Romane & Erzählungen
Schon zu spät - Denkst du auch an mich ?

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"Schon zu spät - Denkst du auch an mich ? "
Veröffentlicht am 10. April 2011, 10 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Verträumt.
Schon zu spät - Denkst du auch an mich ?

Schon zu spät - Denkst du auch an mich ?

Eins/Punkt/Eins


Ich will dich nicht verlier´n und ich will dich nicht zurück 
Hau ab komm, wieder her, es ist so leicht es fällt so schwer 
Ich hab dich schon verlor´n und ich will nicht mehr zurück 
Der Mensch hat die Augen vorn, damit er nicht nur rückwärts blickt

(Johannes IOerding – „Ich will dich nicht verlier’n“)

 

 „Es ist drei Uhr morgens. Was willst du ?“ Das andere Ende der Leitung schweigt. Möchte meine Stimme hören und vermutlich immer und immer wieder gesagt bekommen, dass er mir fehlt. Er setzt an.  „Ich vermisse dich, Lena. Es ist drei Wochen her das ich schlafen konnte.“ Er erwartet Mitleid, das ich ihm nicht geben kann. Ich lege auf ohne ein weiteres  Wort gesagt zu haben. Drehe mich um und genieße die kalte leere linke Betthälfte, die seit drei Wochen ihren Besitzer verloren hat.“

*

„In dem Raum, den ich meine gibt es fast keine Möbel.“ „Wie bei Hopper?“ Ich überlege. „Ja, wie bei Hopper.“ Nur dass ich ernsthaft bezweifle dass mein Innenleben auch nur ansatzweise etwas von Kunst hätte. Es steht noch offen ob es eine gute Idee war, die professionelle Hilfe von Dr.Wendler – Seelenklempner vom Dienste , anzunehmen. Schaden kann es nicht. Auch wenn ich seit einer geschätzten halben Stunde nur in Metaphern rede und bald nicht mehr weiß, ob ich mich selbst verstehe. „Ist die Tür zu diesem Raum verschlossen? Oder gibt es eine Zugangsmöglichkeit.“ Einen Moment muss ich mich zurückhalten. Ich möchte ihm erzählen, wie schwachsinnig ich diese ganze Fragerei finde. Dass ich mir in Gedanken gerade eine Drehtür in meinen gedanklichen Raum einbaue und wirklich jeden reinlasse. Das müssen die Gedankengänge einer Prostituierten sein.

Als ich eine weitere halbe Stunde genervt und ausgelaugt die Praxis verlasse, weiß ich alles und wieder nichts. Ich bin unnahbar.

Das war das Ergebnis meines ausgeklügelten Versuches  den Doktor zum Schweigen zu bringen -  eine fest verriegelte Doppelschichttür.

*

Sommer sollte es werden. Wetterberichte streiten sich und kommen erst nach einer halben Stunde Google und einer seitenlangen Strichliste auf einen gemeinsamen Nenner. Wechselhaftes Wetter mit Sonnenschein und Regen. Herrvorragend für mich, die gerade jetzt nach ein wenig Beständigkeit sucht. Der Tee ist noch in der Kanne und ich überlege den Sommer zwanghaft einzuleiten und kalten Tee zu trinken. Die Rebellion gegen längst vergangene kalte Wintertage. Mit ihm. Ihm, der tatsächlich wieder alleine schläft. Glaubt man seinem 399ten Anruf in fünf Tagen und dem tollen Sportcabrio, das seit ein paar Tagen nicht mehr da steht. Ab und zu nach dem Rechten zu sehen kann ja nicht schaden.  

 
 

Ich greife nach einem Kugelschreiber und überlege mir eine Einkaufsliste zu schreiben, die vielleicht die Motivation zum Großeinkauf mit sich bringt. Denn  der Kühlschrank ist leer und er ist nicht mehr da. Er , der immer eingekauft hat, weil es ihm gefallen hat.

Es ist drei Uhr, als ich endlich mit drei großen Tüten nach Hause gekommen bin, die Tür zu einer leeren Wohnung geöffnet habe und es vergehen weitere zehn Minuten, bis alles an seinen Platz gekommen ist. Mein Handy klingelt und mir kommt nicht das erste Mal der Gedanke, dass ich die Melodie fast vergessen hatte. „Ich stehe vor deiner Tür.“

Vor lauter Schreck wollen die Tomaten ihrer Schwerkraft alle Ehre machen, doch ich schaffe es mich zu fangen und sie doch noch bis zum Frischhaltefach meines  - seines Kühlschranks zu transportieren. Was will er hier ? Ich werde nicht 65 Stufen nach unten hechzten, nur um meinem Unglück erneut Einlass zu gewähren. Ich bin ausnahmsweise stark und verdrücke mich samt Schokoriegel auf die Couch.

Ich zappe durch das Programm, gucke  mir ein paar Minuten an, wie die Vormittagszuschauer mit der x-fachten Wiederholung einer Castingshow gequält werden, ein paar Programme weiter werden mir „günstige“ Schuhe angeboten werden, die für Hausfrauen geeignet sein sollen, was mich zu der Ãœberlegung führt dass Hausfrauen anscheinend neuerdings vom Staat gefördert werden. Wofür arbeite ich ? Schnell fällt mir ein, dass diese Frauen  einen Mann haben, der das Geld zu ihnen nach Hause bringt, damit sie sich diese Schuhe leisten können. Den ich nicht habe. Den ich vor ein paar Wochen verloren habe. Deswegen arbeite ich auch. Weil ich vor dem Alleinsein flüchte. Weil es einfach nicht mehr um ihn gehen soll. Als die ersten dumpfen Schreie nach oben hallen  stelle ich den Lautstärkeregler nach oben. Und  als zehn Minuten Frau Hürder ,meine geschätzte ältere Nachbarin vor der Tür steht um sich zu beschweren, lade ich sie aus lauter Verzweiflung zum Kaffee ein. Und es wird ein Spätnachmittag zweier alleinstehender Frauen. Wobei ich wirklich zufrieden bin, später, als sie geht und mir klar wird, dass nie Krieg war. Dass es immer friedlich war. Und ich dennoch verletzt bin .

*

 

Ich stehe auf und begreife, dass es soweit ist. Tag X ist gekommen. Der Tag eines Neuanfangs. Wie man so was merkt ? Ich registriere es, weil ich weiß, dass  in zwei Stunden der graue Ford mit einem  kleinen Anhänger in meine Einfahrt fahren wird, sein Besitzer die letzen sieben Sachen die noch hier und da seine Existenz bezeugen , mitnehmen wird und dann für immer aus meinem Leben verschwinden wird. Als ich unter der Dusche stehe prasselt das kühle Wasser auf meine Haut und ich wasche symbolisch drei Jahre und 22 Tage von mir ab , die noch an mir haften und wie Schmutz hartnäckig an mir festhalten.

Auch nach der Dusche fühle ich mich  noch lasch und es kündigt sich einer dieser Tage an, die nur mir und meiner Couch, vielleicht auch noch dem Fernseher, vorbehalten sind. Doch daraus wird vorerst nicht, als es unten Sturm klingelt und ich Frau Hürder schon als „HB-Männchen“ in ihrer Wohnung herumhüpfen, was wohl auch ein vorsorgliches Klönen nicht verhindern kann. „Ich komme ja“- das rufe ich mittlerweile schon drei Wochen der leeren Wohnung zu. Ich nehme die 65 Stufen in rekordverdächtiger Hochgeschwindigkeit und öffne tief euphorisch die Haustür. In der Erwartung einem gelangweilten Postbeamten gute Laune zu verschaffen, die Zeugen Jehovas zu verschrecken oder mich in das Gedächnis des Besuchs einer Nachbarin zu brennen. Mir ist danach.  Stattdessen falle ich beim Öffnen der Tür einem muskulösen Oberkörper entgegen, den ich in seinen Einzelheiten besser als meine linke Westentasche kenne, soweit ich Westen tragen würde; Muttermal unter der linken Brustwarze, Narbe rechts unterhalb des Brustbeins, wenig beharrt- männlich brilliant eben.

 

  

  

 

 

Eins/Punkt/Zwei

Sommer. Das Wort verheißt kalte Getränke, luftige Kleidung und kühles Eis. Mag es alleine auch schön sein ? Werde ich die Zeit sinnvoll nutzen- so allein für mich ? Es sind so viele Tage gewesen, die ihren Preis hatten, aber immer in meinem Gedächnis haften werden. Er und ich auf der Insel  der Touris und trotzdem irgendwie nur zu zweit.Hotelzimmergeruch in der Nase.Wellenrauschen. Erinnerungen werden von Erinnerungen verdrängt. Streit an der Bar, schlechte Laune während des Fluges. Warum male ich mir meine Beziehung- Pardon! Ehemalige Beziehung- so utopisch aus ? Ist das masochistisch ?Es könnte so einfach sein. All die Fehler und Macken. Dieser Geiz. Ich kann nur froh sein, dass es vorbei ist. Fakt ist : Ich bin es nicht.

Sommer. Tatsächlich spinnt der April dieses Jahr oder aber die Klimakatastrophe rückt in Riesenschritten heran: ich liege im Bikini des letzten Jahres,- ja er passt wieder, und nehme gelassen meinen Sonnenbrand in Kauf . Schon vier Mückensticke. Herrlich. Pollenflug und tränende Augen. Mittlerweile kein Ausnahmezustand mehr. Der Nachbar sieht mich, sieht seine nun alleinstehende, braun- bis rotgebrannte Nachbarin im knappen Bikini. Zufrieden schließe ich die Augen.

Osterhäschen.Eierchen. Kinderchen.

Mutter am Telefon und mehr als einmal fühle ich mich wie die 12-jährige von damals, die gebannt den Osterhasengeschichten der Mutter lauscht und ungläubig dreinschaut. Die Verniedlichung jeglicher Waldbewohner hatte mich früh sprechende Bär“chen“ und Häs“chen“ anzweifeln lassen.

Schon zweimal Kirche diese Woche.Klasse Belüftung, tolles Airdesign. Und endlich fühle ich in diesen Momenten richtiges Alleinsein. Schnell raus in die Masse und mitschwimmen. Das tut wahnsinnig gut. Und bloß nicht nachdenken

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momo93
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Brubeckfan he, erzähl doch mal weiter. - Noch erklärt sich ja nicht mal der Titel so recht.

Die tagebuchartige Form paßt sehr gut (und verrät ja trotzdem nicht, wieviel % authentisch sind).

Vielleicht weißt Du's inzwischen: kein Leerzeichen gehört vor ein Satzzeichen, aber eins dahinter -- auch bei Fragezeichen und Doppelpunkt.

Viel Erfolg erstmal,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
violoniste :)
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momo93 Re: -
Zitat: (Original von violoniste am 13.04.2011 - 15:32 Uhr) oho, ich freu mich, dass du weiterschreibst. Bin gespannt!

Lg


werde mich an die Arbeit machen ;)
Vor langer Zeit - Antworten
violoniste oho, ich freu mich, dass du weiterschreibst. Bin gespannt!

Lg
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momo93 Re: -
Zitat: (Original von violoniste am 12.04.2011 - 23:23 Uhr) Eine tolle Vorstellung. Ich bin vom Ende fasziniert und verwirrt zugleich!

Liebe Grüße



Dankeschön! Das könnte daran liegen, dass das Ende noch nicht das Ende ist, was ich mir für diese Geschichte wünsche...noch in Arbeit!

Lg, Maren
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violoniste Eine tolle Vorstellung. Ich bin vom Ende fasziniert und verwirrt zugleich!

Liebe Grüße
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