Zustand umstände halber

Der letzte Koffer – er steht nun im Wintergarten.

Er hat ihn nicht mehr selbst gepackt.

Der Koffer hat auch keinen Reiseinhalt. Es sind die letzten wichtigen Dinge. Lebensfetzen – Akten, Ordner, Schmuck – ein Koffer nur.

Er liegt nun dort allein im Heim und braucht keinen Koffer mehr.

                                                  Ein Herr A. ist mit ihm im Zimmer. Der hat eine parkinsonsche Erkrankung, schüttelt ständig die Hände und sucht im Schrank. Herr A. weiß nicht mehr, wie er hierher kam, aber er kann etwas sagen und fragt welcher Tag ist.

Das Zimmer vereint zwei Menschen mit viel Vergangenheit.

In welcher Welt – in welcher Zwischenwelt unser Vati gerade ist? Ob es dahinter noch eine andere gibt?

Die letzte Gabe der Menschen ist ein Pflaster, das die Schmerzen lindert.

Seine Reise ist nicht leicht, die Tage tropfen am Fester vorbei.

Wir kommen ab und an hereingehastet und meinen, dass das reicht.

Unser Kompromiss als Reisebegleiter.

Wäre mehr richtiger?

Wo ist die Tür in seine Zwischenwelt?

Fremde Schwestern, jede Menge – sie sind die Engel dieser Zwischenwelt. Sieht er sie überhaupt?

Wenn sie ihn ansprechen, mit seinem Namen, reagiert er. Ein letztes Licht Bewusstheit.

Wir könnten immer hingehen und dort stehen, am Bett in der Zwischenwelt. Bei seinen letzten 2 Quadratmetern oder sind es 3 oder 4, wenn wir den Schrank mitzählen. So großklein ist die Zwischenwelt.

Sein letzter Koffer – sagt nicht viel, wie er, nur oft scheint er wohl nicht verreist.

Babelsberg, 2003-12-13

PS: Seine letzte Reise dauerte fast 5 Jahre. Nun ist er angekommen.