KOTZBROCKEN
Missmutig wie immer saß er auf seinem Lieblingsplatz in der guten Stube und lauschte dem unterdrückten Flennen das seine Frau nebenan in der Küche beim Abwasch erzeugte. Gerade hatten sie zu Mittag gegessen: Schweinebraten, Kartoffeln, Rotkohl und Sauce. Wie an fast jedem Sonntag. Und wie fast an jeden Tag hatte er ihr ein paar saftige Ohrfeigen verpassen müssen. Die blöde ungeschickte Sau hatte mal wieder n Teller zerdeppert. Typisch, dieses blöde
Miststück, war wirklich zu nichts zu gebrauchen. Die konnte echt froh sein das er sie damals überhaupt geheiratet hatte; hätte wahrscheinlich bis heute keinen anständigen Kerl gefunden, so dämlich wie die ist.
Satt aber unzufrieden starrte er vor sich hin. Die massige Wohnwand mit garantiertem Eiche Furnier und dem modischen Flatscreen - Bildschirm war ihm kein rechter Trost in seinem Kummer.
Er trank einen ausgiebigen Schluck Bier, rülpste schwer, und beugte sich nach vorne um kräftig zu furzen.
"Bbbbrrrrpppp...!"
Aber auch das heiterte ihn nicht
sonderlich auf.
Er griff sich die Sonntagsausgabe seiner Lieblings Zeitung vom schäbig gekachelten Wohnzimmertisch und schlug sie auf: Bunte Bilder sprangen ihm in die Augen, reißerische Schlagzeilen verkündeten den täglichen Wahnsinn:
Quarantäne geht weiter:
Schon 136 Infizierte auf dem Seuchenschiff!
Krefeld: Flüchtlings Brüder betrieben
Marihuana Kiosk!
Corona Virus: TV Star schmeißt
Chinesin aus Wohnung!
Raubmord in Solingen (NRW)? -
Rentnerin (76) in ihrem Haus erschlagen!
Mc Donald ´s Chef: Flüchtlingen fehlt
Perspektive auf dem Arbeitsmarkt!
Dazu noch die üblichen Katastrophen: Kriege, Hungersnöte, Wetterextreme und Magersüchtige Modells!
Sein nicht sehr ansehnliches Gesicht verfinsterte sich zunehmend, seine klobigen Finger kneteten seine grobporige Säufernase während er angestrengt darüber nachdachte warum
sich sein geliebtes Vaterland so langsam in einen Vorhof eines chaotischen Höllenlandes wie Packstaan, oder wie das Scheißland hieß, verwandelte.
Nun, sein Verstand war gewöhnlich so lebhaft wie ne Leiche, und das denken strengte ihn tüchtig an. Aber sicher war er sich, das all diese Flüchtlinge Schuld waren. Diese ganzen Kanaken hatten eben keine Ahnung von Sitte und Anstand und harter Arbeit. Nee, die wirklich nicht, die konnten ja machen was sie wollten. Da kümmerte sich kein Schwein drum, nee! Immer nur flott Sozialkohle abgreifen, und nebenbei Drogen verkaufen und deutsche Mädchen belästigen. Kennt man ja. Immer
dieselben. Und dann auch alles von seinen Steuergeldern. Man könnte Kotzen. So ging das zu in seiner Rübe. Eine mehr als einfache Weltanschauung, die hauptsächlich auf Vorurteilen und mangelhafte Bildung basierte. Außerdem quälte ihn die große Frage des wann?
Wann hatte das denn überhaupt alles angefangen so aus dem Ruder zu laufen?
Und wieder kreiste sein trüber Grützkasten angestrengt im Kreise seiner nebulösen Gewissheiten.
Ziemlich sicher war er sich, dass das so Ende der sechziger Jahre gewesen sein muss. Da kamen ja diese ganzen Gammler und Hippies und anderes arbeitsscheues Gesindel aus ihren
Höhlen, rauchten den ganzen Hasch und vergingen sich dann an Minderjährigen. Ja, so war das doch! Und dann diese ganzen Emanzen die was von Gleichberechtigung faselten, ihren Platz in der warmen Küche verließen um gegen männliche Unterdrückung zu demonstrieren. Saupack! Hatten dann ja auch keine Zeit mehr um ihre Gören anständig zu erziehen. Nannten das dann antiautoritetische Erziehung, oder so. Faules Schlampenpack in seinen Augen!
Und das schlimmste?
Natürlich, diese ganzen Kanaken, die Ausländer, Fremdarbeiter; mit ihrem Knoblauch, Spaghetti und Pizza, Fladenbrot, Hammelfleisch und Sirtaki.
Hockten immer zusammen und quasselten in ihren komischen Sprachen, so das ihm ganz schwindelig wurde wenn er ihnen zuhörte. Und verstehen wollten sie ihn auch nicht, selbst wenn er ihnen „Kümmeltürke“ hinterher rief. Blödes Pack!
So langsam dachte er sich in Wut, eine echte Rage kroch ihm aus dem Hemdkragen, er schäumte schier. Er brauchte jetzt n anständigen Schluck.
Er rief nach seiner Angetrauten:
„He, Du Miststück! Bring mir mal die Flasche Korn aus m Kühlschrank! Aber n bisschen plötzlich du olle Fotze!“
Er wartete.
Geschlagene drei Minuten!
Dann kam sie angeschlichen. Wortlos stellte sie ihm die Flasche hin. Wortlos kippte er sich das erste Glas voll. Stumm ging sie wieder an ihre Arbeit. Hoffentlich schmeckt er es nicht, dachte sie, als sie sich leise lächelnd wieder einem schmutzigen Teller widmete.
Text: harryaltona (2020)
Cover: Pixabay