Schreibparty 101
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Thema: Frühling
Vorgabeworte:
schneiden, wuchern, Tapetenkleister, Astgabel, Storch, ängstlich, Regen, Reise, Nachdenken
(Worte dürfen gebeugt werden)
Text: Martina Wiemers
Buchcover: kostenlos gefunden bei google
Ostern ist vorbei. Es ist Mitte April. Die Sonne strahlt seit Tagen. Der Frühling hat endgültig die Macht vom Winter übernommen. Ulrike sitzt entspannt auf der Terrasse ihrer Doppelhaushälfte. Sie genießt das schöne Wetter, hört die Vögel zwitschern und lässt ihren Blick über den großen Bauerngarten schweifen, den sie gemeinsam mit ihrer Nachbarin und Freundin Brigitte angelegt hat und pflegt. Nur ein knöchelhoher Zaun markiert die Grundstücksgrenze.
Früher feierten Brigitte, Ulrike und ihre Männer wilde Partys. Die Kinder badeten im gemeinsamen Pool. Abends zischten Erwin und Alfred ihr Bierchen und Brigitte und Ulrike schlürften Erdbeerbowle. Die Kinder sind längst aus dem Haus und man genießt nun
ausgiebig den wohlverdienten Ruhestand.
Beide Doppelhaushälften sind abbezahlt und die Sparkonten gut gepolstert.
Im Juni wollen Brigitte, Erwin, Alfred und Ulrike gemeinsam mit der „Queen Elisabeth“ um die halbe Welt reisen.
Brigitte und Ulrike waren sich schon in der Bauphase einig, dass in ihren zusammengelegten Gärten Wildkräuter, Blumen und Gemüse nebeneinander wachsen und wuchern dürfen. Nur Verblühtes und Krankes wurde abgeschnitten. Kitschige Gartenzwerge, bunte Lichterketten, mit Blumen bepflanzte ausrangierte Senfkübel, Tapetenkleistereimer und Behältnisse vom Schrottplatz entsprachen noch nie ihren
Vorstellungen von schöner Gartenkultur.
Brigittes selbstgetöpferte Kübel, Skulpturen und abstrakte Gebilde harmonieren inhaltlich und farblich mit Ulrikes Metallarbeiten und mundgeblasenen Kugeln. In den Astgabeln hängen handgenähte Störche, bunte Vögel und grimmige Fabelwesen die dem Regen, Wind und Schnee trotzen.
Ulrike steht auf, um in der Küche den Kaffee anzusetzen, den Kirschkuchen anzuschneiden und ihren Mann Alfred zu wecken, der sich gern mal ein Stündchen Ruhe gönnt. Das Auto von Brigitte und Erwin steht schon seit 2 Stunden in der Garage.
„Sind zurück aus der Stadt, ruhen sich sicher ein bisschen aus und haben hoffentlich nach
ihrem Arztbesuch, Shopping, Abstecher beim Juwelier und vom Schnäppchensuchen im Antiquariat, Appetit auf selbstgebackenen Kuchen und köstlichen Darjeeling Tee“, denkt Ulrike.
Von nebenan hört sie aus den geöffneten Schlafzimmerfenstern leise stöhnende Geräusche.„Ach Brigittchen, gönne dir von Herzen die traute Zweisamkeit“, schmunzelt Ulrike und deckt den Tisch.
Nach einer Weile erscheinen ihre Nachbarn auf der Terrasse“ Kommt gleich rüber, der Kaffee ist schon fertig und der Kuchen angeschnitten“, ruft sie fröhlich.
Brigitte geht langsam auf Ulrike zu, umarmt
sie und sagt leise: „Es ist mein letzter Frühling. Der Arzt hat Bauchspeicheldrüsenkrebs festgestellt und gibt mir nur noch 12 Wochen. Es bleibt keine Zeit mehr zum Vertrödeln, muss nachdenken und meine Gedanken und Gefühle ordnen. Es gibt so viel Familiäres noch zu erledigen.“
Starr vor Schreck, schaut Ulrike in die ängstlichen Augen von Erwin. Will trösten, doch weiß nicht was sie sagen soll.