Fantasy & Horror
Nachttänzer

Simon

Es war Ende Oktober und ein kalter Wind fegte über den verlassenen Friedhof von Counset Rose, einer kleinen Stadt in Nordamerika. Der Ort, an dem angeblich die Vampire und Werwölfe hausten. Angeblich. Aber das konnte natürlich auch ein weiteres Märchen sein.

Simon Jorn, ein ehemaliger Student aus Florida, schlenderte ruhig den kleinen Erdpfad entlang, der sich einmal über den ganzen Friedhof schlängelte. Die Hände in den Hosentaschen und den Blick über die einzelnen Gräber schweifend, überlegte er, ob er endlich fündig werden würde. Oder ob es nur wieder eine erfolglose Nacht werden würde.

Unter seinen Schuhen knirschten einige Blätter, die von den Bäumen rund um den Pfand, gefallen waren. Sonst war es völlig ruhig auf dem Friedhof, was manchen eine Gänsehaut über den Rücken laufen lassen würde. Simon hingegen gab es ein Gefühl der Enttäuschung. Schon ein winziges Fauchen hätte ihm Hoffnungen gemacht. Doch nichts war zu hören.

Simon erinnerte sich gelangweilt an einige andere Nächte, die genauso verlaufen waren. Es gab schließlich viele Orte auf der Welt, in denen es angeblich Wesen der Nacht geben sollte. Und Simon hatte schon viele von ihnen in seinen Semesterferien besucht. Nun hatte er sein Studium beendet und widmete den größten Teil seiner Zeit mit Nachforschungen. Seid seiner Kindheit interessierte er sich für den Mythos Vampir. Er hatte viel über sie in Erfahrung gebracht und war der festen Überzeugung, dass sie wirklich existierten. Er musste nur noch einen Beweis dafür liefern.

Ganz in Gedanken versunken bemerkte Simon nicht, dass er den Friedhof verlassen hatte und einer einsamen, verlassenen Straße folgte. Man konnte nirgendwo einen Ansatz von Zivilisation erkennen.

Als Simon wieder aus seinen Gedanken erwachte, bemerkte er, dass er sich Mitten im Nirgendwo befand. Doch zu seiner Überraschung war es dort alles andere als still. In den wenigen Gebüschen, die neben der Straße wuchsen, knisterte und raschelte es leise. Simons Schritte verlangsamten sich, bis er stehen blieb und sich umsah. Eines der Gebüsche bewegte sich ruckartig, was aber auch an dem heftigen Wind liegen konnte. Trotzdem näherte sich Simon langsam. Er achtete auf jeden Schritt, den er ging und konzentrierte sich vollkommen auf das Brombeergebüsch. Als er davor stehen blieb, zog er ruckartig die Äste auseinander. Ein Eichhörnchen sprang empört aus dem Gebüsch und raste eilig davon. Simon stöhnte, während er sich wieder aufrichtete. „Suchst du jemanden?“,fragte eine piepsige Stimme hinter ihm. Simon drehte sich blitzartig um und sah einem kleinen Mädchen in die Augen. Sie lächelte Simon freundlich an. „Wer bist du denn?“,fragte Simon und kratzte sich am Kopf. „Ich bin Blossom. Und du?“ „Simon.“,meinte er. Blossom nickte. „Verstehe. Und was machst du in so einer Gegend?“ „Das sollte ich besser dich fragen.“,erwiderte Simon. „Wieso mich? Ich bin hier Zuhause!“,lächelte Blossom. Langsam wurde die Situation unheimlich. Simons Gehirn begann zu Arbeiten. Wieso sollte ein kleines Mädchen um diese Uhrzeit alleine auf einer verlassenen Straße sein? Blossom begann zu grinsen und je weiter sich ihr Mund öffnete, desto besser konnte Simon sie erkennen. Die spitzen Eckzähne, die im Mondlicht glänzten. Und schlagartig begriff er. Schnell sprang er zur Seite. Er landete hart auf der Straße, aber ein lautes Stöhnen bestätigte seine Vermutung. Simon drehte sich um und blickte auf eine große Gestalt, die auf dem Asphalt lag. Blossom stand verwirrt vor ihr und beugte sich zur ihr hinunter. „Clever, sehr clever.“,raunte eine Stimme hinter Simon. Schnell stand er auf. Eine große Frau stand vor ihm. Ihr langes, silbernes Haar schimmerte im Mondlicht und ihre bernsteinfarbenen Augen schienen ihn zu durchbohren.
Sie verbeugte sich. „Ich wusste nicht, dass du ein Eingeweihter bist. Blossom, Horne, Seyla, kommt zu mir.“ Simon drehte sich um. Blossom half der Gestalt hoch und eine weitere stieg aus dem Gebüsch auf der anderen Straßenseite. „Ganz ruhig, meine Lieben.“,sagte die Frau mit den silbernen Haaren. „Er weiß Bescheid.“ Die Gestalt, die sich auf Simon stürzen wollte, stellte sich als ein junger Mann heraus, den Simon auf 24 schätzte. Und der Vampir, der aus dem Gebüsch der anderen Straßenseite kam, war ein Mädchen in Simons Alter. Sie hatte silberne Augen und hellrosane Haare. Die Vampire stellten sich neben ihre Anführerin und schauten Simon an, als würden sie eine Art Codewort erwarten. „Der ist also ein Eingeweihter?“,fragte er junge Mann. „Sieht ganz danach aus.“,meinte die Frau mit den silbernen Haaren. „Wenn ich mich vorstellen dürfte. Mein Name ist Linea.“ Sie machte erneut eine tiefe Verbeugung. „Und das hier“ Sie zeigte auf den jungen Mann. „Ist mein Gefährte Horne. Blossom kennst du ja bereits. Und dieses schöne Geschöpf“ mit ihren spitzen Fingernägeln wies sie auf der Mädchen mit den rosanen Haaren. „ist Seyla.“ Seyla verbeugte sich kurz und lächelte Simon dann schüchtern an. „Woran hast du erkannt, dass wir Nachttänzer sind?“,fragte sie. Nachttänzer? War das eine Umschreibung für Vampire? „Wenn ihr mit Nachttänzer Vampire meint, dann habe ich es an eurem Ablenkungsmanöver erkannt.“,sagte Simon selbstsicher und rückte sich seine Brille zurecht. „Interessant.“,sagte Horne.

„Und was ist ein Eingeweihter, wenn ich fragen darf?“ Die vier schauten sich eine kurze Zeit abwechselnd an, dann meinten sie: „Jemand, der uns enttarnt. Und das hast du getan.“ Simon nickte. „Und was habt ihr jetzt vor?“ Blossom lachte. „Du wirst mit zu unserem Haupttänzer kommen. Und er wird dann über dein Urteil entscheiden.“