Journalismus & Glosse
Nix als EUmel - ...wie man eine große Idee verspielt

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"Nix als EUmel - ...wie man eine große Idee verspielt"
Veröffentlicht am 09. Mai 2021, 10 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.
Nix als EUmel - ...wie man eine große Idee verspielt

Nix als EUmel - ...wie man eine große Idee verspielt

Wie mein Lieblingsautor, ihr wisst schon, Harry H, bin ich Kosmopolitin. Den Gründungsmythos der EU kenne ich zwar nur aus Erzählungen meiner Vorfahren, aber an der Uni, nach dem Fall der Mauer, begann ich mich stärker für die europäische Idee zu interessieren. Ziele der Europäischen Union sind, wie zu lesen steht: Förderung des Friedens, der europäischen Werte und des Wohlergehens ihrer Bürgerinnen und Bürger, Freiheit, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit ohne Binnengrenzen, nachhaltige Entwicklung auf der Grundlage von ausgeglichenem Wirtschaftswachstum

und Preisstabilität, einer wettbewerbsfähigen Marktwirtschaft bei Vollbeschäftigung, sozialem Fortschritt und Schutz der Umwelt, Eindämmung sozialer Ungerechtigkeit und Diskriminierung, Förderung des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts, Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts und Solidarität zwischen den Mitgliedsländern, Achtung ihrer reichen kulturellen und sprachlichen Vielfalt, Gründung einer Wirtschafts- und Währungsunion, deren Währung der Euro ist. Klingt alles ja edel, hilfreich und gut, wenn man dann aber in der Praxis des EUbürgerlichen Alltags

die Nagelprobe macht, wird man manches Mal recht schnell eines Besseren belehrt. Das durfte auch die principessa am eigenen Leibe erfahren. Als Männe und ich vor Jahren ein schönes altes Bruchsteinhaus in Belgien kauften, fühlten wir uns sofort dort wohl und begannen mit der Renovierung bzw. dem Ausbau. Auch aus der Weide wurde mit der Zeit ein schöner Garten, manche Besucher nennen ihn gar „Park“, was ich allerdings zu hoch gegriffen finde. Wir zahl(t)en jedes Jahr die Grundsteuer, die Residenzsteuer (Zweitwohnsitz), die Hausversicherung und natürlich für Öl, Strom und Wasser. Alles immer mit 21% MwSt und regelmäßig, will sagen jährlich, ansteigend. Kennt man ja überall, gell? Im Dorf waren wir bzw. bin ich

seit dem Tode meines Mannes gut verwurzelt, man bleibt auf Spaziergängen stehen und quatscht miteinander über „le monde entier et sa femme“ (Gott und die Welt), denn natürlich habe ich damals darauf bestanden, dass wir uns in der francophonen Wallonie niederlassen. Und bis zu diesem Jahr war, trotz der jährlich z.T. happig ansteigenden Kosten, alles in Butter. Und auch die pandemiebedingt sich verschärfende Lage letztes Jahr konnte mich nicht entmutigen, ich fuhr halt nur noch dreimal im Monat zum Großeinkauf, trug brav meine Maske, nahm Vitamine und Mineralien bis zur drohenden Versteinerung zu mir und fuhr ab Oktober nicht mehr nach Dschörmännie.

Ihr ahnt vielleicht schon, worauf ich hinauswill? Richtig. Die Coronaschutzimpfung. Guten Glaubens, man könnte inzwischen auch sagen, naiv wie eine Bindschleiche, informierte ich mich „sur le Net“ und fand alle möglichen Links. Prima, dachte ich, da guckste mal flott, wo das nächstgelegene Impfzentrum ist und meldest dich an. Ha! Die Menschin denkt, der hl. Bureaucratius lenkt: Da ich „nur“ Zweitwohnsitzende bin, falle ich durch sämtliche Raster, die es so gibt. *Anmelden im IZ – unmöglich, da ich keine Nummer im nationalen Einwohnerverzeichnis habe; war nicht schön, bereits beim dritten Schritt der Anmeldung hängen zu

bleben *unverzagt, man hat ja Alternativen, beim hiesigen Hausarzt angerufen, ob er denn... nein, die Ärzte impfen nicht, sorry, das ist in diesem Fall Aufgabe des Staates; ob mich der HA denn im IZ anmelden könne? Nein, man bedauere, ohne Nummer gehe da gar nichts... So werde ich also dieser Tage wie Maria und Josef zwar nicht in meinen Geburtsort im Norden Deutschlands, sondern gen Laschets Eifel ziehen, mich dort schnelltesten lassen und mir bei meinem deutschen Hausarzt BionTech, Astra, Moderna oder Meister Propper spritzen lassen. Freude, schöner

Götterfunken??? Tochter aus Elysium??? Feuertrunken??? Ach Fritzemann, deine „Ode an die Freude“ wird von den EUmeln immer gerne gesungen, aber das ist es dann auch schon. An den Alltag verkomplizierende Vorgängen und Hürden denken jene dabei selbstredend nicht. Klar, die Schutzimpfung gegen ein lebensbedrohendes Virus gehört ja auch nicht zur Förderung des Friedens, der europäischen Werte und des Wohlergehens ihrer Bürgerinnen und Bürger... Aber die Idee von Europa ist bzw. war schon

immer etwas Erhebendes. Wenn nur die Praxis nicht wäre~~~

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Über den Autor

cassandra2010

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.

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cassandra2010 
Nachtrag von Harry Heine:

Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.

Wir wollen auf Erden glücklich sein,
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
Was fleißige Hände erwarben.

Es wächst hienieden Brot genug
Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder.

Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen.

Und wachsen uns Flügel nach dem Tod,
So wollen wir euch besuchen
Dort oben, und wir, wir essen mit euch
Die seligsten Torten und Kuchen.

Ein neues Lied, ein besseres Lied!
Es klingt wie Flöten und Geigen!
Das Miserere ist vorbei,
Die Sterbeglocken schweigen.

Die Jungfer Europa ist verlobt
Mit dem schönen Geniusse
Der Freiheit, sie liegen einander im Arm,
Sie schwelgen im ersten Kusse.

Und fehlt der Pfaffensegen dabei,
Die Ehe wird gültig nicht minder -
Es lebe Bräutigam und Braut,
Und ihre zukünftigen Kinder!

Deutschland. Ein Wintermärchen, CAPUT I (1844)
Vor langer Zeit - Antworten
DoktorSeltsam Ich empfehle Meister Proper oder den Weißen Wirbelwind. Habe mich selbst mit Omo impfen lassen, aber da wir ein bisschen schwummerig hinterher. Kann aber auch am Cognac gelegen haben, mit dem ich mir vorher Mut angetrunken hatte.
Ich weiß, ich weiß. Trotzdem war, bin und bleibe ich glühender Europäer. Niemand wird mich davon überzeugen können, dass die Interessen der Nationalstaaten über die Interessen der Menschen zu stellen sind. Und über ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit. Heute vor 100 Jahren wurde Sophie Scholl geboren. Als ich im WDR-Zeitzeichen noch einmal ihre Geschichte gehört habe, musste ich ein bisschen flennen. Auch weil ich weiß, dass ich selbst nicht mal einen Bruchteil des Mutes aufgebracht hätte, mit dem diese junge Frau in den Tod gegangen ist.
Und allein um mich vor ihr so tief zu verbeugen, wie es nur irgend geht, werde ich mit meinen bescheidenen Mitteln immer für das kämpfen, wofür auch sie gekämpft hat: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
"Der Kampf geht weiter" (Harry Rowohlt)
Dein Dok
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Ja, die Sophie..
Hans Scholl.
Alexander Schmorell.
Professot Kurt Huber.
Christoph Probst.
Willi Graf.

- diese mutigen Demokraten hat die Drecksau Freisler "Lumpen" genannt. Aber Freislers Witwe hat von der BRD Pension bekommen.
Ich könnte immer noch kotzen.
Danke für deinen offenen Beitrag, dottore strano
Cassy

https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/weisse-rose/61028/flugblatt-vi

Und was haben wir heute? Die blödsinnige Jana aus Kassel und "Querdenker"...
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Ach all die schönen Worte... wie verlogen sie doch klingen im Alltag unserer Leben.
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Ja, Harry... so ist es. Und wer zeichnet dafür verantwortlich? In meinen Augen vor allem die Konservativen, die viel zu lange immer wieder am Ruder waren...
LG
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 

Dass wir uns richtig verstehen: Natürlich ist das geschilderte Problem eines der "Kleinen Welt"; aber wenn es in der schon hakt, wie soll denn dann die "Große Welt" (Rechtsstaatlichkeit, Solidarität etc.) funktionieren?
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Das Virus hat national viel Chaos offenbart, was kann da international rauskommen. Was die Große Welt betrifft, da kommt bei mir eher der Eindruck einer durchschnittlichen WG an. Dauerstreit ums Geld und wer den Müll runterbringt. In der kleinen genießen wir immerhin Pässe und Währung, deren Bequemlichkeit erst wieder auffällt, wenn man mal woanders hinreist.
Gut, daß Du mal diesen Aspekt geschildert hast.
Und nun wissen wir, daß vom Pütschern Dein Garten gedeiht.
Viele Grüße!
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Du hast die Misere mit pfiffigem, aber auch grimmigem Humor beleuchtet... danke für die erhellende Lichtquelle, lieber Gerd.

Gracias a la vida
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Gerade gelesen: Thailändische Reiseveranstalter bieten angesichts des akuten Mangels an Impfdosen in ihrer Heimat Impf-Pauschalreisen in die USA oder Russland an.
Ja geht doch...
Vor langer Zeit - Antworten
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