Biografien & Erinnerungen
Mein Tagebuch - Vom Hin und Her und traurigen Kinderherzen

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"Warum ein Umzug der Arbeit wegen nicht immer Vorteile bringt"
Veröffentlicht am 17. Oktober 2022, 22 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

...ich bin Ines, geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR, nach der Grenzöffnung und seit dem Auszug meiner 3 Kinder viel unterwegs, woraus sich auch mein spitz- und username vagabundinchen (vagabund + inchen) ergibt. Ich bin ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann (wenn ich das von mir selbst behaupten darf), meine Hobbys sind lesen, schreiben, Fahrrad fahren, wandern, angeln, zelten ...und alles, was Spaß macht. Ich mache ein paar Mal ...
Warum ein Umzug der Arbeit wegen nicht immer Vorteile bringt

Mein Tagebuch - Vom Hin und Her und traurigen Kinderherzen

Vom Hin und Her und traurigen Kinderherzen





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Warum ein Umzug der Arbeit wegen nicht immer Vorteile bringt



Da ich in der letzten Woche viel um die Ohren hatte, musste ich leider das Schreiben meines Blogs in den Hintergrund stellen. Ich bitte das zu entschuldigen. Mit einer Woche Verspätung geht es nun aber – hoffentlich regelmäßig jeden Sonntag und Mittwoch - weiter. Bevor ich den heutigen Beitrag schreibe, möchte ich noch einmal auf meinen letzten Artikel zurückkommen. Denn ein paar aufmerksame Leser und Leserinnen haben mich darauf aufmerksam gemacht,

dass es in der einstigen DDR das Medikament Contergan nicht gegeben hat. Dass meine Mutter mir jedoch immer erzählt hatte, dass sie genau diese Tabletten verschrieben bekam, zum Glück für mich aber nie in der Schwangerschaft eingenommen hatte, kann ich mir nun nur so erklären, dass es sich bei der Aussage meiner Mutter eventuell um ein Missverständnis gehandelt haben muss. Zum Beispiel, dass sie ein vergleichbares Medikament erhalten hatte und später, bei Bekanntwerden der Contergan-Affäre die Aussage machte: „Siehst du, so etwas

kann passieren, wenn man während der Schwangerschaft Tabletten einnimmt! Deshalb nehme ich auch in dieser Zeit keine Medikamente ein.“ Und das bei uns Kindern so ankam, dass wir dachten, sie hätte genau dieses Medikament genommen. Aber wie auch immer. Da dieser frühe Teil meiner Biographie ausschließlich auf den Erzählungen meiner Eltern beruht, sind sie mitunter mit etwas Vorsicht zu genießen, was den Wahrheitsgehalt angeht. Für alle späteren Ereignisse, die aus meinen persönlichen Erinnerungen entspringen, kann ich jedoch als Tatsache garantieren.

Kommen wir nun aber zum heutigen „Hin und Her...und so“, womit ich die Umzüge in meiner sehr frühen Kindheit meine. Geboren bin ich ja in dem Krankenhaus Kleinmachnow, welches später als Poliklinik umgebaut wurde. Meine Eltern wohnten Anfang der 60er Jahre, als ich das Licht der Welt erblickte, in einem Einfamilienhaus, welches meiner Ur-Oma gehörte. Eigentlich wohnte meine Mutter ja im späteren West-Berlin, genau genommen in Zehlendorf. Doch als ihre Oma in Kleinmachnow einmal krank wurde und Hilfe im Haushalt benötigte, wohnte sie einige Wochen bei ihr. Und

übernachtete natürlich auch dort. Und genau in dieser Zeit wurde die Mauer quasi über Nacht hochgezogen. So stand meine Mutter (damals mit meiner Schwester schwanger, aber vom Vater bereits getrennt lebend) eines Morgens vor vollendeten Tatsachen. Der Weg zurück zu ihrer Mutter und den drei Schwestern war versperrt. Sie blieb also notgedrungen im „Osten“, lernte meinen Papa kennen und gründete hier unsere Familie. Und bereits ein Jahr und vier Monate nach meiner Schwester erblickte ich dann das Licht der Welt. Als ich zwei Jahre alt war, stand mein erster Umzug an. Mein Papa arbeitete

damals an der Humboldt Universität in Berlin Wie genau sein Fachgebiet zum damaligen Zeitpunkt hieß, weiß ich nicht mehr. Nur so viel, es hatte etwas mit diesen weißen Keramik-Knubbeln zu tun, die man früher an den überirdischen Hochspannungsleitungen sah. Ich weiß nicht, wie ich das anders beschreiben soll, aber im Grunde spielt das auch keine große Rolle. Jedenfalls gab es ein Projekt, in dem im Zuge eines Freundschaftsaustausches von der Humboldt Universität und einem gleichgestellten Betrieb in Thüringen die gesamte Abteilung meines Papas nach Hermsdorf verlegt werden sollte. Dazu

wurde dort extra ein neues Wohngebiet errichtet. Ich habe mal versucht, die Häuser auf Google Maps zu finden, aber da es schon so lange her ist, sich inzwischen sicherlich sehr viel verändert hat und ich unseren Straßennamen nicht mehr weiß, blieb es bei einem Versuch. Leider ohne Erfolg. Ich weiß nur noch, dass sich das Wohngebiet in der Nähe der Autobahnauffahrt „Hermsdorfer Kreuz“ befand und die Straße ein Doppelname war. So was wie „Ernst Thälmann“ oder „Käthe Kollwitz“ oder so. Nachdem nun das Neubaugebiet stand, inklusive Einkaufszeile und Schule etc., packten meine Eltern unsere Sachen und

zogen mit Sack und Pack, Kind und Kegel in das schöne Thüringen. Mein Papa war auch weiterhin unser Ernährer und dementsprechend den ganzen Tag bei der Arbeit. Jedoch anders als in Kleinmachnow war sein Weg zur Arbeit hier überschaubar und recht kurz. Wodurch er mehr Zeit mit der Familie verbringen konnte. Durch den früheren Wohnsitz in Kleinmachnow, den Mauerbau und der Arbeitsstelle an der Humboldt Uni bestand sein Arbeitsweg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln aus jeweils 2 Stunden hin und wieder zurück, da er den ummauerten westlichen Berliner Bereich jedes Mal umrunden

musste. Zusätzlich zu seiner Vollzeitarbeit kamen täglich also noch 4 Stunden Arbeitsweg. Das war hier in Thüringen zum Glück nicht mehr der Fall. Und wir Kinder konnten entsprechend mehr Zeit mit dem Familienoberhaupt verbringen. Das freute besonders mich, da ich ja zum Ärgernis meiner Mutter schon immer ein „Papa-Kind“ war. Zu meiner Mutter hingegen hatte ich nicht immer ein herzliches Verhältnis. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie meine Schwester bevorzugte. Ich will ihr nichts unterstellen, ganz bestimmt war ihr Verhalten mir gegenüber unbewusst.

Aber die Schwierigkeiten schon während der Schwangerschaft mit mir und ihrer späteren Isolation in einer nun fremden Umgebung ohne nennenswerte soziale Kontakte förderten nicht gerade unsere Beziehung zueinander. Denn wegen mir und meiner angeschlagenen Gesundheit zu jener Zeit war es ihr nicht möglich, wieder arbeiten zu gehen und somit Freunde zu finden. Das hielt sie mir sogar noch vor, als ich schon erwachsen war und eigene Kinder hatte. Nur meinetwegen wäre sie damals in Thüringen so unglücklich und einsam gewesen. Hinzu kam, dass, kaum dass mein Papa

seine neue Arbeitsstelle in Hermsdorf angetreten hatte, das Projekt gestoppt wurde und die ganze Abteilung inklusive meinem Papa und seinen Arbeitskollegen zurück an ihren alten Arbeitsplatz an der Humboldt Uni mussten. Was bedeutete, dass die Männer dieses Arbeitsbereiches Sonntagabend mit dem Zug nach Berlin fuhren, dort die Woche über jeweils in einem Studentenzimmer wohnten und zum Wochenende wieder zu ihren Familien kamen. Der Samstagnachmittag war für mich immer ein großes Highlight, da dann mein Papa wieder vorbeischaute und fast immer eine Kleinigkeit zum Spielen mitbrachte.

Meine Mutter saß derzeit die ganze Woche über mit allen Sorgen und Pflichten, die so eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern mit sich brachte, alleine da. Und hatte, wegen mir (wie sie immer wieder betonte), auch keine Freundschaften. Niemanden, mit dem sie mal reden konnte. Und auch, wenn ich weder etwas für die frühe „schon-wieder-Schwangerschaft“ und den damit verbundenen gesundheitlichen Komplikationen während der Schwangerschaft oder später auch bei mir konnte, ließ sie es mich irgendwie immer spüren, dass sie sich ihr

Leben anders vorgestellt hatte. Also ich möchte sie hier auf keinen Fall irgendwie schlecht darstellen, wie gesagt, ich spürte das meist nur instinktiv. Schon als kleines Kind nabelte ich mich seelisch von ihr ab. Ich wäre selbst mit ein, zwei Jahren nie auf die Idee gekommen, meine Mutter mal herzlich zu umarmen oder auf ihren Schoß zu wollen. Wie erkläre ich das mal am besten...Auch wenn mir nie etwas gefehlt hat: ich wurde nie schlecht behandelt oder gehauen, hatte immer genug Essen und Spielzeug und war auch sauber gekleidet... aber trotzdem fehlte irgendetwas. So etwas wie Herzlichkeit,

die spezielle Bindung zwischen Mutter und Kind. Da war immer etwas wie eine unsichtbare Mauer, die mich.. und wahrscheinlich auch sie daran hinderte, bedingungslos aufeinander zu zu gehen. Also hielt ich mich mehr an meinen Papa. Der zwar nur selten da war, aber wenn, dann auch mit Herz und Seele. Und dafür danke ich ihm heute noch im Nachhinein. Aber zurück zum „Hin und Her... und so“. Tja, also nachdem das mit der neuen Arbeitsstelle so gründlich schief gelaufen war, pendelte mein Papa also die nächsten Jahre wöchentlich zwischen Wohnsitz und Arbeitsplatz. Was natürlich

für den Familienfrieden nicht gerade zuträglich war. Aber da mein Papa solch einen speziellen Beruf ausübte, konnte er auch nicht einfach so den Arbeitsplatz wechseln und eine Anstellung in der Nähe des Wohnortes finden. Es blieb also nur das nervige Pendeln an den Wochenenden. Eines schönen Tages in Berlin lief ihm, wie der Zufall es so will, der damalige Bürgermeister von Kleinmachnow über den Weg. Unserem früheren Wohnort. Man kam ins Gespräch und so erfuhr mein Papa, dass geplant wurde, Wohnraum neu zuzuordnen. Denn der war wohl auch damals schon knapp. In Folge

dessen wurde in der Gemeinde ein Erlass beschlossen, dass in Einfamilienhäusern, die zum Beispiel nur von einer Person bewohnt wurden, auch weitere Personen untergebracht werden konnten. Selbst wenn es sich dabei um das Eigentum der Bewohner handelte. So wie in dem Fall meiner Ur-Oma. Seit wir nach Hermsdorf gezogen waren, lebte sie ja nun wieder alleine in dem Haus. Und da es um ihre Gesundheit nicht so gut bestellt war und sie mit der Pflege von Haus und Hof einfach altersbedingt langsam überfordert war, wurde beschlossen, ihr eine zusätzliche Belegung zuzumuten. Bevor dies aber konkret wurde, mussten

die Familienverhältnisse geklärt werden und Angehörige gefragt werden, ob sie eventuell dort einziehen könnten. Man hatte wohl schon eine Weile versucht, die Enkelin (also meine Mutter) ausfindig zu machen, was aber nicht gelungen sei. Doch dank des glücklichen Zufalls konnte nun der Bürgermeister mit meinem Papa sprechen und ihm ans Herz legen, doch wieder zurück zu ziehen. Und obwohl dieser Gedanke meinem Papa wohl nicht wirklich gefiel, schließlich hatte der erste Umzug viel Mühe und Kosten verursacht und das Verhältnis zwischen meinem Papa und meiner Ur-Oma war nicht wirklich gut, wurde schon ein paar Wochen darauf der

neue Umzug organisiert. Schon alleine, um einer drohenden Enteignung vorzubeugen. Damals war ich sechs Jahre alt. Und überhaupt nicht begeistert, was den Umzug zurück nach Brandenburg betraf. Im Gegenteil zu meiner Mutter. Noch viele Jahre war ich auf meine Eltern sauer, dass sie mich aus dieser schönen Gegend gerissen hatten. Weg von allem, was ich so liebte. Den weitläufigen Kiefernwäldern, in denen wir ständig spazieren gingen und von all meinen Freunden, die ich inzwischen gefunden hatte.

Und auch heute liebe ich immer noch die stillen Wälder, die unberührte Natur und alles, was dazu gehört. Das ist es, was mir auch heute noch geblieben ist von dem ganzen „Umzugs-Hin und Her“ meiner frühen Kindheit.

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vagabundinchen
...ich bin Ines, geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR, nach der Grenzöffnung und seit dem Auszug meiner 3 Kinder viel unterwegs, woraus sich auch mein spitz- und username vagabundinchen (vagabund + inchen) ergibt. Ich bin ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann (wenn ich das von mir selbst behaupten darf), meine Hobbys sind lesen, schreiben, Fahrrad fahren, wandern, angeln, zelten ...und alles, was Spaß macht. Ich mache ein paar Mal in der Woche Linedance und probiere gerne mal was Neues aus. Freundschaften sind mir sehr wichtig. Wenn ihr mir schreiben wollt, dann traut euch ruhig. Ich beiße nicht.
Ansonsten viel Spaß beim Lesen...

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Nereus Liebe Ines, gern gelesen, wie immer
Du brauchst Dich nicht entschuldigen, was Du geschrieben hast, es ist wie bei dem Kinderspiel "Stille Post", da kam auch immer etwas anderes an.
Am Original geht eben kein Weg vorbei
dankend lieben Gruß
markus
Vor langer Zeit - Antworten
vagabundinchen Lieber Markus, ich danke dir und wünsche noch einen schönen Abend
Lieben Gruß Ines
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Irgendwie traurig, aber auch sehr ehrlich beschrieben. So empfinde ich es.
Liebe Grüße
fleur
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vagabundinchen Ja, liebe Fleur, so spielt das Leben.
Ich wünsche dir ebenfalls noch einen schönen Abend
Lieben Gruß Ines
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