Journalismus & Glosse
Für die Bildung tun sie ... nix

0
"Für die Bildung tun sie ... nix"
Veröffentlicht am 05. Januar 2021, 8 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.
Für die Bildung tun sie ... nix

Für die Bildung tun sie ... nix

„Viele, die bei Kindern sind, tun ihre Pflicht, aber das Herz ist nicht dabei. Das merkt das Kind. “ Klingt gut, ist wahr und stammt von einem der ganz großen Bildungspolitiker – von Wilhelm von Humboldt (1767-1835), welcher einer der bekanntesten und wichtigsten Reformer Preußens war. Humboldts Bildungsideal steht in Bezug zu seinen Äußerungen gegenüber dem preußischen König, an den er schrieb: „Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf. Jeder ist offenbar nur dann ein guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann, wenn

er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist. Gibt ihm der Schulunterricht, was hierfür erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher so leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum andern überzugehen.“ Wenn ich mir nun diese Prämisse Humboldts vor Augen halte, erscheint mir das Gemurkse der Schulminister unserer Republik umso erbärmlicher – wie will man denn Kindern und Jugendlichen einen guten Start ermöglichen, wenn es dafür in der aktuellen Situation an allem fehlt? Am direkten Kontakt zwischen

Schülern und Lehrkräften, an den äußeren Rahmenbedingungen für das Lernen im Lockdown, an der Bereitschaft unserer Politiker, der Bildung in unserem Land denselben Stellenwert zu geben wie etwa der Gesundheit? Wo ist denn die Digitalisierung in den Schulen wirklich erkennbar und gewinnbringend vorangekommen? Wo sind denn die Schulen, die wirkliche Lernorte sind, an denen Menschen gerne miteinander arbeiten? An meiner ehemaligen Schule wurde vor zwei Jahren von einem Schüler ein Großbrand gelegt, der wichtige Abschnitte des Gymnasiums in Schutt und Asche legte; mit dem Wiederaufbau wurde vor einem Jahr

begonnen, aber ohne wirklich in die Zukunft zu denken. Jedenfalls ist die WLAN-Situation immer noch mehr als mau, und die Schule (~1100 SchülerInnen) besitzt stolze 30 Tablets und 60 Laptops... Der Hybridunterricht (Verknüpfung von Präsenzunterricht und Online-Lernen) kann so keinesfalls funktionieren, zumal der jeweilige Vorlauf zur Planung und Durchführung von Durchführung desselben in unserem Land einfach immer zu kurz ist – in wenigen Tagen soll der Unterricht wieder beginnen, aber keiner weiß bislang so recht, wie und unter welchen Vorzeichen. Mein Vater hat als Schüler auf Schülerdemos skandiert: „In der Rüstung sind sie fix/ Für die Bildung tun sie

nix“. Irgendwie hat sich an der Art und Weise, wie unsere reiche Bundesrepublik mit dem wichtigsten Gut umgeht, der Bildung der heranwachsenden Jugend, wenig geändert. Von zentraler Bedeutung für Humboldt waren der Begriff des autonomen Individuums und der Begriff des Weltbürgertums. Hier steht Humboldt ganz im Sinne der Aufklärung, die dem Individuum Mündigkeit durch seinen Vernunftgebrauch abverlangt. Wie mündig heutzutage viele Deutsche sind, stellen vor allem die Coronaleugner, Identitäre, Wutbürger und andere intellektuelle Knallfrösche augenfällig dar. Autonomie war bzw. ist weiterhin Desiderat

der universitären Ausbildung und Lehre. Diese geht, wie unschwer zu erkennen, auf Humboldts Bildungsideal zurück. Doch dieses wird zunehmend aufgeweicht durch die Abweichung vom humboldtschen Ideal hin zu einer stärkeren Berufsbezogenheit des Studiums unter Beachtung wirtschaftlicher Interessen. Da die Ökonomie stets Vorrang hat vor anderen wichtigen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, verwundert es nicht, wenn der jeweilige Schulminister eines Bundeslandes in der Regel am Katzentisch der Ministerrunde sitzt. Hierzu lassen wir dem Gelehrten Wilhelm von Humboldt das letzte Wort: „Das Arbeiten ist meinem Gefühl nach dem Menschen so gut ein Bedürfnis als Essen und Schlafen. Selbst diejenigen, die gar nichts

tun, was ein Vernünftiger Arbeit nennen würde, bilden sich doch ein, etwas zu tun.“



Dieses Bonmot möge jeder von Euch verstehen, wie er wolle...

0

Hörbuch

Über den Autor

cassandra2010

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.

Leser-Statistik
18

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
HarryAltona Löblich gedacht, Cassy, praktisch gewollt nicht umsetzbar. Wo sollen denn all die unterbezahlten Frittenschüttler, Brillenbieger, Kassiererinnen, Fensterputzer, Wachschützer und all die anderen Handlanger herkommen, wenn nicht aus den Bildungsfernen Lernanstalten?
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Liebe Cassy,
wenn ich den Ablauf der Pandemie betrachte, bemerke ich zwei grundsätzlich erschwerende Faktoren. Nr. 1 ist der Föderalismus mit seinem unsäglichen Hickhack, Nr. 2 die auffällige Abwesenheit von Sachkenntnis bei den verantwortlichen Ministern. Ich meine speziell den Bildungsbereich und das Gesundheitswesen. Da, wo eine straffe und kompetente Führung angesagt sein müsste, kann jeder den oft fatalen und glücklosen Schlingerkurs der einzelnen Länder beobachten. So wie die Organisation der Lockdowns in den Altenpflegeeinrichtungen und die der Impfkampagne in einigen Ländern versemmelt wurden, gibt es auch für die Schulen offenbar keinen roten Faden, an dem sich die Verantwortlichen entlanghangeln könnten. Dabei weiß man inzwischen, dass die Schulen häufig zu Hotspots der Ansteckung werden.
Es ist ein Trauerspiel, wie unsere Politiker reihenweise versagen, während die fachlichen Koryphäen in den Talkshows herumtingeln!
Ich erinnere mich an dein Gebet: "Lass es Hirn regnen!"

LG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Dein Vater hatte vollkommen recht. Jetzt zeigt sich was in der Coronakrise alles versäumt wurde. Alles dreht sich schon seit fast einem Jahr nur noch um Corona. Dass inzwischen Rüstungsexporte in Milliardenhöhe an Kriegsländer geliefert wurden, verschweigt man gerne. Naja Corona muss ja irgendwie finanziert werden.
Deutschlands Bildungssystem krankt schon seit Langem, bin aber nicht der Meinung, dass man nun digital alles richten kann. Selbst Prof. Harald Lech hat schon mal gewarnt, dass die Digitalität bei Kindern nicht den Verstand wachsen lässt, weil das zweidimensonale Schauen nicht dazu beiträgt, dass man die Dinge auch wirklich begreifen lernt. Auch moralische Werteurteile werden damit nicht geschult. Das sollte aber schon im Vorschulalter beginnen.
Planloses Vorwärtsstürmen bringt nie den gleichen Effekt, wie logisches folgerichtiges Abwägen aller Eventualitäten. Statt Bewährtes zu erhalten, will man nun immer das Fahrrad neu erfinden.
Ist schon eine komische Zeit geworden und überall steht nur noch der Profit im Vordergrund und wie man Menschen dahingehend beeinflussen kann, dass sie sich willenlos beeinflussen lassen..
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Puh, war wohl nicht eingeloggt. Der "Gast" war ich.
LG Bärbel
Hinzufügen möchte ich noch, dass sich nur ein "Dummvolk" gut regieren lässt.
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
4
0
Senden

166401
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung