Sonstiges
Musikgeschmack und Lebensalter - Eine Zeitreise, musikalisch

0
"Musikgeschmack und Lebensalter - Eine Zeitreise, musikalisch"
Veröffentlicht am 26. Dezember 2010, 6 Seiten
Kategorie Sonstiges
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Geboren und aufgewachsen in Süddeutschland. Lange in Berlin und Hamburg gelebt, später in der Lüneburger Heide. Neuerdings wieder in Berlin. Autor von bisher drei Romanen, von Erzählungen und von Kurzprosa. Eine Buchveröffentlichung: Alle Männer sind Brüder, Roman (BoD Norderstedt 2007). Weitere Werke als eBooks unter www.bookrix.de/-arno.abendschoen gratis lesen und herunterladen!
Musikgeschmack und Lebensalter - Eine Zeitreise, musikalisch

Musikgeschmack und Lebensalter - Eine Zeitreise, musikalisch

Beschreibung

Das Leben ein kurzer Traum? Ja, aber bitte mit Hintergrundmusik.

Mit fünfundzwanzig ging mir nichts über Spätromantik. Kaum ein Tag, an dem ich nicht eine von Bruckners späten Sinfonien hörte - und dazu noch eine von Mahlers frühen oder mittleren. In diesen Klangmassen badete ich damals geradezu. Heute scheint mir, dass die Exzesse vor allem eines bezweckten: am Gefühlsüberschwang der Jugend noch eine Zeitlang festzuhalten in einem Alter, in dem ich schon nüchterner wurde.

 

Bruckner, Mahler, Sibelius waren in Berlin unverzichtbar, bevor ich abends ausging. Wer glaubt, mein damaliger Musikgeschmack sei exotisch gewesen, irrt. In den Bars gab es zwei Fraktionen, die musikalisch niemals koalierten. Die Kneipen spielten nur die aktuellen Hits der Rock- und Popmusik, und dennoch bestand die Hälfte des Publikums aus Spätromantikern. Es konnte vorkommen, dass ich Bruckners Achte zu Hause allein hörte und ihr Allegro später in der Nacht in einer fremden Wohnung als Hintergrundmusik erneut vernahm. Meistens kamen wir nicht bis zum Finale …

 

Zehn Jahre später in Hamburg. Ich trank jetzt an solchen Abenden viel starken schwarzen Tee und hörte dazu die modernen Klassiker des frühen 20. Jahrhunderts: Janacek vor allem oder den „Euroimpressionisten“ Respighi. Ich konsumierte ihre Klangraffinessen wie Drogen und ging gegen Mitternacht aufgeputscht zur U-Bahn, erregend fragwürdigen Abenteuern entgegen – oder bloßer Langeweile.

 

Dann das gesetztere Lebensalter ab Mitte vierzig. Ich wohnte jetzt auf dem Land und hatte als Fernpendler und Frühaufsteher die Woche über keine Zeit zum Musikhören. Am Wochenende war meist Besuch aus Hamburg da, dem ich abends Wohnzimmer und Fernseher überließ. Ich selbst ging dann früh ins Bett, hörte CDs und griff ab und zu nach dem Glas neben mir. Rotwein und Debussy sind für alternde Knaben die wahren Gottesgaben, dachte ich … Allerdings schlief ich dann meist schlecht - und es lag nicht am Wein. Das stellte sich heraus, als ich Debussy durch Schubert und Schumann ersetzte. Ich blieb ihnen lange treu …

 

… bis ich nicht mehr zu pendeln brauchte und auch wochentags lange aufbleiben konnte. Mein Musikgeschmack modernisierte sich. Er machte einen Satz von der Früh- und Hochromantik zur Minimal Music. John Adams und Philip Glass, das sind jetzt meine Götter. Endlich bin ich im späten 20. Jahrhundert angekommen. Ach, es ist schon vorüber? Pech für mich. Neuerdings lege ich am frühen Abend Astor Piazzolla auf, bevor ich den PC einschalte und tangobeschwingt einen Artikel verfasse oder bei einem Glas Rotwein feurige Kommentare ins Netz schleudere.

 

Ernste Musik nur noch als Konsumgut? Ich muss an Adenauer denken, der sich auf dem Sterbebett Schumanns Rheinische wünschte. Oder wird es mir wie dem Komponisten Lully in Corbiaus Film „Der König tanzt“ ergehen? Lully, sterbend, als alle Musik für ihn vorbei, staunend, bewundernd: Mein Gott, was für eine Stille …

 

 

http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_45865-0.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_45865-1.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_327137.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_327138.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_327139.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_327140.png
0

Hörbuch

Über den Autor

Abendschoen
Geboren und aufgewachsen in Süddeutschland. Lange in Berlin und Hamburg gelebt, später in der Lüneburger Heide. Neuerdings wieder in Berlin. Autor von bisher drei Romanen, von Erzählungen und von Kurzprosa. Eine Buchveröffentlichung: Alle Männer sind Brüder, Roman (BoD Norderstedt 2007). Weitere Werke als eBooks unter www.bookrix.de/-arno.abendschoen gratis lesen und herunterladen!

Leser-Statistik
46

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Abendschoen Re: Ich muss gestehen, ... -
Zitat: (Original von pekaberlin am 27.12.2010 - 17:13 Uhr) ... nicht alle hier erwähnten kenne ich.
Doch für mich war es immer Beethoven! Vielleicht ein wenig Konkurrenz bekam er, und hat er noch durch "The Beatles". Ein wenig verrückt, oder?
Aber ich kann mir durchaus vorstellen, hätten sie zur gleichen Zeit gelebt, er wär' ihr fünfter Mann.
Liebe Grüße Peter


Ja, Peter, die Verwandtschaft zwischen Beethoven und der Gruppe ist unüberhörbar. Ich habe noch ein wenig "Roll over Beethoven" im Ohr. - Arno Abendschön
Vor langer Zeit - Antworten
Abendschoen Re: Ein Text ... -
Zitat: (Original von Gunda am 27.12.2010 - 17:00 Uhr) ... den ich blind dir zugeordnet hätte, wäre er anonym ins Netz gestellt worden ... Na gut, ein bisschen schwindele ich natürlich, aber jedenfalls ist er inhaltlich wie sprachlich ein echter "Abendschön". Sehr nett auch die kleinen eingestreuten Spitzen, mit denen du jeweils die Absätze beendest.

Ich gestehe, dass ich selbst gar nicht sagen könnte, welchen Musikgeschmack ich zu welchem Zeitpunkt hatte ... Schade eigentlich.

LG
Gunda


Gunda, du bringst mich da auf eine Idee. Ob ich nicht mal wirklich anonym ,,,? Ich hätte da noch so einiges auf Lager, das ich ungern mit meinem guten ehrlichen Namen in Verbindung bringen lassen würde. Und wenn mich einer verdächtigt, kann ich's ja abstreiten. (MyStorys kommmt dafür nicht in Frage, es gibt ein anderes Forum mit spezieller Rubrik dafür.) - Arno Abendschön
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Ich muss gestehen, ... - ... nicht alle hier erwähnten kenne ich.
Doch für mich war es immer Beethoven! Vielleicht ein wenig Konkurrenz bekam er, und hat er noch durch "The Beatles". Ein wenig verrückt, oder?
Aber ich kann mir durchaus vorstellen, hätten sie zur gleichen Zeit gelebt, er wär' ihr fünfter Mann.
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Ein Text ... - ... den ich blind dir zugeordnet hätte, wäre er anonym ins Netz gestellt worden ... Na gut, ein bisschen schwindele ich natürlich, aber jedenfalls ist er inhaltlich wie sprachlich ein echter "Abendschön". Sehr nett auch die kleinen eingestreuten Spitzen, mit denen du jeweils die Absätze beendest.

Ich gestehe, dass ich selbst gar nicht sagen könnte, welchen Musikgeschmack ich zu welchem Zeitpunkt hatte ... Schade eigentlich.

LG
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Abendschoen Re: Ich weiß ja, -
Zitat: (Original von Boris am 26.12.2010 - 19:23 Uhr) welch Feinfühlender du bist

wunderbarer Text

LG JFW


Boris, du beschämst mich. Es ist nur ein kleines Abfallprodukt. - Arno Abendschön
Vor langer Zeit - Antworten
Abendschoen Re: hallo und guten abend FREMDER.. -
Zitat: (Original von luanna am 26.12.2010 - 17:59 Uhr) 1. es ist nicht (nur) dein GOTT..

2. ich liebe die STILLE..

:-)))))))))))

sehr gerne war ich hier und hinterlasse eine SPUR:

in der stille ruht anmut und sanftmut
(zitat ICH)

fröhlichen weihnachtssonntagabend

luanna



Danke, luanna, die Stille ist und war bei mir auch vorherrschend. Ich habe mich hier halt ein bisschen stilisiert. - Arno Abendschön
Vor langer Zeit - Antworten
Boris Ich weiß ja, - welch Feinfühlender du bist

wunderbarer Text

LG JFW
Vor langer Zeit - Antworten
luanna hallo und guten abend FREMDER.. - 1. es ist nicht (nur) dein GOTT..

2. ich liebe die STILLE..

:-)))))))))))

sehr gerne war ich hier und hinterlasse eine SPUR:

in der stille ruht anmut und sanftmut
(zitat ICH)

fröhlichen weihnachtssonntagabend

luanna

Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
8
0
Senden

45865
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung