Kurzgeschichte
Kalle; unbekannt

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"Kalle; unbekannt"
Veröffentlicht am 20. November 2010, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

einer der auf dem Weg ist ...
Kalle; unbekannt

Kalle; unbekannt

Kalle; unbekannt

 

Wir waren uns begegnet.

Vor über 5 Jahren wollte ich etwas für meine Kreislaufstabilisierung tun und schwang mich morgens aufs Rad.

Warum ich bei diesem Bäcker „anlegte“ ist mir heute noch unklar, aber dort „parkte“ zu früher Stunde stets die gleiche Truppe.

Überwiegend Angestellte von Reinigungsfirmen, die nach ihrem Morgenkaffe von dort zum Einsatzort aufbrachen.

Lutz und Phillip, Dirk der Mittelständler mit eigener Firma und ein oder zwei Maler plus Zuläufer.

Ich war so einer, ich stellte mich dazu. Erst äugten die anderen, nach ner Woche gehörte ich dazu. War der Kreis komplett, kam Kalle.

Kalle sagte immer: „Dünne Bretter bohren gut!“

Kalle war vom Bau.

Kalle hatte seine Berufskarriere schon hinter sich.

Aber er war noch unruhig und Rad fahren tat ihm gut. Er hatte was zu sagen. Geschichten aus der Zeit, als in B. noch die Grenze allgegenwärtig war. Kalle hat überall gebaut. Für die „Army“, an der Grenze, mit Passierschein und ohne.

Man kannte Kalle.

Seine Erzählungen hatten Stil. Und sie waren authentisch. Und nicht übertrieben. Er hörte auch zu.

Samstag trafen wir uns beim türkischen Bäcker, der hat immer auf. Meist auch noch undeutsch früh auf.

Vom „türkisch’ Mann“ ging’s zum Fahland Bäcker, da trafen wir den Mann vom Bauamt, der war mit dem Kahlau verwandt.

Jeden Samstag, gleiche Zeit. Ein Ritual war es geworden.

Sommer 05 war Schluss.

Ohne Arbeit kein Geld, ohne Geld kein Kaffeeluxus.

Manchmal sah ich Kalle mit dem Rad vorbeiradeln.

Der Radius von B. ist nicht groß, aber man lebte aneinander vorbei.

Vor einem Monat hatte ich das Bike reaktiviert.

Am Samstag 7:30 Start vom Hof, Ziel: der Türke.

Niemand stand dort.

50 Meter weiter – ein alter Mann. Gebeugte Haltung, hinkender Schritt. Kalle!

„Mensch Kalle! Wo ist denn dein Rad?“ ich war ihm beinahe um den Hals gefallen.

„Geht nich mehr! Bin dreimal unfreiwillig abgestiegen! Wo bist denn du abgeblieben? Hat die dir meine Grüße ausgerichtet?“ So, als ob man sich gestern verloren hat.

„Ich wohn’ auch nicht mehr dort!“ Kalle schaute in die Richtung, wo er damals wohnte „In der Kaserne!“ brummte er und sein Blick deutete geradeaus.

Seine Arbeit, das Schneeschippen, sei er auch los. Mit den Händen zeigte Kalle, wie sie gezittert hatten, es ging einfach nicht mehr.

Hastig hat er sich verabschiedet. Kalle schlurfte dahin und ich – nahm mein Bike und radelte in Richtung Park, zu den Enten – die Wehmut verging nach ein paar Kilometern.      

                                                                       2010-11-19

 

 

 

 

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Boris
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Boris Re: Dein Text ... - mir scheinen solche Kurztexte zu liegen
ich schreibe sie auch relativ gern und ohne zu stocken

LG und Dank

Jürgen
Zitat: (Original von Gunda am 22.11.2010 - 17:04 Uhr) ... berührt sehr, Jürgen, und zwar ganz besonders durch die kurzen Halbsätze. Keine Schnörkel, nur nüchterne Betrachtungsweise - und dadurch sehr eindringlich.
Ich kann nicht sagen: Der Text gefällt mir, denn er KANN inhaltlich nicht gefallen, aber der Stil, in dem er geschrieben ist, der gefällt mir ausgesprochen gut.

Lieben Gruß
Gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Dein Text ... - ... berührt sehr, Jürgen, und zwar ganz besonders durch die kurzen Halbsätze. Keine Schnörkel, nur nüchterne Betrachtungsweise - und dadurch sehr eindringlich.
Ich kann nicht sagen: Der Text gefällt mir, denn er KANN inhaltlich nicht gefallen, aber der Stil, in dem er geschrieben ist, der gefällt mir ausgesprochen gut.

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Boris Re: Es wird nicht nur das Alter sein, - sicher hat der Alk seinen Tribut gefordert
aber
er hat es nicht verdient

LG Jürgen
Zitat: (Original von wega am 20.11.2010 - 13:33 Uhr) was ihm so zusetzt.
Bei vielen ist es das nicht mehr gebraucht werden...
Und das Zittern - Alk? Parkinson?

Traurig-schöne Geschichte...
LG wega

Vor langer Zeit - Antworten
Boris Re: das alter - Danke für deinen Kommentar

LG Boris
Zitat: (Original von Louisa am 20.11.2010 - 12:52 Uhr) in den Text kann ich mich wunderbar einfühlen.
Je älter ein mensch wird um so mehr Lebenserfahrung hat er.
Weche dann wiederum von Nutzen sein kann.
Lieber Gruß gabriela

( LOUISA)

Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Es wird nicht nur das Alter sein, - was ihm so zusetzt.
Bei vielen ist es das nicht mehr gebraucht werden...
Und das Zittern - Alk? Parkinson?

Traurig-schöne Geschichte...
LG wega
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriella das alter - in den Text kann ich mich wunderbar einfühlen.
Je älter ein mensch wird um so mehr Lebenserfahrung hat er.
Weche dann wiederum von Nutzen sein kann.
Lieber Gruß gabriela

( LOUISA)
Vor langer Zeit - Antworten
Gast ...ach das Alter ! - ..kann ich nachfühlen! Mir ging es fast genauso, aber Kopf hoch -
das Leben geht weiter, auch im Alter!
Grüße, comma69
Vor langer Zeit - Antworten
Boris Re: auch wir werden mal alt... - danke Thomas, ich dachte - er hätte es verdient,
dass ich an ihn erinnere

LG ich
Zitat: (Original von Tilly am 20.11.2010 - 11:50 Uhr) und wollen es nicht wahrhaben,
schön vor Augen geführt...

thomas

Vor langer Zeit - Antworten
Tilly auch wir werden mal alt... - und wollen es nicht wahrhaben,
schön vor Augen geführt...

thomas
Vor langer Zeit - Antworten
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