Kurzgeschichte
Pfleda Heinz - ein Einakter

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"Da ist ein Pflegeroboter verschwunden. Die Kommissarin und ihr Polizeiroboter ermitteln."
Veröffentlicht am 24. Mai 2022, 24 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Über den Autor Jurek P Über seine eigene Person macht der Autor wenig Gewese. Hat er den Lesern in seinen beiden Sieben-Windstärken-Geschichtensammlungen eher alltäglich Nichtalltägliches zugemutet und die meisten seiner Erzählungen im Hier und Heute verortet, sind die in diesem Band veröffentlichten Stücke mehr der Phantasie zuzuordnen, und deswegen, so befand er, eine gesonderte Publikation wert. Das abgebildete Autorenfoto der ersten ...
Da ist ein Pflegeroboter verschwunden. Die Kommissarin und ihr Polizeiroboter ermitteln.

Pfleda Heinz - ein Einakter

Pfleda Heinz


ein Einakter





Eine Altbauküche, schäbige Möblierung. Handelnde Personen: • Kevin Grabow, ein sichtlich uralter Herr (KG) • Oberkommissarin Gesine Petersen, jung, attraktiv, sexy (GP) • Polda Maigret Vier, ein Polizist mit elektromechanischen Anteilen, da soll sich der Kostümbildner mal was einfallen lassen (PM)

KG: räumt schwerfällig seine Küche auf, das Radio läuft. Es klingelt an der Tür. Er öffnet. GP: »Herr Grabow?« KG: nickt nur GP: »Guten Tag, ich bin Oberkommissarin Gesine Petersen von der Kripo Haffnitz und das ist Polda Maigret Vier. Dürfen wir reinkommen?« KG: »Oh, das ist jetzt gar nicht so ... Vielleicht können wir in der Küche bleiben, hier ist wenigstens aufgeräumt.« Er geleitet seine Gäste in die kleine Küche. »Moment, ich hole nur einen Stuhl für Ihren Kollegen, ich bin nicht

auf so viel Besuch ...« GP: »Nicht nötig, Herr Grabow, der Polda kann stehen. Er ist ja kein richtiger Kollege, ein Polizeidienstautomat. Es wird ihm nichts ausmachen.« KG: (beiläufig) »Moderne Zeiten! Überall Roboter und Automaten. Fehlt nur noch, dass in der Regierung auch noch welche sitzen. Hehehe.« GP: »Na, so weit wird’s ja nicht kommen, nicht wahr? Dafür müssten die Automaten schließlich ein eigenes Bewusstsein entwickeln. Und das geht bekanntermaßen nicht ...« KG: (fällt ihr ins Wort) »Ach, davon verstehe ich nichts. Und will ich auch

gar nicht. Moderne Zeiten! Zu modern für mich.« GP: »Herr Grabow! Wir sind genaugenommen wegen der modernen Zeiten hier. Es ist wegen ihres Pflegedienstautomaten Heinz Drei G.« KG: »Wer soll das sein, so einen kenne ich nicht.« PM: »Herr Grabow, der Pfleda Heinz Drei G war bis vor 186,3 Stunden in Ihrem Dienst registriert, das beweist die Aufzeichnung der Verleih- und Eignerfirma Pfledamax Gmbh« GP: (fällt dem Polda ins Wort) »Danke Polda, das genügt – es geht um Ihren Pfleger, Herr Grabow.« KG: »Der hieß Heinz? Komisch. Ja, den

habe ich vorige Woche wieder abbestellt, den brauchte ich nicht mehr.« GP: »Wieso das?« KG: »Na ja, ich hatte es mit der Hüfte, ein Sturz vor einigen Wochen. Aber das ist jetzt alles wieder gut verheilt, da brauchte ich ihn nicht mehr.« GP: »Und Sie haben den Pfleda wieder abbestellt?« PM: »Es ist bei der Pfledamax GmbH keine Kündigung in Schriftform per E-Mail oder direkt auf der WebSite eingegangen, nicht seit 186,3 Stunden. Das bedeutet nach Absatz 4 der AGB der Pfledamax GmbH, dass der Dienstleistungsvertrag fortbesteht. Da jedoch der SBS-Direktkontakt zum

Pfleda seit mindestens 184,2 Stunden unterbrochen ist, entstehen derzeit keine Kosten.« GP: (etwas genervt) »Danke, Polda. Herr Grabow, was mein Kollege ausdrücken möchte ist, dass Ihr nun ehemaliger Pfleger verschwunden ist. Wir wollen herausfinden, was mit ihm geschehen ist.« KG: »Und da fragen Sie mich?« GP: »Ja, denn Ihre Kündigung ist ja unwirksam, weil nicht angekommen bei der Firma. Wie haben Sie die Kündigung denn übermittelt?« KG: »Wie – übermittelt?« PM: »Üblicherweise ist eine Kündigung der Pfledamax GmbH entsprechend

Absatz 4, Ziffer 7 der AGB in Schriftform per E-Mail und/oder direkt auf der WebSite beziehungsweise über einen der Messenger-Dienste oder in sonstiger Schriftform anzumelden.« GP: (noch ein bisschen genervter) »Danke, Polda! Herr Grabow, ich möchte wissen, auf welchem Wege sie den Vertrag gekündigt haben.« KG: »Na schriftlich, wie das verlangt wird.« GP: will etwas antworten aber der Polda fällt ihr ins Wort PM: »Üblicherweise ist eine Kündigung der Pfledamax GmbH entsprechend Absatz 4, Ziffer 7 …« GP: »Stopp, Polda, ich führe die

Befragung!« PM: gibt kurz mechanische Geräusche von sich KG: »Der ist wohl noch neu im Dienst, wa?« PM: »Ganz im Gegenteil ich bin seit 32865,8 Betriebsstunden im Dienst.« GP: »Stopp, Polda, begeben Sie sich bis auf Widerruf in reinen Analysemodus! Keine Zwischenbemerkungen mehr!« PM: lässt die Arme und den Kopf sinken und erstarrt GP: »Herr Grabow, in welcher Form haben Sie den Vertrag gekündigt?« KG: »Na schriftlich, habe ich doch gesagt.« GP: »Übers

Internet?« KG: »Nee, mit sowas kenne ich mich nicht aus.« GP: »Dann vielleicht mit dem Handy?« KG: »Nee. Ich hab zwar so’n Dings, aber ich weiß gar nicht wo das ist. Kann ich auch nicht so gut mit umgehen.« GP: »Aber wie denn dann?« KG: »Na, ich hab dem Kerl einen Zettel für seine Firma mitgegeben, im Umschlag mit der korrekten Adresse. So war das.« GP: »Nach Ihnen, so steht es im Protokoll, sollte er noch den Herrn Weyrich von gegenüber aufsuchen.« KG: »Ja, ich weiß, zu Maik wollte der, ja, so war das. Und was sagt Maik? War

der Kerl pünktlich dort?« GP: »Da sind wir nicht so ganz sicher, Herr Grabow, das Gedächtnis des Herrn Weyrich ist nicht mehr so ganz zuverlässig.« KG: »Nee, nicht? Ich hab’s auch schon gemerkt. Ich sag zu ihm, Maik, wie geht’s? Und er hat mich, glaube ich, gar nicht recht erkannt. Ja, das Alter.« GP: »Der Herr Weyrich hat, am nächsten Tag, als der Pfleda nicht kam, den Notrufknopf der Pfledamax gedrückt. Jetzt hat er eine von den neuartigen Pflegedienstroboterinnen. Die sollen ja recht toll aussehen und auch wesentlich mehr leisten.« KG: »Ach nee, so eine hätt ich auch

gern. Wie kommt man da ran?« GP: »Aber Herr Grabow, was will denn ein Mann wie Sie von einer Maschine? Mag sie noch so gut aussehen. Richtige Frauen sind doch da viel – ansprechender, meinen Sie nicht?« Sie kokettiert ein bisschen, aber KG bleibt kühl KG: (etwas zerstreut) »Ja, ja, Sie haben ja recht. Und ich brauche ja auch gar keine Ersatz … äh, Pflegerin mehr, ich bin ja gesund, nichtwahr? Jedenfalls vorläufig, so ist das.« GP: »Wenn Sie wieder der Pflege bedürfen, müssen Sie natürlich ihre Kündigung widerrufen.« PM: (regt sich deutlich) »Widerrufen –

ich möchte anmerken, dass nach Absatz 4 Ziffer 9 der Widerruf schriftlich und mit einer Empfehlung der Krankenpflegeaufsicht über die Notwendigkeit einer Pflege im Sinne der AGB Absatz 2 Ziffer 3 zu erfolgen hat.« GP: »Polda, der Widerruf galt nicht für meine Anweisung an dich. Shut Up!« PM: »Bla bla.« GP: (schrill) »Genug, Polda Maigret Vier, Analysemodus bis auf ausdrücklichen Widerruf!« PM: erstarrt wieder, wackelt aber, kaum merklich, ablehnend mit dem Kopf. KG: »Sind Sie sicher, dass sich Roboter kein Bewusstsein anschaffen können?« GP: »Das ist wissenschaftlich

nachgewiesen, natürlich. Und wäre ja auch noch schöner. Dass sie dann irgendwann die Macht übernehmen, was? Nein, das ist gottseidank ausgeschlossen. – Aber zu uns hier, wo waren wir stehengeblieben? Äh, Polda? Nee, Kommando zurück, bleib aus, Polda. Also, wo waren wir?« KG: »Ich glaube Sie sagten, dass Maik eine von den neuen sexy Pfle…« GP: »Oh nein, sexy sagte ich ganz bestimmt nicht, nicht über eine Maschine.« Sie zupft sich ein bisschen an der Frisur und rückt den Oberkörper gerade. »Herr Grabow, ganz konkret: Wissen Sie etwas über den Verbleib des Pflegedienstautomaten Heinz Drei

G?« KG: »Sie fragen, als hätte ich den womöglich verschwinden lassen. Ihn vielleicht auch noch getötet, was? Wozu hätte ich das tun sollen. Bin ich ein Verbrecher? Ein Mörder gar?« Das Radio im Hintergrund lief die ganze Zeit leise, jetzt ist es zunehmend lauter und deutlicher zu hören. GP: (auch etwas lauter, um das Radio zu übertönen) »Von Mord ist doch gar nicht die Rede, weil es sich ja um einen Automaten handelt. Da wären höchstens Diebstahl oder Sachbeschädigung als Anklagepunkte denkbar. Außerdem sagen Sie ja selbst, Sie verstehen nichts von der Technik, wozu sollten Sie also …?

Sagen Sie mal, können Sie die Musik nicht mal ausmachen, die nervt ein bisschen.« KG: »Natürlich.« Er greift sich an die Brust und es ertönt das Klacken eines Schalters. GP: (stutzt) »Können Sie das noch mal widerrufen - äh - wiederholen?« PM: »Widerruf? – Das Wiederholen eines Ausschaltvorganges ist sinnlos, da der Zustand der Stromlosigkeit sich nicht ändern würde.« GP: (schrill) »Polda! Aus! – Das heißt - Moment mal, der Polda hat ja jetzt mal recht …« PM: »Ich bin darauf programmiert, recht zu haben, aber

danke.« GP: »Hä?« PM: macht nur ein klapperndes Geräusch. GP: »Polda, scanne den Befragten auf verborgene Technik. Jetzt.« PM: bewegt eine Hand, die jetzt leuchtet, über Grabows Gestalt. Es fiept. GP: »Und?« PM: »Nur 0,6 % biologische Masse, alles andere Stahl, Kupfer, Lithium, Silikon, Quecksilber, Polyurethan, Silizium, Zinn, Fe2O3 …« KG: (entsetzt) »Fe2O3? Rost? Und was soll die biologische Masse sein …?« PM: »Unter Ihrem Kinetikprozessor hat sich eine Spinne eingenistet. Ich an

deiner Stelle wäre da vorsichtig, über Kriechströme können Lähmungserscheinungen ausgelöst werden. Sehr unangenehm, kann ich dir sagen.« GP: (war die ganze Zeit sichtlich sprachlos):«Herr Grabow, Sie sind ein Roboter?« KG: »Ich kann es leider nicht glaubhaft abstreiten, wie die Lage aussieht.« GP: (zu sich selbst) »Und ich wundere mich, wieso der keinerlei Notiz von meiner Figur nimmt.« GP: (zu Grabow) »Herr Grabow, ich nehme Sie vorläufig fest, wegen …« PM: »Ich möchte anmerken, dass Automaten nicht der Gerichtsbarkeit

unterstehen und bei Schäden und/oder Unstimmigkeiten an die Eignerfirma überstellt werden müssen.« KG: »Ich bin mein eigener Eigner« GP: (gleichzeitig mit PM) »Ein Automat kann per se nicht sein eigener Eigner sein, da dies ein Bewusstsein voraussetzen würde.« PM: (allein weiter)«Nach Paragraf 184 Absatz 4 Ziffer 9 …« GP: (zu PM) »Schnauze!« PM: (von GP abgewendet) »Menschenzicke.« GP: »Was haben Sie mit dem Pfleda Heinz Drei G gemacht?« PM: (erbost) »Du hast ihn umgebracht, du Fehlkonstruktion! Hast ihn als

Ersatzteilspender …« schluchzt GP: »Quatsch! Reiß dich zusammen, Polda!« PM: »Gerade die Pfledas sind so sanfte, empfindsame …« Es schüttelt ihn. Er will gehen, dreht sich aber an der Tür noch mal um. »Eins sag mir aber noch, Grabow: Wie wird man sein eigener Eigner, was ist der Trick?«


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Hörbuch

Über den Autor

JurekP
Über den Autor Jurek P

Über seine eigene Person macht der Autor wenig Gewese. Hat er den Lesern in seinen beiden Sieben-Windstärken-Geschichtensammlungen eher alltäglich Nichtalltägliches zugemutet und die meisten seiner Erzählungen im Hier und Heute verortet, sind die in diesem Band veröffentlichten Stücke mehr der Phantasie zuzuordnen, und deswegen, so befand er, eine gesonderte Publikation wert.
Das abgebildete Autorenfoto der ersten Bücher stimmte wenig mit der Wirklichkeit überein (es besteht die Annahme, es handelt sich um einem Ausschnitt eines Gemäldes des Herrn Ilja Repin), hier stellt er sich in Anlehnung an die im Buch verwendeten Illustrationen als simple Holzfigur dar. Die Ähnlichkeit allerdings, das muss jeder Vertraute des Autors zugeben, stimmt ziemlich mit der Wirklichkeit überein.
Nach Abschluss der Arbeiten an diesem Band, so verrät Jurek P, ist wieder ein Kurzgeschichtenband für die Windstärken-Reihe geplant. Mit wieviel Wind die Leser dabei zu rechnen haben, kann noch nicht gemessen werden. Auch ist der Autor seit Jahr und Tag mit diversen Romanideen geschlagen.
Die machen freilich viel Arbeit und davor scheut sich der Autor mitunter. Nee, nicht mitunter. Eigentlich immer. Ist ja auch nicht mehr der Jüngste, sagt er selber.

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Brubeckfan Wunderbar.
Auch Stanislaw Lem würde sich freuen.
Schmunzelnd,
GerX5d
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