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Es waren einmal drei verschiedene Muscheln, die lagen verstreut nebeneinander am Karibikstrand. Die eine, eine flache, lag nur da und genoss die Sonne. Die zweite, eine leicht gehörnte, hatte sich beim Anschwemmen im Sand eingegraben und genoss den feuchten Sand und die leichten Wellen, die über sie flossen. Die letzte war eine wunderschöne spitze Muschel, die ein besonderes Muster auf ihrer Schale hatte. Sie jedoch war nur am Reden darüber, wie schlecht es ihr auf der Erde und am Strand ginge. Sie beschwerte sich über die zu heiße Sonne und den zu feuchten
Sand, ihr eintöniges Muster und ihre ungewöhnliche Form.
Die anderen beiden Muscheln hörten sich ihr Hadern und Wehklagen lange an. Sehr lange muss man sagen. Vermutlich hatten sie die Geduld, die nur eine Südseemuschel ( aber kein Mensch ) haben kann.
Doch eines Tages, es war ein Regentag, und es war kalt und hässlich, hielten sie es beide nicht mehr aus. Die flache Muschel ärgerte sich über die schöne Muschel derartig, dass sie sie zur Rede stellte: ,,Was hast du denn zu klagen, was sind deine Sorgen, welche Probleme hast du, die wir anderen nicht haben?"
Die unglückliche Muschel überlegte
kurz, dann begann sie ihre Wehwechen aufzuzählen und begann mit der Sonne, die ihr zu heiß war ( es war wie gesagt kein Sonnentag ).
,,Dann leg dich doch in den Sand zu mir," sagte die gehörnte Muschel.
,,Nein, da ist es mir zu sandig," antwortete diese, und begann weiter ihre Sorgen aufzuzählen. als hätte sie Buch darüber geführt.
,,Der Sand ist so spitz und kratzig hier und ich lang und hässlich."
Als sie das gesagt hatte, wurde es der flachen Muschel zu bunt.
,,Was gibt es denn, was dir passt und dir gefällt ?" stellte sie die jammernde Muschel zur
Rede.
,,Ich bin was Besonderes," antwortete diese kurzum.
,,Und was sind wir, die wir mit unseren Leben zufrieden sind," hakte die dritte nach.
,,Ihr seid einfach Muscheln der gewöhnlichen Sorte," sagte die unglückliche Muschel.
,,Ihr liegt im Wasser oder am Strand herum und lebt euer gewöhnliches Leben."
Darauf hatten die anderen zwei Muscheln nur gewartet.
,,Wenn wir zwei gewöhnlich unser Dasein fristen, was genau machst denn dann du ?", fragten sie fast
einstimmig.
,,Ich ?", wollte die schöne Muschel wissen.
,,Ich bin hier, um ein besonderes Leben zu führen."
,,Hast du es denn bislang geschafft ? Warum sind wir dann zufrieden und glücklich und du nur am Heulen und Selbstbemitleiden ?"
Darauf wusste die gefragte Muschel keine Antwort. Sie war immer davon ausgegangen, die Krone der Schöpfung zu sein. Jetzt jedoch wurde ihr vieles bewusst und klar und sie fiel in wirklich bekümmerte Stimmung; sie schaute an sich herunter und fand sich plötzlich wunderschön. Kurz darauf stürzte eine
Möwe auf sie und trug sie davon.
Die anderen zwei Muscheln blieben zurück und sahen der Möwe und ihrer Strandkollegin nach.
,,Hoffentlich wird sie woanders nun glücklich," sagte die gehörnte Muschel und das Wasser umspülte sie. Die andere schaute immer noch gen Himmel und erst, als die Möwe außer Sichtweite war, stimmte sie der gehörnten zu.
,,Das wird sie wohl werden müssen, solang sie jedoch ihre Einstellung nicht ändert, bleibt sie die Muschel, die überall fehl am Platz ist. Äussere Schönheit , die sie hat, wird nie von Dauer sein, solange ihre Seele den Fehler in Äusserlichkeiten sucht und die
Wahrheit nicht in sich und anderen erkennt. Dann wurde es wieder still zwischen den beiden, die Sonne kam heraus und sie genossen die Sonne und das Meer.
Was will uns diese Geschichte sagen?
Schauen wir doch mehr danach was greifbar und sich in unserer Nähe befindet, als nach dem, was fern und unerreichbar scheint. Lieben wir uns und unser Leben, so wie wir sind und unser Leben, so wie es ist. Alles ist möglich und jeder Tag ist eine neue Chance, das Beste daraus zu machen. Es könnte ansonsten ein böses Erwachen geben und dem einen oder anderen dürfte
Schlimmes wiederfahren ähnlich der Geschichte.
Nicht jedes mal holt einen eine Möwe ( oder wahlweise ein Mensch ) zur rechten Zeit ab oder kommt einem die Erleuchtung im passenden Moment.