Journalismus & Glosse
Ein furchterregendes Gefühl - EIN INTERVIEW

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"Ein furchterregendes Gefühl - EIN INTERVIEW"
Veröffentlicht am 23. März 2009, 10 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
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Ein furchterregendes Gefühl - EIN INTERVIEW

Ein furchterregendes Gefühl - EIN INTERVIEW

Beschreibung

Dieses Interview führte ich vor ein paar Jahren mit einem hier völlig allein lebenden Iraner, der sich in Deutschland als Asylant aufhielt....

Ein furchterregendes Gefühl

 

Für das Interview mit ihm war ich in seine kleine Wohnung an einem ruhigen Ort der Stadt gegangen. Er hatte mich freundlich empfangen.

Als wir uns gegenüber saßen, fiel mein Blick für einen kurzen Moment auf sein Antlitz , es erschien mir betrübt und gealtert.

Ich erkundigte mich nach seinem Befinden. Er lächelte mir bitter zu, und während er er mit der qualmenden Zigarette , zwischen seinen zitternden Fingern spielte, sagte er mit einer traurigen und ruhigen Stimme: „Frag!“

Ohne Einführung fragte ich:

FRAGE: Wie alt bist du?

ANTWORT: Neunundzwanzig Jahre

  • Was für einen Beruf hattest du im im Iran?

  • Schlosser

  • Wie lange bist du schon in Deutschland?

  • Viereinhalb Jahre

  • Lebst du hier alleine, oder mit deiner Familie?

  • Ganz alleine; ich bin hier völlig allein!

  • Was machst du hier in Deutschland ?

  • Zur Zeit mache ich eine Lehre als Schlosser.

  • Nein...Ich meine, bist du hier Asylant aus politischem Grund?

  • Ja

  • Machst du nur eine Ausbildung, oder arbeitest du auch nebenbei?

  • Sowohl das Eine, als auch das Andere. Ich bin in der Ausbildung und arbeite nebenbei.

  • Warum bist du Asylant geworden?

  • Weil es keinen anderen Weg gab. Ich konnte nur Asylant werden, weil ich illegal nach Deutschland gekommen bin...

  • Wo lebst du zur Zeit?

  • Zur Zeit lebe ich in einer Apartment in Dortmund

  • Welche Schwierigkeiten und Probleme hast du hier in Deutschland?

  • Ich habe Schwierigkeiten mit der Einsamkeit, dazu wenige Möglichkeiten mir eine Zukunft aufzubauen, und das nicht nur in finanzieller Hinsicht.

  • Was machst du selbst, um diese Schwierigkeiten und Probleme zu lösen?

  • Um das finanzielle Problem zu lösen, gut, versuche ich zu arbeiten. Mit der Arbeit löse ich das finanzielle Problem, aber für das Problem der Einsamkeit habe ich keinen Weg gefunden.

  • Was denkst du, wie die Menschen hier mit dir umgehen?

  • In einigen Fällen verhielten sie sich mir gegenüber gut und ich habe keine Probleme gesehen. Aber in den meisten Fällen gehen sie schlecht mit mir um, aber weil ich mich hier fremd fühle , darf ich es mir nicht erlauben mit ihnen schlecht umzugehen . Und - Diese Sache stört und belästigt mich, weil ich alles schlucken muss.

  • Wie verbringst du deine Zeit?

  • Meine Zeit! - Meinst du meine Freizeit, oder....?

  • Nein! Im allgemeinen, zum Beispiel wenn du morgens aufstehst und bis du nachts schlafen gehst. Was machst du?

  • Morgens, nach dem Aufstehen, gehe ich in die Berufsschule, bis nachmittags und nachdem ich nach hause gekommen bin, erledige ich meine Hausaufgaben. - Allerdings nicht all zu gründlich, aber trotzdem ist das besser, als Nichts...! Danach spiele ich ein bisschen Billard, das heißt ich gehe zur Spielhalle. Aber die meiste Zeit verbringe ich damit Haschisch zu rauchen, ich befinde mich dann in einem Rauschzustand.

  • Warum glaubst du, einen Grund zu haben, dich auf diese Weise in einen Rauschzustand versetzen zu müssen, oder ist es nur, um dich passiv zu verhalten?

  • Passivität....? Das glaube ich nicht! Das Rauchen von Haschisch bedeutet für mich zu vergessen; und andererseits bedeutet dies für mich Zeitvertreib – mein einziger Zeitvertreib.

  • Was willst du vergessen?

  • Meine Schwierigkeiten. Schwierigkeiten, die ich hier habe; Schwierigkeiten, die meine Familie im Iran hat, meine augenblickliche Situation hier ....Dieses möchte ich alles vollkommen vergessen können.

  • Als ich dich vorhin gefragt habe, welche Schwierigkeiten und Probleme du hast, hast du es nicht richtig erklärt und jetzt sagst du mir, die Probleme und Schwierigkeiten hier und anderswo zu vergessen. Zum Beispiel die Schwierigkeiten deiner Familie im Iran – darf ich dich fragen, welche Probleme du hier in Deutschland hast?

  • Meine Schwierigkeiten sind natürlich die gleichen aller Ausländer , die hier leben, aber trotzdem anders! Meine Schwierigkeit, meine große Schwierigkeit, ist die meiner Einsamkeit hier, die mich sehr bedrückt. Das einzige was mich hier bedrückt ist meine Einsamkeit.

  • Na gut, warum bist du alleine?

  • Bei Gott, die Antwort, warum ich alleine bin, kann ich dir nicht geben, weil ich sie selbst nicht weiß! Einerseits schon: Weil ich ein eher zurückgezogenes Leben führe und etwas schüchtern bin. Darum kann ich mich nicht aus dieser Einsamkeit befreien! Deshalb kann ich wirklich nicht mit Menschen....- Besonders mit Frauen!... - Du weißt selbst, dass ich 29 Jahre alt bin und alleine lebe. Na gut, jeder Mann braucht natürlich...äh....und dieses Problem bedrückt mich sehr. Meine seelische Verfassung rührt von dieser Einsamkeit her.

  • Was fühlst du jetzt, alles zusammen gefasst, was empfindest du in Deutschland, oder das was wir Exil nennen?

  • Ein furchterregendes Gefühl. Ein Gefühl, das ich bisher noch nicht gekannt habe, ein Gefühl der Fremdheit, ein Gefühl der Abgeschiedenheit von der Welt. Ein Gefühl der Verabscheuung, vor allem vor mir selbst und manchmal hasse ich mich sogar selbst. Ich beschimpfe mich selbst, wirklich in den meisten Fällen hasse ich mich selbst; ich mag mich nicht mehr.

  • Warum?

  • Weil ich den Grund meiner Schwierigkeiten und Probleme in mir selbst sehe; ich bin der Grund meiner Schwierigkeiten, meiner Probleme und meiner Einsamkeit.

  • Wenn du so denkst, was hast du gemacht, oder machst du, um diese Schwierigkeiten zu überwinden?

  • Ich konnte hiergegen nichts besonderes unternehmen, weil ich keine Möglichkeiten dazu hatte.

  • Welche Möglichkeiten?

  • Bei Gott, wenn du wirklich von mir wissen willst, ich weiß es selbst nicht. Glaubst du mir, dass ich es selbst nicht weiß? Ich kenne mich in dieser Angelegenheit überhaupt nicht aus!

  • Was willst du jetzt?

  • Jetzt kommt mir nichts in den Sinn. Ich möchte nur Ruhe haben, die einzige Sache, die ich wirklich will ist Ruhe. Das heißt, meine Gedanken, mein Hirn sollten leer sein von diesen Schwierigkeiten. Nicht an diese Themen und Probleme denken müssen.

  • Hast du noch etwas zu sagen?

  • Zu welchem Thema?

  • Zusammengefasst. Da ich jetzt keine Fragen mehr an dich habe. Nur, dass solltest du noch mehr zu besprechen haben, kannst du es sagen!

  • Ich habe nichts mehr zu bereden . Das, was ich gesagt habe, sagen alle Ausländer. Meine Schwierigkeiten sind allgemeine Schwierigkeiten, weil sie so wie ich, viele haben.

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Michael33 Die Seuche Einsamkeit... - Sehr gut interviewt und geschildert, der Mann tut mir irgendwie leid, nicht nur wegen seiner Situation als Ausländer in Deutschland, sondern weil er einen so selbstverständlichen Wunsch nach Liebe, Annerkennung und Geborgenheit ausdrückt, und aus eigener, bitterer Erfahrung weiß ich, wie grausam Einsamkeit sein kann und einen liebesbedürftigen Mensch seelisch auffressen kann! Traurig, wenn eine Person nur einfach geliebt werden möchte, egal aus welchem Land sie kommt, und andere schätzen wahres Glück nicht, sind nur oberflächlich und marteriell eingestellt. Und denen fliegen meistens Glück und Reichtum zu, wo ist da die Gerechtigkeit??? Liebe Grüße, Michael
Vor langer Zeit - Antworten
Zentaur ein wirklich interessantes Thema
der junge Mann hat wohl die Hoffnung aufgegeben je wieder in sein Heimatland zurück zukehren, um dort ein halbwegs "normales" Leben führen zu können. Er fühlt sich entwurzelt.

lg Helga
Vor langer Zeit - Antworten
liebetraumfee Oh ja dieses Gefühl kenne ich nur zu gut. Jahrelang war ich bei der Caritas beschäftigt. Da jedoch mehr mit Aussiedlern. Eine Frau wirkte immer so krank und hatte tiefe Augenringe.
An einem Tag, da haben wir mal unseren Lebensteller gestaltet. Mit kleinen Sachen, wie Steinen, Perlen, Wolle Diese stachligen Hüllen der Esskastanien.
Diese fanden sich vornehmlich auf deren Teller.
Und so kam es raus.
Sie bereute es zutiefst hierher gekommen zu sein in eine ungewisse Zukunft. Zuhause hatte sie ein Haus und Arbeit. Hier fühlte sie sich einsam, hatte keine Arbeit und keine Freunde. Nur weil sie ihrem Mann und den Kindern gefolgt war.
Mittwochs trafen sich immer einige Frauen in unseren Räumen, da gab ihr ein wenig Halt.
Vor langer Zeit - Antworten
kullerchen Einsamkeit - etwas, was nicht nur denjenigen quält, der für immer und aus der Not heraus sein Land verließ.

Der Mensch ist ein "Rudeltier", braucht die Gemeinsamkeit, die Gesellschaft, durch sie die Bestätigung und ich kenne viele Menschen, die aus den verschiedensten Gründen selbst unter Menschenmassen einsam sind.

Ihnen gehört mein Mitgefühl, doch Mitleid habe ich nicht. Wenn man Hunger hat, ißt man, ist man durstig, trinkt man, die elementarsten Besürfnisse werden gestillt, ohne darüber nachzudenken.

Was also tue ich, wenn ich einsam bin? Ich suche mir Gesellschaft. Dem einen fällt es leichter, der andre sucht echt lange, doch wer es mit einem gewissen Ernst tut findet die Gesellschaft, vielleicht sogar Freunde, oder Partner. Man muss etwas dafür tun.

Sich das Hirn leer zu kiffen gehört nicht dazu. 29 Jahre und ein alter Mann, ohne Lebensweisheit. Wenn ihm die Gesellschaft hier nicht zusagt, dann mach die Lehre noch einmal, studiere und geh in dein Land zurück um da mit deinem hier erworbenen Wissen etwas Gutes zu tun.

Einsamkeit ist fürchterlich. Alte Menschen und Kranke, auch manch einer mit Handicap, die sind einsam und haben selten die Möglichkeit aktiv etwas dagegen zu tun. Da muss die Gesellschaft zu ihm kommen, das ist die Pflicht jeder Gesellschaft und wie oft versagt sie.

Warum geht der Einsame nicht zu anderen Einsamen um zunächst Gutes zu tun? Alles andere ergibt sich. Ist wirklich die Einsamkeit das Problem des jungen Iraners?

Ein eigenwilliges Interwiev, das anregt nachzudenken und sicherlich gegesätzliche Meinungen hervorruft.

Danke dafür und LG Kullerchen!
Vor langer Zeit - Antworten
GerLINDE Hallo loewe! - Das Interview finde ich gut gestaltet.

Mir tut der Iraner leid, weil er wohl jemanden braucht, der ihn "an die Hand nimmt", um seine Einsamkeit zu beenden.
Haschisch ist auf keinen Fall eine Lösung, die Einsamkeit zu umgehen.

Ich stelle mir vor, dass es bestimmt nicht immer leicht ist, in einem fremden Lande leben zu wollen oder müssen. Aber letztendlich liegt es an einem selbst, wie man sein Leben auf dieser Welt, wo immer man ist, in die Hand nimmt, um daraus das Beste zu machen.

Ich wünsche dem Iraner in Deutschland viel Glück und Erfolg!

Liebe Grüße
Gerlinde
Vor langer Zeit - Antworten
shirley Interessant...sicher hat diese Person es nicht leicht, wie jeder andere auch, der in einem fremden Land zurechtkommen muß.
Ich sehe das Problem auch mehr in seiner eigenen Person. Ich meine, er hat Arbeit, macht'ne Ausbildung, das sind doch die besten Bausteine für NIchtEinsamSein.


Vor langer Zeit - Antworten
Carina Bewegendes Thema - ...ich kann den Mann schon gut verstehen, ich möchte nicht Kaltherzig erscheinen. Aber sollte man in so einer Situation nicht viel lieber Agieren statt zu hause mit dem genuss von Rauschmittel zu Resignieren?
Es gibt doch so viele möglichkeiten sich in die Gesellschaft einzubringen. Ich lebte auch eine zeit lang im Ausland. Zu beginn mit wenig Sprachkenntnisen fühlte ich mich auch Einsam und allein. Da hilft nur raus gehen, auf Menschen zugehen, mit dem lernen der Sprache kommen meißt auch Kontakte zu anderen Menschen. Und auch aus der Fremde kann man seine Lieben im Heimatland in irgendeiner weise unterstüzten oder zumindest den Kontakt halten.
Es gibt immer wege man muss nur mal anfangen.
Gruß Carina
Vor langer Zeit - Antworten
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