Auch ich bin nicht ohne Fehler. So kann ich mich beispielsweise an eine Geschichte erinnern, die meiner Tochter ausgesprochen gut gefällt, obwohl es mir sehr peinlich war.
Es war in der dunklen Jahreszeit. Ich musste zur Arbeit, der Rest der Familie konnte Zuhause bleiben. Rücksichtsvoll wie ich nun einmal bin, versuchte ich also möglichst viele Tätigkeiten der morgendlichen Routine im Dunkeln und möglichst leise zu erledigen, um den schlafenden Rest der Familie nicht zu stören. Im Badezimmer machte ich selbstverständlich das Licht an. Ich habe in meinem Leben bislang noch nicht versucht, im Dunkeln zu Duschen oder auch meine Zähne zu putzen.
Dann allerdings, als es um die Wahl der Schuhe ging, langte ich in völliger Dunkelheit ins Schuhregal, schnappte mir zwei nebeneinander stehende Pumps, schlüpfte hinein und gleich darauf aus der Haustür heraus in Richtung Straße, wo eine Kollegin, die mich allmorgendlich mitnahm, schon auf mich wartete.
Bis hierhin war mein Leben noch in Ordnung. Das änderte sich allerdings, als wir den Eingangsbereich des Bürogebäudes betraten, denn bei meinem Gang durch die Eingangshalle klang es klack-tock-klack-tock. Ich sah an mir herunter – ja, was soll ich sagen – mir war es doch tatsächlich gelungen, durch meine übergroße Rücksicht auf die anderen Familienmitglieder zwei unterschiedliche Pumps anzuziehen. Nicht einmal in der Farbe ähnelten sie sich.
Meine Kollegin blickte nun ebenfalls auf meine Füße und fing schallend an zu lachen. Ich selbst schmunzelte zwar auch, denn Gott sei Dank kann ich nicht nur über andere sondern auch über mich selber lachen, fragte mich aber gleichzeitig, wie ich nun den Rest des Tages mit zwei unterschiedlichen Schuhen an den Füßen verbringen würde. Würde ich mir jeden Gang zur Toilette oder in die Kantine sparen, würde ich meine Füße den ganzen Tag unter meinem Schreibtisch verstecken oder würde ich um Hilfe bitten?
Die letzte Idee erschien mir am logischsten. Also rief ich – etwas später, denn ein wenig Schlaf gönnte ich meiner Familie noch – Zuhause an und bat meinen damaligen Mann, er möge mir doch bitte einen Schuh ins Büro bringen, welcher wäre mir letztendlich egal, ich hätte nur gerne ein zusammenpassendes Paar Schuhe an.
Was sagte nun meine bessere Hälfte: „Du glaubst doch nicht, dass ich mit einem Schuh in der Hand durch das ganze Gebäude laufe? Kannst du nicht barfuss gehen?“ Wie ich schon sagte, es war die dunkle Jahreszeit, sonst wäre mir das sicherlich nicht passiert, und dementsprechend kalt. Männer – ich erklärte ihm, dass ich nicht von ihm verlangen würde, den Schuh stolz präsentierend durch die Stadt und anschließend durch das Gebäude zu laufen, denn er würde ja wahrscheinlich eine Jacke anziehen, unter der er den Schuh sicherlich verstecken könne. Ansonsten gäbe es auch noch die Möglichkeit, eine Tasche zu benutzen.
Stunden später, so kam es mir zumindest vor, erschien er dann endlich mit dem erlösenden zweiten passenden Schuh. Ich konnte ihn sogar dazu überreden, den nicht mehr gebrauchten Schuh wieder mit nach Hause zu nehmen. Mein Tag war gerettet.
Was lehrt uns das? Zuviel Rücksichtnahme ist nicht immer gut.
Wenn wir uns heute über Missgeschicke unterhalten, dann sagt meine Tochter nur klack-tock-klack-tock und fängt schallend an zu lachen.