Heute war der große Tag! Billa wurde geliefert.
Wie hatten wir uns darauf gefreut, diese ultimative Regalwand, gekauft in einem großen, skandinavischen Möbelhaus endlich in seiner ganzen Pracht im Arbeitszimmer stehen zu haben.
Natürlich musste alles noch zusammengebaut werden.
Wie hatte der Grieche Hesiod bereits 700 vor Christus festgestellt: Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt.
Kurz kam mir der Gedanke, dass auch er ein Regal in einem schwedischen Möbelhaus ---
Entschieden rief ich mich zur Ordnung.
Weil Angie, meine bessere Hälfte, bereits
kritisch guckte und sich dabei laut räusperte, begann ich feierlich, den Karton zu öffnen, in dem sich das Wunderwerk befand.
Es waren eine Menge Teile, aber das sollte mich nicht in meinem Schaffensdrang bremsen.
Nachdem ich alles ausgebreitet hatte, nahm ich die Bauanleitung zur Hand, die vom Umfang locker an Meyers Konversations Lexikon (die Älteren werden sich erinnern) heranreichte. Dabei stellte ich fest, dass sie in 152 verschiedenen Sprachen verfasst war.
„Wenn man bedenkt, dass es gut 7000 Sprachen auf der Welt gibt ---“
Angie wies auf die kurze Bauanleitung in
deutscher Sprache. „Bisschen mickerig“, stellte sie fest.
„Ach was, mein Schnuckelhase. Das ist eine meiner leichtesten Übungen. Habe schon genügend Häuser gebaut, da komme ich doch wohl mit einem popeligen Regal klar“, erklärte ich energisch.
Ein kritischer Blick traf mich. „Mir kommt es vor, als wäre diese Bauanleitung in einer Mischung aus Altgriechisch und Vulkanisch verfasst.“
Entschlossen nahm ich das Teil an mich. „Geh du nur in den Garten. Ich mache das schon.“
Dann widmete ich mich wieder voll und ganz dem Regal, beziehungsweise der
Anleitung.
‚Schritt 1: Befestigen Sie zunächst das Flügelgelenk mit dem Blitzbolzen. Dabei darauf achten, dass der Pfropfen nach links außen zeigt.‘
Das klang einfach. Also versuchte ich, das Flügelgelenk unter Berücksichtigung der links außen Drehung des Pfropfens mit dem Blitzbolzen zu verbinden. Dabei stellte ich fest, dass alles nicht wirklich zusammenpasste.
Ob der Verfasser oder die Verfasserin der Anleitung je ein Regal zusammengebaut hatte? Wahrscheinlich nicht! Sicher saß die Person am Schreibtisch und lachte sich schlapp, während sie sich Worte wie Blitzbolzen und Flügelgelenk ausdachte,
von linksdrehenden Pfropfen ganz zu schweigen.
Auch die mitgelieferten Werkzeuge überraschten mich. Der Schraubendreher war ein mickeriger Witz und der Inbusschlüssel passte perfekt zu einem Loch, das in keinem der Regalteile vorhanden war.
So holte ich mein eigenes Werkzeug aus dem Keller und machte mich mit Elan ans Werk.
Ein Räuspern ---
Angie stand mit verschränkten Armen vor mir. „Bist du fertig? Dann kann ich ja einräumen.“
„Nein, mein Schn …“
Ein vernichtender Blick traf mich.
„Dauert es noch lange? Du brauchst mehr Zeit, als die Lebensdauer so mancher Haustiere ist.“
„Wer braucht schon den Lebenszyklus eines Hamsters als Zeitrahmen, wenn es darum geht, ein Meisterwerk zu schaffen“, antwortete ich mit Würde.
„Guter Vergleich“, damit verschwand sie wieder. Damn, was konnte das Weib maliziös gucken!
Ich werkelte leise fluchend weiter, wobei ich einen unerklärlichen Überschuss an Schrauben feststellte. Dafür fehlten Muttern, was die Sache wieder ausglich.
Schließlich war es geschafft. Ich stand vor dem vollendeten Kunstwerk. Billa –
fast so wie es im Hochglanzprospekt des Möbelhauses abgebildet.
Mein Ruf rief Angie auf den Plan. Eine kurze Weile starrte sie mit offenem Mund. „Es ist---hmm---, stotterte sie.
„Was?“
„Es ist ein bisschen schief, oder? Aber sonst ist es total perfekt.“ Sie strahlte mich an. „Es hat was Künstlerisches.“
Ich nickte. „Es mag nicht perfekt sein, aber es ist ein Unikat, mit meinen eigenen Händen gebaut.“
Stolz überkommt mich. Ich hatte die Schlacht gegen die übermächtige Bauanleitung, die schief gebohrten Löcher, fehlende Muttern, überflüssige Schrauben, alle Pfropfen, Blitzbolzen
und den ganzen Kram gewonnen. Ich war ein Held in der Welt der selbstgebauten Regale aus skandinavischen Möbelhäusern.
„Ich räum‘ dann mal ein. Hoffentlich hält das Ding“, sagt Angie.
Oh ja, das hoffte ich auch!!!