Humor & Satire
Wie heißt du noch mal???

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"Wie heißt du noch mal???"
Veröffentlicht am 11. August 2020, 8 Seiten
Kategorie Humor & Satire
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich schreibe Unterhaltungsliteratur in Form von Romanen und Kurzgeschichten für Erwachsene, sowie Kinderbücher. Zum zweiten Mal verheiratet lebe ich im Münsterland. Bisher veröffentlicht: Die Ruhrpottsaga: Ruhrpottklüngel, Ruhrpott Pärchen, Ruhrpottherzen, Ruhrpottabschied, Leben lernen.Weitere Bücher (darunter Reiseberichte, Tiergeschichten, Liebesgeschichten und -romane), Kinderbücher, zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien und ...
Wie heißt du noch mal???

Wie heißt du noch mal???

Ich wache abrupt auf, setzte mich aufrecht hin. Was ist das für ein Geräusch? 

„Einbrecher“, denke ich ein wenig panisch. Aber dann sehe ich die Putzfrau. Sie feudelt im Zimmer herum. Natürlich putzt sie die Ecken rund. Man kann gar nicht genug aufs Personal aufpassen. Ich erinnere mich nicht daran, diese Person eingestellt zu haben. Das hat sicher er gemacht und wie immer hat er vergessen, mir Bescheid zu sagen. „Hat er Sie eingestellt?“, frage ich und weise auf das Foto, das auf meinem Nachttisch steht. Es zeigt einen jungen Mann, der breit in die Kamera grinst. „Keine Ahnung, bin von

Reinigungsfirma.“ Die Person zuckt mit den Schultern. „Dann wissen Sie wohl auch nicht wie er heißt? Ich hab’s vergessen und auch wann er mich besuchen kommt.“ Sie hält inne, schaut mich irgendwie komisch an. Dann wischt sie schweigend weiter. „Wenn er Sie eingestellt hat, dann müssen Sie aber doch seinen Namen wissen“, beharre ich störrisch. Die Frau wendet sich mir zu, stemmt die Arme in die Hüften. „Weiß nicht. Habe genug mit Putzen zu tun. Bei uns ist Oma zu Hause, auch wenn sie vergesslich.“ 

Sie öffnet demonstrativ die Balkontür, fängt an, dort zu putzen. Was für eine impertinente Person! Ich nehme mir vor,

sie sofort zu entlassen. Allerdings erst, wenn sie fertig ist. Schließlich ist die Putzfrau wieder im Zimmer. 

„Alles zu Zufriedenheit?“, fragt sie mit einem frechen Grinsen. Das muss ich mir wirklich nicht länger gefallen lassen. „Sie sind entlassen und zwar ab sofort“, sage ich entschlossen. „Der letzte Lohn wird Ihnen überwiesen. Der … er … also der junge Mann, der Sie eingestellt hat, wird sich darum kümmern.“ Der Name will mir partout nicht einfallen. Wieder zuckt die Person mit den Schultern. „Bis morgen dann.“ Mit diesen Worten geht sie. „Das werden wir sehen“, murmele ich

drohend. Plötzlich geht die Tür auf. Der junge Mann von dem Foto stürmt ins Zimmer. Unbekümmert lässt er sich auf meine Bettkante fallen. „Hi Oma!“ „Das wird ab er auch Zeit, dass du dich mal sehen lässt“, mosere ich, obwohl ich mich wie Bolle fühle und mich sehr darüber freue, ihn zu sehen. „Jetzt bin ich ja hier“, sagt er und gibt mir einen Kuss auf die faltige Wange. Aber so schnell will ich nicht kleinbeigeben. „Du solltest dich mal ordentlich kämmen und rasiert hast du dich auch nicht!“ Er grinst. „Das ist jetzt modern. Nennt man Dreitagebart. Und die Haare sind so

richtig. Das gefällt den Mädels.“ 

Er bringt mich immer zum Lachen, das fällt mir wieder ein. Auch heute kichere ich wie ein junges Mädchen und verwuschele ihm die wirre Frisur. „So, so, den Mädels? Du bist wohl ein richtiger Herzensbrecher, was?“ Wie treu er gucken kann! Ich würde mich sofort in ihn verlieben, wenn ich nur … ich überlege … schätzungsweise 60 Jahre jünger wäre. „Willst du eine?“ Ehe ich antworten kann, steckt er eine Zigarette an und reicht sie mir. Ich nehme einen tiefen Zug, reiche sie ihm zurück. Schweigend und im guten Einvernehmen rauchen wir. Er lehnt den Kopf an meine Schulter. Das

fühlt sich richtig gut an. 

Da fällt mir plötzlich etwas ein: „Die Putzfrau habe ich gerade entlassen. So eine freche Person. Wenn du noch mal eine einstellst, solltest du mir wirklich vorher Bescheid sagen.“ Ich stutze. Da war doch noch etwas! Ja, richtig! „Wie heißt du überhaupt?“ Er lacht wieder über das ganze Gesicht. „Timo und ich bin dein Enkel, aber das ist nicht so wichtig. Nächste Woche bringe ich uns mal ein Tütchen mit. Das braucht hier im Altenheim ja keiner mitzukriegen. Ein Joint wird dir bestimmt guttun.“ Ich nicke. Egal, wie der Junge heißt – wo er recht hat, hat er recht.


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Hörbuch

Über den Autor

AngiePfeiffer
Ich schreibe Unterhaltungsliteratur in Form von Romanen und Kurzgeschichten für Erwachsene, sowie Kinderbücher. Zum zweiten Mal verheiratet lebe ich im Münsterland.
Bisher veröffentlicht:
Die Ruhrpottsaga: Ruhrpottklüngel, Ruhrpott Pärchen, Ruhrpottherzen, Ruhrpottabschied, Leben lernen.Weitere Bücher (darunter Reiseberichte, Tiergeschichten, Liebesgeschichten und -romane), Kinderbücher, zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien und Literaturzeitschriften, sowie der Tagespresse.

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MerleSchreiber Herrlich, das Szenario kommt mir doch sehr bekannt vor.
Meine Mutter fragt meinen Sohn auch immer: Und wer bist du?
Wenn das so herrlich humorig nach deiner bewährten Art beschrieben ist, hat es fast gar nichts Beängstigendes mehr. Übrigens - Legalisierung von Marihuana ist auf dem Weg ;-)
Liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hi Merle,
ja schau, dann kann die Omma öfter mal ein Tütchen durchziehen ;o) .
Ist doch schön und in dem Alter auch scho' wurscht.
Lieben Dank für den netten Kommentar und schöne Grüße
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
vagabundinchen Wie aus dem Leben geschrieben. Schöne Geschichte und gut, wenn man jemanden im Alter hat, der sich um einen kümmert und einen so hinnimmt, wie man ist. Ich wünsche jedem so einen Enkel.
LG vagabundinhen
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hallo Vagabundinchen,
lieben Dank für Deinen Kommentar.
Ja, wohl dem, der einen Enkel (mit Gras in der Tasche ;o) ) hat ...
Liebe Grüße
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
Asteria 
Och, wie traurig :(
aber immerhin genießt sie noch Besuch, hat Freude am Zigarettchen und freut sich aufs Tütchen :-)
Es gefällt mir sehr, wie du es geschrieben hast
und traurige Erinnerungen kommen hoch, die ich gern verdränge,
aber die schönen, die siegen immer wieder!

LG Asteria

Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hallo Asteria,
ach, sie ist nicht wirklich unglücklich ... und so lange das Tütchen schmeckt ...
Es ist schwer herauszufinden, wie es einem Demenzkranken tatsächlich geht.
Meine Mutter ist schon seit Jahren nicht mehr ansprechbar ...
Ich schicke Dir ein liebes Dankeschön und nette Grüße
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Da hörste das Gras wachsen... Putzfrau putzt... und Oma entdeckt fortlaufend Neues. Wie soll man da klar kommen ohne exotische Genussmittel?
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Harry, mein Genussmittelexperte,
kann Dir nur recht geben. Ohne Tütchen geht es nicht. ;o)
Danke Dir und schicke ganz liebe Grüße
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan 8-) Ach ja... So eine Oma hatte ich auch.
Ich stelle mir vor, die schwierigen Momente sind dann die, wo man mal klarer wird und merkt, daß was nicht stimmt.
Viele Grüße,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hallo Gerd,
ja, das stimmt wohl. Seufz - meine Mutter -92 Jahre (inzwischen total dement). Das war schlimm, wenn sie mal einen klaren Tag hatte und weg aus dem Heim wollte. Man fühlt sich so hilflos.
Gut, dass wir nicht wissen, was noch kommt.
Allerdings hoffe ich auf meinen Lieblingsenkel! Der kommt dann bestimmt mit einem Tütchen vorbei ... Dann machen wir ein Happening ...
Ganz liebe Grüße und danke für Deinen Kommentar!!!
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
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