugen Gummistiefel oder aus alten Autoreifen gefertigte Sandalen, andere waren barfuß. Schon das ließ auf die Stellung der einzelnen Männer innerhalb der Gruppe schließen, denn wer Gummistiefel besaß, galt in diesem Land schon etwas. Er lachte laut auf. Einer dieser Typen hatte doch tatsächlich rosa Gummistiefel an. Es gab immer wieder solche Situationen, die so urkomisch waren, das man einfach nur brüllen konnte vor Lachen und das an Orten, an denen normalen Menschen das Blut in den Adern gefroren wäre.

Ihm fiel der Somali wieder ein, der an jedem Arm 4 Uhren trug, von denen jede einzelne eine andere Zeit anzeigte, aber nicht eine auch nur annähernd die richtige. Zu seinem Unglück ging bei einer dieser Uhren auch noch der Wecker los, verriet ihn und kostete ihn das Leben. Er konnte nicht mal behaupten, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein.

 

Von den wenigen, die als Anführer gelten konnten, weil sie so etwas wie eine Uniform trugen, machten sie Fotos und nahmen, wenn es möglich war, Fingerabdrücke. So lautete die Anweisung, aber ihm war bis jetzt noch kein Fall bekannt, in dem das irgendetwas genutzt oder bewirkt hätte. Aber vieles war in diesem Krieg einfach nur sinnlos, und deshalb regte er sich nicht mehr darüber auf. Einige der Leichen waren furchtbar entstellt, von anderen waren nur noch einzelne Körperteile zu finden, weshalb er die Anzahl der getöteten Banditen nur schätzen konnte. Dann katalogisierten sie die Fahrzeuge, schätzten die Menge des Diebesgutes und sammelten die Waffen ein, die sie finden konnten. Er wusste, dass es nicht viel nützen würde, aber Waffen und Munition wurden an einer Stelle aufgestapelt um später durch Feuer zerstört zu werden. Das Brennmaterial lag überall herum. Schweigend begannen sie, die Toten einzusammeln und aus ihnen rings um den Waffenstapel einen großen Scheiterhaufen zu errichten. Dazwischen packten sie leere Munitionskisten und alles brennbare, was hier noch zu finden war. In einigen Fahrzeugen fanden sie noch Treibstoff. Das Feuer würde lange brennen.

 

Pete hielt das wie immer für viel zu sentimental und eine unnütze Kraftverschwendung, packte aber doch mit an. Auch seine anderen Jungs hätten diesen Ort lieber so schnell wie möglich verlassen. Obwohl sie schon viel gesehen hatten, Orte wie dieser hier waren immer noch unheimlich. Aber irgendwie brachte er es selbst nach all der Zeit nicht übers Herz, die toten Körper einfach so liegenzulassen um den Geiern, Schakalen und Hyänen den Tisch zu bereiten. Auch wenn die, die jetzt auf einem Haufen lagen, vorher noch so große Bastarde gewesen sein mochten, es waren irgendwie doch Menschen und die Vorstellung, wie deren Leichen von Tieren zerrissen und gefressen wurden, ließ ihn erschaudern.

Nach einer Stunde brannte der Scheiterhaufen. Es gab hier nichts mehr für sie zu tun und er beendete die Funkstille, die sie seit zwei Wochen gehalten hatten. Er meldete seinem Führungsoffizier das Ende des Einsatzes, gab seine Koordinaten durch und forderte die Hubschrauber an, die die umfangreiche Beute der Bande nach Mogadishu bringen sollten. Dort würde sie wieder Teil des unendlichen Kreislaufes werden. Was für eine Idiotie. Stumm und erschöpft standen er und seine Männer mitten in Afrika. Die Sonne würde in einer Stunde aufgehen und ihre glühende Hitze wie einen dicken schweren Mantel über die Savanne legen. Die Sonnenaufgänge in diesem Land waren traumhaft, aber richtig erfreuen konnte er sich an ihnen schon lange nicht mehr. Sie starrten schweigend in ein lichterloh brennendes Feuer, rauchten und hingen ihren Gedanken nach. Eine Pechschwarze Rauchwolke stieg in den Himmel, und er fragte sich, ob dieser Rauch auch Seelen in sich tragen könnte. Eine Berührung riss ihn aus seinen Gedanken. Pete reichte ihm wortlos einen Brief. Er nahm ihn mit einem Lächeln, strich ihn sorgfältig glatt und steckte ihn in die linke Brusttasche. Links schlug das Herz. Es war ein seltsames Ritual, welches sich im Laufe der Zeit zwischen den beiden entwickelt hatte.

 

Am Ende ihrer Ausbildung waren sie Freunde geworden, obwohl er Pete am Anfang nicht ausstehen konnte. Der Brite war ein Krakeeler und Großmaul, wie es im Buche stand, mit dem man notgedrungen aber irgendwie auskommen musste. Doch es gab auch nicht wenige in der Truppe, die ihm liebend gern mal eine zwischen die Augen gehauen hätten. Das scheiterte allerdings immer wieder an der Körpergröße des Rotschopfes. Auch der Körperbau von Pete ließ vermuten, dass eine Auseinandersetzung mit ihm sehr schmerzhaft werden könnte. Pete kam aus Manchester, war aber eigentlich Ire und schon von weitem an seinem feuerroten Haarschopf zu erkennen. Er sprach nur englisch mit einem breiten Akzent und kam mit den Vorgesetzten nur zurecht, weil er die Befehle, Meldungen und Kommandos auswendig lernte. Aber das machten eigentlich alle so, kaum einer war wild darauf, wirklich französisch zu lernen. Der kleinste gemeinsame Nenner unter den Männern war ein sehr einfaches englisch. Man konnte sich damit problemlos verständigen und brauchte kein Wörterbuch. Pete machte sich über die Franzosen und Italiener in Ihrer Einheit lustig, wann immer es eine Gelegenheit dazu gab. Ihn nannte er nur „Kraut“ und fand das unheimlich komisch.

 

Doch bei allem zur Schau gestelltem Imponiergehabe steckte ein butterweicher Kern in ihm. Er bemerkte das an einem der letzten Tage ihrer Grundausbildung, als sie nach einem Geländemarsch nachts ihre Stellung ausbauen sollten und Maurice, der kleine Franzose, viel zu erschöpft war, um sein Schützenloch auszuheben. Der Befehl lautete, dass alle erst dann schlafen durften, wenn der letzte mit seinem Unterstand fertig war. Der Boden war so ausgetrocknet und steinhart, dass es schon für einen ausgeruhten Mann schwierig war, das tiefe Loch vorschriftsmäßig in die Erde zu graben. Der Soldat sollte darin stehen können, es sollte oben enger sein als am Boden und der Aushub musste so im Gelände verteilt werden, das er keinen Hinweis auf die Stellung geben konnte. Schließlich erkennt man einen Maulwurf an seinen Hügeln und nicht an den Gängen, die er gräbt.

Maurice mühte sich ab, so gut er konnte. Neben den Blasen an den Füßen hatte er jetzt auch welche an den Händen, aber von seinen Bemühungen war nicht viel zu sehen.

Die anderen Kameraden schufteten schweigend, nur ab und zu war ein leises Fluchen zu hören, das vom Sergent-Chef sofort mit einer Rüge quittiert wurde. Die Strapazen des Marsches, die schmerzenden Füße und Hände und die Erschöpfung, unter der Maurice litt, waren wohl der Grund dafür, das sich der kleine Franzose plötzlich aufrichtete, mit einem lauten Fluch den Feldspaten in die Büsche schleuderte, sich unmittelbar darauf auf seinen kleinen Erdhaufen setzte und anfing zu weinen.

Der Zugführer hatte dies alles bemerkt und schrie Maurice an: „Maintenant dans le combat, Tu étais mort“ Das hieß so viel wie „ im Gefecht wärst Du jetzt tot“. „Ist mir scheißegal, im Gefecht würden wir auch nicht solche beschissenen Löcher buddeln“ schrie Maurice zurück. Auf solch eine Antwort war der Zugführer nicht gefasst, er war von all seinen Männern Disziplin gewohnt. Er baute sich vor Maurice auf und wollte gerade mit einer seiner berüchtigten Schimpftiraden beginnen, als sich ein Schatten aus der Dunkelheit erhob. Pete hatte seinen Spaten in die Erde gerammt, ging langsam auf die beiden Streithähne zu und quetschte leise zwischen den Zähnen hervor: „You however also, you braggart.“

 

Alle hatten die Arbeit eingestellt und schauten dieser Szene gespannt zu, als wären sie nicht an irgendeinem verfluchten Ort, um diese Dreckslöcher zu graben, sondern in einem Kinosaal. Es fehlte nur noch die Cola und das Popcorn. „Was glotzt ihr so dämlich“, fragte Pete in seinem breiten Dialekt in die Runde. „Noch nie was von Kameradschaft gehört? Ich grabe dem kleinen Clochard sein Loch, meins ist fertig. Basta.“ Und fügte hinzu: „Und außerdem will ich endlich pennen.“

Der Zugführer stand mit offenem Mund da und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Pete war bis jetzt immer als ein Sonderling aufgefallen, der sich nur um sich kümmerte und jetzt so etwas? Wochenlang hatte der Sergent – Chef von Kameradschaft gesprochen, das sie eine Einheit und aufeinander angewiesen wären, und ausgerechnet jetzt sollte Pete das begriffen haben?

Dann fang schon mal an“, sagte er und fügte noch drohend hinzu: „Aber das hat ein Nachspiel“ Wen von seinen beiden Untergebenen er meinte, sagte er nicht. Er entfernte sich, ohne noch einen Kommentar abzugeben und die ganze Nacht lang war von ihm nichts mehr zu hören.

 

Pete schnappte sich seinen Feldspaten und begann wie ein Irrer, auf die harte Erde einzuhacken während Maurice versuchte, sein Grabgerät in den Büschen wiederzufinden. Als er zurückkam, hatte der Ire die harte Oberfläche aufgebrochen und gemeinsam gruben sie, sich gegenseitig abwechselnd, das Schützenloch in den Boden, bis es die vorschriftsmäßige Größe hatte. Sie verteilten die Erde im Gelände und in den Büschen und als sie fertig waren hörte man ein leises „Merci“. Pete brummte irgendetwas unverständliches, klopfte dem kleinen Franzosen seine Pranke auf den Rücken und trollte sich in sein Loch. Minuten später war tiefes Schnarchen zu vernehmen.

 

Er hatte die ganze Situation beobachtet, und den Iren von diesem Augenblick an in sein Herz geschlossen. Er hatte sich schon in vielen Menschen getäuscht, aber Pete war der letzte, dem er das, was er gerade tat, zugetraut hätte.

 

Der nächste Morgen begann mit Vogelgezwitscher und dem Gebrüll des Zugführers. „Raus aus den Federn, Mädels, ein wunderschöner Tag erwartet uns, den wollen wir doch nicht verpennen, oder“?

Es war 5 Uhr morgens, und ihnen taten alle Knochen weh. Sie hatten 10 Minuten um wach zu werden, auszutreten und ihre Ausrüstung in Ordnung zu bringen. Wer es schaffte, rauchte noch eilig eine Zigarette, dann kam der Befehl zum Antreten. Wie zufällig stellte sich Maurice neben Pete und lächelte ihn von unten an. Der verzog keine Miene. Heute stand ihnen die letzte Prüfung ihrer Ausbildung bevor und erst, wenn sie übermorgen Abend gemeinsam, als Einheit, das vorgegebene Ziel zu vorgegebener Zeit erreichten, hatte die Schinderei ein Ende.

Der Morgen war angenehm kühl, aber jeder von ihnen wusste, dass sich das in wenigen Stunden ändern würde. Der Sergent-Chef überprüfte bei jedem einzelnen noch einmal sorgfältig die Ausrüstung, zog hier und da noch einen Riemen am Gurtzeug nach oder kontrollierte den festen Sitz des Rucksacks oder der Wasserflasche. Nichts durfte klappern oder gar scheuern, alles musste stramm am Körper sitzen, um seine Männer während des Marsches nicht zu behindern. Nichts war im Einsatz schlimmer als aufgeriebene Hautstellen die nässten, Insekten anlockten und sich schlimmstenfalls entzündeten. Vom Brennen und dem ewigen Juckreiz mal ganz abgesehen.

Auch wenn ihr Vorgesetzter während der Ausbildung größtenteils zum kotzen war, seine Männer wussten alle, dass er die Aufgabe hatte sie auf Dinge vorzubereiten, von denen sie jetzt noch gar keine Vorstellung haben konnten. Und auch für den Zugführer ging es bei diesem Marsch um viel. Das Endergebnis würde zeigen, was er seinen Leuten in all den Wochen beigebracht hatte und ob er fähig war, eine Spezialeinheit zu führen.

 

Das Kommando zum Aufbruch kam. Schweigend gingen sie los und jeder versuchte sich in Gedanken auf das vorzubereiten, was vor ihnen lag. Der einzige, der ihr Ziel kannte, war der Sergent-Chef, aber sie hatten aus Gesprächen mit „alten Hasen“ eine Vorstellung von dem, was auf sie zukam. Es war ein Marsch, quer durchs Gelände, bei 35 Hitze und extrem hoher Luftfeuchtigkeit. Durch Dickicht und Urwald, durch Flüsse und Terrain. Mit Gefechtsschießen und Spezialeinlagen. Der Teufel allein wusste, was sich ihre Vorgesetzten für sie ausgedacht hatten. Aber sie würden es schaffen, egal was kommen würde. Davon waren sie alle überzeugt. Maurice hatte sich wieder gefangen und schaute jetzt mürrisch wie immer. Auch nach zwei Stunden hatte keiner von ihnen ein Wort gesprochen und das änderte sich auch in den nächsten Stunden nicht mehr. Sie liefen ihrem Ziel entgegen, mit gleichmäßigen, kurzen Schritten und der immer gleichen Schrittfreqenz, egal auf welchem Untergrund sie sich bewegten oder ob es bergauf oder bergab ging. Auch wenn dieser Marschrhythmus am Anfang ungewohnt war und viel Training erforderte – es war die effektivste Art der Fortbewegung zu Fuß über lange Strecken. Irgendwann stellte sich ein gewisser Automatismus ein, in dem sich gewissermaßen der Geist vom Körper löste und dieser nur noch funktionierte.

 

Allerdings hielt er es zu diesem Zeitpunkt noch für unmöglich, das er eines Tages beim Laufen auch schlafen würde. Die Sonne stand mittlerweile genau über ihnen und schleuderte ihre Strahlen zur Erde, als ob sie die Menschen, die da unten liefen, mit aller Macht verbrennen wollte. Nicht darüber nachdenken, sagte er sich immer wieder. Nicht daran denken. Er begann, Rechenaufgaben im Kopf zu lösen, die Namen der Bäume zu bestimmen oder die Vögel zu zählen, die über sie hinwegflogen. Er versuchte sich an Liedtexte zu erinnern und sie ins englische zu übersetzen, nur um nicht daran zu denken, dass er einen Liter Wasser an seinem Koppelzeug trug. Er hatte entsetzlichen Durst, der Mund war trocken und die Zunge klebte ihm tatsächlich am Gaumen. Aber noch ging es. Noch funktionierte sein Körper, noch konnte er sich das Wasser für später aufheben, wenn es wirklich schlimm wurde.

 

Auch von den anderen hatte noch keiner zur Feldflasche gegriffen, also würde er nicht der erste sein. Der Stand der Sonne sagte ihm, dass sie seit ungefähr 6 Stunden unterwegs waren und nach Westen liefen. Im Westen war das Meer. Selten genug hatten sie die Möglichkeit gehabt, das Meer zu sehen, seit sie hier waren. Aber an jedem der seltenen freien Tage war er an die Küste gefahren anstatt sich, wie die meisten seiner Kameraden, zu betrinken. Und jedes Mal war er überwältigt von der Größe und Schönheit des indischen Ozeans. Die Wellen brachen mit einer Gewalt und einem donnernden Grollen an den Strand, das ihn sprachlos machte. Er konnte stundenlang dastehen und aufs Meer hinausschauen, dabei den Wind fühlen und den Wellen zuhören. Immer hatte er das Gefühl, etwas von dieser Größe und Schönheit festhalten und in seinem Herzen einschließen zu müssen. Diese endlose Weite rief etwas in ihm hervor, was er nicht richtig deuten konnte. Fernweh konnte es nicht sein, dazu war er viel zu weit weg von zu Hause, wo immer das auch sein mochte. Ehrfurcht vielleicht. Oder Demut. Die Erkenntnis, selbst winzig klein zu sein, gemessen an der Größe des Ozeans, Traurigkeit... „Seemann hätte ich werden sollen“ schoss ihm plötzlich durch den Kopf, und bei diesem Gedanken huschte ihm ein Lächeln übers Gesicht. Er liebte das Meer.

 

Das Kommando zum rasten riss ihn aus seinen Gedanken. Augenblicklich waren die Bilder von Meer und Wellen aus seinem Kopf verschwunden. Er war tatsächlich den anderen hinterher getrottet und hatte geträumt, ohne sich darum zu kümmern was um ihn herum geschah. Er schaute den anderen prüfend ins Gesicht, aber niemand schien etwas bemerkt zu haben. Alle liefen noch ein wenig im Kreis herum, um den Marschrhythmus aus den Beinen zu bekommen und ließen sich dann auf die Erde nieder. Einige schliefen sofort ein, andere dösten vor sich hin oder unterhielten sich leise. Er nahm seine Feldflasche vom Koppel und trank das warme Wasser in ganz kleinen Schlucken. Er spürte förmlich, wie das kleine Rinnsal seine Kehle hinunterlief. Er widerstand der Versuchung, hastig und in großen Zügen zu trinken. Wer weiß, wann sie Gelegenheit hatten ihre Wasserflaschen wieder zu füllen. Also hieß es haushalten.

 

Er griff in seine Beintasche holte ein Päckchen Benson & Hedges hervor, schnippte eine Zigarette aus der Schachtel und nahm sie zwischen die Lippen. Den ersten Zug zog er ganz tief ein und blies den Rauch genussvoll in die Luft. Dabei streifte sein Blick den Iren und ihm fiel auf, dass Pete nicht rauchte. Er sah ihn fragend an, und als ob Pete ihn verstanden hätte sagte er: „I have forgotten my cigarettes in the base“ Wortlos reichte er seinem Kameraden das Päckchen der sich sofort eine ansteckte, sich noch „ein paar für unterwegs“ herausnahm und ihn dabei ansah, als würde er in sein innerstes blicken können. Ein kurzes Grinsen flog über das Gesicht des Rotschopfes, gefolgt von einem „Thank´s, Kraut“. Das war der Punkt, den beide später als Beginn ihrer Freundschaft sahen.

 

Der Marsch verlief ohne größere Zwischenfälle, wenn man von ein paar Prellungen, Kratzern und offenen Füßen absah und die Tatsache außer acht ließ, das Maurice und er den Briten die letzten Kilometer bis zum Zielpunkt schleppen mussten und dabei selbst bis an ihre Grenzen gingen. Die anderen der Gruppe halfen sich auch gegenseitig, einige trugen zusätzlich zu ihrer Ausrüstung noch die Waffe des Iren oder den Rucksack eines Kameraden, der auch am Ende seiner Kräfte war. Aber keiner musste einen 90-Kilo Mann durch die Pampa schleppen, nur weil dessen Kreislauf irgendwann zusammengeklappt war. Wie sich zeigte, hatte er sein Wasser nicht eingeteilt, sondern am Morgen des zweiten Tages die ganze Flasche auf einmal getrunken. Die Flüssigkeit hatte er innerhalb kürzester Zeit wieder ausgeschwitzt, und damit auch viele wichtige Minerale. Eigentlich ein unverzeihlicher Anfängerfehler, der einem in diesem Klima das Leben kosten könnte. Aber sie waren eine Einheit, ein Team und allen hatte sich von Anfang an der Leitsatz ins Gehirn gebrannt. Niemand wird zurückgelassen.

 

Seit diesem Tag sah man Maurice, den Briten und ihn öfter zusammenstehen. Sie begannen, ihre Freizeit miteinander zu verbringen, über Dinge zu sprechen, die vorher tabu waren und sich wirklich kennenzulernen. Maurice versuchte, den beiden anderen wenigstens etwas französisch beizubringen, man war sich aber schnell einig, dass es besser wäre, wenn Maurice englisch lernt. So war es dann auch, obwohl der kleine Franzose immer wieder über seinen verletzten Nationalstolz klagte. Er nahm Pete und Maurice an einem freien Sonntag mit ans Meer, und gemeinsam standen sie da und schauten auf den Ozean. Sie gingen schwimmen und maßen ihre Kräfte übermütig mit den Brechern, die an Land rollten, doch schon bald mussten sie einsehen, dass sie diesen Gewalten nicht wirklich etwas entgegenzusetzen hatten. Pete hatte von irgendwoher irischem Whisky organisiert. Spät am Abend lagen sie an diesem traumhaften und menschenleeren Sandstrand. Sie ließen die Flasche von einem zu anderen gehen, hingen ihren Gedanken nach und fuhren erst nach dem Sonnenuntergang wieder zum Stützpunkt zurück. Jeder erzählte das von sich, was er wollte. Es gab keine Fragen, nur Antworten. Aber alle hatten sie etwas von den Träumen der anderen erfahren.

 

drittes Kapitel

 

Als ihre endgültige Einsatzgruppe zusammengestellt wurde, hoffte jeder für sich, dass der andere dabei wäre. So war es dann auch. Und auch, als er zum Gruppenführer befördert wurde und plötzlich Pete´s und Maurice´s Vorgesetzter war, änderte sich an ihrem Verhältnis nichts mehr. Diese Zeit lag jetzt lange zurück. Nicht lange nach dem Ende der Ausbildung, nach einem kurzen Urlaub, wurden sie nachts in eine Transall gesetzt und über Somalia aus dem Flugzeug geworfen.

Sie sollten ursprünglich eine amerikanische Kommandoeinheit bei der Jagd nach einem der gefährlichsten Männer des Landes unterstützen. Für diesen Einsatz war eine Woche vorgesehen. Doch alles kam anders.

Die Amis hatten alles versaut. In völliger Fehleinschätzung der Lage und der tatsächlichen Kräfteverhältnisse entschloss sich ihr Hauptquartier zu einem Alleingang, der in einem Fiasko endete. Sie stießen mit Hubschraubern und Humvees nach Mogadishu vor und waren sich überhaupt nicht bewusst, dass die Männer, die sie jagten, ihr kommen schon lange erwarteten. Mogadishu war voll von Kämpfern und Waffen. Das konnten die Verantwortlichen in ihren dicken Polsterstühlen natürlich nicht sehen. Die Informationen, die sie hatten, stammten von Einheimischen, bei denen niemals sicher war, ob sie nicht für beide Seiten arbeiteten oder absichtlich nichts gehört oder gesehen hatten. Deshalb waren die Amerikaner schon dazu übergegangen, für Informationen erst dann zu bezahlen, wenn sie sich als richtig erwiesen hatten

Die Amerikaner begannen ihre Mission also allein, ohne auf Unterstützung zu warten. Sie dachten, in zwei Stunden wäre alles erledigt und danach hätten sie den Chef der größten und gefährlichsten Miliz Somalias in ihren Händen. Doch der war vorbereitet und hatte seine Kämpfer in der Stadt zusammengezogen. Gleich am Anfang des Einsatzes wurden zwei amerikanische „Black Hawk“ Hubschrauber abgeschossen und im Bemühen, die Absturzstellen zu erreichen und zu sichern und ihren Kameraden zu helfen, liefen die Bodentruppen der Amerikaner von einem Hinterhalt in den nächsten. Sie wurden von den Somalis durch die Straßen gehetzt, von den Hausdächern beschossen und mit Raketen und Geschützen angegriffen. Bald reichte der Platz in den Humvees und den LKW nicht mehr für die Verwundeten und Toten. Die Marines verschanzten sich zur Nacht in den Gebäuden, die sie sich vorher allerdings erst freikämpfen mussten.

Die schweren Gefechte dauerten einen ganzen Tag lang, die Amis verloren 19 Mann und hatten viele Verwundete, aber was die Welt am Ende mit entsetzten Augen sah und mit einem empörten Aufschrei quittierte – sie hatten an einem Tag fast 1200 Somalis getötet. Am nächsten Tag konnten die Soldaten nur mit der Hilfe von pakistanischen UN-Truppen und nur durch den Einsatz von Panzerfahrzeugen evakuiert werden, was wieder Opfer auf somalischer Seite brachte und das ohnehin schon ramponierte Ansehen der Blauhelme in diesem Land nicht gerade verbesserte. Nicht lange danach musste der amerikanische Präsident auf den Druck der Öffentlichkeit reagieren, zog sämtliche US-Truppen aus Somalia ab und erklärte die Mission für gescheitert. Fast alle Länder folgten diesem Beispiel und überließen das Land und dessen Menschen den verschiedenen Clans und Milizen, die für den Bürgerkrieg und die dadurch ausgelöste Flüchtlingswelle und die größte Hungersnot auf dem afrikanischen Kontinent überhaupt erst verantwortlich waren.

Die westliche Welt kapitulierte vor dem Chaos und einer unvorstellbaren Gewalt. Die Ausländer, die im Land blieben, spielten im wahrsten Sinne des Wortes mit ihrem Leben und waren vielerorts schlimmen Übergriffen ausgesetzt. Doch noch waren, wenn auch nur vereinzelt, Hilfsorganisationen vor Ort, um wenigstens ein Minimum an Hilfe für die Bevölkerung zu gewährleisten. Aber auch das wurde immer schwieriger.

Genau in dieser Situation befand er sich jetzt. Nach dem Abzug der Amerikaner blieben mehrere Kommandoeinheiten aus verschiedenen Ländern in der Region und operierten von geheimen Basen in Kenia und Äthiopien, vereinzelt auch von Dschibuti aus, in Somalia. Überwiegend, um in waghalsigen Rettungsaktionen ihre Landsleute irgendwie herauszuholen, die sich noch im Land aufhielten aber auch um die großen Flüchtlingslager an den Grenzen zu schützen und humanitäre Hilfe, sofern sie noch vorhanden war, abzusichern. In Mogadishu selbst gab es rund um das Stadion und den Flughafen eine gesicherte Zone, die von schwachen internationalen und afrikanischen UN Einheiten besetzt war und offiziell zeigen sollte, dass die Welt Somalia nicht allein lässt. Die bittere Wirklichkeit sah ganz anders aus. Es war ein Deal zwischen der UN und den Warlords, bei dem Lebensmittel und Dollars gegen Menschenleben erpresst wurden. Nur mit Zustimmung der Clanchefs durfte das UNHCR ein großes Flüchtlingslager unterhalten und zeitweise bis zu eine halbe Million Menschen mit Lebensmitteln versorgen. Gegen eine geringe Gebühr, versteht sich.

Das alles hatte mit der Welt, in der er sich zur Zeit befand, nicht viel zu tun. Offiziell gab es ihn und seine Männer eigentlich gar nicht. Er war der, der nachts den Dreck wegräumte. Manchmal jedoch zweifelte er daran, ob seine Schaufel auch groß genug war. 

Zum einen bestand ihr Auftrag darin, „Handelswege“ der Banditen, die im offiziellen Sprachgebrauch „Rebellen“ genannt wurden, zu überwachen und Transporte von geraubten Hilfsgütern nach Äthiopien zu unterbinden, von wo sie als Zahlungsmittel für Waffen weiter nach Uganda oder den Sudan gingen. Auf der selben Route kam dann jede erdenkliche Art von Kriegsgerät wieder ins Land hinein. Von der einfachen Handgranate bis hin zum alten aber funktionsfähigen russischen Panzer. Dieser Teil Afrikas war ein Pulverfass, das jeden Moment zu explodieren drohte, und Waffen gab es wie Sand in der Wüste. Kontrollieren konnte das niemand mehr. Auch im Sudan und Uganda herrschte seit Jahren Bürgerkrieg und auch dort wurden Lebensmittel als Währung eingesetzt.

Ohne es zu wollen, heizte die Internationale Gemeinschaft mit ihren Hilfslieferungen dieses Geschäft erst noch so richtig an, weil sie nicht in der Lage war, diese Hilfe auch richtig zu verteilen. Nur ein Bruchteil erreichte die Hungernden. Der größte Teil machte eine kleine Zahl von Verbrechern immer reicher und mächtiger. Das war der Preis für ein ruhiges Gewissen. Vielen Menschen in Europa, die in ihren sicheren Häusern Bilder von hungernden Kindern mit traurigen Augen auf die Fernsehbildschirme geliefert bekamen und deshalb Millionenbeträge spendeten, war diese Kehrseite der Medaille überhaupt nicht bewusst.

Die Nachbarländer, vor allem Äthiopien und Kenia, hatten Angst davor, dass das Chaos sich von Somalia aus über die ganze Region ausbreiten konnte. Und diese Sorge war nicht unbegründet. Geschlossene Grenzen oder Grenzanlagen gab es so gut wie nicht, und so konnten durchaus auch größere Einheiten in Gebiete vorstoßen, in denen sie nichts verloren hatten. Flüchtlinge, die vor der Gewalt, dem Hunger und dem Morden fliehen konnten und es bis an die Grenzen schafften, strömten zu zehntausenden in die Nachbarstaaten und verschärften die auch dort herrschende Lebensmittel – und vor allem Wasserknappheit. Es lagen Berichte vor, dass somalische Flüchtlinge von äthiopischen Milizen über die Grenze zurück getrieben wurden, geradewegs in die Hände ihrer Verfolger, die sie umbrachten und dann ihrer letzten Habseligkeiten beraubten. Und solche Berichte häuften sich. In Kenia erschlug ein wütender Mob eine Gruppe Somalier, als diese sich nach einem langen Marsch Wasser aus einem Ziehbrunnen schöpfen wollten. Die Kenianer wollten den Berichten zufolge Geld für das Wasser sehen, was die Flüchtlinge allerdings nicht besaßen. In dem anschließenden Streit verlor einer der halb verdursteten Männer die Nerven und erschoss einen Dorfbewohner. Daraufhin wurde die ganze Gruppe, Männer, Frauen und Kinder, gelyncht.

Noch viel besorgniserregender waren aber Meldungen, nach denen somalische Banden in grenznahen Gebieten immer öfter auf das Territorium des Nachbarlandes vordrangen und die dortige Zivilbevölkerung terrorisierten. Dabei gab es immer wieder Tote. Die Armee Kenias war in Alarmbereitschaft, hielt sich aber wegen der befürchteten Auswirkungen auf den Tourismus noch sehr zurück und bemühte sich lediglich, die Grenzen zu sichern. Der Erfolg dieser Bemühungen war gleich null. In Äthiopien war es allerdings schon zu heftigen Gefechten mit somalischen Rebellen gekommen, die teilweise besser ausgerüstet waren als die äthiopischen Truppen.

Der andere Teil ihrer Aufgabe bestand in der Liquidierung oder Festnahme der schlimmsten Verbrecher und Mörder. In der Wahl der Mittel hatten sie dabei freie Hand, ihre Ziele erhielten sie verschlüsselt über Funk. Sie waren ständig unterwegs, nie länger als einen Tag an einem Ort um nicht vom Jäger zum gejagten zu werden. Sie wurden in der Nacht mit allem was sie brauchten aus der Luft versorgt, wenn es die Bedingungen zuließen. Doch im Grunde waren sie auf sich allein gestellt. Zweimal in der Woche suchten sie einen zuvor über Satellitenfunk vereinbarten Treffpunkt auf, um über die neuesten Entwicklungen informiert zu werden und verwundete oder tote Kameraden auszufliegen. Davor war seine kleine Einheit bis jetzt verschont geblieben. Aber alle wussten, dass sich das sehr schnell ändern konnte. Im Grunde waren sie ein Stoßtruppunternehmen, nur das sie sich nicht hinter die eigenen Linien zurückziehen konnten, wenn ihre Aufgabe erfüllt war, sondern praktisch pausenlos im Einsatz waren.

Die Erfolge, die sie erzielten, waren beachtlich. Sie tauchten urplötzlich auf und verschwanden genauso schnell wieder und keiner, der sie zu Gesicht bekam, konnte hinterher von Ihnen berichten. Sie waren wie ein Dämon, der den Tod brachte und viele der abergläubischen Skinnys glaubten anfangs wirklich an eine Geisterarmee. Wie lange jedoch das Glück noch auf ihrer Seite sein würde, wusste keiner. Die Rebellenführer hatten ein hohes Kopfgeld auf jeden Weißen in Uniform ausgesetzt, der sich ohne ihre Erlaubnis im Land aufhielt. Sie waren sich der Gefahr bewusst, in die sie sich an jedem Morgen neu begaben, aber einerseits hatten sie es sich so ausgesucht und andererseits...

 

 Heute hatten sie einen guten Job gemacht.

Die Sache mit dem Brief war zwischen beiden im Laufe der Zeit zu einem Ritual geworden.Irgendwann hatten sie sich über Mädchen unterhalten, ob es welche gäbe, wie lange man sich so kennt ob der andere ein Foto dabei hat und mit wie vielen...Männerkram eben.

Er hatte Pete von seiner Jugendliebe erzählt, einem verrückten, kleinen, schlanken, dunkelhaarigem Mädchen, das sich immer anders kleidete und benahm als der ganze Rest der Mädchen. Wenn alle anderen Turnschuhe schick fanden, trug sie hochhackige, auch wenn sie das noch schlanker machte. Trugen die meisten Mädchen modische Haarspangen, steckte sie sich eine große Blume ins Haar. Und als alle verrückt nach Jeans waren, tauchte sie todsicher im Kleid oder einem schicken Rock auf. Sie war anders als all die anderen Mädchen und das mochte er an ihr. Sie lebte sicher immer noch irgendwo in good old Germany, aber er wusste nicht einmal ob Sie überhaupt noch einen Gedanken an ihn verschwendete.

Er hatte keine Ahnung, wo sie jetzt wohnte, wie sie lebte und was sie machte, und sie wusste noch weniger von ihm. Eigentlich war er sich überhaupt nicht sicher, ob man ein Mädchen als Jugendliebe bezeichnen kann, mit dem man nie etwas hatte. Pete sah ihn ungläubig an und zog eine Augenbraue hoch. „Never“? „Never ever!“ Sie hatten sich eigentlich immer nur von weitem gesehen, ein paarmal miteinander geredet, er hat sie einfach nur süß gefunden und sich zu ihr hingezogen gefühlt. Aber den Mut, es ihr zu sagen hatte er damals nicht. Ein einziges Mal sind sie sich doch sehr nahe gekommen. „Aha!“ räusperte sich Pete. „Nix aha“ Da lag sie mit über 40 Grad Fieber im Bett, war leicht komatös und er hatte ihr mit einem kühlen Handtuch und Wadenwickeln zu helfen versucht. Nicht einmal, als er ihr mit dem kalten Waschlappen den Hals und den glühenden Oberkörper kühlen wollte und dafür ihr Hemdchen soweit aufmachte, das ihre kleinen Brüste zum Vorschein kamen, machte sie die Augen auf. Viel mehr Zeit hatte er nicht, um erstaunt zu betrachten was da vor ihm lag, denn die Zimmertür wurde aufgerissen, eine Erzieherin kam herein und schickte ihn sofort hinaus. Sie waren damals fast noch Kinder und in so einer Art Schullandheim. Das war das einzige „intime“ Erlebnis, was sie jemals teilten und trotzdem hatte er immer das Gefühl, das mehr zwischen ihnen beiden sein musste.

Irgendwie wünschte er sich immer, dass die Sache mit ihr damals anders gelaufen wäre, und oft stellte er sich vor, wie sie wohl als Paar zusammengepasst hätten. Aber schließlich hat er es versaut. Er lernte eine andere kennen, und dachte, die große Liebe gefunden zu haben. Er zog weg, man verliert sich aus den Augen. Wie das eben so ist. Aber das Mädchen aus den Jugendtagen ging ihm einfach nicht aus dem Sinn. Was er Pete nicht erzählte war, dass sie manchmal in seinen Träumen vorkam, dass er Angst davor hatte, ihr Gesicht zu vergessen und das er ihre kleinen, weißen Brüste wunderschön fand.

Irgendwann setzte er sich hin und schrieb ihr einen Brief an die letzte ihm bekannte Adresse. Er schrieb ihr, wie leid es ihm tat, das sie sich nie richtig kennengelernt hatten, das er immer noch an sie denken musste und das er denkt, dass sie die Frau ist, die er wirklich liebt. Dass er sie wenigstens noch einmal sehen möchte um mit ihr zu reden, ihre Stimme zu hören und in ihre wunderschönen Augen zu sehen. Er schrieb ihr, was er jetzt macht und das er möchte, dass sie es als erste erfährt, wenn ihm etwas zustoßen sollte. Er wollte sie einfach nicht im ungewissen lassen, für den Fall, dass sie noch an ihn denken sollte. Warum, konnte er nicht erklären. Es war so ein Gefühl.

Diesen Brief gab er Pete vor jedem ihrer Einsätze, mit der Bitte, ihn abzuschicken wenn es Zeit dazu wäre. Und jedes Mal nahm der Brite den Brief, und steckte ihn ein, ohne zu vergessen ihm zu sagen, dass er hoffnungslos sentimental sei, aber den Brief seinem Mädchen selbst irgendwann geben wird. Bis jetzt schien er Recht zu behalten.

Die Sonne ging auf. In der Ferne war ein tiefes und bedrohliches Vibrieren zu hören, das sich schnell näherte und lauter wurde.

Die Hubschrauber kamen im Tiefstflug über die Savanne gedonnert und zogen dabei eine gigantische Staubwolke hinter sich her. Es waren drei Bell UH-1D „Huey“, die allein schon durch ihr Fluggeräusch Respekt einflößten. Auch wenn sie schon etwas in die Jahre gekommen war, die Bell war für diese Art von Einsätzen das ideale Fluggerät. Relativ hohe Geschwindigkeit, viel Platz und eine hohe Zuladung machten sie zur ersten Wahl für ihre Missionen. Allein schon das drohende Knallen der Rotoren, das klang wie das Donnergrollen eines gewaltigen Gewitters, vor allem wenn die Bell im Verband geflogen wurde, hatte bei vielen Gegnern schon für feuchte Hosen gesorgt.

Immer wieder bewunderte er die Piloten, die mit ihren Maschinen buchstäblich über Bäume, Hecken und Hügel sprangen, um jede sich bietende Deckung auszunutzen. In der Regel hörte man das Schlagen der Rotoren schon lange, ehe die Hubschrauber wie aus dem nichts vor einem auftauchten und mit einem Höllenlärm schon wieder verschwunden waren, bevor man überhaupt reagieren konnte. Die Rotoren wirbelten dabei so viel Dreck und Staub auf, dass die Maschinen, wenn sie einmal vorbei waren, wie hinter einer Wand verschwanden. Und der Sog, den sie dabei erzeugten, riss einen im Umkreis von 20 Metern von den Füßen. Das war der beste Schutz vor Angriffen. Jeder Meter, den sie höher flogen, machte sie verwundbarer. Die Bewaffnung der Helikopter bestand aus zwei schwenkbaren Gatling-Maschinenkanonen am Bug und je einem M2HB auf Lafette in den Seitentüren. Nur völlig wahnsinnige wären auf die Idee kommen, sich dieser geballten Feuerkraft in offenem Gelände entgegenzustellen, solange sich die Hubschrauber in der Luft befanden.

Sie hatten die Landezone markiert und gesichert und innerhalb von Sekunden waren die Bell auf dem Boden. Ein paar Männer sprangen aus der letzten Maschine und fingen sofort an, die erbeuteten Hilfsgüter in die Hubschrauber zu laden. Da die Piloten mit laufenden Rotoren warteten, um jederzeit wieder starten zu können, war das keine leichte Aufgabe. Der Dreck, trockenes Gras und wer weiß was noch alles flog ihnen um die Ohren, versperrte die Sicht und machte das Atmen schwer. Aber anders ging es nun mal nicht. Auch er und seine Männer packten mit zu, damit sie endlich von diesem Ort verschwinden konnten. Sie hatten noch einen weiten Weg vor sich und arbeiteten deshalb schnell und schweigend, bis die Laderäume voll waren. Das was zurückbleiben musste, hätte ausgereicht ein ganzes Dorf für drei Monate zu ernähren. Es war einfach nur Irrsinn. Ein kurzer Gruß wurde noch gewechselt, dann gaben die Piloten Vollgas, die drei Bell stiegen auf, verharrten einen Augenblick in der Luft, nahmen dann die Nase nach unten und drehten mit dröhnenden Rotoren nach Süden ab. Dieser Anblick begeisterte ihn immer wieder. Es hatte irgendetwas Majestätisches an sich.

Ihr Job war erledigt und sie machten sich, ohne sich noch einmal umzudrehen, auf den Rückweg zu ihren Fahrzeugen. Das bedeutete noch einmal eine Stunde Fußmarsch durch offenes Gelände. Er hatte ein wenig Sorge, dass der Kampflärm der Nacht und das weithin wahrnehmbare Erscheinen der Helikopter irgendwo schlafende Hunde geweckt haben könnte, aber er hatte weder von den Piloten eine Meldung über feindliche Bewegungen erhalten noch tat sich in ihrem Blickbereich irgendetwas auffälliges. Trotzdem ließ er ab und zu halt machen und sie suchten die Umgebung sorgfältig mit ihren Feldstechern ab. Alles war ruhig. In der Ferne sahen sie eine Gruppe von Elefanten, die versuchten, an die Früchte der Marulabäume zu kommen und sich dabei so weit streckten, wie es nur irgendwie möglich war. Andere durchsuchten die Fläche unter den Bäumen sorgfältig mit ihren Rüsseln nach den begehrten Früchten. Drei Giraffen liefen in einiger Entfernung an ihnen vorbei und beobachteten sie argwöhnisch. Weiter westlich zog eine Gruppe Kudus langsam nach Süden und wurde von einer Herde der kleinen Speke-Gazellen überholt. Es hätte ein friedliches Bild aus einem Reisekatalog sein können, wenn nicht immer wieder ausgebrannte Fahrzeuge und die stählerne Hülle eines zerstörten Panzers daran erinnert hätten, was in diesem Land vor sich ging. Menschen hatten das Paradies in eine Hölle verwandelt. Bei einem ihrer ersten Einsätze hatte Maurice, überwältigt von der Schönheit dieser Landschaft, zu ihm gesagt „hier alt werden und sterben“. Das mit dem sterben konnte hier schnell gehen. Das alt werden war schwieriger.

Eine kleine Herde Zebras stand rund um Ihre Fahrzeuge. Die Tiere rochen wahrscheinlich das Wasser, das sie in einem großen Behälter auf der Ladefläche mitführten, oder die Lebensmittel. Zebras waren verrückt nach Zucker, aber heute würden sie wohl leer ausgehen. Die Herde suchte mit dem charakteristischen Bellen der Zebras das Weite, als sie sich bis auf hundert Meter genähert hatten.

Merde“ sagte Maurice plötzlich. Er war in einen Haufen Zebraäpfel getreten und verzog missmutig das Gesicht. Im Bemühen, den Dreck von den Sohlen seiner Stiefel zu bekommen, schleuderte er sein rechtes Bein heftig hin und her, verlor dabei das Gleichgewicht und fiel der Länge nach zu Boden. Ein weiteres „Merde“ war zu vernehmen, diesmal gedämpft, weil Maurice mit dem Gesicht im Dreck lag. Brüllendes Gelächter folgte. Maurice rappelte sich hoch, nannte seine Kameraden Arschlöcher und fing ebenfalls an zu Lachen. Das Ganze war so komisch, das die Männer immer wieder in schallendes Gelächter ausbrachen und sich damit gegenseitig ansteckten. Es war, als fiele die ganze Anspannung der letzten Stunden mit einem Mal von ihnen ab.

13 Uhr „sagte er und gab damit die Richtung vor, in die Pete fahren sollte. Er hatte wieder den Gesichtsausdruck des kleinen Franzosen vor Augen, als dieser zu Boden ging und war nicht in der Lage, sich das Lachen zu verkneifen. „Hier stinkt´s nach Scheiße“ brummte Pete, schaute über die Schulter zu Maurice und prustete los. Der zuckte mit den Schultern und sagte „ Steig doch aus, wenn Dir´s nicht passt.“ Das Lachen der Männer war kilometerweit zu hören.

Als sie in der Basis eintrafen, kamen alle Kameraden auf sie zu gerannt, umringten die Fahrzeuge und wollten wissen, ob sie unverletzt und vollzählig zurückgekehrt sind, wie es ihnen geht, und wie der Einsatz verlaufen war. Es war jedes Mal so, egal welches Team gerade eintraf. Zu oft schon kamen nicht alle Männer lebend zurück oder sie hatten Verwundete dabei. In ihrer kleinen Einheit kannten sich alle und jeder Verlust eines Kameraden war wie der Verlust eines Freundes. Jede Rückkehr eines kompletten und gesunden Teams wurde deshalb gefeiert wie ein Sieg. Das Delta-Team, das zur selben Zeit unterwegs war wie sie, war überfällig. Die Stimmung auf der ganzen Basis war deshalb gedrückt und die Kameraden waren froh, ihn und seine Männer lebend zu sehen. Sie wurden sofort ins Sanitätszelt befohlen, untersucht, wenn nötig wurden kleinere Wunden desinfiziert und größere Verletzungen sofort behandelt. Der Aufwand, den der Doc bei ihnen treiben musste, hielt sich allerdings in Grenzen. Sie hatten wirklich Schwein gehabt und buchstäblich nicht einen Kratzer abbekommen. Sie durften endlich duschen gehen, und sie genossen es. Endlich wieder nach Seife riechen statt nach Affe. Sie spülten sich den Dreck, den Schweiß und das Blut der letzten Tage von der Haut, rasierten sich die Köpfe und all die anderen Haare, in denen sich Ungeziefer ansammeln konnte.

Diese Art der Körperpflege praktizierten mittlerweile alle Jungs seiner Einheit. Entzündungen durch Parasitenbefall konnten sie sich auf ihren Missionen nicht leisten und so entledigten sie sich, wann immer es möglich war, ihrer Körperbehaarung. In puncto Hygiene mussten sie unkonventionell sein. Er selbst hatte sich nach einer schmerzhaften Phimose kurzerhand beschneiden lassen. Sie bekamen nur selten die Gelegenheit zum duschen, während ihrer Einsätze konnten sie ihre Körper zwar mit Sand grob reinigen, aber es gab bei Männern eben Stellen, für die eine solche Behandlung nun wirklich nicht geeignet waren. Die eine Woche Schmerzen nach der Beschneidung nahm er gern in Kauf. Er hatte sich damit eines lästigen Problems entledigt und das war es ihm wert. Heute jedenfalls konnten sie ausgiebig duschen und fühlten sich wie Menschen. Im Versorgungszelt tauschten sie ihre dreckige Wäsche gegen frische ein und gingen danach quer über den Platz zu Claude. Claude war in Gabun geboren und tiefschwarz. In den 1960er Jahren war er mit seiner Familie nach Frankreich gekommen, hatte sich aber irgendwann mit seiner Frau zerstritten und wollte wieder „heim zu Mama Afrika“, wie er es nannte. Er ging, nur mit ein paar Franc in der Tasche, nach Kenia, wo er sich in den verschiedensten Hotels, Safaricamps und Lodges als Küchenjunge und Aushilfskoch durchschlug.

Wie er allerdings in ihre Einheit gekommen war, wussten nur er und der Colonel. Im Grunde war es auch völlig egal. Er war ein Typ, der den Laden hier mit seiner Fröhlichkeit freundlicher machte. Wenn man zu Claude ging, vergaß man für die Zeit, in der man bei ihm war, trübsinnige Gedanken. Er scherzte mit allen und als erstes machte er für jeden, der sein Reich betrat, ein kaltes Bier auf. Wenn er lachte, blitzten seine weißen Zähne wie Perlen und seine Fröhlichkeit übertrug sich sofort. Andererseits, und das war es, was die Männer noch mehr an ihm schätzten, hatte er ein sehr feines Gespür für Traurigkeit, konnte einfach nur die Klappe halten und zuhören.

Außerdem war er der Küchenchef der Basis und immer wenn ein Trupp heimkam, hörte man im Küchenzelt geschäftiges Töpfeklappern. Er ließ es sich nicht nehmen, den Heimkehrern ein Willkommensmahl zu bereiten, wie er es nannte. Er zauberte innerhalb kürzester Zeit wirklich leckere Speisen auf den Teller, wobei manchmal nicht ganz klar war, was man da vorgesetzt bekam. Claude war bekannt für seine Experimentierfreudigkeit, aber solange es schmeckte und satt machte, war den Männern egal, woher die Zutaten kamen, ob sie vier, zwei oder gar keine Beine hatten, unter oder über der Erde wohnten oder in der Luft herumschwirrten. Claude war ein Meister seines Faches, wenn es sein musste ging er frühmorgens auf die Jagd und kam gegen Mittag zurück. Mal hatte er eine Kudu - Antilope erlegt, mal ein Warzenschwein, manchmal schleppte er aber auch mit geheimnisvoller Miene irgendwelche Beutel in sein Zelt in denen sich etwas zu winden schien oder Kisten, in denen es verdächtig raschelte und summte. Bei Claude blieb die Küche nie kalt. Verglichen mit dem, was sie in den letzten Tagen zu sich genommen hatten war das Essen, das sie heute vorgesetzt bekamen köstlich. Der Koch saß verkehrt herum auf einem Stuhl, hatte sein dickes Kinn auf die Hände gestützt und schaute ihnen beim Essen zu. Man sah in seinen Augen, wie er sich freute, dass es den Jungs schmeckte.

Seit über einer Woche lag er das erste Mal wieder in einem sauberen Bett. Es war zwar nur ein Feldbett aus Segeltuch, aber es stand in einem Mannschaftszelt mit Holzfußboden, die grüne Bettwäsche duftete frisch und er musste sich keine Gedanken darüber machen, ob er sich seinen Platz mit Schlangen, Skorpionen, Spinnen oder anderem Getier teilen musste. Ein Ventilator hing an der Zeltdecke und verbreitete mit seinem Luftzug angenehme Kühle. In einer Ecke des Zeltes stand ein Kühlschrank mit Bier, Coca-Cola und Wasser, an der gegenüberliegenden Seite befand sich ein einfacher Holztisch mit vier Campingstühlen, Schreibzeug und einem Radio. Die Fenster und der Eingang des Zeltes waren mit Moskitonetzen verhangen. Er fühlte sich wie im Ritz.

Pete lag auf seinem Bett, starrte an die Zeltdecke und fragte durch den Raum „Do you have a notion what we have just eaten?“ „Nein“, sagte er, „ich weiß auch nicht, was uns Claude da vorgesetzt hat. Aber es hat gut geschmeckt und deshalb will ich es auch gar nicht wissen“

Aber Pete gab keine Ruhe. Er zählte alle Tiere auf die er kannte und von denen er annehmen musste, dass sie Claude in die Hände gefallen sein könnten. Mehlwürmer, Skorpione, Spinnen, Eidechsen, Mäuse, Ratten, Heuschrecken, Schnecken, Schaben…Irgendwann reichte es ihm, er stand auf und ging rüber zu Claude. Als er zurückkam, saß Pete mit sorgenvoller Miene auf dem Bett. Er ging zu seinem Freund, hockte sich vor ihn und legte ihm seine Hand auf die Schulter. Er schaute ihn mit traurigen Augen an und fragte ihn „What is disgusting mostly what you have eaten one day, Pete ?“ Seine Frage nach dem ekligsten, was Pete jemals zu sich genommen hatte verfehlte ihre Wirkung nicht. Gekochte Ameisenlarven mit gegrillten Warzenschweineiern“ antwortete der Brite angewidert und in seinen Augen sah man förmlich das „Bitte nicht...“ „Na also“, sagte er und klopfte seinem Freund lachend auf den Bauch. „Dann reg´ Dich nicht wegen ein paar leckerer Eierschlangen mit Reis und Taioba auf. Ich bin müde“

Ohne noch eine Antwort des Briten abzuwarten, legte er sich wieder auf sein Bett und schloss die Augen. Er lag noch eine Weile wach, und seine Gedanken kreisten um die vergangenen Tage. Feuer, Hubschrauber, den Sternenhimmel. Er sah den Sonnenaufgang über der Savanne und Zebras, Elefanten und das Meer... und ein trauriges Mädchen mit einer Blume im Haar, das einen Brief in der Hand hielt.

Er schlief unruhig in dieser Nacht und Träume suchten ihn heim, die einen Buchhalter oder Oberstufenlehrer wahrscheinlich dazu gebracht hätten, das Fenster zu öffnen und in die Tiefe zu springen. Der Junge mit der Kalaschnikow kam darin vor. Männer, die mit schweren Stöcken auf Hungernde einschlugen. Kleine Kinder, die nur noch Skelette waren und deren Mütter mit ausgelaugten Brüsten nicht einmal mehr die Kraft aufbrachten, die Fliegen zu verscheuchen, die zu hunderten auf ihren Babys herumkrochen. Er sah brennende Hütten, verstümmelte Menschen und den Ausdruck in den Augen des Mannes, den er gestern mitleidslos erschossen hatte. Er sah Claude, der lächelnd auf seinem Stuhl vor ihm saß, während er selbst, umringt von hungrigen Kindern, Berge von Hähnchenkeulen verdrückte. Er sah, wie Bulldozer Massengräber aushoben und die bittenden, verzweifelten Augen der Menschen in den Flüchtlingslagern.

Und er hörte sich rufen „ Ich bin doch nicht schuld an eurem verdammten Krieg“

Er sah wieder dieses traurige Mädchen, das in einem weißen Kleid bei seinen toten Kameraden unter dem Marulabaum stand und Pete den Brief zurückgeben wollte. Schweißgebadet wurde er wach und wusste für den Augenblick nicht, was Traum und was Wirklichkeit war. Er schaute zu Pete´s Bett und vernahm erleichtert ein gleichmäßiges, zufriedenes Schnarchen. Pete war also nicht tot. Warum stand er aber dann bei seinen gefallenen Kameraden? Und woher hatte das Mädchen aus seinen Jugendtagen seinen Brief? War das ein Traum oder eine düstere Vorahnung? Wurde er langsam verrückt? Irgendwie musste er diese Gedanken aus seinem Kopf bekommen.

 

 


siebtes Kapitel

Die Beschreibung „Freund“ war für ihn völlig unzureichend, wenn er versuchte, anderen dieses Verhältnis von Männern zueinander zu erklären. Das, was er in seinem früheren Leben als Freundschaft bezeichnete, war so oberflächlich und so von Banalitäten geprägt, dass ihm das Wort „Gefährte“ treffender erschien um die Beziehung zu beschreiben, in der sie zueinander standen. Und je mehr er darüber nachdachte umso mehr wurde ihm bewusst, was für ein seltsames Gefühl das war, welches ihn befallen hatte seit er in Mombasa in den Flieger gestiegen war. Er hatte Heimweh. Seine Jungs fehlten ihm. Er war jetzt 6500 Kilometer entfernt von ihnen und machte sich Sorgen um sie.

Die Einsatzpläne seiner Einheit hatte er im Kopf und wusste, das in den Tagen, in denen er nicht bei ihnen war, zwei heikle Missionen geplant waren. Er war in Mombasa schon mit einem schlechten Gewissen ins Flugzeug gestiegen, obwohl er wusste, das Steve als sein Stellvertreter die Jungs genauso gut anführen konnte wie er. Sie hatten beide ein ähnliches taktisches Gespür und eine Menge Erfahrung, seine Leute hörten auf ihn und würden ihm genauso überall hin folgen wie ihm selbst. Aber er war der beste Scharfschütze seiner Einheit und oft genug hatte er mit dieser Fähigkeit und seiner Routine seinen Leuten in schwierigen Situationen den Rücken freigehalten. Und ein guter Sniper war nun einmal unersetzlich. Und noch eines machte ihm Sorgen, obwohl er mit Steve im letzten Briefing noch einmal ausführlich darüber geredet hatte. Steve war manchmal ein ausgesprochener Hitzkopf, der sich und damit auch alle anderen durch unnötig riskante Aktionen nicht nur einmal in Gefahr gebracht hatte. Zwar war bis jetzt immer alles gut gegangen und außer überflüssigen Verletzungen war nichts ernsthaftes geschehen, aber was war, wenn auf den zwei Einsätzen die Pferde mit Steve durchgingen und er selbst nicht zur Stelle war ?

Eine Situation kam ihm in den Sinn, die sie alle das Leben hätte kosten können. Sie waren auf einer Aufklärungsmission um die Truppenstärke einer Miliz festzustellen, die im südlichen Somalia operierte und immer wieder Dörfer überfiel um an neue Kinder zu kommen.

Die Gruppe hatte sich auf den Handel mit Kindern spezialisiert. Ãœberall im arabischen Raum, aber auch in vielen Staaten Afrikas erlebte der Handel mit Kindersklaven eine neue Blüte. Zwar war die Sklaverei faktisch in fast allen Staaten der Erde verboten, doch hielt sich niemand daran. Typische afrikanische Länder, in die die Ware exportiert wurde waren Sudan,Niger, Mauretanien, Nigeria, Gabun – die Liste ließe sich allerdings beliebig fortsetzen. Die Kinder hatten keinerlei Rechte, konnten von ihren neuen Besitzern zu allem gezwungen oder ohne Folgen getötet werden. Kindersoldaten, Hausarbeit, Feldarbeit oder Sex – alles war möglich. Doch nicht nur in Afrika, insbesondere in der Sahelzone. Auch reiche Leute in nahezu allen Ländern des nahen und mittleren Ostens, vor allem in Saudi-Arabien,Katar, Kuwait, oder Bahrein waren zuverlässige Abnehmer. Sie bevorzugten sehr junge Mädchen als Sexsklavinnen oder kleine Jungen als Jockey für die lukrativen Kamelrennen.

Selbst in Europa gab es Fälle, in denen somalische Kinder als Haussklaven gehalten wurden. Großbritannien war hier wieder einmal ein Brennpunkt.

Die Preise für einen Sklaven waren im Keller. Im Sudan konnte man ein Kind schon für 19 Dollar kaufen, im arabischen Raum lagen die Preise, je nach Qualität, zwischen 50 und 500 Dollar und in Europa hatte man seinen eigenen kleinen Nigger schon für 1500 Dollar. Den Profit brachte unter diesen Voraussetzungen nur die Masse. Die Miliz nahm jedes Kind, das ihnen in die Hände fiel und es gab ganze Gegenden, in denen kein Kinderlachen mehr zu hören war. Wer sich zur Wehr setzte wurde umgebracht und auf den Transporten gingen viele der Kinder zugrunde. Der Markt wurde mit somalischen Kindern überschwemmt, die UN befasste sich mit diesem Thema und brauchte Beweise und Informationen. Die sollten sie liefern.

Der Befehl war eindeutig.

Keine Feindberührung, keine Kampfhandlungen. Nur Aufklären und zurückziehen. Sie hatten das Lager der Miliz gefunden, das sich nördlich von Hargeisa inmitten von bizarren Felsformationen befand. Die Felsen, die aussahen wie überdimensionale, in den Boden gerammte Faustkeile, erhoben sich fast 50 Meter nahezu senkrecht in den Himmel und bildeten an einer Stelle einen natürlichen Kessel, der leicht zu bewachen und zu verteidigen war. Die Tarnung schien perfekt, aber nicht perfekt genug für sie. Sie teilten sich in zwei Gruppen auf und umgingen nach einer waghalsigen Klettertour das Camp nach Osten und Westen.

Sie fotografierten das ganze Lager, zeichneten die genaue Lage in ihre Karten ein und stellten fest, wie viele Männer der Miliz angehörten und wie sie ausgerüstet waren. Sie hatten Verbindungswege ausgespäht und Informationen über Bewachung und Struktur des Stützpunktes gesammelt. Sie fanden heraus, wer die Anführer der Miliz waren und hatten von diesen Männern Großaufnahmen mit Teleobjektiven erstellt. Aus dem Verhalten der Männer, verschiedenen Schriftzüge und Fahnen und der Organisation des Tagesablaufes im Lager schlossen sie, das sie es mit einer Abteilung der noch jungen Miliz von Scheich Dahir Aweis zu tun hatten, der das Ziel verfolgte, einen „islamischen Gottesstaat“ in Somalia zu errichten. Dieser üble Zeitgenosse war ein radikaler Islamist der schlimmsten Sorte und galt als äußerst brutal und verschlagen. Mord, Raub und Vergewaltigung gehörte zum alltäglichen Geschäft dieser Gruppierung und der Handel mit Kindersklaven zählte neben dem Drogenhandel und dem Raub und Verkauf von Hilfslieferungen sowie dem Waffenhandel zu den Haupteinnahmequellen dieser sauberen Herren. Jahre später gründete Dahir Aweis die Al-Shabaab Miliz, die auf Jahrzehnte das Schicksal Somalias bestimmen sollte.

Außerdem hatten sie neben allen gesammelten Informationen auch festgestellt, dass ungefähr 70 Kinder im Lager festgehalten wurden. Sie befanden sich in einem ca. 50 mal 50 Meter großem, mit Dornengestrüpp aus Ästen des Omukaru oder „wart-ein-Weilchen-Baums“ umgrenzten Bereich in der Mitte des Camps. Bei den kleinen waren fünf Erwachsene, wahrscheinlich Familienangehörige oder Verwandte. Jedenfalls gingen diese Personen vertraut und liebevoll mit den Kindern um, sie hatten wahrscheinlich die Aufgabe die Kinder ruhig zu halten. Sie verfügten jetzt eigentlich über alle Informationen die sie brauchten und er wollte den Befehl zum Rückzug geben, als ein LKW durch einen schmalen Pass in das Lager einfuhr. Der ehemalige Besitzer des Trucks war wieder einmal das UNHCR, was an der nur laienhaft übermalten Lackierung zu erkennen war. Der Fahrer steuerte das Gefährt unmittelbar zum Verschlag in dem die Kinder festgehalten wurden. Was sich jetzt vor ihren Augen abspielte, war nur schwer zu ertragen. Eine handvoll Milizionäre räumte ein paar Dornenäste zur Seite und begann damit, die Kinder mit Stockschlägen zusammen zu treiben und auf den LKW zu verladen. Die völlig verängstigten Kinder fingen augenblicklich an zu weinen und zu schreien, was ihre Entführer dazu brachte, noch stärker auf sie einzuprügeln. In ihrer Verzweiflung klammerten sich viele Kinder an ihre Begleiter und wurden mit Gewalt und unter brutalen Schlägen wieder von ihnen weggerissen. Plötzlich tauchte ein Milizionär auf, den sie bereits als einen der Anführer identifiziert hatten und schlug ohne Vorwarnung mit einer Machete auf die Erwachsenen ein. Als diese sich wehren wollten, erschoss er fünf der kleinsten Kinder und unmittelbar darauf die Verwandten.

Er beobachtete und fotografierte das alles und kämpfte dabei verzweifelt gegen seine Gefühle an. Am liebsten hätte er sofort eingegriffen und unter diesen Dreckskerlen da unten ein Massaker angerichtet. Aber seine Befehle waren unmissverständlich. Alles was er tun konnte, war Fotos zu machen und den ganzen Vorfall zu dokumentieren. Er gab seinen Männern das Zeichen zu Rückzug. Hier konnten und durften sie nichts mehr tun. Im selben Augenblick erhob sich Steve aus seiner Deckung. Ein markerschütternder Schrei erfüllte den Talkessel. Steve brüllte wie ein Irrer. „You scruffy pigs. Damned sons of a bitch. I kill you all.“ „Comes here to me“... Er riss den Abzug seiner Waffe durch und eröffnete das Feuer. Wie ein Tier brüllend stand er auf einem Felsvorsprung und schoss blindwütig auf alles, was sich unten bewegte und kein Kind war. Er schrie Steve an „Bist Du völlig wahnsinnig geworden?“ „Die machen uns fertig !“

Die Männer der Bande hatten sich relativ schnell aus ihrer Ãœberraschung gelöst und erwiderten jetzt das Feuer aus allen Rohren. Das Problem bestand darin, das er und seine Leute in Unterzahl waren, ihre Tarnung verloren hatten und als ob das nicht schon schlimm genug war, auch noch die Hälfte ihrer Waffen nicht dabei hatten. Sie hatten weder Raketen – oder Granatwerfer zur Verfügung noch schwere Maschinengewehre. Allerdings hatten sie bei ihrem Gegner auch nichts außergewöhnliches feststellen können. Die obligatorischen Kalaschnikow und ein paar M16.

Alles was sie selbst hatten waren ihre persönlichen Waffen, Steve's AA-52 und Pete's leichtes Maschinengewehr. Dazu kamen fünfzehn 40mm Gewehrgranaten für drei M203 und ein paar Handgranaten. Ihre Munition würde für ein längeres, offenes Gefecht nicht reichen und Pete stand immer noch auf seinem Vorsprung und schoss einen Gurt nach dem anderen leer. Mit ein paar Sätzen war er bei seinem Kameraden und riss ihn zu Boden. Steve's Gesicht war tränenüberströmt, er schlug nach ihm und schrie immer wieder „ich leg die Schweine um, ich leg sie um... Das waren Kinder“. Und obwohl er ihm am liebsten eine reingehauen hätte, nahm er seinen Freund in den Arm und sagte „I know my friend and because it's now as it is, we kick them in the arse. And if we die now, we know at least why“. ...Ich weiß, mein Freund. Und weil es jetzt so ist wie es ist, treten wir ihnen in den Arsch. Und wenn wir hier sterben, wissen wir wenigstens, wofür... Mit diesen Sätzen war es mit Steve's Raserei vorbei. Schlagartig wurde ihm bewusst, was er angerichtet hatte und in welcher Gefahr sich jetzt alle befanden. „ I'm so sorry, I make it good certainly again“ Ihm tat es leid, sicher. Doch er brauchte nichts wieder gut zumachen. Er drückte seine Stirn fest gegen die seines Gefährten. „Let's fight“.

Der einzige Vorteil den sie hatten, bestand in der waghalsigen Klettertour die sie gestern unternommen hatten um auf den Kamm der Felsformation zu gelangen. So wie er es einschätzte, gab es nicht wirklich einen einfachen Weg nach oben. Erstens hätten die Milizionäre dann ganz sicher Wachen hier oben positioniert und außerdem hatten sie einen Tag lang die gesamte Gegend genau unter die Lupe genommen und nicht mal einen Trampelpfad entdeckt, der hier hoch führte. Solange sie also hier oben blieben und die Stellen ins Visier nahmen, an denen es am wahrscheinlichsten war das jemand sie erklomm, hatten sie wenigstens eine Chance. Sie suchten sich die taktisch besten Stellen an denen sie freies Schussfeld hatten, sich gegenseitig Feuerschutz geben konnten und von zwei Seiten durch Felsen gedeckt waren. Ein schneller Rückzug war für ihn und seine Jungs so allerdings nicht möglich. Aber darum ging es jetzt auch nicht mehr. Sie waren entdeckt worden und deshalb ging es jetzt einzig darum, in dieser Situation so lange wie möglich am Leben zu bleiben, so viele Gegner wie möglich zu töten und auf ein Wunder zu hoffen. Und letztlich würde entscheiden welche Verstärkung zu erst da war. Seine oder die andere. Seine Einheit hatte Hubschrauber. Die nicht.

Nach einer halben Stunde erschien ein Kopf in dem Felsspalt, den er vorher als möglichen Weg nach oben ausgemacht hatte. Er brauchte nur einen Schuss. Einer weniger... Ein paar Minuten später hörte er einen Schuss aus dem FAMAS von Maurice. Zwei weniger. Nach weiteren zehn Minuten hallte ein dritter Schuss aus südlicher Richtung über den Kessel. Das war Steves TCI M89. Drei.

Langsam wurde es Dunkel. Einerseits war das gut, andererseits schlecht. Das gute an der Finsternis war, dass sie die Nacht als ihren Verbündeten kannten und schätzten. Sie beschützte und versteckte ihn und seine Jungs, während sie selbst durch ihre Nachtsichtgeräte jede Bewegung wahrnehmen konnten. Sogar die Verständigung per Handzeichen funktionierte mit diesen Geräten bei Dunkelheit.

Die andere Seite der Medaille war allerdings, das die da unten genug Leute waren und jeder von denen genug Zeit hatte sich auszuruhen oder zu schlafen. Das konnten sie sich nicht leisten und die Müdigkeit war ein ernst zu nehmender Gegner. Höchstens zwei konnten, gedeckt durch die anderen, jeweils für kurze Zeit die Augen zumachen. Sie würden mit ihren Kräften haushalten müssen. Und mit ihrem Wasser. Glücklicherweise waren die Nächte hier angenehm kühl und jeder von ihnen hatte vier Tabletten Pervitin dabei, ein Methamphetamin, das den Körper aufputschte, Schmerzen erträglich machte, die Müdigkeit unterdrückte und ihnen erlaubte, über einen Zeitraum von maximal 96 Stunden wach zu bleiben. Dann allerdings war der Körper so erschöpft und buchstäblich ausgebrannt, das man starb, wenn man keine Erholungspause bekam und versuchte, mit noch höheren Dosen den Zeitpunkt der totalen Erschöpfung noch weiter hinauszuzögern. Bis dahin mussten sie eine Lösung gefunden haben oder die Verstärkung da sein. Andernfalls waren sie so gut wie tot. Vier.

Das war Steve's leichtes Maschinengewehr. Glücklicherweise waren auch Pete und sein AA-52 unzertrennlich, und entgegen seinem Rat hatte sein Freund dieses immerhin 10 Kilo schwere Monster und die dafür nötigen Munitionsgurte mit in den Einsatz genommen. „Who knows for what it's good“ hatte er dabei augenzwinkernd gesagt. Wer weiß, wozu es gut ist. Jetzt wussten sie es. Er selbst hätte sein Großkaliber jetzt auch gern dabei gehabt, aber er wollte auf einer Aufklärungsmission nicht diesen 15 Kilo schweren Klotz von Scharfschützengewehr mit sich herumschleppen. Ein Fehler, der aber jetzt nicht mehr zu korrigieren war. Seine Pistole und das SG 542, ein zuverlässiges und sehr brauchbares Schweizer Sturmgewehr, mussten also reichen. Die Waffe hatte er sich bei einem Händler in Mogadischu beschafft. Jeder verdiente an diesem Krieg. Auch die Schweiz. Mittlerweile war es stockdunkel geworden und unten im Lager wurde es ruhig. Der LKW, auf den man die Kinder verladen hatte, war abgefahren. Niemand konnte mehr etwas für sie tun, und deshalb war es wichtig, das wenigstens die Ergebnisse ihrer Mission und die Fotos in die richtigen Hände kamen.

Nur kurz dachte er über einen Abstieg nach, aber er trennte sich sofort wieder von diesem Gedanken. Bei der jetzt herrschenden Dunkelheit hätten sie auch gleich fünfzig Meter in die Tiefe springen können. Außerdem musste er davon ausgehen, das nun überall im Gelände Wachen postiert waren, die nur darauf warteten, sie vor die Mündung ihrer Waffen zu bekommen. Ihre zurückgelassenen Fahrzeuge hatte man in der Zwischenzeit sicher schon ausfindig gemacht, auch wenn sie gut getarnt zwei Kilometer von hier entfernt standen. Wenigstens waren sie in ihrer jetzigen Stellung zumindest bis zum Sonnenaufgang in relativer Sicherheit. Der Aufstieg bei Tag war schon lebensgefährlich und er konnte sich nicht vorstellen, das die Skinnys das Risiko bei Nacht eingehen würden. Sie selbst hatten bei Tageslicht stundenlang gebraucht um einen Weg nach oben zu finden. Einzelne Versuche waren zwar nicht auszuschließen, aber solange auch nur ein paar wenige Milizionäre tatsächlich so verwegen sein sollten, zu ihnen heraufzuklettern, konnten sie diese leicht abwehren. Die Nachtsichtgeräte verschafften ihnen hier einen riesigen Vorteil und auch ihre Positionen waren optimal gewählt. Die Skinnys müssten für einen überraschenden Angriff schon fliegen können. Gefährlich werden konnte ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nur der Einsatz von Steilfeuerwaffen. Aber weder er noch einer seiner Jungs hatte Granatwerfer oder Mörser entdecken können, als sie die Bewaffnung der Milizionäre aufklärten. Die Bande hier schien wirklich nur mit leichten Infanteriewaffen ausgerüstet zu sein. Was ihm mehr Kopfzerbrechen bereitete war die Tatsache, dass sie es mit fast einhundert Gegnern zu tun hatten die alles daransetzen würden, sie zu töten. Sie selbst waren neun. Es sah nicht gut aus. Er setzte einen Funkspruch ab und informierte die Basis über ihre Lage. Er gab die genauen Koordinaten durch und war heilfroh, als sein Chef ihm durchgab, dass sich zwei Bell im Morgengrauen auf den Weg zu ihnen machen würden. Er konnte nur hoffen, das sie rechtzeitig eintrafen und die Skinnys nicht doch noch irgendein Ass im Ärmel hatten.

Eine Stunde später bewahrheitete sich diese Befürchtung. In der Ferne war Motorengeräusch zu hören und Autoscheinwerfer fraßen sich durch die Dunkelheit. Die Fahrzeuge näherten sich ziemlich schnell aus westlicher Richtung. Vorsichtig stand er auf und blickte über einen kleinen Felsvorsprung. Wenn alle Fahrzeuge die Scheinwerfer anhatten, bewegten sich zwei davon auf sie zu. Manchmal fuhren aber auch mehrere Autos in einem Konvoi ohne Licht, um den Gegner über die wirkliche Stärke zu täuschen. Diese einfache Taktik hatten die Skinnys sehr schnell von den Amerikanern gelernt. Wieder war er dem Erfinder des Nachtsichtgeräts sehr dankbar. Zwei Geländewagen mit aufmontierten 20 oder 30 mm Kanonen hielten auf sie zu. Jetzt wurde es brenzlig. Leuchtkugeln stiegen in den Nachthimmel und tauchten die ganze Umgebung in ein gleißendes, grün-weißes Licht. Die Felsen warfen gespenstige Schatten, die sich zu bewegen schienen, während die Leuchtraketen an ihren Fallschirmen langsam zu Erde schwebten. Die Mistkerle hatten also Verstärkung geholt und das viel schneller, als er es ihnen zugetraut hätte. Er drehte sich zu Pete um. Der fragte ihn mit Handzeichen, ob er mit Gewehrgranaten versuchen sollte, die Jeeps unter Feuer zu nehmen. Aber die Reichweite war zu gering, um wirklich sicher zu treffen, und ihre Vorräte an Munition waren begrenzt.

Zur Zeit bestand keine Gefahr und vielleicht würden ihnen die schweren Kaliber später mehr nützen. Wieder stiegen Leuchtraketen auf und erhellten die Umgebung. Die Skinnys brachten, ohne viel Zeit zu vergeuden, die Geschütze in Stellung und fingen an, die Bereiche der Felsen unter Feuer zu nehmen, hinter denen sie sie vermuteten. Und sie lagen erstaunlich richtig. Zumindest hatten sie sich gemerkt, wo sie ihre Kollegen vom Boden kratzen mussten, weil die Belohnung für deren Versuche, zu ihnen heraufzuklettern, ein gezielter Kopfschuss war. Unglücklicherweise verstanden die Männer hinter den Kanonen auch noch etwas von Ballistik.

Sie hielten mit ihren Fahrzeugen einen so großen Abstand zu ihren Zielen, das die Granaten in einem sehr flachen Winkel über und neben ihnen in die Felsen einschlugen und nicht über sie hinwegflogen. Und zu guter letzt verwendeten sie auch noch Sprenggranaten, die große Stücke aus dem Kalkstein herausrissen. Heiße Granatsplitter und Felsbrocken flogen ihnen nur so um die Ohren, sie wurden mit Geröll überschüttet und die explodierenden Geschosse verursachten einen Höllenlärm. Sie drückten sich so tief wie möglich in die Felsen um Deckung zu finden, mussten aber gleichzeitig die möglichen Aufstiegswege im Auge behalten, um hier oben nicht doch noch von den Skinnys überrascht zu werden. An Abwehrfeuer war nicht zu denken. Etwas heißes streifte seinen linken Unterarm. Blut lief aus einer ungefähr sieben Zentimeter langen und knapp einen Zentimeter tiefen Wunde. Der Granatsplitter hatte die Haut nur geritzt. Nichts ernstes also. Er holte ein Medipack aus seiner Beintasche und schüttete sich Jod über den blutenden Unterarm. Dann zündete er sich eine Zigarette an und streute die Asche in die Wunde, um die Blutung zu stoppen. Der nächste Splitter traf ihn am rechten Unterschenkel und blieb im Schienbein stecken.

So eine verdammte Scheiße“ dachte er. „wochenlang passiert überhaupt nichts und dann rasieren mich diese Arschlöcher im Sekundentakt“. Seltsamerweise verspürte er keine Angst. Er presste sich noch tiefer in die Ecke seiner Stellung und hoffte, das seine Kameraden nicht die Nerven verlieren würden. Die nächste Granate detonierte genau über ihm und überschüttete ihn eimerweise mit Schutt. Er war hier wie festgenagelt und konnte keine drei Meter vor oder zurück. Entweder er stürzte ab oder er lag wie auf dem Präsentierteller. Er fing an, die herunter gebrochenen Gesteinsbrocken vor sich zu einem Schutzwall aufzutürmen und konnte sich so tatsächlich besser vor den umher schwirrenden Granatsplittern schützen. Vorsichtig hob er seinen Kopf aus der Deckung, um Sichtkontakt zu seinen Männern aufzubauen. Nach einem Rundumblick atmete er erleichtert auf. Alle waren noch da und was noch wichtiger war – sie waren am Leben. Die Jungs hatten wie er selbst ihre Stellungen mit Steinen und Geröll verstärkt und warteten ab. Plötzlich stellten die Skinnys das Feuer ein. Nach dem ganzen Feuerzauber herrschte nun eine unwirkliche erscheinende Stille. Im rechten Ohr machten sich stechende Schmerzen und ein leises Pfeifen bemerkbar. Er hielt sich die Nase zu und presste die Atemluft so, als ob er schnäuzen wollte. Ein kleines rotes Rinnsal lief aus dem Gehörgang. Wahrscheinlich hatte das Trommelfell Schaden genommen. Das war zwar lästig aber nicht weiter schlimm. Schließlich war es nicht das erste Mal, doch er konnte sich jetzt nicht mehr zu einhundert Prozent auf sein Gehör verlassen. Er musste das durch seine Augen ausgleichen und seine Umgebung noch aufmerksamer beobachten. Er setzte die Schutzbrille auf. Ob sein Gleichgewichtssinn auch etwas abbekommen hatte, konnte er in seiner jetzigen Lage nicht feststellen. Zumindest konnte er kein Schwindelgefühl bei sich entdecken, was darauf hindeuten würde. 

Die Feuerpause, die von den Somalis eingelegt wurde, konnte nur bedeuten, dass sie versuchten, wieder ein paar Leute zu ihnen hochzuschicken. Da die Skinnys nur die Gipfel der Kalksteinfelsen unter Beschuss genommen hatten, konnte es auch möglich sein, das sie den Feuerschutz ausnutzen wollten und schon auf dem Weg zu ihnen waren. Er prüfte seine Waffen, legte seine Magazine und Gewehrgranaten griffbereit zurecht und wartete. Dann rief er die Namen seiner Kameraden. Einen nach dem anderen. Und jeder antwortete mit einem „ready“. Jeder Ruf und jede Antwort wurde von unten mit wütendem Gewehrfeuer quittiert. Es war eine klassische Patt- Situation entstanden, die so absurd war, das er sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Unten im Camp befanden sich über einhundert Milizionäre, die sie ins Jenseits befördern wollten, aber keine Möglichkeit hatten, an sie heranzukommen ohne einer nach dem anderen getötet zu werden. Oben auf dem Höhenrücken wiederum befanden sich neun Legionäre, die sich nicht umbringen lassen wollten, aber keine Möglichkeit zum Rückzug oder gar zum Abstieg hatten, ohne ihr Leben zu verlieren. Es kam nur darauf an, wer die stärkeren Nerven und mehr Zeit besaß. Zeit hatten die da unten, die stärkeren Nerven sah er auf seiner Seite. Sie waren bereit. Leicht würden sie es den Skinnys nicht machen. Sein Schienbein schmerzte und der Arm brannte wie Feuer, aber im großen und ganzen hatte er Glück gehabt. Ihre Stellungen waren so gewählt, das ein direkter Beschuss von unten nicht möglich war. Um sie zu töten, mussten die Milizionäre zu ihnen heraufkommen. Er schaute auf die grünen Leuchtzeiger seiner Uhr. Noch sechs Stunden bis Sonnenaufgang. Er nahm eine Pervitin und heftete seinen Blick förmlich auf die Felsspalte, in der vor eineinhalb Stunden schon einmal ein dunkler Kopf aufgetaucht war. Diese Spalte war das Ende eines 30 Meter langen Kamins, in dem ein Mann hinaufklettern konnte, wenn er seinen Körper zwischen den Felswänden verkeilte und sich Stück für Stück hinaufschob. Es war eine mühsame und gefährliche Form des Aufstiegs, aber die Skinnys hatten schon einmal gezeigt, das sie den Mut dazu hatten. Allerdings war es unmöglich, schwerere Waffen auf diesem Weg mitzunehmen. Pete hatte es trotz seiner Kraft und seines Körperbaus extreme Anstrengungen gekostet, sein MG hier hinauf zu wuchten. Was ihm mehr Sorgen machte war der Gedanke, das die Skinnys auf die Idee kommen könnten, sie mit Handgranaten anzugreifen. Dann hätten sie wirklich schlechte Karten. Sie mussten wachsam bleiben und den Feind als erster sehen, um sofort reagieren zu können. Ein zum Wurf ausgestreckter Arm konnte schon das Ende bedeuten. 

Hatte er da eben ein Rascheln gehört ? Er drehte seinen Kopf mit dem gesunden Ohr in die Richtung, aus welcher der Laut kam. Ein Geräusch, das so klang als würde Stoff über Felsen schaben. Schnell schaltete er sein Nachtsichtgerät an, griff nach seiner Waffe und starrte auf den Spalt. Eine Hand erschien, die nach irgendetwas tastete, an dem sie Halt finden konnte. Jetzt krallten sich die Finger an einen kleinen Vorsprung. Er zog sein Kampfmesser aus der Scheide, sprang geduckt vorwärts und hieb mit aller Kraft zu. Schreiend stürzte der Mann in die Tiefe und auf dem Vorsprung blieben drei Finger zurück. Wenigstens konnten sie jetzt keinem Kind mehr etwas anhaben dachte er grimmig und schickte sie mit der Fußspitze ihrem Besitzer hinterher. Er löste eine Handgranate von seinem Gurtzeug, zog den Sicherungssplint, zählte bis vier und ließ die Granate den Kamin hinunter fallen. Die Detonation hallte weithin durch die Nacht und zwei Schreie zeigten ihm, das seine Vermutung richtig war.

Die Dreckskerle versuchten tatsächlich, direkt hintereinander zu ihm hinaufzuklettern. Vorsichtig schob er seinen Körper vorwärts und schaute in den Felsspalt. Sofort wurde unten das Feuer eröffnet und Kugeln schlugen rings um ihn in die Felsen ein. Aber die eine Sekunde hatte ihm ausgereicht. Im Kamin befand sich niemand mehr und unter ihm, in fünfzig Metern Tiefe, standen fünf oder sechs Skinnys. Er hatte wieder etwas Zeit gewonnen und zog sich in seine Deckung zurück. Gerade noch rechtzeitig, den unmittelbar darauf begann wieder das Trommelfeuer aus der 30mm. Das andere Geschütz stand auf der gegenüberliegenden Seite der Felsen, die mit ihren steil abfallenden Wänden das Lager der Miliz wie ein Amphitheater umschlossen. Auf der anderen Seite lagen Maurice und Steve, die durch die Schreie und die Explosion der Handgranate gewarnt waren. Und inmitten der Detonationen der 30mm Geschosse glaubte er, das Geräusch von Maurice's FAMAS zu hören. Einsetzendes Feuer aus der 20mm der Somalis gab ihm Recht. Ringsum blitzte jetzt auf dem Kamm der Felsformation Mündungsfeuer auf. Die Skinnys versuchten tatsächlich mit aller Gewalt eine Entscheidung herbeizuführen und schienen wie Affen die Felsen hochzuklettern. Seine Leute konnten sie sich jedoch immer wieder vom Leib halten. In den kurzen Feuerpausen, die die Milizionäre an den Geschützen zum nachladen brauchten, rief er immer wieder die Namen seiner Kameraden und war froh, von allen ein „ready“ zu hören. „Ready“ bedeutete bereit und sagte ihm, das seine Gefährten kampffähig waren. Wie lange das noch so blieb, konnte keiner wissen. Aber sie würden ihre Haut so teuer wie möglich verkaufen.

Alle seine Männer blieben auf ihren Posten, wenn es möglich war hielten sie Sichtkontakt zueinander und verständigten sich über Handzeichen. Nicht einer der Jungs war unverletzt, aber die Schwere der Verwundungen hielt sich in Grenzen. Sie konnten sich bis zu einem gewissen Grad selbst versorgen, kleinere Wunden nähen und Blutungen stoppen. In ihren Medipacks befanden sich starke Schmerzmittel, Desinfektionspräparate, Verbandsmaterial, ein Skalpell, chirurgisches Nähzeug und Infusionen. Sie alle hatten eine medizinische Ausbildung, die sicher stellen sollte, dass sie so lange wie möglich Einsatz- und kampffähig blieben, auch wenn sie längere Zeit völlig auf sich allein gestellt waren. Das Pervitin begann zu wirken, er fühlte sich topfit und hellwach, obwohl er schon länger als 25 Stunden auf den Beinen war. Die Schmerzen im Schienbein wurden langsam erträglicher. Er schob das Hosenbein nach oben um festzustellen, wie tief der Granatsplitter im Knochen steckte. Er fühlte das Metall und versuchte es herauszuziehen, sah aber sofort ein, dass dieses Vorhaben sinnlos war. Ohne Zange würde er es nicht schaffen. Die Wunde blutete nicht sehr stark, der glühendheiße Splitter hatte die Wundränder versengt und die Adern verschlossen. Er kippte vorsichtshalber noch etwas Jod darüber und deckte die Stelle mit etwas Mull ab. Das musste für's erste reichen. Er hob seinen Kopf vorsichtig aus der Deckung und blickte sich nach seinen Gefährten um. Pete winkte ihm zu und gab ihm durch einen erhobenen Daumen zu verstehen, das mit ihm alles in Ordnung war. Steve hatte sich wahrscheinlich die Hand gebrochen. Das war für einen Abstieg ein Handicap. Wenn die Hubschrauber kamen, musste er daran denken. Maurice hatte einen glatten Durchschuss durch den rechten Oberarm erlitten, aber die Wunde versorgt. Der Knochen war nicht verletzt, der kleine Franzose war also weiter einsatzfähig.

Es musste für die Skinnys deprimierend sein, nicht an sie heranzukommen. Hatten sie früher vielleicht gedacht, das optimale Versteck gefunden zu haben, waren sie jetzt wahrscheinlich über ihre Wahl nicht mehr so glücklich. Sicherlich hatte keiner von ihnen vermutet, das es Verrückte gab, die sie von oben angreifen und sich damit selbst den Rückzug abschneiden würden. Auch wenn das so niemals geplant war und die Somalis das nicht wussten, konnte er sich ein wenig Häme nicht verkneifen. Und auch für spätere eigene Operationen, in denen sie selbst sich ein Versteck suchen mussten, war die jetzige Situation in seinem Gehirn abgespeichert. Die Fähigkeit, aus eigenen Fehlern und aus denen der anderen zu lernen machte den Wert seiner Einheit aus.

Langsam wurde es immer ruhiger. Der Beschuss lies nach, nur ab und zu stieg eine Leuchtkugel in den Nachthimmel. Vermutlich hatten die Angreifer keine Munition für die Geschütze mehr. Um herauszufinden ob seine Annahme richtig war richtete er sich kurz aus seiner Deckung auf und feuerte, um auf sich aufmerksam zu machen, eine kurze Salve in das Lager. Und tatsächlich schwiegen die Geschütze. Nur Kugeln aus den AK47 schlugen rings um ihn in die Felsen ein. Er verständigte sich mit seinen Jungs und einer nach dem anderen machte es ihm nach und erhob sich für Augenblicke aus der Deckung, um die Milizionäre zu provozieren. Mit dem selben Ergebnis. Wenn es denen da unten nicht gelang, vor dem eintreffen der Hubschrauber Nachschub zu organisieren, hatten sie schlechte Karten.

Gegen die schwer bewaffneten und gepanzerten Helikopter konnten sie mit ihren Kalaschnikow's so gut wie nichts ausrichten. Die Geschütze wären für die Bell eine ernste Bedrohung, aber diese Chance hatten sie sich offensichtlich durch das blindwütige aber nutzlose feuern auf Felswände selbst vermasselt. Diesen Vorteil wollte er aufrecht erhalten und gab deshalb seinen Männern den Befehl, mit ihren schweren Kalibern die Fahrzeuge der Skinnys unter Beschuss zu nehmen, solange seine Gegner nicht auf die Idee kamen loszufahren, um Munition zu organisieren. Entweder war das auftauchen der Jeeps mit den aufmontierten Schnellfeuergeschützen vor ein paar Stunden ein Zufall, oder irgendwo in der Nähe befand sich noch ein Stützpunkt der Banditen. Langsam und vorsichtig nahmen die drei Männer, die über die entsprechende Bewaffnung verfügten, die günstigsten Positionen ein. Dazu mussten sie in der Dunkelheit über den Felskamm zu den Stellen klettern, von denen sie die Geschütze und Fahrzeuge der Miliz sehen konnten. Da sie auf ihrem Weg dahin immer wieder ungedeckt waren, sicherten die anderen Jungs und waren bereit, ihren Kameraden sofort Feuerschutz zu geben, falls die Somalis wieder versuchen sollten, zu ihnen heraufzuklettern oder sie aus dem Kessel zu beschießen. Trotzdem waren die Nerven aller Männer zu zerreißen gespannt. Nach endlos erscheinenden Minuten hatten die Schützen ihre Positionen erreicht. Sie waren unbemerkt geblieben und hatten ein freies Schussfeld. Um die Fahrzeuge direkt zu treffen mussten sie sorgfältig zielen, denn für die Bekämpfung von Punktzielen waren die Granatwerfer nur bedingt geeignet. 150 bis 170 Meter waren das Maximum für einen sicheren Treffer, alles weitere war reine Glückssache.

Viele Versuche hatten sie nicht, denn jeder Mann hatte nur fünf Granaten dabei. Sie warteten auf seinen Befehl zum feuern. Wenn es ihnen tatsächlich gelingen sollte, die Fahrzeuge und die Geschütze zu zerstören, würde ihre Evakuierung um vieles leichter werden. Er gab den Befehl und sofort war das dumpfe, fast harmlose Abschussgeräusch der Gewehrgranaten zu hören. Es klang, als ob man eine unter Druck stehende Bierflasche schnell öffnen würde. Nur ein bischen dunkler. Plopp. Bei 71 Metern, die die Projektile pro Sekunde zurücklegten, musste er fast zweieinhalb Sekunden warten, ehe feststand, ob seine Jungs getroffen hatten oder nicht. Aber das warten lohnte sich. Die Jeeps mit den aufmontierten Geschützen standen in Flammen. Nach einer weiteren Salve brannten LKW und noch eine Salve später hatte ein Volltreffer einen Geländewagen sogar umgeworfen. Zur Sicherheit ließ er die beiden Geschütze ein zweites Mal unter Feuer nehmen. Das Blatt hatte sich zu ihren Gunsten gewendet. Er überlegte kurz, ob er die Zelte und die einzige Baracke des Lager beschießen lassen sollte. Unter Umständen befanden sich ja in der Wellblechhütte die Munitionsvorräte der Bande. Mehrere, an einer Seite aufgestapelte Fässer enthielten vielleicht auch den Treibstoff für die Fahrzeuge. Da ihr ursprünglicher Befehl, keine Kampfhandlungen durchzuführen, ohnehin nicht mehr zu erfüllen war, war jetzt alles, was die Bande schwächte ein Pluspunkt für sie, der eine Rettung und einen glimpflichen Ausgang für alle seine Männer wahrscheinlicher machte. Die restlichen sechs Granaten fanden ihr Ziel, die Zelte gingen in Flammen auf und die Wellblechhütte flog buchstäblich auseinander. Die einzelnen Teile wirbelten durch das Lager und gingen scheppernd irgendwo in der Dunkelheit nieder. Mehrere der Fässer zischten als Feuerbälle durch die Gegend, eins davon landete in der Hecke aus Dornengestrüpp in der Mitte des Areals und setzte diese in Brand. Die Skinnys waren völlig überrascht, mit einem Feuerüberfall durch Granatwerfer hatten sie anscheinend überhaupt nicht gerechnet. Wütendes Feuer aus russischen Sturmgewehren schlug ihnen jetzt entgegen, aber jeder Schuss, den die Somalis jetzt unnütz abgaben, würde ihnen später fehlen. Sie gingen in Deckung und warteten ab. Die Zeit arbeitete jetzt für sie und er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Bis zum Morgengrauen wagte sich kein Bandit mehr zu ihnen herauf.

Seine Basis hatte Wort gehalten. In der Ferne lies das charakteristische, drohende Knallen der Rotoren die Luft vibrieren. Die Hubschrauber waren schon zu hören, lange bevor man sie zu Gesicht bekam. Und was da auf sie zukam war für die Skinnys offensichtlich so unheilverheißend, dass sie ihre Basis verließen. Sie glaubten ihren Augen nicht zu trauen, aber das Fluggeräusch der Helikopter versetzte die Banditen so in Angst, das sie Hals über Kopf davonliefen. Er schickte eine grüne Leuchtrakete in den Morgenhimmel und kennzeichnete seine Position mit Rauch um den Piloten den Weg zu weisen. Nach fünf Minuten waren die drei Bell bei ihnen und umkreisten die Felsformation noch mehrmals, bevor sie zur Landung ansetzten. Jetzt begann für ihn und seine Männer der schwierige Abschnitt. Sie mussten von diesem verfluchten Steinhaufen runter, auf dem sie fast dreißig Stunden unfreiwillig gehockt hatten. Da sie alle mehr oder weniger verletzt waren dauerte der Abstieg entsprechend lange, auch wenn sie vorher den entbehrlichen Teil ihrer Ausrüstung recht unprofessionell in die Tiefe geworfen hatten und so nicht mit sich schleppen mussten.

Zwischendurch stiegen die Hubschrauber immer wieder auf und sicherten das Gelände in weiten Kreisen. Schon ihre bloße Präsenz hielt die Bande auf gehörigem Abstand. Steve und er hingen als letzte in der Wand. Steve war durch seine gebrochene Hand gehandicapt und ihm selbst machte der Granatsplitter im Schienbein zu schaffen. Zwar bemühte er sich, die Wand mit der verletzten Stelle nicht zu berühren, aber immer wieder schabte das Metall am Felsen entlang und bescherte ihm fast unerträgliche Schmerzen. Er dachte kurz darüber nach, sich die letzten zehn Meter einfach fallen zu lassen, aber plötzlich war Pete an seiner Seite und trug ihn förmlich aus der Wand. Nachdem die letzten den Kessel umrundet und sich alle gesammelt hatten, fielen sie sich ohne Worte in die Arme, klopften sich auf die Schultern und kletterten, sich gegenseitig helfend, in die wartenden Helikopter. Keiner machte Steve auch nur einen Vorwurf.

Dieser Einsatz hatte allen gezeigt, wie wichtig es war, auch in schwierigen Situationen die Nerven nicht zu verlieren. Gefühle im Einsatz konnten verheerende Folgen haben. Sie hatten überlebt, auch wenn es diesesmal knapp und nicht einer von ihnen unverletzt geblieben war. Die Panzerwesten, die er eigentlich gar nicht auf die Mission mitnehmen wollte hatten zwar schlimmeres verhindert, aber trotzdem bluteten alle seine Männer und auch er aus großen und kleinen Wunden. Durchschüsse, ein Steckschuss und viele Fleischwunden durch Granatsplitter, Knochenbrüche und Platzwunden durch herunterfallende Steine – der Doc würde heute eine Menge zu tun haben. Gegen die Taubheit auf seinem linken Ohr würde allerdings auch er nichts machen können. Das musste die Zeit heilen.

Die Helikopter stiegen auf und nahmen auf der Runde, die sie flogen ehe sie nach Westen abdrehten, noch einmal die fliehenden Somalis unter Feuer. Alles, was sich unten bewegte wurde mit Kugeln und Raketen förmlich überschüttet. Dann stiegen die Hubschrauber auf 1500 Meter und es ging heimwärts. In der Basis wartete bereits ein gut angezogener Zivilist auf sie. Er händigte ihm die Filme aus, die er von dem Lager und allem, was dort vor sich ging gemacht hatte. Er hörte nie wieder etwas von den Bildern, die ihm und seinen Kameraden fast das Leben gekostet hätten.

fünftes Kapitel

Hey, over there it's move something“. Pete zeigte auf vier Uhr. Er rieb sich die Augen und nahm sein Nachtsichtgerät. Durch die Infrarotgeräte waren deutlich zwei Männer zu sehen, die sich schnell und zielstrebig auf den Konvoi zu bewegten.Die Art, wie sie liefen, ließ erkennen das sie nicht nur einen nächtlichen Spaziergang unternahmen, sondern ein Ziel hatten. Die beiden Männer hatten die obligatorische Kalaschnikow dabei, ihre Umrisse zeichneten sich deutlich gegen die hell erscheinende Kleidung ab. Ungewöhnlich war allerdings, dass sie gut erkennbar mehrere Magazine dabei hatten und eine Art Uniform trugen. Die Nachtsichtgeräte lieferten ein scharfes Bild, das etwas von einem Negativfoto mit Grünstich hatte. Das schienen keine Bauern oder Nomaden zu sein, die ihre Gewehre nur zur Selbstverteidigung mit sich führten. Er funkte den Führungsoffizier an. Der Konvoi hielt und die Fahrer stellten die Motoren ab. Sofort sicherten die Kameraden nach allen Seiten. Bewegungslos in der Wüste waren die Fahrzeuge ein leichtes Ziel. Aber die Nacht schützte sie.

 

Auch die beiden Männer standen jetzt still und man konnte sehen, wie sie versuchten, sich in der Dunkelheit zu orientieren. Einer der beiden hielt sich eine Hand an das Ohr und lauschte in die Nacht. Jetzt kauerten sich beide auf den Boden und versuchten, sich im Entengang hinter einem verdorrten Busch zu verstecken. Doch sie hatten keine Chance. Sie konnten versuchen was sie wollten, die Optik und die Elektronik waren nicht zu überlisten. Es sah lustig aus, wie sie durch das Gelände watschelten, aber die Situation war nicht im geringsten komisch. Alles was er beobachtete, meldete er über Funk und kurz darauf kam der knappe Befehl. „Ausschalten“. Ein einziges Wort entschied über Leben und Tod. Er nahm sein AW 50 zur Hand. Dieses Gewehr war seine Lieblingswaffe. Es war groß, knapp 15 Kilogramm schwer und unhandlich, aber wenn es darum ging, einen Feind auf große Entfernung auszuschalten, war es seine erste Wahl. Es verschoss Munition mit einem Kaliber von 12,7 mm und wenn man damit traf, war für den Gegner das Leben zu Ende. Ursprünglich war diese Waffe gar nicht zur Bekämpfung von menschlichen Zielen gedacht sondern wurde gegen Fahrzeuge, Radaranlagen oder Unterstände eingesetzt. Die Munition durchschlug auf 500 Meter noch dreieinhalb Zentimeter dicke Stahlplatten, und wer meinte, sich hinter einem Baum oder einer Ziegelwand verstecken zu können, hatte schlechte Karten. Er benutzte dieses Gewehr wegen seiner Reichweite und der Durchschlagskraft der Munition. Es gab nicht viel, was er damit nicht aufhalten konnte.

 

Er lud das Magazin, entsicherte die Waffe und überlegte kurz, ob er oben vom Fahrzeug oder am Boden die bessere Schussposition hätte. Er entschied sich für den Boden. Dort konnte er das Zweibein benutzen, damit das Gewehr einen besseren Stand hatte. Er kletterte vorsichtig vom Jeep und bemühte sich kein Geräusch zu machen. Aus den Augenwinkeln sah er, dass ihn alle Kameraden des Konvois mit den Augen verfolgten. Es herrschte eine fast unwirkliche Stille und jeder wusste, was gleich passieren würde. Er hatte diese Situation schon mehrmals durchgemacht und konnte noch immer nicht richtig einordnen, was dabei mit ihm geschah. Jedes Mal, wenn es vorbei war, fühlte er entweder gar nichts oder er war unendlich traurig. Er löschte Leben aus mit der Präzision eines Uhrmachers und hatte das Gefühl, dass mit jedem Leben, das er nahm, auch immer ein kleiner Teil von ihm zugrunde ging. Jeder im Konvoi war insgeheim froh darüber, nicht an seiner Stelle zu sein. Und trotzdem meldete er sich immer wieder für solche Einsätze. Er war einer der besten Scharfschützen seiner Einheit, und wenn es schon sein musste, sollte es wenigstens schnell gehen. Niemand sollte unnötig lange leiden müssen, egal, wer er war. Wie sehr er selbst litt, zeigte er niemandem.

 

Sie alle kannten die Geschichten von ehemaligen Soldaten, die sich zu Hause eine Kugel in den Kopf gejagt hatten, weil sie mit dem, was sie sahen nicht mehr zurechtkamen. Und auch hier, in Somalia, erschoss sich vor nicht allzu langer Zeit ein Kamerad nach einem Einsatz, bei dem es viele Tote gab. Was er nicht verwinden konnte, war der Verlust seines besten Freundes. Nein, es war kein Kinderspiel und auch kein Abenteuer. Es war ein Krieg, den keiner von ihnen wollte, in den sie aber irgendwie hineingeraten waren. Es gab für ihren Einsatz keine Anerkennung, weil sie in diesem Teil der Welt nicht sein durften. Und wenn etwas von ihrer Existenz bekannt wurde, nannten die einen sie Helden und die anderen Mörder. Und allzu oft kam es vor, das die, welche sie gerade eben noch Mörder nannten, sie Tage später um Hilfe anflehten. Es war eine völlig verrückte, aus den Fugen geratene Welt. Und er war mittendrin.

Doch diese Gedanken schob er jetzt zur Seite. Er hatte einen Auftrag und dieser hatte oberste Priorität.

 

Pete war mit dem Entfernungsmesser zur Stelle. Sie waren ein Team und immer, wenn es um große Distanzen ging, brauchte er ihn für die Berechnungen. Die Schussentfernung betrug 650 Meter, sie hatten leichten Rückenwind, keine besonders schwierige Sache also. Er hatte beide im Fadenkreuz seines Zielfernrohres und wartete auf den günstigsten Augenblick. Im Grunde war es wie ein Videospiel, nur mit dem Unterschied, dass da drüben echte Menschen lagen, die mit Sicherheit auch an ihrem Leben hingen. Als den Somali, der von ihnen rechts gesehen lag, der rote Punkt des Entfernungsmessers traf, versuchte er mit einer fahrigen Handbewegung, die Lasermarkierung wegzuwischen. Er ahnte vielleicht, was gleich passieren würde und drückte sich in Panik ganz flach auf die Erde, um Deckung zu finden. Er kroch verzweifelt am Boden hin und her, blieb einen Augenblick liegen und suchte sich wieder eine neue Stelle, von der er glaubte, dort besseren Schutz zu finden.

 

Mit den Händen bedeckte er immer wieder seinen Kopf. Es waren vermutlich die schlimmsten Augenblicke im Leben dieses Mannes, der zur falschen Zeit am falschen Ort war. Aber all seine Bemühungen waren umsonst, sein Tod war nur noch eine Frage der Zeit.„ Bleib liegen“ dachte er. Er wollte den Somali nicht unnötig leiden lassen und wartete deshalb auf den Moment, in dem er einen sauberen Schuss platzieren konnte, der sofort tödlich war. Und der Moment kam. Sein Gegenüber dachte wahrscheinlich, eine gute Deckung gefunden zu haben oder aus seinem Sichtfeld entkommen zu sein und hob den Kopf. Am Tage hätte er ihm genau ins Gesicht sehen können. Er drückte ab. Der Schuss beendete die Stille und Bruchteile von Sekunden später erreichte das Projektil sein Ziel. Der Mann wurde von der Kugel herumgerissen und im Zielfernrohr konnte er den feinen Nebel aus Blut und Gehirnmasse sehen, der jedes Mal entstand, wenn das Großkaliber traf.

 

Der andere rannte in Panik davon. Er warf auf seiner Flucht alles weg, was ihn am schnellen fortkommen behinderte, sein Gewehr, die Magazine, einen Rucksack. Ständig stürzte er und rappelte sich mühsam auf, um kurz darauf erneut über etwas zu stolpern und zu Boden zu gehen. Er lief im Zickzack wie ein Hase auf der Flucht und machte ihm damit das genaue Zielen schwer. Von Pete kamen die monotonen Entfernungsangaben. 700 Meter, 750, 800.Bei 850 Metern fiel der Mann wieder zu Boden. Er schlug hart auf und brauchte eine Weile, um wieder auf die Füße zu kommen. Diese Zeit reichte ihm. Wieder zerriss ein Schuss die nächtliche Stille, die Kugel traf den Flüchtenden in den Hinterkopf. „I have already thought you do not shoot them anymore.“ flüsterte Pete. „What's wrong with you ?“Pete hatte Recht. Das erste Mal hatte er gezögert abzudrücken. Den Bruchteil einer Sekunde hatte er mit dem Gedanken gespielt, den armen Teufel laufen zu lassen.

 

Verdammte Scheiße“ dachte er. Er hasste es. Bei einem Schuss, der den Kopf von hinten traf, fehlte dem Getöteten anschließend das Gesicht. Die großkalibrige Munition erzeugte so große Austrittswunden, das vom Antlitz des Mannes nichts mehr übrig war. Das Gesicht machte zu großen Teilen einen Menschen aus. Diesem Mann hatte er nicht nur das Leben genommen, sonder auch seine Identität. Niemand würde ihn wiedererkennen.“Die Show ist vorbei“ sagte er halblaut. „Beerdigt die Männer, und dann machen wir, das wir hier wegkommen“. Ihm war flau im Magen und er wusste, warum. Einen Feind im Kampf zu töten war eine Sache. Das machte ihm nichts aus. Einen Gegner zu eliminieren, der sonst die eigenen Kameraden töten würde, war in Ordnung. Aber diese beiden hier waren weder eine unmittelbare Gefahr, noch hatten sie irgendwelche Feindseligkeiten eröffnet.

 

Niemand wusste, wer sie waren oder was sie vor hatten. Es konnten Kämpfer gewesen sein, aber genauso gut auch Kamelhirten, die ihre Tiere auf irgendeinem Markt in Kenia verkauft hatten und mit einem großen Bündel Geld auf dem Weg nach Hause waren. Vielleicht hatten sie diese gefahrvolle Reise auf sich genommen, um mit dem Geld ihren Familien die Möglichkeit zu geben, dieses verfluchte Land zu verlassen. An der Küste gab es Männer mit Booten, die für eine Überfahrt nach Jemen 3000 Dollar pro Person nahmen. Viele der Kähne waren völlig überladen, alt und in einem so katastrophalen Zustand, das sie die 350 Kilometer offenes Meer nicht schafften und mit ihrer Fracht versanken. Die Eigner der Boote kümmerte das wenig. Sie blieben an Land und waren den ganzen Tag damit beschäftigt, ihr schmutziges Geld zu zählen. Landeinwärts an den Grenzen zu den Nachbarstaaten gab es überall Schlepper, die ganze Familien in die Nachbarländer schleusten und sich das fürstlich bezahlen ließen. Oft kam es allerdings vor, das die Menschen in LKW gepfercht, über die Grenze gefahren und irgendwo, in einem menschenleeren Gebiet in der Wüste sich selbst überlassen wurden. Ohne Wasser, Nahrung und der leisesten Ahnung wo überhaupt sie sich befanden. Tausende waren auf diese Weise ums Leben gekommen, es war ein dreckiges Geschäft mit der Angst vor dem Tod, mit dem sich auch einige Europäer teure Autos und große Yachten finanzierten, die sie dann in mondänen Küstenstädten des alten Europa zur Schau stellten. Und trotzdem jeder die Gerüchte und Berichte darüber kannte, war die Situation in Somalia selbst doch so hoffnungslos und entsetzlich, das viele Menschen es trotzdem wagten dem Leben hier zu entfliehen. Viele von ihnen hatten die Hoffnung, das sie an einen freundlichen und guten Menschen gerieten, der ihnen wirklich helfen wollte. Manchmal ist die Illusion das einzige, was den Menschen bleibt und vielleicht gehörten diese beiden zu denen, die glaubten eine Chance zu haben. Er hatte den beiden Unbekannten nicht den Hauch einer Chance gelassen und sie auf eine Weise getötet, die für viele Menschen gespenstisch war. Er selbst war unsichtbar, und den Schuss, der sie tötete hatten beide nicht einmal gehört. Es waren nur zwei auf seiner langen Liste von Abschüssen, aber er hatte zum ersten Mal das Gefühl, das es nicht richtig war. Er zwang sich, diese Gedanken zu unterdrücken und suchte nach einer Rechtfertigung.

 

Er hatte lernen müssen, das sie in diesem Krieg niemandem vertrauen konnten, egal wie harmlos ihnen die Umstände auch erschienen. Er dachte an die Patrouille, die sie vor einigen Wochen durchgeführt hatten. Sie waren auf der Suche nach Nahrungsmitteldieben und durchkämmten mehrere Dörfer, ohne etwas zu finden. In der letzten Siedlung begegneten sie einer Gruppe Einheimischer, die auf dem Dorfplatz stand und bei ihrem Auftauchen einen Ring um Säcke und Kisten bildeten, die sich bei genauerem Hinsehen als Lebensmittelbehältnisse des UNHCR entpuppten. Wie es schien, hatte sie die Diebe gefunden, die drei Tage zuvor einen Hilfskonvoi überfallen hatten. Doch keiner der Somalis trug Waffen, es waren keine Männer zu sehen, alles schien friedlich zu sein. Ihre Fahrzeuge hatten sie ein Stück entfernt stehen gelassen. Es war in den seltensten Fällen nötig, mit der gesamten Kavallerie in ein kleines Dorf einzurücken. Sie wollten die Menschen nicht unnötig einschüchtern.

 

Außerdem waren die Fahrzeuge hier draußen ihre einzige Lebensversicherung, sie konnten es sich nicht leisten, sie leichtfertig zu gefährden, wenn es wirklich zu Feindseligkeiten kam. Früher gab es aus der Nähe häufig Angriffe mit Molotowcocktails, bei denen vor allem Jeeps und leichte LKW mitsamt ihrer Ausrüstung in Flammen aufgingen. Manchmal saßen sie daraufhin mehrere Tage in der Wüste fest bis sie evakuiert wurden oder mussten tagelange Fußmärsche zurücklegen. Ohne Wasser, Munition und ihr Equipment waren das Höllentrips, die auch Todesopfer forderten. Also ließen sie seit einiger Zeit die Fahrzeuge zurück und gingen zu Fuß in die Dörfer. Damit hatten sie immer wieder gute Erfahrungen gemacht.

 

Nur die Besatzung eines Radpanzers hielt sich in einigem Abstand in Bereitschaft, um im Notfall eingreifen zu können. Als sie bis auf 150 Meter herangekommen waren, löste sich plötzlich aus der Gruppe eine Frau, die ein kleines Kind im Tragetuch über dem Bauch trug. Niemand aus seiner Einheit schöpfte irgendeinen Verdacht, alle nahmen an, das die Mutter gleich entweder um Nahrung oder Medikamente für ihr Kind betteln würde. Aber was dann passierte, machte sie fassungslos und lähmte sie für Augenblicke. Unvermittelt stimmte die Frau diesen unverwechselbaren typischen, gellenden Kehlschrei an, fing an zu laufen und holte dabei aus ihrem Gewand eine Handgranate hervor.

 

In dem Augenblick, in dem sie den Sicherungssplint gezogen hatte und den Arm hob, um die Granate zu werfen, löste Maurice sich als erster aus seiner Verwunderung und schoss ihr in den Kopf, um,wie er später sagte, das Baby nicht zu treffen. Die Frau fiel nach hinten um. Die Handgranate entglitt ihren Fingern und detonierte keinen halben Meter neben ihr. Sie riss Mutter und Kind in Stücke. Maurice stand fassungslos da und seine Augen verrieten, das er einfach nicht glauben konnte, was sich da gerade vor ihm abspielte. Und den anderen ging es genauso. Jeder von ihnen hatte im Laufe der Zeit grausame Dinge gesehen, und gemessen an früheren Erlebnissen war dieser Anblick hier geradezu lächerlich harmlos.

 

Jeder trug Bilder im Kopf, die für immer im Gedächtnis eingebrannt waren und die sie nachts nicht schlafen ließen. Aber was um alle Welt brachte eine Mutter zu so etwas ? Hätte sie ihr Kind vorher nicht einer Verwandten geben können ? Warum hatte sie es nicht einfach zu Hause gelassen ? Was war mit diesen Menschen los ? Er war mit seinen Männern hier, um diesen Leuten zu helfen, sie riskierten jeden Tag ihre Haut, sie nahmen unsägliche Strapazen auf sich. Und dann so etwas ? Hatte sie etwa angenommen, die Granate werfen und sie damit alle töten zu können ? So naiv konnte niemand sein, auch eine Frau nicht. Jetzt lag sie da, in einer Pfütze aus Blut mitten auf dem Dorfplatz, ihr Baby verstümmelt neben ihr. Und als ob das nicht schon genug wäre, wurde jetzt aus den Hütten auch noch das Feuer auf sie eröffnet. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Die Mistkerle hatten sich in den kleinen, runden Lehmbauten verkrochen, ihre Frauen und Kinder auf den Dorfplatz gestellt, um alles so harmlos wie möglich aussehen zu lassen und sie anzugreifen, wenn sie nahe genug heran waren. Und sie waren darauf hereingefallen.

 

Die Frauen und Kinder liefen schreiend auseinander und die Scheißkerle hörten nicht mal auf zu feuern. Es war ihnen scheinbar völlig egal, dass sie ihre eigenen Leute trafen, wenn sie nur ihn und seine Männer töten könnten. Und das erste Mal kam Wut in ihm auf. Unbeschreibliche Wut, wie er sie noch nie im Leben gespürt hatte. „Retreat“ rief er, Rückzug. Irgendwie mussten sie so schnell wie möglich aus dem Schussfeld herauskommen, Abstand zwischen sich und die Angreifer bringen. Das erste Mal rannten sie um ihr Leben und das fühlte sich irgendwie gar nicht gut an.

 

Sie liefen Schlangenlinien und warfen sich immer wieder zu Boden, um zurückzufeuern. Aber ein genaues Zielen war so unmöglich. Er schaute sich im Laufen um. Er musste sehen, wo seine Leute waren, ob es Verluste gab oder irgend jemand von seinen Leuten zurückblieb. Links von ihm lief Maurice geduckt, den Kopf tief eingezogen. So wie es aussah hatte er einen Streifschuss abbekommen. Pete war auf gleicher Höhe mit ihm und versuchte, die Gruppe zu decken, indem er lange Feuerstöße in Richtung der Hütten abgab. Aus fast allen Fensteröffnungen des Dorfes blitzte Mündungsfeuer auf, rings um sie her spritzen Dreckfontänen hoch, Kugeln pfiffen an ihren Köpfen vorbei und weit hinter ihnen explodierten Handgranaten.

 

Und wieder hatten sie unheimliches Glück. Die Somalis waren erbärmliche Schützen und hatten offensichtlich nur ihre eigenen Leute getroffen. In einer kleinen Bodensenke fanden sie Deckung. Sie pressten sich so tief in die staubige Erde wie sie konnten. Er atmete tief durch und blickte sich um. Alle waren da und außer Maurice, der aus einer Wunde am Oberarm blutete, waren sie unverletzt. Aber hier, dichtgedrängt auf einer Stelle, konnten sie unmöglich liegenbleiben. Das Gelände bot nicht viel Deckung, von ein paar Bäumen und einzelnen, großen Felsbrocken mal abgesehen. Aber das reichte ihnen. Er wies seinen Männern ihre Positionen zu und gab das Feuer frei. Pete und Steve brachten ihre Maschinengewehre in Stellung und deckten den Stellungswechsel ihrer Kameraden mit gezielten Salven.

 

Er war immer noch voller Wut. Diese Sache hier nahm er irgendwie persönlich. Seine Männer hatten sich im Gelände verteilt und nun nahm die Geschichte eine Wendung, die denen da drüben nicht gefallen konnte. Jeder von ihnen hatte jetzt einen Abschnitt des Dorfes im Visier, auf den er sich konzentrierte. Sie konnten sich blind aufeinander verlassen, denn schon viele Male hatten sie solche Situationen trainiert und durchgespielt. Während er die Typen hinter den Fensterhöhlen mit seinem AW 50 in Schach hielt, hatte sein Funker die Jungs im wartenden VAB informiert. Aber das Panzer-fahrzeug, das als Hauptbewaffnung eine 20mm Maschinenkanone trug, war ohnehin schon unterwegs. Die Kameraden hatten sie die ganze Zeit im Blick, starteten die Maschine sofort, als der ganze Zirkus losging und verließen ihre Deckung. In voller Fahrt kamen sie geradewegs auf sie zu, ohne Geländeunebenheiten großartig auszuweichen. Schon der Anblick dieses vorwärts stürmenden Stahlungetümes, das förmlich über Bodenwellen sprang, sah Unheil verheißend aus. Jetzt wäre eine gute Gelegenheit für die Hundesöhne da drüben, aufzugeben, dachte er.

 

Doch anscheinend konnten die Angreifer die Änderung der Kräfteverhältnisse noch nicht richtig einschätzen, oder sie wollten es nicht. Eigentlich hätten sie jetzt, gedeckt durch den Radpanzer, sich in aller Seelenruhe zurückziehen können, um das Dorf sich selbst zu überlassen, doch deswegen waren sie nicht hier. Sie waren feige aus dem Hinterhalt angegriffen worden und das alte Sprichwort vom klügeren, der nachgibt, hatte hier keine Gültigkeit. In diesem Land konnte nachgeben am nächsten Tage tödliche Folgen haben..

 

Ohne nachzulassen prasselten die Geschosse aus den Kalaschnikows auf sie ein, schlugen vor ihnen in den Boden, zerfetzten die Baumkronen. Sie durchsiebten die Luft und zwangen sie immer wieder in Deckung zu gehen. Metallisches klirren zeigte ihnen, das die Somalis jetzt auch das Panzerfahrzeug unter Beschuss nahmen. „Hoffentlich haben die keine RPG“ dachte er. Dieser russische Raketenwerfer konnte dem VAB gefährlich werden. Hatten sie nicht. Die 20mm meldete sich mit heiserem Bellen zum Dienst. Wo ihre Granaten einschlugen rissen sie kindskopfgroße Löcher in die Wände der Lehmhütten. Wenn der Mann hinter dem Geschütz es wollte, konnte er damit so eine Behausung dem Erdboden gleichmachen. Eimer, Körbe und Waschbottiche flogen auf dem Dorfplatz umher und die ersten Strohdächer fingen an zu brennen. Jeder Einschlag und die Explosionen der Geschosse verursachten ockerfarbene Staubwolken, und schon bald waren nur noch Umrisse der Behausungen erkennbar.

 

Eine Salve nach der anderen jagte in die kleine Siedlung und spuckte Tod und Verderben in die Häuser. Der Mann am Geschütz war stinksauer. Langsam schienen die Somalis zu begreifen, das ihre Lage mehr als aussichtslos war. Wer in den Hütten noch am Leben war, suchte nun sein Heil in der Flucht. Er hob die Faust und kurz darauf schwiegen die Waffen. Sie sahen den fliehenden nach und bei diesem Anblick war es mit seiner Wut vorbei. Die Leute, die da vor ihnen wegliefen, unterschieden sich in nichts von den armen Teufeln, die von den somalischen Milizen gehetzt und massakriert wurden. Und für sie machte es sicherlich auch keinen Unterschied, wer auf sie schoss. Wer sollte das alles noch verstehen. Da waren Menschen, die entsetzlichen Hunger litten und jeden Tag um ihre nackte Existenz kämpfen mussten. Niemand half ihnen in ihrem Überlebenskampf und das wenige, was sie vielleicht vor kurzem noch besaßen, wurde ihnen sehr wahrscheinlich von den eigenen Landsleuten geraubt. Ziegen, Hühner oder gar Rinder gab es in diesem Dorf nicht mehr und das war meistens ein Anzeichen dafür, dass irgend ein Clan, eine Miliz oder wer auch immer sich genommen hatte, was er wollte oder brauchte, ohne zu fragen, von was sich die Dorfbewohner noch ernähren sollten. Seit vielen Jahren hatte es in diesem Teil Afrikas nicht mehr geregnet, es herrschte eine furchtbare Dürre. Die Sonne hatte den Boden steinhart gebrannt, die Felder waren verdorrt und die Brunnen gaben für Ackerbau viel zu wenig Wasser.

 

Die Väter und Mütter mussten jeden Tag hilflos mit ansehen, wie ihre Kinder verhungerten. Und dann, fast im letzten Augenblick, fuhr vor den Augen dieser Menschen ein Transport an ihrem Dorf vorbei, der alles hatte, was sie so nötig brauchten. Das einzige, was sie noch besaßen, waren ein paar Gewehre, Munition und der Mut der Verzweiflung. Wer wollte diesen Menschen verdenken, dass sie sich holten, was sie so dringend benötigten, auch wenn die Güter des Konvois für andere bestimmt waren, die in genau der selben schlimmen Lage waren wie sie selbst.

 

Das sie die anderen damit dem Hungertod auslieferten, war ihnen völlig egal. Jeder war sich selbst der Nächste, das Hemd war jedem näher als der Rock. Wenn er in ihrer Situation wäre und es könnte, würde er mit Sicherheit genauso handeln. Auch er würde nicht tatenlos zusehen, wie die Menschen seines Dorfes, seine Familie vor die Hunde ging. Dann hatten sie sich endlich genügend Nahrung für ein paar Wochen erkämpft, das Leben ging weiter und sie schöpften wieder Hoffnung. Das schlimmste schien überstanden und genau in diesem Moment tauchte er mit seinen Leuten in diesem Dorf auf. Eigentlich war der Konflikt vorprogrammiert. Nur er konnte nichts dafür. Und doch schoss er hier auf Hungernde.

 

Er führte nur seine Befehle aus, und die waren eindeutig. Er konnte nicht einfach den Dienst quittieren und sagen „das geht mich alles nichts mehr an“. Seine Männer und er hingen da mit drin, ob sie wollten oder nicht. Das einzige, was von ihnen erwartet wurde war, das sie ihren Job erledigten. Er war mit Sicherheit kein sehr moralisch denkender Mensch, doch dieses Land hatte ihn gelehrt, das nichts zwangsläufig so sein musste, wie es im ersten Augenblick aussah. Diese Gedanken gingen ihm in letzter Zeit viel öfter durch den Kopf, als ihm lieb war. Seinen Dienst hier hatte er angetreten, voll mit Idealen und der Ãœberzeugung, die Welt besser und gerechter zu machen. Er wollte diesen Menschen tatsächlich helfen und diejenigen zur Verantwortung ziehen, die für all das Leid und die Grausamkeiten verantwortlich waren. Jeder seiner Kameraden hatte solche Vorstellungen. Doch nach endlosen Monaten sah sein Fazit anders aus. Nichts hatte sich geändert. Nichts. Der Bürgerkrieg war nach wie vor in vollem Gange und entzog der einfachen Bevölkerung jede Lebensgrundlage. Die Zahl der Verhungerten war nur noch zu schätzen und es wurde gemordet, geraubt und vergewaltigt als hätte irgend ein Wahnsinniger die Büchse der Pandora über diesem Teil Afrikas geöffnet.

 

Er selbst wünschte sich nichts sehnlicher als Frieden, doch auch er zog eine Spur von Leid, Tod und Verwüstung hinter sich her und führte erbarmungslos Krieg gegen alles, was er liebte. Er hatte Kameraden verloren, die ihr Leben für etwas gaben, das einfach nicht durchsetzbar war weil einige Leute, die am Krieg zu viel verdienten, es nicht wollten. Nur eine schlagkräftige, zu allem entschlossene Armee von mehreren hunderttausend Mann konnte diesem Land wirklich Frieden bringen. Aber dazu waren die westlichen Politiker zu feige. Oder aber, man überließe Somalia allein seinem Schicksal. Dann würde sich das ganze Problem irgendwann von selbst erledigen.

Obwohl er innerlich nach einer Rechtfertigung gesucht hatte, fühlte er sich trotzdem nicht besser. Eine düstere Vorahnung stieg in ihm auf. Dieses Land würde ihn nie mehr loslassen. 

viertes Kapitel

Das Sixpack Budweiser fiel ihm ein. Er stand auf, ging zum Kühlschrank und nahm sich ein Bier. Draußen neben dem Zelteingang stand ein Liegestuhl unter einem Sonnenschirm. Er machte es sich bequem, legte sich ein Kissen in den Nacken und schloss die Augen. Wie sehr hatte er sich in den vergangenen Tagen auf diesen Augenblick gefreut. Frieden, Ruhe und ein kühles Bier, das er im Sonnenuntergang mit einer Zigarette genießen konnte. Mehr braucht der Mensch nicht um glücklich zu sein. Aber sein Glück war von kurzer Dauer.

 

Maurice stürzte an ihm vorbei ins Zelt. „Habt ihr es schon gehört“, fragte er in den Raum hinein, „das Delta Team hat es erwischt“. Er richtete sich auf drehte sich um und fragte den kleinen Franzosen aufgeregt. „Das Delta-Team? Was weißt Du? Gibt es etwas neues“? Auch von allen anderen prasselten die Fragen jetzt auf Maurice ein. Es wurde laut im Zelt, alle redeten durcheinander. „Silence, shut up and let him talk !!“ Das Delta Team war vor vier Tagen aufgebrochen, um eine Missionsstation der Malteser zu evakuieren, die im Süden des Landes, nahe Jamaame, ein Krankenhaus und eine Schule unterhielten. Das wussten alle. Seit längerer Zeit gab es immer wieder Ãœbergriffe auf die Station, die an Heftigkeit zunahmen. Die Lage für die Ordensschwestern wurde so gefährlich, dass sie über Funk einen Hilferuf sendeten und um Schutz oder Evakuierung baten. Dieser Funkspruch wurde von der UN, von den Russen und anderen verschiedenen Stellen empfangen. Niemand hielt sich für zuständig oder war Willens oder in der Lage, Hilfe zu leisten. Schließlich kam über Umwege direkt aus Paris der Befehl bei ihnen an. Eine Rescue-Operation stand bevor, die anders werden sollte als alles, was sie bisher gemacht hatten.

 

Die Station dauerhaft vor Ãœbergriffen zu schützen war unmöglich, also war das Delta-Team mit dem Befehl aufgebrochen, die Schwestern zu evakuieren. Das tragische bei solchen Aktionen war immer, dass niemand sich darum kümmerte, was aus den Schützlingen der Malteser wurde. In allen Fällen wurden solche Stationen nach ihrer Räumung geplündert, manchmal niedergebrannt und alle, die sich dort noch aufhielten weil sie einfach nicht wussten wohin sie gehen sollten, ereilte ein schreckliches Schicksal. In Friedenszeiten wurden Christen in diesem überwiegend muslimischen Land noch geduldet, weil sie eine wertvolle Hilfe leisteten und das ohnehin desolate Gesundheitssystem des Landes entlasteten. Aber jetzt war Krieg, es gab keine Gesetze mehr und vielfach wurden die „Ungläubigen“ für das ganze Chaos verantwortlich gemacht. Das fehlen von Bildung in der Bevölkerung, allgegenwärtiger Aberglaube und uralte Traditionen machten es den Warlords leicht, die Menschen gegen solche Missionsstationen aufzubringen. Doch nicht nur den Warlords waren die Buschkrankenhäuser und Schulen der Christen ein Dorn im Auge.

Die alten Frauen in den Dörfern waren ebenfalls gegen die Schwestern und Ärzte der Malteser. Viele waren Heilerinnen, die mit überlieferten Ritualen, Kräutern und Zaubereien hohes Ansehen in der einfachen Bevölkerung genossen. Bei einfachen Krankheiten oder Verletzungen konnten sie wirklich helfen, gegen schwerwiegende Erkrankungen waren sie machtlos. Die Malteser stellten mit ihren modernen Medikamenten und ihrem Operationssaal, aber vor allem mit ihren Erfolgen in der Behandlung von Kranken eine Gefahr für die Autorität der Alten Frauen dar. Viele Menschen vertrauten ihnen nicht mehr, sondern nahmen tagelange Fußmärsche in Kauf, um sich oder ihre Kinder von den Weißen mit dem achtzackigen Kreuz heilen zu lassen. Doch wer sich dort behandeln oder versorgen ließ galt als verseucht, unrein, vom wahren Glauben abgefallen. Sie waren Freiwild, das jederzeit getötet werden konnte. Es gab bestätigte Berichte darüber, dass Kindern, die gegen Polio und Tetanus geimpft wurden, der Arm abgehackt wurde, in den sie die Spritze bekommen hatten. Wenn sie nicht gleich starben, wurden sie anschließend gesteinigt.

 

Es war ein Land, von dem man denken konnte, dass es einem kollektiven Wahnsinn verfallen war. Doch vor allem die Kampagnen gegen die Beschneidung von Mädchen, die von den Maltesern geführt wurden, erregten den Zorn der Heilerinnen. Dieser uralte barbarische Brauch festigte die Macht der alten Frauen und sichert ihnen vor allem ein zusätzliches Einkommen. Mit fast 97 Prozent war beinahe jede Frau und jedes Mädchen in Somalia von dieser Art der Verstümmelung betroffen. Schon bei Säuglingen und Kindern bis zwölf Jahren führte man das extrem schmerzhafte Ritual durch. Dabei wurden Teile oder die gesamten äußeren Genitalien entfernt – ohne Betäubung und mit verunreinigten Werkzeugen wie Rasierklingen und Glasscherben. Oft blieb nur noch eine reiskorngroße Öffnung für den Abfluss von Urin und Menstruationsblut. Viele Mädchen starben kurz nach dem Eingriff. Dazu kam dann noch der Umstand, dass viele Mädchen im Alter von 14 bis 15 Jahren zwangsverheiratet wurden. Ein weiterer Eingriff war nötig, um sie für die Eheschließung wieder zu „öffnen“. Dieser erfolgte entweder durch weibliche Verwandte oder in der Hochzeitsnacht brutal durch den Ehemann.

Diese Praktiken waren in Somalia noch immer tief verwurzelt, denn der Brauch hatte seit vielen Jahrhunderten Bestand. In den ländlichen Gebieten Somalias war die Ehe zudem für die Mehrzahl der Frauen die einzige Möglichkeit, zu überleben. Doch nur beschnittene Mädchen waren heiratsfähig, denn die Verstümmelung glich einer Garantie für Jungfräulichkeit und Würde.

 

Aufklärung war also für die Alten einerseits eine existenzielle Bedrohung, andererseits war es aufgrund ihrer Gesellschaftlichen Stellung für sie ein leichtes, das abergläubige, tief in Traditionen verwurzelte Volk gegen jeden aufzubringen, der an diesen Überlieferungen rüttelte. Das war die Vorgeschichte für die sich häufenden Überfälle auf die Missionare, die vor einigen Jahren ins Land gekommen waren um zu helfen.

Die Ordensmitglieder waren in diesem Fall französische Staatsbürger, also hatte ihre Rettung oberste Priorität. Die Gedanken, was im Fall einer Evakuierung der Malteser aus deren Schutzbefohlenen wurde, versuchten sie zu verdrängen. Es war sowieso unmöglich, alle in Sicherheit zu bringen und es war, so bitter es sein mochte, auch nicht ihre Aufgabe.

Eines aber bewegte sie alle. Das Schicksal der Kameraden.

Er ging ins Kommandozelt, um mehr zu erfahren.

 

Das Delta-Team war offensichtlich verraten worden. Wahrscheinlich von einem Skinny, der in das Krankenhaus eingeschleust wurde. Sie hatten nach den vorliegenden Erkenntnissen bereits Verbindung zu den Maltesern aufgenommen und den Ablauf der Evakuierung geplant. In der Nacht, in der der Abmarsch beabsichtigt war, griffen plötzlich von allen Seiten somalische Milizen die Stationsgebäude an. Das Delta-Team verschanzte sich mit den Ordensleuten in den festen Ziegelgebäuden und setzte mehrere Funksprüche ab. Ein Ausbrechen mit den Schwestern und Pflegern war unmöglich, weil diese sich einerseits weigerten, ihre Schützlinge im Stich zu lassen, andererseits waren sie von so vielen Skinnys umzingelt, dass keiner von ihnen einen Ausbruch überlebt hätte. Sie forderten Verstärkung an, da sie aber 300 km von jedem Stützpunkt entfernt waren, konnte ihre Situation nur mit einem Wort beschrieben werden. Hoffnungslos. Es sah ganz danach aus, das die vielen Übergriffe auf die Mission Teil eines Planes waren. Man hatte ihnen eine Falle gestellt, in die sie blindlings getappt waren. Die Malteser waren der Köder. Wenn die Situation so war wie sie sich jetzt darstellte, waren sie keine Geisterarmee mehr. Die Art ihres Einsatzes hatte eine völlig neue Stufe erreicht. Sie hatten es nicht mehr mit unorganisierten Banden zu tun, die sich an Hilfslieferungen bereichern wollten und deshalb plündernd und mordend durch das Land zogen. Das hier war ein kalkulierender Gegner. Es ging nicht mehr nur um Geld. Es ging um Macht. Es war eine offene Kriegserklärung an sie.

Die letzte Nachricht, die vom Delta-Team kam, war besorgniserregend. Drei Kameraden waren zum Zeitpunkt des Funkspruches gefallen, zwei verwundet aber noch kampffähig, ein schwerverwundeter. Die Munition ging zur Neige und lange würden sie sich nicht mehr halten können. Sie waren alle Präzisionsschützen, aber diesem Ansturm waren selbst sie nicht gewachsen. Sie forderten so schnell wie möglich Verstärkung an, und in der Stimme des Funkers schwang Verzweiflung mit. Wahrscheinlich, weil er insgeheim wusste, dass Hilfe niemals rechtzeitig bei ihnen sein konnte.

 

Und gerade eben, also einen Tag später, wurde in ihrer Basis ein weiterer Funkspruch aufgefangen. Dieser kam aber nicht von Ihren Kameraden. Der Funkspruch bestand aus wüsten Beschimpfungen und Drohungen. Ein Skinny gab vor, ein Clanführer der Abgal zu sein. Er faselte von einem großen Sieg über ausländische Söldner, die es gewagt hätten auf sein Territorium vorzudringen und ihn dort anzugreifen. Er schwor, alle Christen in seinem Land zu verfolgen und zu töten und erklärte ihnen, den „weißen Invasoren“, den Krieg. Dann aber, und das überraschte sie alle, stellte er ein Ultimatum. Sollte nicht innerhalb von einer Woche ein Lösegeld von 15 Millionen Dollar übergeben werden, würde er seine Gefangenen enthaupten lassen. Und er sagte auch, um welche Gefangenen es sich handelte. Am wertvollsten waren für ihn fünf Kämpfer, die er immer wieder nannte, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Für sie allein wollte er 10 Millionen Dollar haben. Für den Rest, sechs Christenschlampen und einen Priester der ungläubigen, wollte er nur fünf Millionen. Das konnten nur die Schwestern des Malteserordens und der Leiter der Missionsstation sein.

 

Das war der letzte Stand. Die ganze Basis war mittlerweile auf den Beinen. Die Gruppenführer und Offiziere versammelten sich im Kommandozelt, die Mannschaften warteten unruhig davor. Die Stimmung war aufgeheizt denn jeder wäre am liebsten sofort losgestürmt, um den Kameraden zu helfen. Aber allen war klar, dass so etwas nicht ging. Er beugte sich mit den anderen Offizieren über den Kartentisch. Wo Jamaame lag, wussten sie alle. Über die geografischen Gegebenheiten waren sie ebenfalls grob im Bilde. Was sie jetzt suchten, waren Hinweise darauf, wo sich die Skinnys aufhalten konnten. Wenn es wirklich so viele waren, wie das Delta-Team ihnen übermittelt hatte, mussten sie irgendwo eine Basis haben, ein Lager, ein Camp oder irgend etwas in der Art. Es musste versteckt liegen, aber auch für Nachschub erreichbar sein. Viele Kämpfer brauchten viel Nahrung und Wasser, Munition und Benzin für die Fahrzeuge. Jamaame lag im grünen Teil Somalias, etwa 17 Kilometer vom indischen Ozean entfernt, südlich vom Zusammenfluss der Flüsse Jubba und Shabeelle. Im Südosten lag das Meer, im Nordwesten erstreckte sich eine weite Savannenlandschaft bis an die Grenzen Kenias. Das Gebiet war relativ grün und für Somalische Verhältnisse dicht besiedelt. Im Umkreis von Jamaame gab es weitere Siedlungen und Städte. Es wurde Ackerbau betrieben, Bananen und Mais waren aber zu großen Teilen dem Khat-Strauch gewichen. Überwiegend war das Land flach wie ein Kuchenteller, lediglich weit im Norden gab es einige kleinere Höhenzüge. Im Umkreis von 70 Kilometern gab es mehrere große Seen und Überschwemmungsgebiete und zahllose Flusswindungen. Im Osten allerdings gab es zwei interessante Geländegegebenheiten. Zum einen eine Steilküste mit vielen tiefen Erosionsgräben und zum anderen zwei parallel zur Küste verlaufende, ungefähr 16 Kilometer lange Höhenrücken mit einer Höhe von fünfzig bis 100 Metern. Diese beiden schmalen Erhebungen, die rund acht Kilometer auseinanderlagen, bildeten so etwas wie ein Tal. Eine große Straße führte daran vorbei, und genau in diesem Gebiet lag die Missionsstation der Malteser an einem See, der durch den Jubba gespeist wurde.

Der Blick auf die Karte war ernüchternd. Überall in diesem riesigen Gebiet konnten sich die Mistkerle aufhalten. Um sie zu finden, brauchte man eine Armee. Aber sie brauchten einen Plan, wenn sie für ihre Kameraden noch etwas tun wollten. Das Frankreich 15 Millionen Dollar Lösegeld bezahlte, war ausgeschlossen. Die Grande Nation hatte ihren Standpunkt schon bei anderen Entführungen klargemacht. Kein Lösegeld an Terroristen. Kein Nachgeben bei Entführungen.

 

Die Zeit lief ihnen davon. Sie hielten ein großes Meeting ab, bei dem alle über den Stand der Dinge unterrichtet wurden. Jede Meinung und jede Stimme wurde gehört. Alle der Männer hatten Erfahrungen gesammelt, die beim Erstellen einer Strategie hilfreich sein konnten. Jeder wusste um was es ging, deshalb gab es bei diesem Meeting keine der sonst üblichen Witze oder Zwistigkeiten. Als sie im Morgengrauen auseinandergingen, stand der Schlachtplan fest. Nicht eine Gruppe würde an der Befreiungsmission beteiligt sein. Alle Einheiten hatten sich zum Einsatz gemeldet. Jeder einzelne Mann. Auch die, die eigentlich Kampfpause hatten oder in den nächsten Tagen in Urlaub gehen sollten. So wie es aussah, würde nur Claude in der Basis bleiben. Sie waren insgesamt 330 Mann. Noch nie in der Geschichte ihres Regiments war eine so große Anzahl von Legionären zu einem Einsatz ausgerückt. In der befohlenen Ruhepause schlief nicht einer der Männer. Ihre Gedanken drehten sich um das, was auf sie zukommen würde. Jeder wusste, dass es Tote geben würde. Viele Tote. Auch auf ihrer Seite. Doch diese Gedanken schoben sie weit von sich. Für sie zählte nur ein Ziel. Die Befreiung ihrer Kameraden, die sich in der Hand eines grausamen Feindes befanden der sie möglicherweise folterte, um an Informationen zu kommen. Jeder von Ihnen hatte Angst vor so einem Schicksal und viele von Ihnen sendeten ein Gebet in den Himmel, das den Kameraden Hoffnung, Kraft und Mut spenden sollte. Sie waren in diesem Augenblick wie Brüder. Und seinen Bruder lässt man nicht allein irgendwo sterben. Niemals. Man hatte sie herausgefordert. Diese Herausforderung nahmen sie an. Und in einem waren sich alle einig. Das Lösegeld würde mit Blut bezahlt werden. Die Skinnys hatten eine unvorstellbare Gewalt entfesselt, und sie würden sie bald zu spüren bekommen.

 

Um sieben Uhr morgens war die ganze Basis auf den Beinen. Hubschrauber wurden betankt, aufgerüstet und mit Munition versorgt. Das kleine Vorauskommando, dass aus zwei Kampfgruppen bestand und die Lage vor Ort erkunden sollte, stattete sich mit Munition und Ausrüstung aus. Jeder der Männer prüfte seine Equipment, und die Funktionsfähigkeit jeder einzelnen Waffe. Die Aufklärungseinheit sollte 15 Kilometer vor der Küste vom Hubschrauber aus im Meer abgesetzt werden und sich mit Tauchscootern unter Wasser der Küste nähern. So waren sie am besten vor Entdeckung geschützt. Die Hubschrauber würden, wenn sie über Land flogen, schon zeitig entdeckt werden und die Skinnys alarmieren. Deshalb war der Weg übers Meer der sicherste. Am Einsatzort würden sich die beiden Gruppen in Zweierteams teilen und einen Ring um die Einsatzzone schließen. Das Kommando sollte sich vom Feind fernhalten und Kampfhandlungen auf jeden Fall vermeiden. Seine einzige Aufgabe war das Aufklären und sammeln sowie übermitteln von Informationen.

 

Dafür hatte es einen eigenen, verschlüsselten Funkkanal. Das war die einzige Schwachstelle des Teams, denn schon anhand zunehmender Funkaktivitäten konnte der Gegner ahnen, dass irgendetwas im Gange war. Dazu müsste er allerdings sämtlichen Funkverkehr über die gesamte Bandbreite abhören und das er dazu in der Lage war, schien ziemlich unwahrscheinlich. Die Hubschrauber wiederum sollten sich abrufbereit am Rand des Zielgebietes stationieren um sofort mit ihrer geballten Feuerkraft in die bevorstehenden Kämpfe eingreifen zu können, wenn es die Lage erforderte. Da die Helikopter, um Flugzeit zu sparen mitten in der Savanne, fernab von jedem Flugplatz „parken“ würden, aber trotzdem Treibstoff benötigten, war eine der vier Maschinen als fliegende Tankstelle ausgerüstet und randvoll mit Kerosin beladen. Sie war unbewaffnet und jeder verfügbare Platz war dem Treibstoff vorbehalten. Selbst an den Waffenträgern, die sonst für Raketen gedacht waren, hingen große Zusatztanks.

 

Zum Schutz der Hubschrauber war ein Team vorgesehen. Es hatte die Aufgabe, ein Entdecken der Hubschrauber zu verhindern und das Gebiet weiträumig zu sichern. Im Klartext bedeutete dies, dass jeder Unbefugte, der die Helikopter am Boden zu Gesicht bekam, tot war.

 

Der größte Teil des Regiments machte sich mit allem, was vier Räder oder Ketten hatte und einen Motor besaß Richtung Süden auf. Zwei Radpanzer, sechs Schützenpanzer, davon vier mit 90mm Kanonen, zwei mit 40mm Schnellfeuerkanonen, Zehn schwere LKW, 5 gepanzerte Truppentransporter mit 20mm Kanonen und mehrere Jeeps mit aufmontierten Maschinengewehren, Mini-Gun´s und einer 20mm Schnellfeuerkanone sowie ein Tanklaster fuhren im Verband aus den Toren der Basis. Praktisch das gesamte Munitions - und Waffenlager der Basis hatten sie auf ihren Trek verladen.

 

Sein Team fuhr die selben Geländewagen mit denen es seine ganzen Einsätze durchgeführt hatte. Alles überflüssige hatten sie aus den Fahrzeugen entfernt, um mehr Platz für Munition und Waffen zu schaffen. Auf sein Fahrzeug hatte er ein Gatling- Maschinengewehr montieren lassen, eine furchteinflößende Waffe, die in der Lage war, pro Minute bis zu zehntausend Schuss abzufeuern. Mit dieser Waffe konnte man buchstäblich Bäume fällen oder Wände einreißen. Er und seine Männer hatten für ihre Waffen außerdem Explosivmunition eingepackt. Diese Munition war eigentlich international geächtet. In der Kugel steckte ein hochexplosiver Sprengstoff, der beim Aufprall auf ein Ziel explodierte. Bei einem Bauchschuss riss diese Munition das Opfer in zwei Hälften, bei einem Kopfschuss war vom Kopf nichts mehr übrig. Selbst ein Streifschuss mit so einem Geschoss war für den Gegner in den meisten Fällen tödlich. Zumindest aber verlor er einen Arm oder ein Bein. So grausam das auch erschien, ein Effekt dieser Munition war ihre unglaubliche demoralisierende Wirkung beim Gegner. Es war wirklich kein schöner Anblick, was diese Geschosse anrichteten. Sein zweites Fahrzeug trug einen Granatwerfer und ein schweres Maschinengewehr.

 

Die Fahrzeuge der anderen Teams waren ähnlich bewaffnet. Dazu kamen die persönlichen Waffen der Soldaten. Sturmgewehre, Maschinenpistolen, Scharfschützengewehre, Gewehrgranaten, Pistolen, Sprengstoff, aktive Minen – alles, was das Waffenlager hergab, hatten sie dabei. Dazu kamen dann noch die Hubschrauber. Die Skinnys ahnten es nicht einmal in ihren schlimmsten Träumen, was sie da heraufbeschworen hatten. Doch erst einmal hatten sie eine Strecke vor sich, die ihnen alles abverlangen würde. 350 Kilometer Wüste und Savanne lagen vor Ihnen, mit Tagestemperaturen die teilweise über 55 Grad Celsius lagen. Bisher waren sie bei ihren Einsätzen vor allem in der Nacht unterwegs, doch dazu fehlte ihnen die Zeit. Sie mussten das Ãœberraschungsmoment ausnutzen, denn keiner wusste, mit welcher Truppenstärke sie in Somalia waren. Offiziell gab es sie gar nicht. Zumindest nicht dort. Der Gegner rechnete sicher nicht damit, innerhalb von wenigen Tagen einem massiven Angriff ausgesetzt zu sein. Er dachte, eine kleine Spezialeinheit besiegt zu haben, die ein paar Krankenschwestern retten sollte. In diesem Glauben sollte er auch so lange wie möglich bleiben.

 

Die kilometerlangen Staubfahnen hingegen, die der Konvoi hinterließ, würden mit Sicherheit Neugierige anlocken, die davon ausgingen, dass bei Ihnen etwas zu holen war. Sie würden keine Zeit haben, sich die Landschaft anzusehen. Pausenlose Wachsamkeit war gefragt und ständige Gefechtsbereitschaft. Jeder, der sie auf dieser Fahrt zu Gesicht bekam war ein potentieller Feind, den es zu eliminieren galt. Sie konnten sich eine vorzeitige Entdeckung nicht leisten. Ihre Kameraden wären tot, wenn die Skinnys von ihrem Anmarsch erfahren würden. Der Gegner hätte Zeit, sich zu organisieren, Abwehrstellungen zu beziehen oder sogar andere Clans um Hilfe zu rufen. Das alles musste verhindert werden, wenn ihre Mission erfolgreich sein sollte. Sie gingen ein hohes Risiko ein, doch sie wussten wofür sie taten. Der feine Sand und der Staub machte ihnen zu schaffen. Der Sand kroch in jeden noch so kleinen Spalt und vermischte sich unter ihren Uniformen mit dem Schweiß. Ein ständiger, quälender Juckreiz war die Folge.

 

Der Staub machte ihnen das Atmen schwer, deshalb hatten viele von ihnen die Halstücher um Mund und Nase gebunden. Er legte sich fingerdick auf alles, bedeckte die Fahrzeuge, die Waffen und ihre Köpfe. Immer wieder mussten sie die Gläser ihrer Schutzbrillen säubern um etwas zu sehen. Die Männer, die in den Schützenpanzern saßen, hatten zwar keine Probleme mit dem Sand und dem Staub, denn der Innenraum eines solchen Panzerfahrzeugs war gegen die Umwelt hermetisch abgeriegelt. Er stand unter leichtem Ãœberdruck, und die Luft wurde durch mehrere Filter gereinigt, sogar gegen chemische und biologische Waffen waren die Insassen geschützt. Was ihnen aber mächtig zusetzte, war die unerträgliche Hitze, die in den Fahrzeugen herrschte. Sie heizten sich in der Sonne enorm auf und gaben nach einer Weile diese Hitze durch die dicke Panzerung auch in den Innenraum ab. Dazu kam die Motorwärme und der Lärm. Es war also keine Spazierfahrt und nicht von ungefähr hatten die Schützenpanzer den Beinamen „Kotzmühle“ bekommen.

 

Die Männer, die auf den LKW mitfuhren, waren noch am besten dran. Auch wenn sie kräftig durchgerüttelt wurden und nur harte Holzpritschen zum sitzen hatten, so schützten sie doch die Plane und der Fahrtwind einigermaßen vor dem Staub und der Hitze. Und da die LKW ohnehin nicht voll besetzt waren, konnten sich immer einige Männer hinlegen und schlafen.

Rund um ihren Verband sicherten Späher auf Motorrädern das Gelände weiträumig ab. Sie wurden ständig abgelöst, denn die Strapazen, denen sie ausgesetzt waren, konnte selbst der durchtrainierteste Körper nicht lange aushalten. Sie mussten bei extremen Temperaturen Schritt mit dem Verband halten, der sich langsam, aber unaufhaltsam auf sein Ziel zubewegte. Es gab keine Straßen oder Wege, das Gelände war sandig und von Steinen übersät.

 

Oft versanken die Motorräder bis zur Achse im Sand und mussten dann mühsam geschoben werden. Wenn der Untergrund ein zügiges fahren zuließ, wurden die Männer durchgeschüttelt wie auf einer Rüttelplatte. Schon nach kurzer Zeit schmerzten die Gelenke und man spürte alle Knochen im Leib. Dabei mussten die Männer auch noch das Gelände beobachten und, wenn ihnen etwas verdächtig vorkam, es prüfen. Sie waren gewissermaßen die Augen, die auch hinter Büsche und Hügel sehen konnten oder Felsformationen schon lange untersucht hatten, bevor sich der Konvoi näherte. Sie standen in ständigem Kontakt mit der Einheit und meldeten sofort, wenn etwas nicht stimmte. Dann stoppten die Fahrzeuge und hielten so lange, bis entweder das ok. kam oder Verstärkung angefordert wurde. Einzelne bewaffnete Personen, die sie unterwegs sichteten, töteten die Scharfschützen sofort. Jeder, der in dieser sonst menschenleeren Gegend unterwegs war, konnte ein Beobachter des Gegners sein. Sicherlich trug in Somalia nahezu jeder Mann eine Waffe. Aber sie konnten sich keine Fehler leisten. Es wurde, wie sie scherzhaft zu sagen pflegten, erst geschossen und dann gefragt.

 

Sie kamen zügig voran. Sie fuhren durchgehend und hielten nur zum auftanken der Fahrzeuge oder zur Aufklärung an. In diesen kurzen Pausen konnten sich die Männer die Beine vertreten oder ihre Bedürfnisse befriedigen. Wenn einer der Männer sich während der Fahrt erleichtern musste, stellte er sich im Fahrzeug auf und pinkelte über die Bordwand. Das hatte die Natur genial eingerichtet. Mädchen konnten so etwas nicht. Grinsend stellte er sich vor, was das für ein Bild geben würde.

 

Die Fahrer wechselten sich alle zwei Stunden ab, indem der Fahrer seinen Platz während der Fahrt verließ, und der nächste hinter dem Steuer Platz nahm. Während der Rest der Fahrzeugbesatzung schlief, sicherte der MG Schütze. Auch hier fand alle zwei Stunden ein Wechsel statt und so bekam jeder der Männer genügend Zeit, sich auszuruhen oder zu schlafen. Die Nacht brach herein. Ein aufatmen war im ganzen Trek zu spüren, denn jetzt konnten sie einen Ihrer größten Vorteile nutzen. Die Dunkelheit machte sie unsichtbar, aber durch ihre Nachtsichtgeräte sahen sie alles. Sie konnten schneller fahren, ohne auf die riesige Staubwolke achten zu müssen, die sie hinter sich herzogen. Kilometer um Kilometer bewegten sie sich auf ihr Ziel zu.

 

Plötzlich stoppte der ganze Konvoi. Bei einem Radpanzer, der an der Spitze fuhr, war ein Reifen dermaßen zerstört, dass das Druckausgleichssystem nicht mehr ausreichte um die Luft im Reifen zu halten. Die vielen scharfkantigen Steine, die hier überall herumlagen hatten ganze Arbeit geleistet. Das Rad musste gewechselt werden und ein Großteil der Männer schwärmte aus, um den Zug zu sichern, der jetzt bewegungslos in der Wüste lag. Sie boten ein leichtes Ziel, denn obwohl es dunkel war hoben sich die Silhouetten der massigen Fahrzeuge kilometerweit gegen den Nachthimmel ab. Ein ortskundiger Späher konnte genau erkennen, dass sich an diesem Platz plötzlich etwas befand, was da gar nicht hingehörte. Nach einer halben Stunde war das Rad gewechselt, die Männer saßen auf und die Fahrzeuge setzten sich wieder in Bewegung. Viele hatten die Gelegenheit genutzt und sich die Müdigkeit aus den Beinen geschüttelt. Er machte sich Sorgen um die Fahrzeuge. Jedes hatte zwar Reserveräder dabei, aber irgendwann waren die aufgebraucht, wenn es so weitergehen sollte. Er wies seine Fahrer an, besser auf Geländeunebenheiten und große Steine zu achten. Auch die anderen Gruppenführer schienen sich jetzt dieselben Gedanken zu machen wie er. Der Konvoi bewegte sich nun zwar genauso schnell vorwärts wie vor der Panne, aber er fuhr Schlangenlinien, um größeren Steinen auszuweichen. Das verlängerte aber die Strecke, die sie zurücklegen mussten. Und das wiederum fraß Zeit, die sie nicht hatten. Er überlegte. Panzerketten machten die vielen spitzen Steinen nicht so viel aus wie den Gummireifen der Fahrzeuge. Die Ketten zermalmten sie zu Staub oder drückten sie weit in den Boden ein. Er funkte den Kompaniechef an und machte den Vorschlag, zwei Panzerfahrzeuge voraus fahren zu lassen. Sie könnten mit ihrem Gewicht und ihren Stahlketten eine Gasse für die übrigen Fahrzeuge bahnen. Der Oberst überlegte nicht lange. Drei MARS 15 fuhren dem Konvoi nun voraus, die mit ihrem Gewicht von fast jeweils achtzehn Tonnen den Untergrund für die folgenden Fahrzeuge ebneten.

Wieso sie nicht schon vorher auf die Idee gekommen waren spielte keine Rolle. Es hatte einen ärgerlichen Zwischenstopp gegeben, irgendeiner hatte sich Gedanken darüber gemacht und jetzt ging es schneller vorwärts. So war das eben. Zwei Stunden vergingen und in dieser Zeit schafften sie einen großen Teil ihrer Strecke ohne weitere Zwischenfälle. Er versuchte ein wenig zu schlafen und machte es sich auf seinem Sitz so bequem wie möglich. Pete hatte Wache und wenn es einen gab, auf den man sich verlassen konnte, dann war es der Engländer, der breitbeinig an der Lafette hinter dem Maschinengewehr stand und nach allen Seiten Ausschau hielt. Das Brummen des Motors, der sanfte, kühle Lufthauch und das schaukeln und schwanken des schwer beladenen Fahrzeuges wiegten ihn in den Schlaf. Er hatte gerade angefangen zu träumen als Pete ihn unsanft mit der Fußspitze weckte.

 

sechstes Kapitel

Es würde bis an sein Lebensende ein Teil von ihm sein, was auch immer er tun und wo auch immer er sein mochte. Irgendetwas in ihm war plötzlich anders.

Mit diesen finsteren Gedanken sicherte er seine Waffe und kletterte auf sein Fahrzeug. Pete sah im an, das er nicht zu Gesprächen aufgelegt war. Diese Nacht fuhren sie ohne weitere Zwischenfälle durch. Als der Morgen graute und die Sonne langsam am Horizont aufging ließ er seinen Blick über die Gegend schweifen. Die Wüste ging kaum merklich in eine Savannenlandschaft über, hier und da wurde das eintönige gelb-grau von trockenen Grasbüscheln unterbrochen, aber nach und nach wurde die Vegetation dichter. Schließlich war der sonst nackte Boden von Pflanzen bedeckt, und je weiter sie nach Südosten, Richtung Meer fuhren umso grüner wurde die Landschaft. Hatten sie in der Wüste nicht ein Tier bemerkt, standen jetzt vereinzelt Springböcke und Gazellen in der Morgensonne und beäugten ihren Konvoi argwöhnisch aus der Ferne.

Hier und da waren Zebras zu sehen, und die großen Oryxantilopen unterbrachen ihr Frühstück, um auf Distanz zu gehen. Am Horizont waren die Silhouetten von Schirmakazien zu sehen, und trotz der frühen Stunde flirrte die Luft schon vor Hitze. Das Bild hätte aus einem Reiseführer stammen können. Somalia war ein wunderbarer Teil Afrikas, seine Natur war unglaublich schön. Der Norden war durch die Ausläufer des äthiopischen Hochlands geprägt, das in Richtung des Golf von Aden steil abfiel und in einem schmalen Küstenstreifen endete. Im Hochland, in dem die Temperaturen im afrikanischen Winter durchaus auch unter den Gefrierpunkt fallen konnten, liegt mit über 2400 Metern auch der höchste Berg des Landes. Die Somalis nennen ihn Shimbiris, was soviel bedeutet wie „Ort der Vögel“. In Richtung Süden hingegen wird das Land allmählich immer flacher, bis zu einer Ebene, die ungefähr fünfhundert Meter über dem Meeresspiegel liegt. Ãœber die ansonsten flache Gegend erheben sich einzelne Inselberge und bilden einen malerischen Kontrast.

Die Küste im Südosten ist durch einen bis zu 50 km breiten Dünengürtel, in dem Akazien wachsen, vom Binnenland abgetrennt, und im äußersten Süden, fast an der Grenze zu Kenia, findet sich eine weite Ebene durch die zwei große Flüsse, der Shebeli und der Jubba fließen. Im Gegensatz zu den meisten anderen somalischen Flüssen führen sie das ganze Jahr über Wasser und münden in den indischen Ozean. Hier, in diesem Teil des Landes wuchsen vor allem Mangroven und entlang der Flussläufe gab es weitläufige Sumpfgebiete, in denen auch Krokodile und Flusspferde lebten.

Je näher sie der Küste kamen, umso mehr Tiere und Pflanzen bekamen sie zu Gesicht. Elefanten und Hyänen waren genauso zu sehen wie die für diesen Landstrich typischen Netzgiraffen. Gnus weideten in nicht allzu weiter Entfernung zu einem Rudel Löwen, Geier kreisten in der Luft, und nutzten die sich entwickelnde Thermik, um sich mit langsamen Flügelschlägen höher und höher zu schrauben. Die Löwen lagen träge in der Morgensonne. Sie schienen Nachts eine erfolgreiche Jagd gehabt zu haben, durch das Fernglas konnte man ihre blutverschmierten Mäuler erkennen. Man hätte das Gefühl bekommen können, wie ein Tourist durch einen Safaripark zu fahren. Aber wo sie hinfuhren gab es keine Touristen. Das Bild, was sich ihnen bot, war trügerisch. Es war die Ruhe vor dem Sturm.

Ungewohnte Geräusche weckten ihn. Er hatte schlecht geschlafen und wirres Zeug geträumt. Durch das offene Fenster drang Straßenlärm ins Zimmer. Einen Augenblick musste er überlegen, wo er war. Sein Blick glitt vom Fenster über die tapezierten Wände bis zur Tür, von da an der anderen Seite wieder zurück bis zu einem kleinen Tisch, auf dem sich ein Fernseher und ein Telefon befanden. Vor dem Tisch standen zwei Clubsessel, die gemütlich aussahen. Daneben an der Wand befand sich eine Minibar, über ihr hing ein billiger Kunstdruck eines Gemäldes von Ejnar Johansen, der ein Pariser Straßencafé zeigte.

Er setzte sich im Bett auf und stellte die Füße auf den Boden. Ein weicher und warmer Teppich umschmiegte seine Fußsohlen. Dieses Gefühl hatte er fast schon vergessen. Er stand auf und ging ans offene Fenster. Unten lag schmutziger Schneematsch, hupende Autos drängten sich aneinander vorbei und bleiche, finster schauende Menschen liefen dick angezogen geschäftig die Bürgersteige entlang. Busse hielten an Haltestellen und spuckten eine graue Masse aus, die sich kurz darauf in alle Richtungen verteilte. Er blickte auf schmutzige Häuser, an denen große Werbeplakate hingen. Die Luft war kalt und nass und der Gestank, der von draußen ins Zimmer wehte, nahm ihm den Atem. Nach zwei Jahren Dienst war er zu Hause. Vierzehn Tage Heimaturlaub lautete der Befehl. Er ging ins Bad, duschte lange und zog seine Uniform an. Ohne zu frühstücken verließ er das Zimmer. Die roten Teppichböden in den Fluren des Hotels dämpften seine Schritte. Schummriges Licht sollte vermutlich verhüllen, das dieses Hotel schon bessere Tage gesehen hatte. Am Ende des schmalen Ganges befand sich der Fahrstuhl. Er fühlte sich seltsam beengt, Tür reihte sich an Tür, ein Zimmermädchen ließ einen Staubsauger brummen wie einen bissigen Bären. Aus einen der Hotelzimmer drang Gelächter.

Er wollte so schnell wie möglich ins Freie und verzichtete deshalb auf den Fahrstuhl. Auf der Treppe kamen ihm ein paar Asiaten entgegen, vermutlich Japaner. Sie musterten ihn kurz, unterbrachen ihr Gespräch und ließen ihn vorbei. In der schmucklosen Lobby nahm er sich einen Stadtplan aus einem Ständer, ging an der Lounge vorbei, die diesen Namen nicht verdiente und verließ das Hotel durch die große Drehtür. Kälte schlug ihm entgegen. Gestern war er bei 36 Grad in Mombasa in das Flugzeug gestiegen hier waren 9 Grad minus. Er schlug den Kragen seiner Uniformjacke hoch, aber das half nicht wirklich. Er hatte Erlaubnis, Zivilkleidung zu tragen, doch in seinem Rucksack befanden sich nur zwei Uniformen, Feldhemden, kurze Unterhosen, Socken, Rasierzeug und Kampfstiefel. Es war ein wenig schwierig, sich in Mombasa mit Wintersachen zu versorgen, also musste er das wohl hier nachholen. Er hatte ein paar tausend Dollar dabei, dafür würde er sicherlich ein paar warme Klamotten bekommen. Aber er merkte bald, das er nicht in Mogadischu oder Hargeysa war, sondern in Berlin. Keiner wollte seine Dollar haben. Wurden sie ihm in Afrika aus den Fingern gerissen, schauten ihn die Verkäuferinnen hier an, als ob er nicht ganz bei Verstand wäre. Anfangs versuchte er, seine Situation zu erklären, aber auf Verständnis oder den Willen ihm zu helfen stieß er nicht wirklich. Ob er nicht eine Kreditkarte dabei hätte, wurde er gefragt. Irgendwann reichte es ihm und er fragte die Verkäuferin zurück, wozu zum Teufel er im Busch oder der Savanne eine Kreditkarte brauchen sollte.

Es nützte nichts. Ohne D-Mark konnte er sich hier nicht mal einen Kaffee kaufen oder musste seinen Urlaub im Hotel verbringen. Das war gebucht und bezahlt, die Legion kümmerte sich um alles. Was er jetzt brauchte, war eine Bank, in der er einen Teil seiner Dollar in die deutsche Währung umtauschen konnte. Wie viel er hier brauchen würde, wusste er nicht, er hatte in den zwei Jahren in Afrika sein Verhältnis zum Geld vernachlässigt. Außerdem hatte er keine Ahnung von irgendwelchen Preisen. In Mogadischu kostete eine große Coca-Cola 5 Dollar, zehn Schuss Munition waren für 10 Dollar zu haben. Eine Schachtel Marlboro gab es in Somalia für 9 Dollar, hier sollte sie fünf Mark kosten. Als er nach einigem suchen endlich eine Bank ( Western Union ) gefunden hatte, die ihm ohne größere Schwierigkeiten Dollar wechselte, tauschte er sicherheitshalber 3000 US-Dollar in 4900 D-Mark um.

Er hatte den ganzen Vormittag damit verbracht, an das „richtige“ Geld zu kommen und war genervt. Die Menschen, die ihm unterwegs begegneten, liefen überwiegend mit mürrischen Gesichtern durch die Straßen. Die meisten von ihnen blickten zudem noch auf den Boden. Er hatte heute morgen sein Hotel noch gar nicht richtig verlassen, als er das erste Mal angerempelt wurde. Auf sein „sorry“ kam nur ein giftiges „pass doch auf wo du hinlatschst“als Antwort. Und so ging es den ganzen Vormittag über. Unfreundlichkeit, schubsen und stoßen schienen in dieser Stadt irgendwie völlig normal zu sein. Irgendwann langte es ihm. Er war auf dem Ku'damm und sah ihn schon von weitem kommen. Feine Schuhe, feine Hosen, schicker Mantel. Der Typ schien es eilig zu haben, denn rücksichtslos drängelte er er sich durch die Menschenmassen und kam genau auf ihn zu. Er bereitete sich vor, spannte jeden Muskel im Körper und blieb stehen. Für den Dandy musste es sich so anfühlen, als ob er gegen eine Wand gelaufen wäre. Er saß vor ihm, mitten im Matsch auf dem Hosenboden und schaute ihm erst erstaunt und dann wütend ins Gesicht. Noch im sitzen fing er an zu schimpfen und zu zetern. Er packte den Schnösel mit einer Hand fest im Genick und zog ihn nach oben. „ Sorry, may i help you to get up ?“ fragte er ihn mit gespielt freundlichem Gesicht, drehte ihn in Laufrichtung und gab ihm noch einen Stubs mit auf den Weg. Nach fünf Metern drehte sich der Typ noch mal um, drohte mit der Faust und rief „das hat ein Nachspiel“. Er setzte wieder ein freundliches Gesicht auf und ging auf ihn zu. Flink wie ein Wiesel verschwand der andere jetzt in der Menge. Das fühlte sich schon besser an. Die Mienen der Leute passten zum Wetter, und alle schienen extrem nervös und in Eile.

Er hatte zwar den Stadtplan dabei, aber der nützte nur etwas, wenn man wusste, wohin man eigentlich wollte. Um etwas zu finden, dazu war er nicht geeignet. Deshalb er war dem Taxifahrer dankbar, dem es am Ende egal war, in welcher Währung er ihn bezahlte. 250 Dollar hatte er ihm angeboten, wenn er ihm bei der Erledigung seiner Wege behilflich sein würde, und der Typ hatte wirklich Wort gehalten. Er hatte ihn geduldig von Bank zu Bank, ins KaDeWe, einen Camel-Shop und dann wieder zurück ins Hotel gefahren. Ohne das Taxi wäre er in dieser Stadt wirklich aufgeschmissen gewesen.

Erschöpft und aufgeregt ließ er sich in seinem Zimmer auf das Bett fallen. Die Tüten mit den Sachen hatte er in die Ecke geworfen. Mit geschlossenen Augen dachte er über diesen Vormittag nach. Seit etlichen Monaten waren die Jungs seiner Einheit der einzige nähere menschliche Kontakt, den er hatte. Die Menge war überschaubar, jeder kannte jeden und ernste Konflikte zwischen ihnen gab es so gut wie gar keine. Sie waren Freunde, beinahe wie Brüder. In dieser Stadt hingegen gab es Millionen von Menschen und wenn die alle so waren, wie die, welche ihm heute vormittag über den Weg gelaufen waren – na dann Prost Mahlzeit.

Er schaltete den Fernseher ein und suchte einen Nachrichtenkanal. Der Sprecher dozierte über irgendwelche politischen Streitereien im Bundestag und andere Belanglosigkeiten, nichts über Somalia. Er packte seine neuen Sachen aus und zog sich um. Jeans, lange Unterwäsche, dicke Strümpfe, einen coolen olivgrünen Rollkragenpullover und Boots von Camel, die ihm im Gegensatz zu seinen Kampfstiefeln extrem leicht vorkamen. Ob sie auch alles mitmachten, war eine andere Frage. Auch wenn die Klamotten ungewohnt dick waren, fühlten sie sich bequem an und vor allen Dingen warm. Auch einen dicken Parka hatte er sich gekauft, der kam von der Optik her seinem Geschmack am nächsten. Er ging in die Lobby, setzte sich an die Bar und bestellte sich einen Whisky. Es war dem Barmädchen anzusehen, was sie von einem 14:00 Uhr Whisky hielt, aber das war ihm völlig egal. Irgendwie waren die Leute hier sowieso komisch drauf, doch das kümmerte ihn wenig. Vorerst.

Erst heute Abend ging sein Flieger nach Bayreuth. Das erste Mal, seit er nach einem heftigen Streit das Haus verließ, sollte er nach über zwei Jahren seine Frau und seine zwei kleinen Söhne wiedersehen. Sie wollte ihn am Flughafen abholen. Noch blieben ihm ein paar Stunden Zeit und er war sich etwas unsicher, was er damit anfangen sollte. Aber auf keinen Fall wollte er sie allein in seinem kleinen Hotelzimmer verbringen. Berlin war voll von Museen, Kinos, Theatern und anderen Orten, an denen man Zeit totschlagen konnte, wenn man welche hatte. Aber eigentlich stand ihm der Sinn nicht nach Kultur oder Unterhaltung. Er war innerlich viel zu unruhig um stundenlang in einem Kino oder Theater zu sitzen. Also lief er einfach los, ohne wirklich ein Ziel zu haben. Die meisten Menschen, denen er auf den Straßen begegnete, hatten mürrische oder teilnahmslose Gesichter, alle wirkten seltsam gehetzt, fast hektisch. Selten sah er Menschen mit freundlichen Mienen und noch seltener hörte er jemanden lachen.

Der Himmel hüllte sich in eintöniges, trauriges grau und das Wetter schien sich auf das Gemüt der Leute zu übertragen. Leichter Schneefall hatte eingesetzt, doch das heitere tanzen der Flocken hatte nur zur Folge, das die Menschen sich noch weiter in ihre warme Kleidung verkrochen, die Köpfe noch tiefer in hochgestellte Kragen oder Kapuzen einzogen und noch gebückter liefen, als sie es ohnehin schon taten. Er blieb an einer Straßenecke stehen an der nicht ganz so viel Betrieb war und sah zu, wie die Schneeflocken zur Erde schwebten. Schnee. In Afrika hatte er oft daran gedacht, wie schön es zu Hause war, wenn der erste richtige Schnee des Jahres der Landschaft ein völlig anderes Gesicht gab. Wiesen und Felder, Straßen und Häuser schienen wie verwandelt, alles graue und selbst das dreckigste Fleckchen Erde waren in ein reines und unschuldiges weiß eingehüllt. Irgendwann hatte er sogar von Schnee geträumt und sich nach seiner Kälte gesehnt, aber für die Menschen hier waren die weißen Kristalle höchstens ein Ärgernis. 

Haste mal 'ne Mark“ ? riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken. Er brauchte einen Augenblick um zu verstehen. Vor ihm stand ein älterer Mann, dessen genaues Alter allerdings schwer zu schätzen war. Die eingefallenen Wangen und das Kinn waren von einem schmutzig-weißem Bart bedeckt und aus der alten Wollmütze fielen dem Bettler ein paar graue Haarstränen ins Gesicht. „Haste mal 'ne Mark für mich ?“ fragte ein fast zahnloser Mund. Das verschlissene Jackett und die abgewetzten Hosen des Mannes waren für diese Wetterlage völlig ungeeignet und die Schuhe die er trug, hielten seine Füße mit Sicherheit nicht trocken und warm. Seine Hände versuchte er mit löchrigen, grünen Wollhandschuhen vor der Kälte zu schützen. Die rechte Hand hielt er ihm entgegen, während tränende, dunkel umrandete und tief in den Höhlen liegende Augen ihn abwägend anschauten. Den Ausdruck in diesen Augen kannte er. Er hatte ihn in Somalia oft gesehen und manchmal verfolgte es ihn bis in seine Träume. Es war eine Mischung aus Angst und Hoffnung, aus Verzweiflung und Erwartung und Hoffnungslosigkeit.

Er blickte in diese Augen und fühlte sich von einem Moment zum anderen um tausende Kilometer nach Süden versetzt. In seinen Gedanken sah er sich an hungernden Menschen vorbeigehen, die dem Jenseits näher waren als dem Leben. Er sah Mütter bittend ihre Hände nach ihm ausstrecken und alte Männer, in deren Augen schon lange keine Hoffnung mehr war. Er versuchte den Blicken von Frauen auszuweichen, welche ihre toten Kinder in Lumpen oder Plastikfolie einhüllten, weil er Angst davor hatte, das sie ihn fragen könnten, warum. Ein leichtes zupfen am Ärmel brachte ihn zurück. Ein Schauer fuhr ihm über den Rücken. Er griff in seine Jackentasche, drückte dem Bettler wortlos einen hunderter in die Hand und ging davon. Der alte Mann lief ihm noch fast hundert Meter hinterher und bedankte sich wieder und wieder, bis er nicht mehr Schritt halten konnte. Hatte er wirklich gerade einem wildfremden Penner einhundert Mark geschenkt ? Ja, das hatte er. Auch wenn es diesem hier viele Male besser ging, als den Menschen in Somalia. Mit allem hätte er in Berlin gerechnet. Nur nicht mit diesen Augen.

 

Er war seit ungefähr einer Stunde durch die Straßen gelaufen und die ungewohnte Kälte hatte sich in seinem Körper eingenistet. Er ging in ein Kaufhaus, um sich etwas aufzuwärmen. Mit der Rolltreppe fuhr er in die 3.Etage. Dort war die Spielzeugabteilung. Seine beiden Söhne waren jetzt vier und sieben Jahre alt, und wenn er sie morgen früh sehen würde, wollte er nicht mit leeren Händen kommen. Wann hatte er ihnen das letzte Mal Spielzeug gekauft ?

Es schien ewig her zu sein. Als er im dritten Stock stand, war er fassungslos. So weit er schauen konnte sah er Spielzeug. Puppen, Teddys, Bücher, Autos, Spielfiguren, Fahrräder, Roller, Bausteine und noch unzählige andere Dinge waren in Regalen aufgetürmt. Kinder liefen durch die Gänge, zerrten ihre Eltern hinter sich her oder drückten sich die Nasen an Glasscheiben platt, hinter denen elektrische Eisenbahnen durch Märchenlandschaften fuhren. Manchmal saß ein Kind auch mitten im Laden und heulte was das Zeug hielt, weil es dieses oder jenes Spielzeug nicht bekam. Wenn er dachte, am Ende angekommen zu sein, kamen weitere Regale und Vitrinen zum Vorschein in denen nur eines lag. Spielzeug in allen möglichen Farben und Formen. Diese Fülle erschlug ihn fast und überforderte ihn. Wofür um alles in der Welt brauchte man so viele Spielsachen ? Kein Kind konnte doch all diese Dinge gleichzeitig besitzen oder haben wollen. Letztendlich entschied er sich für einen großen Teddybären für seinen kleinen und für ein ferngesteuertes Auto für seinen großen Sohn. Er hatte keine Ahnung, ob er für sie das richtige gekauft hatte, aber das würde sich morgen schon herausstellen. 

In der obersten Etage des Kaufhauses war eine Cafeteria eingerichtet, in der er sich einen Pott Kaffee bestellte. Schluck für Schluck trank er den heißen Kaffee und spürte, wie die Wärme langsam in seinen Körper zurückkam. Er beobachtete die Menschen, die hier nicht mehr ganz so hektisch durch die Gegend liefen wie draußen auf der Straße. Die Gesichter jedoch hatten sich nicht verändert. Sie wirkten nach wie vor leer, unfreundlich und kalt und irgendwie austauschbar. Er fragte sich, wo diese Massen an Menschen überhaupt herkamen, es hatte für ihn den Anschein, als ob alle vier Millionen Berliner gleichzeitig auf den Beinen wären. 

Er fand, das er für heute genug gesehen hatte und beschloss, in sein Hotel zurückzukehren. Aus Versehen fuhr er mit der Rolltreppe eine Etage zu tief und landete im Untergeschoss, in dem ein riesiger Lebensmittelmarkt untergebracht war. So weit er sehen konnte nichts als Lebensmittel. Fleisch, Obst, Gemüse. Sekt, Bier, Wein. Fisch, Nudeln, Kaviar, Pasteten, Brot, Schokolade, Pralinen und und und. Menschen schoben übervolle Einkaufswagen durch die Gänge und eine sonore Lautsprecherstimme erinnerte die werte Kundschaft daran, doch den unglaublich günstigen Gänsebraten zum Fest nicht zu vergessen. Dazu passend natürlich den preisgesenkten Rotkohl. Und wenn man schon mal da ist, könne man sich doch auch gleich noch mit den Lebkuchen aus dem Sonderangebot in ausreichender Menge versorgen. Die Masse an Nahrung, die hier in den Regalen lag und an denen die Menschen achtlos und gleichgültig vorüber strömten, hätte vermutlich ausgereicht, ein Flüchtlingslager mit 20000 Flüchtlingen einen Tag lang zu ernähren. Und das war nur ein Supermarkt in dieser Stadt. Wie viele weitere musste es in Berlin wohl geben? Wut stieg in ihm hoch und unbeschreiblicher Zorn. Hier spazierte die Bevölkerung buchstäblich durch Nahrungsmittel, und dort, wo er vor nicht einmal zwei Tagen noch war, starben die Menschen wie Fliegen weil ihnen das nötigste zum Leben fehlte. Er musste sich zwingen, nicht die Nerven zu verlieren. Die Menschen hier kannten es schließlich nicht anders, dieser unglaubliche Überfluss war für sie die tägliche Normalität. Sie hatten nicht dasselbe gesehen wie er, sie hatten vielleicht noch nicht einmal eine Ahnung davon, das es ein Land gab, in dem an jedem Tag allein 1500 Kinder verhungerten und hunderttausende kurz davor waren, diesen Kindern zu folgen. Wie viele Erwachsene im wahrsten Sinne des Wortes täglich verreckten, konnte nur noch grob geschätzt werden. Die UN ging von zehntausend Menschen täglich aus.

 

Er beobachtete das geschäftige Treiben mit Widerwillen und sah in einiger Entfernung eine teuer und extravagant gekleidete, wohlbeleibte Frau an einem Obststand stehen. Ihr feistes Gesicht war dick geschminkt, schwere Goldringe zierten ihre wulstigen Finger. Eine Halskette aus großen Perlen und die dazugehörigen Ohrringe vervollständigten ihre pompöse Erscheinung. Er sah zu, wie sie akribisch jeden einzelnen der ausgelegten Pfirsiche in die Hand nahm und begutachtete, wieder zurücklegte und nur die besten und größten Früchte in ihren Korb sortierte. Tränen schossen ihm in die Augen. Er musste raus hier.

Er hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. In seinem Kopf überschlugen sich die Bilder. Er wollte schreien, doch kein Ton kam über seine Lippen. Hätte er seine Waffe dabei gehabt, dann hätte er dieser fetten alten Schachtel auf der Stelle eine Kugel in den Kopf gejagt. Was fast zwei Jahre Afrika in ihm nicht geschafft hatten, brach sich in einem Supermarkt mitten in Berlin Bahn. Für einen Moment befürchtete er durchzudrehen und völlig die Kontrolle zu verlieren. Als er in Mombasa ins Flugzeug stieg dachte er noch, dem Alptraum für zwei Wochen entkommen zu sein. Doch nun schien es, dass er gerade erst begann.

 Er hastete, mit jedem Schritt drei Stufen nehmend, die Rolltreppe hinauf ohne Rücksicht auf die Leute, die ihm mit ihren vollgepackten Einkaufstüten den Weg versperrten. Im Erdgeschoss des Kaufhauses, das penetrant durch Weihnachtsmusik berieselt wurde, rannte er durch scheinbar endlose Gänge dem Ausgang entgegen und kümmerte sich nicht um die erstaunten Blicke der Passanten, die ihn anglotzten und ihm verständnislos hinterher schimpften. Kurz bevor er die große Drehtür erreichte, stellte sich ihm plötzlich ein älterer, schlaksiger Wachmann in einer lächerlichen Uniform entgegen, die den dürren Körper umschlotterte. Er griff nach seinem Oberarm und wollte ihn festhalten. Dabei sagte er laut, damit jeder es mitbekam, was für ein tüchtiger Kerl er sei „Na Freundchen, wohin wolln wir denn so eilich ? Haben wohl verjessen zu bezahlen, watt ?“

Seine Augen wurden schmal und mit einer eisigen Stimme sagte er leise zu seinem Gegenüber „es ist gesünder für Dich, wenn Du sofort Deine Hände von mir nimmst. Ich will Dir nicht wehtun...“ Aber entweder war dieser Möchtegern-Sheriff unglaublich dienstbeflissen oder unglaublich blöd. Wahrscheinlich beides. „ Na det könnte Dir so passen. Erst klauen und denn ooch noch ne jroße Fresse haben, wat? Mitkommen !“ Er überschätzte die Wirkung seiner Uniform auf ihn dem Anschein nach über alle Maßen. Mit einer kurzen Drehung des Oberkörpers befreite er seinen Oberarm, drückte seine linke Hand auf die Brust des Wachmanns, hakte seinen Zeige- und Mittelfinger in den knöchernen Unterkiefer des Mannes ein, indem er die Weichteile schmerzhaft nach oben drückte und den Kopf seines Kontrahenten zu sich heranzog. Unfähig zu reden fing der Mann mit schmerzverzerrtem Gesicht an zu röcheln. „Ich bin kein Dieb, ich habe es nur eilig“ sagte er leise. Und er wiederholte noch einmal den Satz... „Ich will Dir nicht wehtun“ fügte diesmal jedoch hinzu „aber ich kann es“.

Kaum merklich schüttelte sein Gegenüber den Kopf. Sofort ließ er von ihm ab, klopfte ihm auf die Schulter und verließ das Kaufhaus durch die Drehtür, ohne sich um noch weiter um diesen armen Tropf zu kümmern, der in den nächsten Tagen von heftigen Schmerzen in der Zunge geplagt werden würde.

Draußen tauchte er in der Menge unter, lief noch ein Stück zu Fuß und winkte sich ein Taxi heran, das ihn direkt zu seinem Hotel brachte. Er warf sich aufs Bett und weinte das erste Mal seit langer Zeit hemmungslos. Irgendwann schlief er ein und wurde von schlimmen Träumen heimgesucht. In letzter Zeit nahmen sie zu und in manchen Nächten ließen sie ihn überhaupt nicht zur Ruhe kommen. Es waren immer wieder dieselben Bilder die er sah.

 

Fette Hyänen, die in einer traumhaften Landschaft die Überreste von Menschen fraßen. Geier, die mit ihren Hälsen in Menschenleibern steckten. Lastwagen voller Lebensmittel, die sich in Geld verwandelten. Elefanten und Giraffen in weiten Ebenen unter Marulabäumen und Schirmakazien, Zebras und ausgeblichene Skelette in der Savanne. Leichen, brennende Dörfer und blutgetränkte Erde, große leere Kinderaugen in eingeschlagenen Schädeln. Aufseher, die mit schweren Stöcken auf Hungernde einprügelten, während er dabei stand und zuschaute und nicht fähig war, etwas dagegen zu tun. Er sah sich, Pete und Maurice am Rand des Ozeans stehen und Whisky trinken, während hinter ihnen ein Mann verdurstete. Es schien, als ob sein Gehirn ein irreales Fotoalbum mit den schrecklichsten und den schönsten Bildern angelegt hätte, das es Nacht für Nacht wieder aufschlug. Seltener träumte er zusammenhängende Sequenzen, aber wenn es dazu kam wachte er kurz darauf schweißgebadet und atemlos auf. Dann schien alles, was er im Traum erlebte so real, das er immer eine Weile brauchte um festzustellen wo er war.

Das Mädchen aus seinen Kindertagen kam darin vor. Immer wenn er kurz davor war sie zu berühren, verschwand sie oder löste sich vor seinen Augen in einem weißen Blütenmeer auf. Er watete in knietiefem Blut, sah Menschen sterben und sich selbst Menschen töten. Manche Gesichter, die er durch sein Zielfernrohr gesehen hatte, tauchten schemenhaft vor ihm auf und er konnte die Einschüsse in den Köpfen erkennen die er ihnen zugefügt hatte. Er sah Kinder, die von weitem noch gesund aussahen, die aber, wenn man näher heran kam zu einem Haufen Maden zerfielen. Er sah Sonnenaufgänge über der Savanne mit wundervollen Farben und das Meer, in dem tausende Leichen die Wellen bildeten. Er sah sich und seine Männer um ihr Leben kämpfen, hörte die Schreie von Verwundeten und immer wieder tauchten tote Kameraden wie Geister aus einem Nebel vor ihm auf, die ihm etwas zuriefen was er nicht verstand. Einen richtigen, tiefen Schlaf kannte er nicht mehr, seit er in Somalia war. Manchmal sehnte er sich danach, einzuschlafen, keine Träume zu haben und nie wieder aufzuwachen.

Gegen sechs Uhr erwachte er aus seinem Halbschlaf und fühlte sich wie gerädert. Er schaute auf die Uhr. Sein Flieger nach Bayreuth ging um 21 Uhr von Tegel. Obwohl er noch genügend Zeit hatte, packte er seine Sachen zusammen, checkte aus und ließ sich vom Concierge ein Taxi rufen, das ihn zum Flughafen brachte. Das große Kuscheltier für seinen Sohn passte nicht mehr in seinen Rucksack, deshalb trug er ihn im Arm. In der fast menschenleeren Abflughalle kam ihm eine junge Afrikanerin entgegen. Als sie den Teddybären auf seinem Arm sah, lächelte sie ihn an. Es war das erste echte Lächeln, das er in seiner Heimat erhalten hatte.

Er setzte sich auf eine der leeren Bänke und schaute sich um. Es war nicht viel los um diese Uhrzeit und das war ihm auch lieber so. Seit seiner Kindheit hatte er eine Abneigung gegen große Menschenmassen. Warum das so war, konnte er nicht erklären, er war eben lieber allein. Mit seinen Jungs war das etwas anderes. Sie waren wirklich wie Brüder geworden und irgendwie war auch jeder ein Teil des anderen. Sie waren manchmal wochenlang unterwegs und aufeinander angewiesen. Ihre Einheit funktionierte nur deshalb so gut weil sich jeder für den anderen verantwortlich fühlte und im Ernstfall das überleben jedes einzelnen davon abhing das sie gegenseitig auf sich aufpassten. Ihre Sorgen um das durchkommen galten in erster Linie dem Gefährten und dann erst sich selbst. Jeder kannte die Schwächen und Stärken seiner Kameraden und die gemeinsam erlebten Schrecken schweißte sie zu einer Einheit zusammen, die durch nichts auseinanderzubringen war. Das Vertrauen, welches einer in den anderen hatte war so tief und grenzenlos das die Redewendung „Ich vertraue Dir mein Leben an“ keine Floskel sondern Realität war.

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FLEURdelaCOEUR Oh Mann, - war das jetzt spannend ..... du beschreibst das alles so verständlich und vollkommen nachvollziehbar, alle waren verwundet .... und dann hörst du nie wieder von diesem Film ..... nicht zu fassen!

Gern hätte ich dir jetzt noch einen Favo verpasst, aber in dieser Gesamtfassung des Romans ist das leider nicht möglich, du hast ihn gestern im KaDeWe bekommen ...

Liebe Grüße
fleur

S. 210 //
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Ein zutiefst erschütterndes Kapitel ..... - Die Gefühle deines Protagonisten in dem Berliner Kaufhaus kann ich gut verstehen, auch dass sich das alles dann in dem heftigen Tränenausbruch entlud ..... Vor dem Erwachen im Berliner Hotelzimmer wär es vielleicht gut, einen Absatz einzufügen.

Ich bin sehr froh, dass dein Roman weitergeht und werde dran bleiben.

Liebe Grüße
fleur

S. 171 //
Vor langer Zeit - Antworten
BoeserLordKotz So - nun habe ich bis Seite 143 gelesen und muss nach wie vor sagen, nicht so mein Genre...dennoch hat es mich mitgerissen und ich war doch etwas ungläubig das es an dieser Stelle zu Ende zu sein scheint... zumindest hier die Leseprobe.
Freue mich schona uf weitere Teile

Hochachtungsvoll
Lord Kotz
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Im 5. Kapitel - hast du die Gewissenskonflikte sehr überzeugend geschildert.
Früher haben wir in der Schule gelernt, gerechte von ungerechten Kriegen zu unterscheiden. Inzwischen glaube ich schon lange, dass es keine gerechten Kriege gibt .....

Liebe Grüße
fleur

S. 143//
Vor langer Zeit - Antworten
shirley Re: Re: -
Zitat: (Original von uwemerz am 30.10.2012 - 13:26 Uhr)
Zitat: (Original von shirley am 26.10.2012 - 08:39 Uhr) So, nun habe ich natürlich das Problem, wo ich war. Vielleicht könntest du, wenn du es schon nicht einzeln einstellen willst, kennzeichnen, wo angesetzt wurde. Und auch im Titel, bzw Untertitel bemerken, dass da etwas neues hinzugekommen ist.
Das wäre sehr hilfreich. Denn bei der Menge, die man liest, hier und da, weiß man nicht mehr, an welcher Stelle dein Buch letztens endete.

Vielen dank.

Shirley


Hallo Shirley

Wenn ich meine Statistik richtig interpretiere bist Du bis Seite 41 gekommen. ;)

liebe Grüße

Uwe

Ei, wie fein, vielen Dank, ist notiert, bis die Tage, ich komm wieder...

shirley
Vor langer Zeit - Antworten
uwemerz Re: Wirklich sehr spannend, -
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 29.10.2012 - 17:44 Uhr) man fühlt sich mitgerissen, fiebert mit, dass sie es rechtzeitig schaffen mögen und unentdeckt bleiben..
Sehr hat mir auch der Abschnitt über die Beschneidung und ihre Hintergründe gefallen.

LG fleur


Hallo Fleur

ich freue mich, wie das Buch bei Dir ankommt, weil genau das auch von mir beabsichtigt war... ;) Die Beschneidung von Mädchen ist bis heute eine traurige Tatsache in vielen Ländern Afrikas. Aber in keinem Land wird sie bis zum heutigen Tag so "konsequent" und in so großem Umfang praktiziert wie in Somalia. Ich war bei so einem Ritual unfreiwilliger Zeuge und glaub mir, auch mehr als 20 Jahre später packt mich die Wut... Das schlimmste für mich war damals, nicht eingreifen zu können weil die Befehlslage eindeutig war...

LG Uwe
Vor langer Zeit - Antworten
uwemerz Re: -
Zitat: (Original von shirley am 26.10.2012 - 08:39 Uhr) So, nun habe ich natürlich das Problem, wo ich war. Vielleicht könntest du, wenn du es schon nicht einzeln einstellen willst, kennzeichnen, wo angesetzt wurde. Und auch im Titel, bzw Untertitel bemerken, dass da etwas neues hinzugekommen ist.
Das wäre sehr hilfreich. Denn bei der Menge, die man liest, hier und da, weiß man nicht mehr, an welcher Stelle dein Buch letztens endete.

Vielen dank.

Shirley


Hallo Shirley

Wenn ich meine Statistik richtig interpretiere bist Du bis Seite 41 gekommen. ;)

liebe Grüße

Uwe
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Wirklich sehr spannend, - man fühlt sich mitgerissen, fiebert mit, dass sie es rechtzeitig schaffen mögen und unentdeckt bleiben..
Sehr hat mir auch der Abschnitt über die Beschneidung und ihre Hintergründe gefallen.

Habe Kapitel 4 gelesen, S. 116 //

LG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
shirley So, nun habe ich natürlich das Problem, wo ich war. Vielleicht könntest du, wenn du es schon nicht einzeln einstellen willst, kennzeichnen, wo angesetzt wurde. Und auch im Titel, bzw Untertitel bemerken, dass da etwas neues hinzugekommen ist.
Das wäre sehr hilfreich. Denn bei der Menge, die man liest, hier und da, weiß man nicht mehr, an welcher Stelle dein Buch letztens endete.

Vielen dank.

Shirley
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Re: Re: Re: Re: Wenn ich auch nicht besonders gern über solche Kriegseinsätze lese, -
Zitat: (Original von Gast am 24.10.2012 - 15:41 Uhr)
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 22.10.2012 - 17:04 Uhr)
Zitat: (Original von uwemerz am 22.10.2012 - 15:47 Uhr)
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 22.10.2012 - 15:01 Uhr) ... als von dem Übungsmarsch am Ende der Ausbildung die Rede war, hieß es, sie bewegten sich in westlicher Richtung auf den Indischen Ozean zu .... sicher muss es heißen, in östlicher ...
Warum stellst du die Kapitel nicht einfach als einzelne Bücher ein?

LG fleur


Hallo Fleur,

der Übungsmarsch und die Ausbildung fanden auf Réunion statt, einer kleinen Insel ca. 700 km östlich von Madagaskar. Réunion liegt im indischen Ozean, und egal, in welche Richtung man geht, man kommt immer am Meer an... ;) Ich stelle die einzelnen Kapitel absichtlich nicht als einzelne Bücher ein. Das würde den Roman irgendwie zerreißen, denke ich.

LG Uwe



Hallo Uwe,

Réunion ist mir bekannt, wir hatten hier mal jemanden von Mauritius .....
Na ja, ist ja eigentlich auch logisch, dass die Ausbildung nicht im eigentlichen Einsatzgebiet stattfand.....

Roman zerreißen ... vielleicht, aber es würden sich wahrscheinlich mehr Leser finden, so lange Bücher schrecken eher ab ....

LG fleur


hatten? ;) zu einem viertel bin ich noch da und lesen tu ich auch immer noch, nur kommentieren erspare ich mir mitlerweile meistens.

Ganz lieben Gruss zu dir
Chris


Hallo Chris,
ganz herzlichen Gruß zurück,
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
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