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Meltemi - 10 Gedichte aus der Ägäis

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"Meltemi - 10 Gedichte aus der Ägäis"
Veröffentlicht am 07. Juli 2020, 28 Seiten
Kategorie Gedichte
© Umschlag Bildmaterial: Pixabay
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Über den Autor:

"Friedemann" ist nur mein Vorname, für meinen Nachnamen "Kriegsfuß" reichte (aufgrund der von myStorys vorgegebenen Obergrenze von 14 Zeichen) leider der Platz nicht mehr. Mein Name besagt, dass ich im Grunde ein sehr friedliebender Mensch bin, der aber verbalen Auseinandersetzungen nicht grundsätzlich aus dem Weg geht. Diese sind gelegentlich die Folge von satirischen Texten, für die ich schon seit meiner Schulzeit (als noch Lehrer und ...
Meltemi - 10 Gedichte aus der Ägäis

Meltemi - 10 Gedichte aus der Ägäis

Vorwort:


Der Meltemi ist ein beständiger thermischer Nordwind in der Ägäis, der durch die meist hohen Luftdruckunterschiede zwischen dem sommerlichen Wärmetief über der türkischen Halbinsel und den Sommerhochs über Südost- und Mitteleuropa erzeugt wird. Auf den Ägäis-Inseln ist er je nach Windstärke sowohl bei den müßigen Sommerurlaubern (als kühlende Brise) wie auch bei Windsurfern und Seglern (als zuverlässiger Starkwind) äußerst beliebt. Beide Aspekte finden sich in den folgenden zehn Meltemi-Gedichten wieder, die zwischen 2009 und 2016 auf unserer Lieblingsinselnsel Naxos verfassst wurden (mit Ausnahme des ersten Gedichts, das ich voller Vorfreude schon vorher schrieb). Die Gedichte bauen nicht aufeinander auf, sie beschreiben unabhängig voneinander manchmal ähnliche Gemütslagen, so dass sich öfters Überschneidungen ergeben.

Meltemi I (Juli 2009) Wenn morgens die Höhen im Sonnenlicht flirren, Konturen in wabernden Schleiern zerfließen, Zikaden zu Tausenden zirpen und sirren, erwachen die sonnengeborenen Brisen. Als Kinder Poseidons geh’n sie auf die Reise und bringen aus Norden erfrischende Kühle. Sie streicheln die Inseln auf zärtliche Weise, verscheuchen die drückende, lähmende Schwüle. Sie kräuseln das Wasser und formen die Wellen, sie schmücken die Kronen mit schneeweißen Fohlen, die spielerisch über den Meeresgrund schnellen, als wollten sie sich frohen Muts überholen. Ich seh’ noch die Wellen im Sonnenlicht flimmern, im rhythmischen Wechselspiel kommen und gehen, ich seh’ sie türkisblau im Gegenlicht schimmern - und freu’ mich, die Inseln bald wiederzusehen.


Meltemi II (September 2009) Die Sonne ist hinter der Insel versunken, doch hat sie ein prächtiges Bild hinterlassen: Der Himmel entflammt und verglüht farbentrunken in Farbtönen, die bald im Dunkeln verblassen. Die sonnengeborenen Winde ermüden, dem Meltemi sind schon die Kräfte geschwunden. Er fächelt als kühlende Brise gen Süden und spendet uns wohlige nächtliche Stunden. Mit ihm sind die Wellen zur Ruhe gekommen, ihr Brausen und Tosen wich leiseren Klängen. Von uns werden sie wie Musik wahrgenommen, die murmelnd und wispernd den Alltag verdrängen. Es scheint uns, als wolle das Meer etwas sagen, erzählt uns womöglich von uralten Mythen. Wir wissen es nicht, und wir können nicht fragen. Doch spüren wir nur mehr unendlichen Frieden.

Meltemi III (September 2010)

Der Meltemi zeigt sich von stürmischer Seite, seit Tagen schon peitscht er das tosende Meer. Er faucht, und er treibt eine mächtige Meute von schneeweißen Fohlen wie wild vor sich her. Sie krönen die Spitzen türkisblauer Wogen und ziehen - so scheint es - den Wellenhang plan. Das Surfbrett zieht lautlos, vom Segel gezogen, am Wellenhang weich wie auf Samt seine Bahn. Fast schwerelos scheint es mit Wellen zu spielen, vermittelt dem Surfer die Leichtheit des Seins. Es lässt ihn den Wind und die Welle erfühlen, Naturelemente und Mensch werden eins. Er öffnet sich ihnen mit all seinen Sinnen, das Rauschen des Meeres wird ihm zur Musik. Für Stunden, die ihm wie Minuten verrinnen, genießt er die Freiheit und spürt pures Glück.


Meltemi IV (August 2011) Die Sonne ist leider schon untergegangen, doch schenkt sie uns noch einen Teil ihres Lichts. Der Mond schickt sich an, dieses Licht einzufangen, als hauchdünne Sichel entwächst er dem Nichts. So zart er auch wirkt, er beginnt bald zu gleißen und spiegelt sich geisterhaft glitzernd im Meer. Ein magischer Anblick. Er geht mit dem leisen und mystischen Raunen des Meeres einher. Wie sanft nun die Wellen am Ufer zerfließen, mit Einbruch der Nacht war der Wind abgeflaut. Der Meltemi schickt nur noch samtweiche Brisen, sie streicheln die Wellen und streicheln die Haut. Der Zauber der Nacht nimmt uns sachte gefangen, erregt alle Sinne und nährt Phantasien, entfacht in uns unterbewusstes Verlangen

und lässt uns ins Reich unsrer Träume entflieh’n.

Meltemi V (September 2011) Die Sichel des Mondes beendet die Reise, verblassend versinkt sie im silbernen Meer. Ich greife zum Ouzo, doch seltsamerweise erweist sich das Gläschen schon wieder als leer. Das mystische Raunen des Meers ist geblieben, noch immer zerlaufen die Wellen am Strand. Sie kommen und gehen in rhythmischen Schüben, seit Urzeiten schon von Poseidon gesandt. Die Sternennacht sieht mich in Träumen verloren, beseelt vom geheimnisvoll flüsternden Meer. Entsteigt ihm, aus Schäumen der Brandung geboren, vielleicht aphroditengleich eine Chimär’ und fühlt sich zur Göttin der Liebe berufen? Dem Träumer zu Diensten im Rausch dieser Nacht? Mag sein, dass die Ouzos dies Traumbild erschufen - mal sehn, ob der Träumer mit Kopfweh erwacht.


Meltemi VI (September 2013) Der Meltemi hatte mal wieder geschwächelt, die Surfsegel lagen heut nutzlos am Strand. Nur spielerisch hat er das Wasser gefächelt und schickte nur magere Wellen an Land. Und dennoch vernahm ich am Abend ihr Raunen, ich mag die Musik, denn sie klingt so vertraut. Im Raunen verrät auch das Meer seine Launen, und was ich da hörte, geht unter die Haut. Es mutet heut an wie bekümmertes Klagen, es wispert und murmelt mit traurigem Klang. Was wollen die Wellen mir hiermit wohl sagen? Es klingt so, als wär’s Nereïdengesang: „Ach Fremder, wo warst Du so lange geblieben? Wir haben Dich alle von Herzen vermisst, weil wir Dich seit Jahren schon insgeheim lieben! Doch freu’n wir uns jetzt, dass Du unter uns bist.“

Meltemi VII (August 2014) Bereits in der Nacht fing der Wind an zu stürmen, die Wolken zu jagen mit heis'rem Gebrüll, und Welle auf Welle zur Wand aufzutürmen, als ob er mit roher Gewalt drohen will. Dem Surfer hat er schon das Surfbrett entrissen und treibt es in neckischem Spiel vor sich her. Der Pechvogel schwimmt hinterher wie verbissen, doch sieht es im Nebel der Gischt fast nicht mehr. Im Spiel mit den Wellen wird er zum Gehetzten. Sie rollen mit Urgewalt über ihn weg, mit der sie sein Segel beim Sturz schon zerfetzten. Er schwimmt gegenan, aber kommt kaum vom Fleck. Doch bleibt er aktiv, statt an Scheitern zu denken - obwohl ihn der Wind schon ins Offene treibt -, um lähmende Panik im Keim zu ertränken. Damit ihm zumindest die Hoffnung noch bleibt.

Meltemi VIII (September 2014) Die Schaumkronen hüpfen von Welle zu Welle, vom Wind - wie im Spiel - übers Wasser geschasst. Als spielten sie mit, hält sie nichts auf der Stelle, sie tänzeln und wirbeln umher ohne Rast. In ihnen verbirgt sich vielleicht Aphrodite, die einst ja dem Schaum dieses Meeres entsprang und die im Olymp - des Regierens wohl müde - zur Selbstfindung sich eine Aus-Zeit erzwang. Die Sonne geht unter, Poseidon geht schlafen, das Meer kommt zur Ruh auf des Meergotts Geheiß. Wo Wellen voll Wucht auf den Uferfels trafen, da wispert’s und flüstert’s jetzt nur noch ganz leis. Ich hör Aphrodite, es klingt wie ein Flehen: „Oh Fremder, wie gern fänd’ ich Zuschlupf bei Dir.“ „Willkommen, oh Göttin! So mag es geschehen, kein Gläubiger weist einer Gottheit die Tür.“

Meltemi IX (September 2015) Die Uhr hat schon längst ihre Hoheit verloren, die Zeitherrschaft liegt hier im Schoß der Natur. In ihm fühlst Du Dich wieder wie neugeboren, genießt Deine Freiheit, von Stress keine Spur. Probleme von gestern sind heut Bagatellen in diesem Rest Eden am Ende der Welt. Den Takt schlägt das rhythmische Tosen der Wellen, das sich zu den Weisen des Windes gesellt. Am Abend ermattet dies Tosen zum Rauschen, der Meltemi streicht nur noch sanft übers Haar. Er reizt Dich, den Liedern des Meeres zu lauschen, und Du wirst verträumt ihres Zaubers gewahr. Das Meer scheint Dir all seine Weisen zu widmen, im Bann seiner Stimmungen hörst Du ihm zu. Im Gleichklang mit diesen verzaubernden Rhythmen kommst Du - und mit Dir - Deine Seele zur Ruh.

Meltemi X (September 2016) Noch einmal dem Zauber der Insel erliegen - der uns schon seit unserer Ankunft umfängt - bevor wir ihm abschiedskrank wieder entfliegen. Dorthin, wo der Alltag das Freisein verdrängt. Noch einmal die Mystik des Meeres erleben, wenn’s spiegelnd im Mondlicht von Mythen erzählt, wenn Träume zum sternklaren Himmel entschweben, von Fernweh und zielloser Sehnsucht beseelt. Noch einmal das Spiel mit den Wellen genießen, die Jagd nach den Fohlen aus schneeweißem Schaum bevor sie gleich wieder zu Wasser zerfließen. Je länger die Welle, je schöner der Traum. Noch einmal hör ich aus dem Wasser dies Flehen: Komm wieder, Du fandest doch hier stets Dein Glück „Ich weiß nicht, ob wir uns nochmals wiedersehen, doch findet zumindest die Sehnsucht zurück.

Nachlese:


Als ich im Juni 2016 Meltemi X als letzten Beitrag zum Meltemi-Büchlein verfasste, ging ich davon aus, dass aufgrund des desolaten Zustands unseres altenWohnmobils (Bj. 1989) lt. TÜV keine weitere WoMo-Surfreise nach Naxos mehr möglich war. Übernachtungen in Hotels, Pensionen oder Campingplätzen werden dort zwar zur Genüge angeboten, doch statt abendlichem Remmidemmi war mir wichtiger, den Tagesausklang in freier Natur am „Ende der Welt“ zu verbringen; d.h. dort, wo man nur noch mit Geländewagen weiterkommt. Doch dann geschah ein Wunder: Meine Werkstätte brachte durch Schweißereien das WoMo doch noch einmal durch den TÜV und ermöglichte mir damit noch eine „wirklich letzte Naxos-Reise“ und mit Meltemi XI auch noch eine Zugabe fürs Meltemi-Büchlein.



Meltemi XI (August 2017) So wohl ist mir wieder wie fünfhundert Säuen: Das Bäuchlein gefüllt und rundum faltenfrei, beginnt nun der Wein mir das Herz zu erfreuen. Ob Rausch oder Nicht-Rausch ist heut einerlei! Der Meltemi wütete nämlich recht kräftig und hetzte die Surfsegel heiß vor sich her. Die alternden Knochen erwehrten sich heftig, verdienten sich redlich ihr Gläschen - und mehr. Die Sonne geht unter und lässt den Wind schwächeln, er fächelt die Wellen nun sanft an den Strand. Sie tänzeln im Mondlicht, ich seh' dort ein Lächeln: Vielleicht Aphrodite? In Liebe entbrannt? Dionysos ist es, der ewige Zecher! Wo Samoswein fließt, lädt er sich gerne ein. Bald lallt er: „Seit Urzeiten leer' ich den Becher am liebsten, Silenos, mit dir ganz allein!“

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Hörbuch

Über den Autor

Friedemann
"Friedemann" ist nur mein Vorname, für meinen Nachnamen "Kriegsfuß" reichte (aufgrund der von myStorys vorgegebenen Obergrenze von 14 Zeichen) leider der Platz nicht mehr. Mein Name besagt, dass ich im Grunde ein sehr friedliebender Mensch bin, der aber verbalen Auseinandersetzungen nicht grundsätzlich aus dem Weg geht. Diese sind gelegentlich die Folge von satirischen Texten, für die ich schon seit meiner Schulzeit (als noch Lehrer und Mitschüler ihre Opfer waren) eine Vorliebe habe. Gemäß meinem Motto - Humor ist das Knopfloch, mit dem wir verhindern können, dass uns der Kragen platzt - kommt hierbei allerdings der Humor (meistens) nicht zu kurz.

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AnneSchrettler 
Lieber Friedemann,
ich bin fasziniert von diesem wundervollen Buch.
Das Tempo des Lesens wird von Gedicht zu Gedicht schneller
und mir ists, als würde ich selbst auf dem Surfbrett stehen
und mich vom Wind übers Meer treiben lassen.
Mit herrlichen Bildern hast du dein Buch geschmückt.
Ganz großes Kompliment!

Lieber Gruß,
Anne
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Anne,
Deine facettenreiche lobenden Worte sind mir eine große Freude. Ich danke Dir herzlichst dafür und auch, dass Du für dieses dicke Buch die lange Lesezeit aufgebracht und zudem noch ein Plätzchen in Deinem Favo-Regal gefunden hast. Schön auch, dass Du es überhaupt ausgegraben und damit in mir die Erinnerungen an diese schöne Zeiten aufgefrischt hast.

Liebe Grüße und gute Nacht,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
AnneSchrettler 
Lieber Friedemann,
da ich mittwochs frei habe und mir dann ein ausgiebiges Frühstück erlauben kann, hatte ich ja genug Lesezeit für dein wunderschönes Buch, dessen Titel mich anlockte. Nun konnte ich auch noch nachträglich wieder Talerchen bringen.
Aber nicht leichtsinnig werden damit :)
Lieber Gruß aus einer kleinen Pause
Anne
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Herzliche Dank, liebe Anne,
für Deine Fütterung meines Sparschweinchens. Leichtsinnig bin ich keineswegs, ich spare ja nur für ein neues Wohnmobil.

Liebe Grüße,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
Gast So schöne Bilder und Gedichte. Du hast mich mit deinem Wind in den Sommer entführt :-)

Lg
Nina
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Nina,
ich freue mich, dass ich ich Dir den Sommer ein wenig näher bringen konnte.

Dankeschön,
sagt Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Lieber Friedemann,
Deine Sammlung habe ich in kleinen Schlucken genossen. Sie ist eigentlich zu schade, um im Internet vergessen zu werden.
Schönen Urlaub wo auch immer wünscht Dir
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Ach Gerd,
die Alternative wäre, die Sammlung noch länger zuhause dem Vergessen zu überlassen. Was ja hier im Internet nun jedoch nicht der Fall ist, ich habe mich sehr über die Resonanz gefreut, teilweise wurde sogar schöneres herausgelesen als ich hineingeschrieben hatte.

Liebe Grüße, gute Nacht und auch Dir herzlichen Dank für Deinen Favo,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
Enya2853 Lieber Friedemann,
das ist eine wundervolle Zusammenstellung von Gedichten und Bildern. Atmosphärisch dicht, zuweilen mystisch, geheimnisvoll, mit erfüllter Sehnsucht und Glück. Ich habe beim Lesen manchmal innegehalten, der eigernen Sehnsucht nachgespürt.
Diese Eindrücke behält man immer, sie sind wie ein Schatz.
Danke fürs Teilhaben-Lassen.
Lieben Gruß in den tag.
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Enya,
auch Deine anerkennende und ausführliche Bewertung ist mir eine große Freude, wie auch Dein fast überladene Geschnkkorb. Meine mystischen und mythischen Beigaben sind vor allem darauf zurückzuführen, dass ich die griechischen Götter und ihre Mythen sehr mag, in denen auch die Insel Naxos eine wesentliche Rolle einnimmt. Theseus wollte hier ja seine Ariadne ehelichen, die ihm auf Kreta mit ihrem Ariadne-Faden dazu verhalf, das Ungeheuer Minotaurus zu töten und aus dessen Labyrinth herauszufinden. Leider wurde nichts aus der Ehe, sodass sich Ariadne mit dem Trunkenbold und meinem späteren Saufkumpan Dionysos begnügen musste. Mit diesen Göttern und Halbgöttern, die gelegentlich Fehler machen und sie auch eingestehen fühle ich mich mehr verbunden als mit den monotheistischen Göttern, die keinen anderen Gott neben sich dulden und sich keines Fehlers bewusst sind (bekanntlich dem größten aller Fehler).


Liebe Grüße,
Friedemann
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