Biografien & Erinnerungen
Qual der Wahl - Leseproben

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"Qual der Wahl - Leseproben"
Veröffentlicht am 16. August 2011, 52 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Sommer 1964 Ein kleines Mädchen erblickte das Licht der Welt. Gabriele Christine, so trug man es in den Geburtsschein ein. Wer mich heute sieht, glaubt nicht, dass ich ein schlechter Esser war und meine Mutter alle zwei Stunden versuchte, mich zur Nahrungsaufnahme zu bewegen. Vier Jahre später bekam ich einen körperbehinderten Bruder. Bis zu seiner Einschulung konnte ich nicht viel mit ihm anfangen, doch von dem Tag an waren wir unzertrennlich. ...
Qual der Wahl - Leseproben

Qual der Wahl - Leseproben

Beschreibung

Gabriele hat endlich die Fesseln gelöst. Die Ehe, die nur aus Gewalt bestand liegt hinter ihr. Ohne Angst leben, unbeschwert durch die Tage gehen und ihren Kindern eine gute Mutter sein ist ihr größter Wunsch. Sie träumt von einem liebevollen Partner, einer harmonischen Beziehung, einem sicheren Heim. Frei nach dem Motto %u201ELebe Deine Träume%u201C macht sie sich auf den Weg. Um ihr Ziel zu erreichen, geht Gabriele durch viele Täler, steht vor Sackgassen, muss Entscheidungen treffen. Sicher kennen auch sie dieses Gefühl sich im Kreis zu drehen, Entscheidungen bringen sie nicht wirklich voran. Erneut lässt Gabriele tiefe Einblicke in ihre Gefühlswelt zu. Lässt sie teilhaben an ihren Zweifeln und Irrwegen. Die Autorin versteht es auch dieses Mal sie in ihren Bann zu ziehen, mehrfach werden sie den Wunsch verspüren ihr zu zu rufen %u201EHalt Stopp, dies ist der falsche Weg.%u201C

Vorwort

Das Manuskript ist in der Rohfassung ca. 350 Seiten stark, und natürlich ist es nicht leicht daraus eine Leseprobe zusammen zu stellen. Ich hoffe es ist mir trotzdem gelungen einen kleinen Vorgeschmack zu präsentieren. Über kommentare würde ich mich natürlich sehr freuen.

Rückblick

Gabriele Remscheid

 

Qual der Wahl

 

Ein neues Leben nach

Häuslicher Gewalt

 

 

 

 

 

 1.     Auflage im Oktober 2011

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rückblick auf

“Gesprengte Fesseln”

 

Gesprengte Fesseln

Erfolgreicher Ausbruch aus häuslicher Gewalt

 

 

Gabrieles Kindheit ist wohlgeordnet, wenngleich sie auch vom Vater keinerlei Zuwendung erfährt. Doch die Liebe von Mutter und Bruder gleichen diesen Mangel etwas aus. Jahrelang lebt die Mutter der Tochter die Unterordnung dem Ehemann gegenüber vor, egal wie unausstehlich er sich verhalten mag. Bis die Mutter aus dieser Ehe ausbricht und zu einem anderen Mann geht, die Kinder jedoch beim Vater zurück lassend. Für Gabriele bricht ihre heile Welt zusammen, sie glaubt sich von dem einzigen Menschen verraten, dem sie sich rückhaltlos anvertrauen konnte. So beginnt sie sich zu verschließen, ein Verhaltensmuster entsteht, dass sich bei jeder künftigen tatsächlichen oder vermeintlichen Ablehnung durch Mitmenschen bis zu fast völliger Gefühllosigkeit entwickelt. Mit aller Macht versucht sie auf eigenen Füssen zu stehen und schafft es. Doch das von der Mutter vorgelebte Verhaltensmuster der bedingungslosen Unterordnung verfolgt Gabriele während ihrer Ausbildung und, schlimmer noch, durch ihre Ehen hindurch. Dreimal gerät sie an Männer, die dieses Verhaltensmuster ausnutzen. Walter, der auf ihre Kosten lebt, Kurt, der ihr im Verlauf ihrer Ehe die Hölle auf Erden bereitet, der sie prügelt, vergewaltigt und demütigt, immer wieder und wieder. Auch ihre vier Kinder müssen diese Gewalt miterleben. Und endlich, nachdem Kurt  Gabriele krankenhausreif geprügelt hat, findet sie die Kraft, diese unerträgliche Situation endgültig zu beenden. Sie lernt Jens kennen, der ganz das Gegenteil von Kurt zu sein scheint, sanft, sehr um sie bemüht, ständig um sie herum. Dadurch wiederum fühlt sich Gabriele eingeengt, hat das Gefühl die Luft zum Atmen zu verlieren. Um der Kinder Willen versucht sie sich, wie in früheren Ehen, anzupassen und still zu halten, doch hält sie es nicht mehr aus. Auch diese Ehe scheitert. In Achim, den Gabriele durch das Internet kennen gelernt hat, glaubt sie endlich den Mann gefunden zu haben mit dem sie eine  dauerhafte Beziehung, gegründet auf Liebe und Vertrauen, führen kann. Oder ist es doch wieder nur eine Wiederholung der ewig gleichen Muster, die bislang ihr Leben bestimmten und sie in unglückliche Ehen und üble Lebenssituationen führten? Nein. Inzwischen hat es Gabriele geschafft, die destruktiven Verhaltensweisen zu erkennen und immer wieder dagegen an zu kämpfen...

Ehrlich und rückhaltlos beschreibt die Autorin die entscheidenden Erlebnisse die Kindheit, Jugend und Erwachsenenleben bis heute bestimmten. Sie macht deutlich wie wichtig es ist sich frei zu machen von anerzogenem Fehlverhalten, dass sich in letzter Konsequenz gegen die erfolgreiche Suche nach dem eigenen Lebensglück richtet.

Begeben Sie sich auf die Reise, begleiten Sie Gabriele auf ihrem Weg sich selber kennen zulernen. Erleben Sie, wie sie Schritt für Schritt ihrem Ziel auf ein glückliches selbstbestimmtes Leben näher kommt.

 

Erfahren Sie, wie es mit Jens zu Ende ging, was aus den Kindern geworden ist.

 

Hat Gabriele es wirklich geschafft, dem Teufelskreis „Co Abhängigkeit,“ zu entkommen? Ist Achim der Mann, den sie ein Leben lang gesucht hat? Der ihr Wärme und Geborgenheit geben kann?

 

Ich wünsche Ihnen eine spannende Reise und bestellen Sie Gabriele viele Grüße, wenn Sie bei ihr angekommen sind.

 

 

Ihre Gabriele Remscheid

Haussuche und Umzug

Haussuche und Umzug

 

Als ich Montag zur Arbeit fahren wollte, fragte mich Jens „ Soll ich Frau A. und die Maklerin anrufen? Und einen Termin mit der Bank machen?“ Ich nickte „Ja Jens, mach das bitte.“ Ich gab mich geschlagen, stimmte dem Hauskauf also jetzt zu. Mein Bauch schlug zwar Kapriolen und der Gedanke an so viele Schulden raubte mir den Schlaf. Doch Jens tat so viel für uns, ich konnte ihm seinen Traum nicht versagen. Es würde schon alles gut gehen.

Abends als wir alle am Tisch saßen sagte Jens „Wir haben am kommenden Donnerstag einen Termin mit der Bank. Sie benötigen alle Verdienstbescheinigungen des letzten Jahres. Wenn Du mit einziehst Dirk, dann auch von Dir. Die Finanzierung hängt vom Haushaltseinkommen ab.“ „Moment Haushaltseinkommen, Jens heißt das, dass auch Kindergeld und die Halbwaisenrenten der Kinder eingerechnet werden? Das sind doch keine festen Posten. Wenn die das einrechnen und Andrea in vier Jahren sagt ich zieh aus, klappt das ganze Kartenhaus zusammen?“ „Gabi, bitte beruhige Dich. Ja, es wird alles eingerechnet was im Monat rein kommt. Doch ein fester Betrag wird veranschlagt, der einer sechsköpfigen Familie nach Abzug aller Kosten über bleiben muss. Und wenn eins der Kinder auszieht, fällt ja nicht nur das Geld, sondern auch die Kosten für dieses weg.“  Ich schüttelte den Kopf  „Jens, das ist mir zu heiß, wir spielen hier russisches Roulette. Andrea könnte in vier Jahren sagen, ich zieh aus, Dirk kann jederzeit gehen, er ist erwachsen. Und auch die anderen zwei bleiben nicht ewig. Wir leben uns im Haus ein, investieren und in ein paar Jahren ist alles für die Katz, weil das Geld nicht mehr reicht!“  Dirk sah hoch „ Mama, ich habe gesagt ich möchte wieder zurück und möchte mich beteiligen, wenn auch nur mit 200 DM. Doch das mache ich nicht aus einer Laune raus. Ich möchte das Haus dann später mal übernehmen.“ Jetzt sprang Andrea auf „Haha, das haste Dir aber nur so gedacht, wir sind vier, Du kannst das Haus gar nicht alleine übernehmen.“ Das hatte mir gerade noch gefehlt „Ihr streitet Euch schon ums Erbe, obwohl wir das Haus noch nicht mal haben. Verdammt noch mal, gebt jetzt endlich Ruhe!“

Innerlich kam der Wunsch hoch, dass die Bank die Finanzierung verweigern würde.

Die kommenden Tage gab es kein anderes Thema mehr, es ging nur noch um das Haus, mir kam das langsam an den Ohren raus. Ich genoss die Zeit, wenn ich unterwegs war.

Donnerstag Nachmittag fuhren wir dann zusammen nach Düsseldorf zur Bank. Nach Prüfung aller Unterlagen nickte der Berater „Es sieht gut aus, die Eigenheimzulage rechnen wir als Eigenkapital, nach Abzug aller Kosten bleiben ihnen 300 DM mehr übrig, als vom Gesetzgeber vor geschrieben.“ Ich sah, dass Jens vor Freude strahlte. In mir tobten zwiespältige Gefühle. Es wäre schön etwas eigenes zu haben, sich nie wieder mit einem Vermieter rum zanken zu müssen. Aber was geschah, wenn seine Rente gestrichen wurde, ich meinen Job verlor? Wir stünden vor dem nichts und zurück in eine Mietwohnung wäre sicher sehr schwer. „Gabi, was meinst Du, wagen wir es?“ Fragte Jens mich. Was sollte ich antworten, ich konnte doch nicht vor dem Herrn meine Zweifel äußern und Jens somit bloß stellen? Ich nickte fast unmerklich, schluckte meine Sorgen runter. Wir würden es schon schaffen. Darauf sagte uns der Herr von der Sparkasse, er würde alles noch mal eingehend prüfen, die Verträge vorbereiten. In einigen Tagen bekämen wir diese dann zur Ansicht und einen erneuten Termin zur Vertragsunterzeichnung. Ich atmete auf, eine Gnadenfrist und vielleicht fanden sie ja doch noch einen Grund das Darlehen ab zu lehnen. Auf dem Heimweg hatte Jens kein anderes Thema, träumte schon von Weihnachten im eigenen Haus. Er merkte in seiner Euphorie gar nicht, dass ich sehr schweigsam blieb.

Meine Hoffnungen erfüllten sich natürlich nicht, eine Woche später lag ein dicker Umschlag von der Bank im Briefkasten. „Jens, bitte denk noch mal gut nach, bist Du sicher, dass wir dies schaffen, es geht immerhin um zwanzig Jahre unseres Lebens. Es ist ein enormes Risiko. Ich habe Angst.“ Er sah mich beruhigend an „Was kann denn geschehen, es gibt doch die Restschuldversicherung. Sollte irgendwas geschehen, greift diese Versicherung.“ Nicht wirklich überzeugt nickte ich „Also müssen wir, am Donnerstag, erneut zur Bank? Um wie viel Uhr? Damit ich dem Chef Bescheid sage, dass ich auf keinen Fall länger auf Tour sein kann.“ Er sah in die Papiere und antwortete „Wir müssen hier um vierzehn Uhr los.“

Drei Tage später hatten wir die Papiere unterzeichnet. Der Termin beim Notar würde in der kommenden Woche stattfinden. Somit stand einem Einzug Anfang Dezember nichts mehr im Wege. Nach dem Notartermin fuhr ich von der Arbeit aus jeden Tag direkt ins Haus und begann zu streichen. Die Küche wurde gelb und wirkte so direkt viel wärmer als vorher. Das Wohnzimmer strich ich in Terrakotta. Somit wirkte die untere Etage innerhalb weniger Tage wohnlich. Krümel wollte den Keller und er stand auf blau, auch wenn es meiner Meinung nach für diesen Raum zu dunkel war, respektierte ich seine Meinung.

Leider funktionierten die anderen Absprachen nicht. Denn in der alten Wohnung ging nichts voran. Eigentlich war abgesprochen, dass Jens zusammen mit den Kindern die Kisten packen würde. Doch dies klappte hinten und vorne nicht. So das ich auch dies meist noch am Abend erledigte. An manchen Tagen hatte ich nicht mehr als zwei Stunden Schlaf. Ich lief mittlerweile auf Reserve. Dies bemerkte leider niemand.

Zwei Wochen vor Weihnachten waren wir endlich übergesiedelt. Und es sah halbwegs wohnlich aus.

Selbstverständlich wollte Jens wieder Weihnachten im Kreis der Familie feiern, seine Mutter, Großmutter sowie Schwester mit Mann sollten zu uns kommen. Da ich auch an Heiligabend bis Nachmittag arbeiten musste hatten wir vereinbart, dass er die Vorbereitungen machte. Erstaunlicherweise bekam er dies auch hin. Das Fleisch für das Fondue und Raclette waren vorbereitet, ebenso die Salate schon fertig. Somit hatte ich an diesem Nachmittag noch ein wenig Zeit für mich. Um 17 Uhr fuhr Jens dann los um seine Familie zu holen. Ich zog mich um, schaltete die Kerzen am Weihnachtsbaum an. Andrea war ständig am meutern, sie wirkte unzufrieden und unglücklich. Leider hatte sie dicht gemacht, ich bekam nicht aus ihr raus was sie bedrückte. Ein wenig erinnerte sie mich daran wie ich reagiert hatte als meine Mutter uns verließ. Aus dieser Erfahrung heraus ließ ich sie soweit möglich in Ruhe. Und wartete geduldig, dass sie von sich aus kommen würde. Im Gegensatz zu ihren Brüdern litt sie immer noch unter dem Verlust ihres Vaters und ich vermutete, dass es jetzt zu Weihnachten besonders schlimm für sie war.

Der Abend verging relativ friedlich und gegen 23 Uhr riefen wir ein Taxi, welches unsere Gäste nach Hause bringen sollte.

 

 

Unerfüllte Bedürfnisse

Unerfüllte Bedürfnisse



Das Jahr 2001 neigte sich seinem Ende zu. Die letzten Monate waren ruhig gewesen. Die Stimmung zwischen mir und Jens wurde immer angespannter. Ich vermisste den Mann, der für mich da war, der sich liebevoll um die Kinder bemüht hat. Er war fast nur noch im Bett, schaute fern oder eins seiner Videos. Wenn ich am Wochenende mal fragte ob wir etwas unternehmen, lehnte er immer häufiger ab. Krümel sagte immer häufiger,“ Jens ist komisch, er redet kaum noch mit mir. Am Anfang war das anders.“ Ich nickte „ Ja, das fällt mir auch auf, nur seinen Grund kann ich nicht mehr glauben. Er sagt, ihm geht es nicht gut. Doch beim Arzt ist alles in Ordnung. Aber vielleicht sollten wir wenigstens hin und wieder was machen. Wenn Jens nicht weg möchte müssen wir nicht auch zuhause bleiben.“ Connys Augen begannen zu strahlen „ Mama, das wäre toll. Ich habe Dich lieb.“ Conny litt am meisten unter dem Rückzug von Jens. Er hatte vom ersten Tag an ihm gehangen, es genossen, wenn Jens sich mit ihm beschäftigte.

Am Wochenende unternahm ich mit den Kindern etwas, wir fuhren in die Eifel, bummelten durch den Ort oder gingen auch mal eine Kleinigkeit essen. Jens fragte nie wo wir waren, zeigte kein Interesse uns zu begleiten. Er benutzte unsere Abwesenheit zum Science Fiktion schauen. Star Wars, Perry Rhodan und ähnliches war seine Welt.

Finanziell begann es auch immer enger zu werden. Obwohl ich mehr arbeitete, wurde das Geld weniger. Die Lebenshaltungskosten hatten sich verdoppelt. Die Einführung des Euro führte uns an die Grenzen. Häufig wusste ich nicht wie es weiter gehen sollte, wovon ich alles bezahlen sollte. Jens sagte nur, „Wir schaffen das.“ Doch er tat nichts um mich zu entlasten. Körperlich ging es ihm in dieser Zeit so gut, dass er ohne Probleme ein paar eigene Bezirke hätte machen können. Doch wenn er nachts mit raus fuhr, dann nahm er mir einen Teil meiner Arbeit ab. Das bedeutete, ich war zwar schneller fertig, hatte jedoch  dadurch nicht mehr Geld.

Die Kinder hatten sich mal wieder einen Ausflug gewünscht und wir beschlossen zusammen nach Hellenthal zu fahren. Sehr zu unserem Erstaunen wollte dieses Mal auch Jens daran teilnehmen. Wie Fremde gingen wir nebeneinander. Nichts mehr zu spüren von Nähe und Wärme.

Doch ein Erlebnis war zumindest für Conny und mich einzigartig. Die Flugshow der Falkner mit anschließender Möglichkeit sich mit einem Greifvogel fotografieren zu lassen.  Dies nutzen wir natürlich aus. Bewundert hatte ich diese Vögel schon häufiger, doch noch nie durfte ich einem so nah sein. Der große Schnabel flößte Respekt ein als er so still und erhaben auf meiner Hand saß.

 

In diesem Herbst waren Conny, Alex und ich noch häufiger unterwegs. Doch meist allein. Jens bevorzugte es zuhause zu bleiben. Auch in diesem Jahr hatte sich bautechnisch nichts am Haus getan. Das Badezimmer war immer noch im Keller, der Sims nach wie vor lose. Und die  Renovierung des Treppenhauses befand sich immer noch in der Planungsphase. Immer häufiger fragte ich mich wie lange wir wohl noch hier drin würden wohnen können. Die Kosten, insbesondere auch für Heizöl, stiegen uns so langsam über den Kopf. Meine Bedenken vor dem Kauf schienen sich zu bestätigen. Noch mehr arbeiten war für mich nicht drin.

Von Andrea hatte ich seit Wochen nichts gehört. Innerlich hatte ich sehr gehofft, dass sie sich ebenso nach mir sehnen würde wie ich nach ihr. Doch sie schwieg, suchte keinen Kontakt. Ein Anruf ihrer Pflegemutter klärte mich auf. Auch dort hatte sie sich nicht eingelebt und eingefügt. Sie hatten große Schwierigkeiten mit ihr und überlegten Andrea ab zu geben. Ihre eigene Familie war dann doch wichtiger als ein fremdes Kind. Sie sagte „So langsam bekomme ich eine Ahnung von dem, was Du mit gemacht hast. Andrea ist auch bei uns aufsässig, ständig gibt es Probleme mit meinen Kindern. Sie wirft mit Gegenständen um sich und hat meinen Sohn mit einem Küchenmesser bedroht. Ich bin am Ende mit meinen Nerven.“ Die Schadenfreude konnte ich nicht ganz unterdrücken  „Du hast doch gesagt, sie sei so pflegeleicht und hilfsbereit. Sie ist ein knappes halbes Jahr bei Dir und schon gibst du auf? Das kann ich gar nicht verstehen.“ Eine Lösung konnte ich ihr auch nicht anbieten, zumal sie mir bestätigte, dass Andrea auf keinen Fall zurück zu uns wollte. „Dann wirst Du Dich wohl ans Jugendamt wenden müssen und dort mal anfragen, welche Möglichkeiten es noch gibt. Ich kann Andrea nicht zwingen zurück zu kommen.“

Sie hatte meinen Rat wohl befolgt, denn zwei Wochen später hatte ich Post und die Einladung zu einem Gespräch auf dem Amt.

Herr Q. empfing uns pünktlich, ließ sich die Schwierigkeiten erklären. „Dann bleibt wohl keine andere Möglichkeit als eine Unterbringungsmöglichkeit für Andrea zu suchen. Doch dies geht natürlich nicht von heute auf morgen.“ Ich sah Andrea an, „Willst Du dies wirklich? Willst Du in ein Heim?“ Obwohl sie Tränen in den Augen hatte, nickte sie „Ja, zu Euch will ich nicht zurück. Ich hasse Jens, er hat mir meine Familie kaputt gemacht.“ Traurig verließ ich das Amt. Wie gerne hätte ich Andrea in den Arm genommen, ihr gezeigt wie lieb ich sie habe. Ihre Haltung und eine Blockade in mir machten dies unmöglich. Ich sah den beiden nach bis sie ins Auto stiegen. Zuhause ging ich ins Schlafzimmer, warf mich auf mein Bett und weinte. Es tat so weh, sie war doch meine einzige Tochter und sie wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Was hatte ich denn falsch gemacht? Was konnte ich dafür, dass ihr Vater sich durch den Alkohol davon gemacht hatte? Mir war klar, dass sie unter seinem Verlust sehr stark gelitten hat, doch wie sehr sollte ich erst einige Zeit später erfahren.

Unser Leben ging normal weiter und Weihnachten stand vor der Türe. Wie immer im Kreis der Familie, nur Andrea würde in diesem Jahr fehlen. Ich konnte Weihnachten nicht genießen und war froh als alles vorüber war.

Bald darauf kam ein Brief vom Jugendamt, sie hatten einen Platz für Andrea gefunden. Eine Mädchenwohngruppe ein paar Kilometer weiter weg. Ihre Pflegemutter und Herr Q. würden sie im Januar dorthin bringen. Auch dort lebte sie sich nicht ein. Es war eine geschlossene Gruppe für Mädchen, die geschützt werden mussten. Besuch von außen war nur nach vorheriger Anmeldung möglich. Die Regeln waren ziemlich streng und Andrea hielt sich selten daran, was zu immer neuen Konfrontationen mit den Betreuern führte.

Mit Jens konnte ich über meine Sorgen nicht reden, bekam von ihm nur die Standartantwort, „Es ist Deine Tochter.“ Dirk zuckte auch nur mit den Schultern, er war anderweitig beschäftigt, denn er hatte seit kurzem eine Freundin, die auch häufig bei uns war.

Es kam wie es kommen musste, ein knappes halbes Jahr nach ihrer Einweisung in die Einrichtung kam das „aus“. Sie musste die Wohngruppe verlassen. Wieder einmal stand die Frage im Raum „wohin?“ Nach etlichen Gesprächen mit Betreuern und Jugendamt kamen wir überein, dass sie erst mal wieder nach Hause kommen sollte. Ich hatte die Hoffnung, dass dieses Jahr Abwesenheit einiges geändert hätte. Anfangs ging auch alles gut, es war ein gegenseitiges Abtasten. Andrea verhielt sich ruhig, verbrachte viel Zeit bei ihren Pflegeeltern. Doch schnell wurde klar, dass es eine Flucht war. Ein ausspielen beider Familien. Wenn ihr bei uns etwas nicht in den Kram passte fuhr sie dorthin, lief dort etwas quer kam sie nach Hause. Alex und Conny begannen ebenfalls zu meutern. Sie hatten unter ihren Launen und Übergriffen am meisten zu leiden. Dirk machte es sich einfach, er schloss sich in seinem Zimmer ein, schon hatte er Ruhe. Dirk machte mir auch Sorgen, denn er zog sich immer mehr zurück, nahm kaum noch am Familienleben teil. Zeigte kein Interesse an seiner Umwelt. Seine Welt war seine Arbeit und sein PC. Am Wochenende seine Freundin Nora. Nora bemühte sich sehr Kontakt und Anschluss an die Familie zu bekommen. Oft unterhielt sie sich auch mit mir und bedankte sich überschwänglich, dass sie hier sein konnte, ich es zudem noch auf mich nahm sie am Bahnhof ab zu holen oder sogar nach Hause zu bringen. Sie stammte aus einer heilen Familie, eine türkische Mutter, zwei Brüder und ihr Vater. Sie hing sehr an ihrer Familie, auch wenn sie meinen Kindern ihre Freiheit neidete. In ihrer Familie waren die Zügel straffer gespannt und ihre Eltern sahen es nicht gerne wenn sie die Wochenenden bei uns verbrachte. Vor allem auch weil Dirk sich weigerte Gegenbesuche zu machen. Einmal hatte ihm gereicht, ihm war es dort zu laut und zu hektisch.

Sorgen und neue Wege

Sorgen und neue Wege



Es begann eine Zeit, in der ich immer häufiger darüber nach dachte wie es weiter gehen sollte. Die Finanzierung des Hauses stand auf der Kippe. Das Geld langte von vorne bis hinten nicht mehr. Durch einen Zufall bekam ich die Chance auf einen Zusatzjob. Ein Zettel im Geschäft fiel mir ins Auge, da suchte jemand Zusteller für Post. Ich rief dort an und bekam die Auskunft, man müsste jeden Morgen eine bis zwei Kisten Post abholen und an eine Firma liefern. Bezahlt wurde nach Art der Post und der Menge. Ich nahm den Job an und drückte diesen Jens aufs Auge. Dies ist keine schwere Aufgabe und wir benötigen das Geld. Zwar murrend doch zuverlässig nahm er die Aufgabe an. Von da an waren wir beide jeden Tag unterwegs. Ich begann um ein Uhr in der Nacht bis sechs am Morgen. Um halb acht fuhr ich dann wieder los bis gegen 14 Uhr. Sobald ich das Ende absehen konnte rief ich Jens an, wie weit er war. Je nachdem traf ich mich dann mit ihm, wir teilten uns die restliche Post, oder jeder ging seinen eigenen Weg. Vor lauter Arbeit hatte ich kaum Zeit zum Essen und nahm in dieser Zeit gewaltig ab. Plötzlich passte mir Kleidergröße 38. Ich gefiel mir jetzt, zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich mir modische Klamotten kaufen. Jeden Monat ging ein Teil des Zusatzverdienstes für Klamotten drauf.

Dann entdeckte ich eine neue Welt, die Welt des Internet. Nein, dies stimmt nicht so ganz, das Internet nutzte ich schon lange. Doch ich begann gezielt nach Kontaktmöglichkeiten zu suchen. Entdeckte einige Communities und meldete mich dort an. Selbstverständlich waren es überwiegend Männer die mich anschrieben. Einer lag auf meiner Wellenlänge, genau wie ich fotografierte er gerne, war ebenfalls verheiratet. Wir chatteten häufig. Da er nicht all zu weit weg wohnte machten wir ein Treffen aus. In einem Einkaufszentrum trafen wir uns in einer Eisdiele. Es gab keine Fremdheit zwischen uns und die Stunden flogen nur so dahin. Von diesem Tag an trafen wir uns häufig, gingen auf Fototour. An eine Begebenheit  kann ich mich noch sehr gut erinnern. Ich möchte sie ihnen nicht vorenthalten, denn noch heute muss ich herzhaft lachen wenn ich an sein Gesicht denke.

Wir führten viele Gespräche und so wusste ich mittlerweile, dass er seine Frau zwar nicht mehr liebte, doch sie auch nicht verlassen konnte. Er hatte Angst sie würde sich etwas antun. Es hatte sich eine Freundschaft zwischen uns angebahnt, doch körperlich reizte er mich nicht. Wie er darüber dachte weiß ich nicht genau. Zumindest ließ er sich nichts anmerken.

Auf einer unserer Touren kamen wir an einem LKW Parkplatz vorbei. Dort stand ein großer Hänger, der anhand der Beschriftung als Fahrzeug einer Matratzenfabrik zu erkennen war. Jorge zeigte dorthin und meinte aus Spaß „Da kann man bestimmt gut drin kuscheln, schön warm und weich.“ Spontan nahm ich seine Hand  „Dann komm und lass es uns ausprobieren.“ Er blieb sofort stehen, sah mich an  “Du weißt doch, meine Frau... das ist nicht Dein Ernst, oder ?“ stotterte er rum. Ich sah in sein Gesicht und bekam einen Lachkrampf. Er sah geschockt, nervös und verunsichert aus. Ich bekam mich nicht mehr ein. Endlich schien er begriffen zu haben, dass es ein Scherz war und begann ebenfalls zu lachen.  Nie mehr auf unseren Touren machte er ähnliche Andeutungen. Er war jetzt wesentlich vorsichtiger. Ich glaube er war sich nie sicher wie weit ich gehen würde.

Er zeigte mir einige Tricks beim fotografieren. Manches konnte ich umsetzen, anderes nicht, da ich leider nicht die entsprechende Ausrüstung hatte.

Wir kannten uns jetzt schon einige Wochen und waren häufig zusammen unterwegs gewesen, bei keinem Treffen fehlte die Kamera und so entstanden zahlreiche wirklich gute Fotos.

 

 Eines Tages bekam ich  den Auftrag mit einem LKW Paletten mit Kerzen nach Ostdeutschland zu liefern. Sie mussten morgens um sieben in einem kleinen Ort bei Halle angeliefert werden. Zu diesem Zweck mietete ich mir ein Fahrzeug . Abends fuhr ich los, nach einigen Kilometern  machte es richtig Spaß mit einem LKW zu fahren. Es war meine erste Erfahrung in dieser Richtung. Gegen fünf fuhr ich auf den Hof meiner Abladestelle. Zwei Stunden Pause und nichts in der Nähe um die Pause zu genießen. Also blieb ich im Wagen sitzen. Endlich um kurz vor sieben bewegte sich etwas. Entgegen der Absprachen musste ich den Wagen selber entladen. Gar nicht so einfach die hohen schwankenden Paletten vom Wagen ins Lager zu bekommen. Endlich war auch dies geschafft. Ich ließ mir die Lieferung quittieren und machte mich auf den Rückweg. Jetzt war das fahren nicht mehr so angenehm, wesentlich mehr Verkehr und ich wurde langsam müde. War ich doch seit über 30 Stunden auf. Endlich, am Nachmittag, näherte ich mich meinem Ziel. Wie vereinbart rief ich meinen Freund an, damit er mich am LKW Platz traf. Nachdem der gesamte Papierkram erledigt war, bat ich ihn mich zu einem günstigen Hotel zu bringen. Ich wollte Jens testen, mal sehen ob er sich wenigstens Sorgen machte wenn ich nicht wie vereinbart nach Hause kommen würde. Mein Freund kam meiner Bitte nach, auch wenn er versuchte mir ins Gewissen zu reden „Bist Du sicher, dass Du dies möchtest? Dein Mann wird sich Sorgen machen. Soll ich Dich nicht lieber nach Hause bringen?“  Müde schüttelte ich den Kopf  „Nein bitte bring mich in ein Hotel. Ich will nicht nach Hause und bin auch viel zu müde um zu diskutieren.“  Im Hotel angekommen, fiel ich fast in mein Bett und schlief sofort ein. Mitten in der Nacht ging mein Handy, Jens war dran  „Wo bist Du denn? Ich warte seit Stunden auf Dich.“  Ich seufzte auf, „Oh, Dir fällt es wirklich auf, dass ich nicht nach Hause gekommen bin? Ich bin in einem Hotel und muss mir überlegen wie es weiter geht. Ich weiß gar nicht ob ich überhaupt nach Hause kommen soll“  Mit trauriger Stimme entgegnete er, „Bitte komm nach Hause, ich verspreche Dir,  ich werde mich ändern . Lass es uns noch einmal versuchen.“ „Morgen Jens, heute auf keinen Fall, ich bin hundemüde und will nur noch schlafen.“ Mit diesen Worten legte ich auf.

Am Vormittag brachte mein Freund mich nach Hause. Ich dankte ihm und ging ins Haus. Jens wartete im Wohnzimmer. Ich versuchte wieder einmal ihm klar zu machen was mir fehlte, was ich vermisste. Erzählte ihm offen das es nicht an mir lag, das in der vergangenen Nacht nix geschehen sei. Hätte mein Freund mich gefragt, oder Annäherungsversuche gemacht, dann wäre ich bereitwillig darauf eingegangen. Doch ich hatte das Gefühl gegen eine Wand zu reden. Jens konnte mir nicht folgen, der Graben zwischen uns war schon zu tief. Er würde nicht mehr zu überbrücken sein.

Die Beichte

Die Beichte



Als ich am Mittag endlich Feierabend hatte, fiel ich todmüde ins Bett. Vergaß aber nicht den Wecker zu stellen, denn gegen 19 Uhr hatten wir uns im Chat verabredet.  Vorher musste ich beim Abendbrot noch Rede und Antwort stehen. Beim erzählen kam dann auch die Idee. „Einige von uns haben sich verabredet, wir wollen uns am Samstag um 14 Uhr treffen und auf eine Karnevalssitzung gehen. Wir haben das Plakat gestern im Foyer gesehen. Jens, ich fände es schön wenn Du mit kommen würdest.“ Nein, ich spielte kein gefährliches Spiel, die Antwort kannte ich bevor er reagieren konnte. Erwartungsgemäß sah  Jens  mich ungläubig an „Ich dachte, Du kennst mich und weißt,  ich habe mit Karneval nichts am Hut . Aber wenn Du gerne hin möchtest, ich habe nichts dagegen.“ Innerlich lachte ich, meine Rechnung war aufgegangen „Schade Jens, aber ich werde auf jeden Fall fahren, bin also gegen 12:30 Uhr aus dem Haus. Wann ich wieder hier bin kann ich Dir nicht genau sagen, denke aber es wird sicher wieder Mitternacht.“  Die restliche Woche verging schleppend, ich hatte das Gefühl,  die Tage waren endlos . Der allabendliche Chat war nur ein mangelhafter Ersatz. Wie sollte ich aus diesem Spiel wieder raus kommen? Hier zuhause musste ich lügen, aber auch zu Achim konnte ich nicht ehrlich sein. Wir hatten von vornherein vereinbart,  es sollte nur ein Spiel sein . Beide waren wir verheiratet und wollten es auch bleiben.

Endlich war der Samstag da, ich fuhr wieder zu unserem Treffpunkt. Ich freute mich sehr Achim wieder zu sehen. Ein wenig Angst war auch dabei, was wenn er spürte, dass bei mir Gefühle im Spiel waren? Obwohl ich zehn Minuten zu früh war, stand sein Wagen schon da. Er stieg aus als er mich kommen sah. Nachdem auch ich ausgestiegen war, nahm er mich wieder in den Arm, hielt mich fest. Das vertraute warme Gefühl floss durch meinen Körper. „Gehen wir rauf oder möchtest Du noch ein wenig spazieren gehen?“  Diesmal gab es kein Überlegen „Lass uns hoch gehen.“  Nachdem Achim eingecheckt hatte stiegen wir die Stufen hoch und betraten das Zimmer, es war genauso eingerichtet wie das vom Montag. Die Stunden verflogen auch diesmal sehr schnell. Gegen 22 Uhr fragte Achim mich „Kannst Du über Nacht bleiben? Ich würde gerne mit Dir hier übernachten.“ Wie sollte ich das erklären, hatte ich doch gesagt ich würde heute wieder nach Hause kommen. „Ich weiß nicht, er rechnet damit, dass ich heute nach Hause komme.“ Achim sah mich traurig an „Schade, ich hatte mich schon darauf gefreut Dich diese Nacht in meinen Armen zu spüren.“ Plötzlich fiel mir ein, ich war doch auf einer Karnevalsveranstaltung. „Ich habe eine Idee, warte, ich muss mein Handy einschalten.“ Dann schrieb ich eine SMS „Ich komme heute nicht nach Hause, wir haben Alkohol getrunken, ich nehme mir mit Ela ein Zimmer. Bin zum Frühstück wieder da.“ Dann schaltete ich mein Handy wieder aus. So jetzt kann ich hier bleiben. Viel geschlafen haben wir in dieser Nacht nicht. Achim hielt mich die ganze Nacht fest.

Wo ich dies jetzt so schreibe fällt mir auf, das ich Achim nie gefragt habe was er seiner Frau für eine Erklärung für sein nächtliches Fernbleiben gegeben hat.

Als ich zuhause ankam, war der Frühstückstisch gedeckt und ich bekam ein schlechtes Gewissen. Sollte Jens doch noch etwas an mir liegen? Während des Frühstücks schwärmte ich von der Veranstaltung. Flocht aber auch direkt ein,  am kommenden Wochenende auch nicht da zu sein, weil Ela Geburtstag hätte und ich eingeladen wäre. Jens sah mich zwar prüfend an, doch er schluckte auch dies ohne etwas zu sagen. Ich verstand seine Reaktion nicht. Jeder andere Mann hätte mich zur Rede gestellt. Früher war ich nie weg gewesen und jetzt ständig?

Das Wochenende mit Achim war genauso schön wie die ersten zwei Treffen. Mir wurde klar,  mit dieser Lüge konnte und wollte ich nicht weiter leben . Doch von Achim trennen, nein, niemals. Mir war zwar klar,  ich würde nur die Geliebte sein , er würde nie zu mir stehen , denn seine Familie war ihm zu wichtig. Trotzdem bat ich Jens am Sonntag während des Frühstückes um ein Gespräch. Als alle fertig waren mit Frühstück, schickte ich die Kinder aus dem Zimmer. Dann begann ich zu erzählen „Jens, ich habe Dich angelogen. Ich habe im Internet einen Mann kennen gelernt und mich an den letzten beiden Wochenenden mit ihm getroffen. Ich habe Dich oft gewarnt, Dir gesagt, dass mir in unserer Beziehung einiges fehlt. Doch Du hast nicht reagiert. Selbst als ich Dir davon erzählte, dass ich im Internet Männer kennen lerne, hast Du dies wortlos hingenommen.“ Er sah mich an  „Ich habe Dir vertraut, dachte Du wüsstest wie weit Du gehen kannst. Nie hätte ich das gedacht,  Du mit einem anderen Kerl. Du hast doch gar keinen Grund dazu, unsere Beziehung funktioniert doch prima.“ Ich konnte über soviel Naivität nur den Kopf schütteln „Jens, nichts ist in Ordnung, wir sind hier eine Wohngemeinschaft, haben gar nichts gemeinsam, schlafen getrennt, verbringen unsere Freizeit getrennt. Hin und wieder schaffen wir es gemeinsam am Tisch zu sitzen. Dies ist mir zu wenig. Ich brauche einen Partner an meiner Seite, jemanden mit dem ich Entscheidungen und Probleme bereden kann. Dies alles habe ich jetzt nicht.“ Ich merkte, wie es in ihm zu brodeln begann „Ach, und Du glaubst das der andere Kerl Dir alles dies geben kann. Für den bist du doch nur ein Spielzeug,  er benutzt dich nach belieben  und wirft Dich dann weg.“ „Jens ich verstehe Deine Enttäuschung und Verletztheit. Doch ich kann und werde den anderen nicht auf geben. Ich denke es wäre besser wenn wir uns trennen. Wir können weiter zusammen hier wohnen oder ich ziehe aus.“ Das erste Mal hatte ich das Wort Trennung ausgesprochen und ich konnte sehen wie dies Jens traf. Er wurde kreidebleich, kämpfte mit den Tränen. „Ich kann jetzt nicht weiter mit Dir reden, ich muss hier raus.“ Fluchtartig verließ er das Haus, stieg ins Auto und war verschwunden. Ich saß noch eine Zeit am Tisch. Was hatte ich getan. Wie konnte ich Jens dies antun, er hatte mir doch nie etwas getan. Was konnte er denn für meine Unzufriedenheit ? Am Anfang war es doch gerade seine Zurückhaltung, seine Ruhe und Geduld die mir gefallen hatten. Ich verstand mich selber nicht mehr. Und doch hatte ich nicht seit Monaten versucht, mit Jens zu reden? In der Hoffnung das er verstand? Wir eine Chance hatten zueinander zu finden? Was konnten wir beide denn dazu, unsere Bedürfnisse waren grund verschieden, und eine Annäherung auf diese große Distanz nicht möglich.

Am Abend erzählte ich Achim im Chat was geschehen war. Er war erschrocken.  „Warum hast Du es ihm gesagt? Wir wollten doch unsere Beziehungen nicht aufs Spiel setzen?“ Jetzt kam ich in Erklärungsnot, die Wahrheit konnte ich doch nicht sagen. „Ich kann nicht mit einer solchen Lüge leben. Mir jedes Wochenende eine neue Lüge einfallen lassen. Jens hat ein Recht auf die Wahrheit.“ Ich spürte das Achim zu kämpfen hatte. Er konnte nicht nach vollziehen was ich getan hatte. Fürchtete vielleicht  unter Druck gesetzt zu werden, es seiner Familie auch zu sagen. „Wie geht es Dir denn jetzt? Wie soll es weiter gehen?“ Ich versuchte ihn zu beruhigen „Ich muss warten bis Jens wieder kommt und bereit ist mit mir zu reden. Zwischen uns wird sich nichts ändern. Selbst wenn meine Beziehung jetzt zu Ende ist. Die Spielregeln zwischen uns bleiben die gleichen.“ „Ich wäre jetzt so gerne bei Dir, möchte Dich trösten und beschützen. Hoffentlich bleibt er ruhig wenn er nach Hause kommt, ich mache mir Sorgen  um Dich.“  Das brauchte er nicht da war ich mir sicher „Mach Dir keine Sorgen, Jens ist nicht der Mensch der ausrastet. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, entweder er zieht sich noch mehr zurück oder er ist bereit mit mir zu reden.“

Als wir gegen 23 Uhr den Chat beendeten war Jens immer noch nicht da. So langsam machte ich mir Sorgen. Trotzdem ging ich ins Bett, in zwei Stunden musste ich aufstehen und zur Arbeit. Als ich von meiner Tour zurück kam, sah ich den Wagen von Jens vor der Türe stehen. Er war also wieder da. Doch im Haus war alles ruhig. Leise ging ich nach oben, erlag in seinem Bett und schien zu schlafen. Leise ging ich wieder nach unten, machte mich für die zweite Tour fertig, jetzt war sowieso keine Zeit für ein Gespräch. Als ich am frühen Nachmittag nach Hause kam war Jens wieder weg. Er ging mir aus dem Weg, wollte sich nicht mit mir auseinander setzen.

So ging es auch am folgenden Tag und ich dachte er hätte eine Entscheidung getroffen. Wie es aussah wollte er die Trennung, aber im gemeinsamen Haus. Es würde sich ja nicht viel ändern. Gingen wir doch schon so lange getrennte Wege.

Der Mittwoch brachte die Wende, Jens saß im Wohnzimmer als ich nach Hause kam. „Ich muss mit Dir reden.“ Ich nickte „Warte bitte einen kleinen Moment, ich hole mir einen Kaffee, dann können wir reden.“ Ich ging in die Küche und machte mir erst mal eine Zigarette an. Was würde jetzt kommen, Jens sah überhaupt nicht gut aus. Nie hätte ich gedacht, dass es ihn so sehr belasten könnte. Mit einer Tasse Kaffee ging ich zurück ins Wohnzimmer und setzte mich ihm gegenüber an den Tisch. „So jetzt können wir reden, was hast du mir zu sagen Jens?“ Er sah traurig und müde aus „Ich habe die letzten Tage nach gedacht, ich möchte Dich nicht verlieren, könnte das allein sein nicht ertragen, bleib bei mir. Du kannst diesen Kerl treffen so oft wie Du willst, doch bitte bleib hier.“ Das glaubte ich jetzt nicht, das konnte nicht sein Ernst sein „ Jens?? Weißt Du, was Du da gesagt hast? Du bietest mir an unsere Ehe aufrecht zu erhalten und mir nebenbei einen Geliebten zu halten? Bitte sage mir was Du für mich empfindest?“ Er schluckte, es fiel ihm sichtlich schwer darauf zu antworten „Ich liebe Dich und will dich nicht verlieren. Doch Du hast mir deutlich gesagt,  Du möchtest den anderen nicht verlieren  Also bin ich bereit Dir dies zu gestatten.“ Es wollte nicht in meinen Kopf rein, was hatte dies mit Liebe zu tun? Wenn er mich lieben würde, würde er  dann nicht um mich kämpfen?

Familie

Familie



Trotz all dieser Widrigkeiten, aller Steine die man uns in den Weg legte, gab es keinen Zweifel an unserer Liebe. Diese ganzen Probleme schweißten uns immer enger zusammen. Und so ist es kein Wunder, dass wir im Frühling 2007 beschlossen zu heiraten. Die Kündigung schwebte noch immer über uns als wir beim Standesamt das Aufgebot bestellten. Wir beschlossen die Hochzeit ganz klein zu feiern. Nur unsere beiden Trauzeugen und wir.

Während das Aufgebot lief kam die Entscheidung des Gerichts, unser Vermieter bekam Recht und wir mussten innerhalb von drei Monaten die Wohnung räumen. Jetzt war guter Rat teuer. Wir hatten in einem ganzen Jahr nichts gefunden, wie sollten wir innerhalb von drei Monaten etwas finden?

Liebe Leser, hier endet der zweite Teil der Geschichte. Alles was bis heute noch geschehen ist, passt einfach nicht hier in dieses Buch hinein. Doch so viel sei verraten. Wir fanden keine passende eigene Wohnung und leben trotzdem glücklich und zufrieden. Haben ein Dach über dem Kopf. Andrea hat sich bis heute nicht wirklich mit unserer Wohnsituation ab finden können. Unser Kontakt hat zwar nicht gelitten, doch besuchen kommt sie uns selten.

Alex, zu dem wir auch wieder einen engen und regelmäßigen Kontakt haben ist in den Jahren von 2007 bis 2009 durch ein ganz tiefes Tal gegangen. Doch dies hat ihn nicht umgebracht. Er hat es aus eigener Kraft und Willen geschafft aus diesem Tal wieder heraus zu kommen. Er lebt heute glücklich mit seiner Frau und seiner Tochter in einer eigenen Wohnung. Aktuell läuft der Versuch aus der Abhängigkeit der Arge zu entkommen.

Der Kontakt zu Conny ist nach wie vor nur sporadisch. Das einzige was ich sicher weiß, dass er es geschafft hat den Rettungssanitäterschein bei den Johannitern zu machen. Auf einigen Plattformen im Internet gibt er an, dass auch er einen Sohn habe, was ich aber leider nicht genau weiß, ebenso wenig ob er aktuell in einer Beziehung ist oder nicht.

Von Dirk haben wir nie wieder etwas gehört, das letzte Mal 2005 als er uns beim Umzug geholfen hat. Trotzdem weiß ich, dass er gar nicht weit von mir entfernt lebt. Immer noch mit seiner damaligen Verlobten zusammen ist und die beiden in diesem Jahr heiraten wollen.

Das Thema Eltern oder Verwandtschaft ist aktuell von mir zu den Akten gelegt worden. Meinen Vater sah ich zum letzten Mal 2006 zu unserem Vatertagsfest. Der Kontakt zu meiner Mutter lag ebenfalls brach, bis sie im vergangenen Sommer den Kontakt wieder aufbauen wollte. Wir haben uns einmal getroffen, das zweite Treffen fiel wegen einer Erkrankung ihrerseits ins Wasser. Den endgültigen Bruch gab es im Frühjahr 2011. Ich habe begonnen mich auf die Suche nach meinen Vorfahren zu begeben. Eine solche Reise ist spannend und mit Hilfe eines guten Freundes bekam ich sogar Bilder aus dem Ort wo meine Großeltern väterlicherseits her stammen.

Dann machte ich den Fehler aus allen gesammelten Daten eine Chronik zu erstellen und diese auf meiner Homepage zu publizieren. Ein angeblicher Bekannter (mein Bauch sagt ein mir sehr enger Verwandter) machte sie darauf aufmerksam. Sie rief mich an und untersagte mir ihr Einverständnis zur Veröffentlichung ihrer Daten. Dies ist ihr gutes Recht. Ich bin dieser Aufforderung umgehend gefolgt und habe die entsprechende Seite gesperrt. Für mich war die Sache damit erledigt, für sie scheinbar noch lange nicht. Denn ich erhielt folgendes Schreiben von ihr:

 

 

 

 

 

 

Ein solches Schreiben innerhalb einer Familie, nein dafür habe ich keinerlei Verständnis mehr. Deshalb habe ich mich entschieden künftig auf jeglichen Kontakt zu verzichten. Ich habe weder die Kraft, noch Interesse daran, dass ständig mit meinen Gefühlen gespielt wird.

 

Nachwort

Natürlich werden Sie liebe Leser sich fragen, warum ich nicht auch noch den kleinen Rest erzähle. Es sind doch nur noch vier Jahre die fehlen. Doch in diesen vier Jahren ist trotz allem noch sehr viel passiert. Nein, keine Dramen, nichts wirklich weltbewegendes und doch Dinge die es verdienen entsprechend gewürdigt zu werden, ausführlich erzählt werden müssen. Es wird also einen dritten Teil geben, der vom Ausstieg erzählt, gegen den Strom schwimmen, von Freundschaft, sich selber finden. Von alltäglichen Begebenheiten und den kleinen und großen Wundern in unserem Leben. Auch der dritte Teil wird spannend werden und Ihnen tiefe Einblicke in unser Leben geben.

Ich danke Ihnen für das Lesen meiner Geschichte und verbleibe mit

Freundlichem Gruß

Ihre

Gabriele Remscheid

  

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Über den Autor

GabiRemscheid
Sommer 1964
Ein kleines Mädchen erblickte das Licht der Welt. Gabriele Christine, so trug man es in den Geburtsschein ein. Wer mich heute sieht, glaubt nicht, dass ich ein schlechter Esser war und meine Mutter alle zwei Stunden versuchte, mich zur Nahrungsaufnahme zu bewegen. Vier Jahre später bekam ich einen körperbehinderten Bruder. Bis zu seiner Einschulung konnte ich nicht viel mit ihm anfangen, doch von dem Tag an waren wir unzertrennlich. Ich beschützte ihn,wenn er in der Schule geärgert wurde und häufig musste er lesen, was ich neues geschrieben hatte. Nur mein Tagebuch war tabu.
1979 stand die erste zukunftsweisende Entscheidung an: Schule oder Ausbildung. Der Wunsch nach Selbstständigkeit ließ nur einen Entschluss zu. Nach zwei Jahren hielt ich stolz den Gesellenbrief als Apothekenhelferin in den Händen.
1983 bis1997 waren die heftigsten Jahre meines Lebens. Die Geburt von vier Kindern,eine Scheidung und Befreiung aus einer gewalttätigen Ehe,ließen mich reifen,machten aus mir einen Menschen, der mit offenen Augen durch die Welt geht.
Mein heutiger Mann machte mir Mut die vielen Aufzeichnungen in ein Buch zu verwandeln. Er ist mein Hafen und Halt sowie schärfster Kritiker.

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