Kurzgeschichte
Händ sie Cumulus?

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"Händ sie Cumulus?"
Veröffentlicht am 25. November 2006, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Händ sie Cumulus?

Händ sie Cumulus?

Beschreibung

Ein alternder Junggeselle und sein täglicher Spiessroutenlauf beim Einkauf

Händ sie Cumulus?

„Händ sie Cumulus-Charte?“, Phillip stand wie vom Blitz getroffen da! Phillip hasste es einzukaufen. Ein einziger Kampf mit deprimierten Hausdrachen und ihren kreischenden Quälgeistern, die, obwohl gezielt zwischen die Gitter der Einkaufswagen geklemmt, jede zweite Dose mit „Frisch-fertig Röschti Bernerart“ in die Hand nehmen, nur um sie kurz darauf von Mama wieder entrissen zu bekommen und somit einen eins-a Vorwand zu haben laut loszuheulen und unschuldige, alternde Junggesellen wie Phillip zu tode zu ärgern.
Einkaufen ist die Hölle und Phillip gibt sich deshalb auch alle Mühe diesem schmerzvollen Marathon jeweils so lange wie möglich zu entgehen, aber nach mehreren Tagen mit hartem Brot und Spiegeleiern oder wenns gut kommt noch ein paar verwelkten Radieschen ist jeder Kühlschrank leer und der Gang zur Migros unausweichlich.
Eine Cumulus-Karte hat Phillip keine. Nicht weil er etwa ein strikter Gegner von ausspionierender Rabatsystemen wäre oder Werbepost verabscheut, schliesslich besitzt er auch keinen „Anti-Reklame-Kleber“ am Briefkasten, da können die von Greenpeace ihm noch so viele Gratis Kleber zustellen, eine Cumulus-Karte hat er nur deshalb nicht, weil er bis heute nicht weiss, wo man diese Karte bekommt und zu fragen hat er sich bisher nicht getraut, immerhin stehen immer mehrere Mitkunden in der Schlange, die bestimmt alle schon eine Cumulus-Karte besitzen und die Chance, dass da ein blöder Spruch über seine Unfähigkeit eine Cumulus-Karte aufzutreiben fällt, ist viel zu gross und am Ende würde wieder der ganze Laden über ihn lachen.
Nein, den Gefallen tut er den Mitkunden nicht, schliesslich vergisst er ja schon immer den Trennstab am Ende seiner Einkäufe hinzulegen, was einer riesen Blamage gleich kommt, outet er sich damit schliesslich als einen einkaufsunerfahrenen Mann und darauf warten die Mitkunden hinter ihm in der Schlange ja nur so. Da verzichtet er auf die Cumulus-Falle äusserst gerne. Trotzdem, was lässt Phillip bei der Frage nach der Cumulus-Karte diesmal so erstarren?
„Also, händ sie jetzt Cumulus?“ Die Stimme war diesmal gereizter, doch die spezielle Art der Aussprache, die Betonung der Silben, blieb die gleiche. Phillip hob seinen Kopf und blickte der Kassiererin dirket ins Gesicht. Etwas was er sonst nie machen würde, aus Angst sie könnte zurückschauen, eine Erklärung suchend, wieso jemand 3 Gläser Nutella aber nur eine Mini-Packung Toast kauft oder etwa weil sie sich ihre Meinung bereits gemacht hat, nachdem sie 8 Büchsen Tomaten-Ravioli und eine riesen Packung Toilettenpapier gescannt hat oder weil er fast ausschliesslich M-Budget-Artikel einkauft oder was auch immer, auf jeden Fall schaut Phillip der Kassiererin prinzipiel nie ins Gesicht. Doch diesmal schien eine Kraft stärker zu sein als seine Ängste, die Neugier. Phillip schaute ihr direkt in die Augen. Sie schaute zurück, hon die Augenbrauen leicht an und gab ihm durch ein leichtes nachvorneschieben des Kopfes ein Zeichen, dass sie noch immer auf seine Antwort bezüglich der Cumulus-Karte wartete. Eine Antwort auf eine Frage, die mit einem simplen Nein beantwortet gewesen wäre, doch Phillips Stimme versagte.
Er schaute ihr nun auf die Brust, was in einer solchen Situation für viele d. chaus verständlich sein mag, aber trotzdem äusserst unanständig erscheint. Phillip suchte allerdings lediglich ihr Namensschild, um ein Indiz für seine Vermutung zu finden.
Dies wiederum erwiess sich als gar nicht so einfach, da seine Brille, nachdem Phillip viel zu lange, über die Tiefkühltruhe gebeugt, die Preise von Fischstäbchenpackungen verglichen hat, eine leichte Kondensschicht aufwiess, was die Sicht auf das Namensschild sehr erschwerte. „F.Hablützel“... Jetzt war sich Phillip sicher, dass es sich bei der ungeduldigen Kassiererin um Felizia, Felizia Hablützel, seine grosse Jugend- beziwhungsweise Kindheitsliebe handeln musste und er war nun sehr erstaunt wie sie sich doch entwickelt hat, wie überaus unattraktiv sie doch war und er ärgerte sich nun ein bisschen über seinen schlechten Geschmack bezüglich Frauen, den er als Kind gehabt haben muss.
Felizia arbeitet nun also an der Kasse... irgendwie befriedigte dieser Gedanke Phillip ungemein, eine gewisse innere Wut schien er auf sie also noch immer zu haben, nur warum genau wollte ihm in diesem Moment nicht einfallen.
Er schaute nun wieder in ihre Augen. Sie schien ihn zwar nicht wiederzuerkennen, dafür aber die Geduld zu verlieren: „Drüenünzgfrankezwänzg!“, sagte sie nun, ohne etwa ein Bitte hintendranzuhängen, aber immerhin schien die Cumulus-Frage vergessen.
Phillip gab ihr das Geld auf den Rappen genau, was er immer macht, da er das Rückgeld nicht vor all seinen Mitkunden kontrollieren möchte, den Kassiererinnen allerdings auch nicht genügend vertrauen kann, nachdem er vor ein paar Jahren mal um über zwei Franken betrogen wurde. Er nahm die Quittung entgegen und begann die Waren in Tragtaschen einzupacken. Dabei beobachtete er immer wieder möglichst unauffällig Felizia, die von der Seite, Joghurt, Broccoli und Blätterteig vor sich hinschiebend, gar nicht allzu der damaligen Felizia zu gleichen schien, dass es sich aber um Felizia handelte, das war sich Phillip sicher. Als der ganze Einkauf endlich verpackt war, zwar äusserst unhandlich, dafür aber nach Grösse geordnet, verliess Phillip die Migros geistesabwesend.
Dass es sich bei dem Mann, den er dabei ungewollt leicht angerempelt hatte, um den Ehegatten von der Kassiererin handelte und dass F.Hablützel nicht für Felizia sondern für Frieda Hablützel stand, erfuhr Phillip allerdings nie und vielleicht ist das ja auch gut so. Auf jeden Fall wird sich Phillip, kurz vor dem Einschlafen den Vorsatz nehmen, den Kassiererinnen öfters mal ins Gesicht zu schauen und vielleicht kommt er ja so auch eines Tages zu seiner eigenen Cumulus-Karte. Wer weiss...
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Sroe

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Herbsttag Das ist sehr witzig geschrieben. Schönen Dank dafür und ein fröhliches, gesundes Neues Jahr. Herbsttag
Vor langer Zeit - Antworten
Nikci Haha sehr gut geschrieben und witzig gehalten :D
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Sehr hübsch!
Manchmal scheints mir, es gibt einen speziellen Schweizer Humor, so teils verschmitzt, teils hinterhältig wie Meister Steinberger, Dein herrlicher Leiterholm und Deine Geschichte hier.
Bloß 2006 ist ja schon bißchen her, was ist los...
Viele Grüße,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
MarianneK Haben ... - Habe es mit einem schmunzeln gelesen.

Lieben Gruß Marianne
Vor langer Zeit - Antworten
Forticus Gut gefallen hat mir, - wie die Handlung und die schweifenden Gedanken verwoben sind. Danke!
Vor langer Zeit - Antworten
Rehmann Händ sie Cumulus - Sicherlich nicht jedermanns Sache, aber mir hat diese Geschichte sehr gefallen.
Vor langer Zeit - Antworten
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