Kurzgeschichte
Nicht jeder...

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"Nicht jeder... hat etwas davon."
Veröffentlicht am 27. Januar 2020, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.
Nicht jeder... hat etwas davon.

Nicht jeder...

NICHT JEDER...

Hotte Pinkelnich erwachte, schlug die verschwiemelten Augen auf und begrüßte die helle Mittagssonne mit einem herzlichen: „Ach du Scheiße!“

Langsam befreite er seinen schwammigen Körper von der speckigen Decke. Ein unangenehmer Geruch stieg ihm in die Nase: Etwas ekliges zwischen altem Schweiß, Käsefüßen und abgestandenen

Fürzen brachte ihn nahe ans Erbrechen.

Er schluckte schwer, spürte seine dicke trockene Zunge im wunden Mund hüpfen. Trinken, dachte er, ich brauch n Schluck, egal was. Die letzte Nacht war wieder einmal heftig gewesen.

Neben seinem Bett lag eine so gut wie leere Flasche Bier. Er hob sie auf, entdeckte noch einen Restschluck und würgte ihn runter.

„Ääääääähhhh!“ Machte er. Der Geschmack ekelte ihn. Doch was sollte man da tun? Und wozu auch? Es war doch eh zu spät für einen eventuellen Neustart; der Zug schon längst abgefahren. Alle Würfel längst gefallen. Und er hatte mehr als einmal gespielt.

Miese Jobs, miese Freunde und Frauen, ein ganzes mieses Leben lag hinter ihm. Denn was sollte sonst noch kommen? Außer noch mehr üblen Scherereien? Immerhin kannte er sich jetzt damit aus, Überraschungen in dieser Hinsicht waren kaum zu erwarten. Obwohl man nie genau wusste was das Schicksal noch für Sauereien für ihn bereit hielt.

Doch auch damit musste er leben.

Denn weiter leben wollte er dennoch, auch wenn der Rest seiner Zeit absolut nichts Neues versprach.

Er schleppte sich ins Bad, pisste in die dreckige Schüssel, gähnte ausgiebig, und betätigte die Spülung. Hände waschen nicht vergessen, ermahnte er sich selber.

Denn trotz aller widerwärtigen Dinge um ihn herum war so ein bisschen persönliche Hygiene wichtig für ihn.

Also wusch er seine kräftigen vernarbten Hände unter dem angenehm warmen Wasser und schaute sich dabei in dem halb blinden Spiegel an. Was er sah war ein hässlicher alter Knacker im Zustand fortgesetzten Verfalls, mit geröteten Augen, aufgedunsener fahler Haut, Bartstoppeln und einem fiesen Mund.

Scheußlich, dachte er.

Im besonderen machten ihm seine Augen Angst. Dieser hoffnungslos leere Blick eines am Leben Gescheiterten starrte ihm entgegen, müde und unendlich traurig über die Tatsache das sein Dasein in

immer gleichen Bahnen verlief. Angewidert von seinem Anblick riss er sich los und schlurfte in die Küche. Er aß eine kalte Kartoffel die auf einem schmutzigen Teller überwintert hatte und beäugte das zunehmende Chaos in dem kleinen Raum. So schnell wie ihm möglich verließ er diesen Ort des Grauens.

Zurück in seiner Stube hockte er sich auf sein Bett, rauchte eine Zigarette und sinnierte über das Leben im allgemeinen und sein persönliches im speziellen:

Nicht jeder wird als König geboren, das ist klar; Nicht jeder hat das Talent um als Musiker, Maler, Bildhauer oder Dichter zu glänzen. Nicht jeder besitzt ein

einzigartig skrupelloses Geschäftsverständnis um als Topmanager die Leute reihenweise übers Ohr zu hauen. Nicht jeder besitzt diese monströse Gier um als Börsenmakler das Geld anderer zu verzocken. Nicht jeder ist ein notorischer Lügner und Intrigant um in der Politik Karriere zu machen. Nicht jeder wird als eitler arroganter Milliardär geboren. Und nicht jeder wird als selbstverliebtes Arschloch geboren das im Fernsehen ganze Völker  verarscht.

Nee, sicher nicht.

Doch auch sicher ist: All wir anderen, wir können uns jeden verdammten Tag, den wir in der Tretmühle unserer

Existenz überleben betrinken, wir können singen, tanzen, lieben und lachen ohne schlechtes Gewissen gegenüber unserer künstlich errichteten sozialen Hierarchie haben zu müssen. So oft und  soviel wir wollen!

Und mit dieser fabelhaften Erkenntnis über das Glück legte er sich wieder hin und summte ein Lied bis er einschlief.

Nicht jeder erkennt das wahrhaft Schöne und Gute im Leben. Text: harryaltona (2020) Cover: Pixabay

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KaraList Bärbels Kommentar spricht mir aus dem Herzen. Dir gelingt es, authentisch das Millieu des kleinen Mannes, des Verlierers zu beschreiben. Auch wenn Dein Protagonist seine Situation selbst verschuldet hat, "hauchst" Du ihm immer noch ein Fünkchen "Liebenswürdigkeit" ein.
Eine tolle Geschichte, Harry!
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Nun, Niemand ist so tief unten das er nicht auch ein wenig Liebenswürdigkeit verdient hat.
Tausend Dank, Kara!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Ach, so bißchen Hotte steckt doch in uns allen, mindestens ab Midlife. Oder halt, wenn ich mir so manchmal "die Jugend heute" ansehe...
Mit dem lächelnden Ende hast Du mich überrascht.

Darauf sogleich ein Astra.
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Aber bitte Rotlicht. Schmeckt am Besten. Ach... und die Jugend...die glauben alles zu können und zu wissen... aber in dem alter war ich auch nich anders... nur jetzt glüh ich härter vor als die Party machen!
Tausend Dank, Gerd!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Das schmeckt wirklich sehr fein, und dieser sahnige Schaum... Hab Deinen Tipp sofort befolgt. Dagegen der von Friedemann (Hemingway wiederlesen) wartet noch bißchen.
Schönen Abend, und glüh nicht zu sehr.
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Sehr gut. Und Hemmie wartet sicher gerne noch ein Weilchen.
Prost!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hotte Pinkelnich ... er könnte einem fast leid tuen, aber eben nur fast. Wie eine Typische Harry Geschichte.
LG
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Mitleid braucht der Nicht, der Hotte. Eher ne sinnvolle Aufgabe, nen neuen Lebenstraum.
Tausend Dank, Angie!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Die Resignation hast du super beschrieben, wie er da so in den Spiegel schaut und kurz etwas aufflackert, Ekel über den eigenen Zustand ... aber dann doch wieder das Selbstmitleid die Oberhand gewinnt.
Liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Selbstmitleid ist wohl der zweite Vorname jedes Trinkers. Zumindest hin und wieder. Aber auch die tiefe Wahrheit kommt mal an die Oberfläche, hin und wieder...
Tausend Dank, Merle!!!
lg... harryaltona
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