5.30 Uhr
Ich war auf meiner allmorgendlichen Mission: einen erträglichen Sitzplatz finden. Ich stieg vorne ein. Wie jedes Mal mit dem festen Willen, bequem und gut zu sitzen. Die Bahn hatte wie immer ihre eigenen Pläne.
Bereits im ersten Waggon begann die Herausforderung. Kaum hatte ich mich hingesetzt, hörte ich ein markerschütterndes Husten, direkt hinter mir. Es war kein normaler Husten, es war das Husten eines Menschen, der noch nie von der Existenz eines Ellbogens gehört hatte.Ich bin die intoleranteste Frau
überhaupt und sprang hoch.
"Okay, das ist nicht mein Wagen", murmelte ich und zog weiter.
Im nächsten Abteil roch es - sagen wir mal, speziell.Ein wilder Mix aus altem Döner, billigem Parfüm und einem Hauch ungewaschener Socken. Vor mir saß ein Mann, dessen Tasche offenbar den Geruch von drei Wochen alten Turnzeug konservierte. Ich hielt die Luft an, wie ein Taucher, der in gefährliche Tiefen abtaucht. Ich ging weiter.
Wagen drei. Hoffnung keimte auf. Ein leerer Viererplatz. Doch kaum hatte ich
mich hingesetzt, begann es. Eine junge Frau hörte Handy ohne Kopfhörer. Irgendeine Reality-Show. Ich sah sie direkt an. Sie lächelte mich an, als wollte sie sagen: "Ist doch Unterhaltung".
Wagen vier: Hier saßen kaum Leute. Endlich, dachte ich. Doch genau in diesem Moment schoß ein unangenehmer Geruch in meine Nase. Es war ein Parfum- oder eigentlich eher ein chemisches Attentat. Da hatte jemand versucht, Vanille mit Kloreiniger zu kombinieren. Ich hielt es nur 15 Sekunden lang aus.
"Vielleicht sollte ich stehen bleiben", überlegte ich.
Im letzten Wagen angekommen, fand ich endlich den perfekten Platz. Ich war froh - und Morgen? Da steige ich direkt in den letzen Wagen ein. Vielleicht.