Blockchain
Sinici Roca, der Läufer, hechelte. 30 Kilometer lagen hinter ihm, 25 Km vor ihm. Diese Strecke war für einen Inka Profi, einem Überbringer von Botschaften, durchaus an einem Stück zu schaffen. In der leichten Tasche befanden sich Schnüre. Ihm war es Wurst was sie bedeuteten, dem Empfänger keineswegs. Die Schnüre, die Knoten hatten, verrieten eine Botschaft. Es kam darauf an durch wie viele Schnüre, durch die Anzahl der Knoten, die in bestimmten Abständen geknüpft und wie sie eingefärbt waren, die Botschaft gesendet wurde.
Diesen Schnur- und Knoten-Kuddelmuddel hatten die Inkas erfunden. Damit wurden
Lieferungen, Geschäfte, Preise, amtliche Anordnungen und auch Grüße der Lieben übermittelt. Der Empfänger konnte diese Botschaft übersetzen und bekam die gewünschte Information.
Diese Kommunikation der Inkas wird heute als die Idee des Jahrtausends umjubelt. „Blockchain!“
Der Traum von fälschungssicherer Übertragung macht die Runde. Blockchain wirkt einerseits narkotisierend, andererseits als Schrulle und wird schließlich von Skeptikern als hirnrissige Utopie abgetan.
Und so sehr sich die Nerds aus der IT-Branche begeistert zeigen, fragt man sie, was denn eigentlich Blockchain sei, so wird man nur von verschwurbelten Schlagworten
erdrosselt: dezentralisierte Datenbanken“, „Knoten“, „Hash-Algorithmen“ oder „Transaktionsketten“.
Da hätten uns die Inkas nur müde angelächelt, wenn wir ihre Memoiren lesen könnten. Leider sind aber so wenige Schnüre übrig geblieben, dass die Entschlüsselung uns wahrscheinlich nicht mehr gelingen wird. Cortez und Konsorten haben diese Schnüre massenhaft vernichtet, weil es indianischer Humbug sei.
Wenn Cortez gewusst hätte, dass er sich an Blockchain vergriffen hatte.
Aber wieso nun der Vergleich mit den Inkas?
Fangen wir mit der wörtlichen Übersetzung an:
Block = Block, Chain = Kette (und Knoten, die
miteinander verbunden sind).
Den Block muss man sich wirklich als Notizblock vorstellen, als Kassenbuch, wenn man an eine Art Buchhaltung denkt.
Bis jetzt ist auch noch nicht viel klarer, also probieren wir es mit der Kommunikation der Inkas. Beginnen tun wir mit Manco Capac, einem Inka Fürsten, der sich mit Cuyochi trifft, ebenfalls Machthaber eines Inka-Gebietes. Beide haben ein Hölzchen und Kerben es ein. Die Kerbe steht für die Übertragung von 10 Kriegsgefangenen. Alles in Ordnung und sie trennen sich wieder. Nun kann weder Capac, noch Cuyochi ihre Hölzchen manipulieren, denn sobald die Hölzchen verglichen werden, kommt die Veränderung ans Tageslicht. Falls die Beiden weitere Güter austauschen, dann
bekommen die Hölzchen weitere Kerben. Das wird vor lauter Kerben irgendwann sinnlos. Nun kam die Erfindung der Schnüre zum Einsatz. Eine Hauptschnur, an der verschiedene Schnüre angeknüpft sind. Die erste Seitenschnur hat einen Knoten für die Kriegsgefangenen, die nächste Seitenschnur für Salzübergabe, usw. Werden wieder Gefangene ausgetauscht, kriegt eben die erste Seitenschnur wieder einen neuen Knoten.
Im Moment haben nur Capac und Cuyochi Kenntnis über ihren Handel. Wenn nun aber alle Inka Fürsten über die Transaktionen der beiden Bescheid wüssten, weil sie eben genau dieselben Schnur Reihen bekommen hätten, dann wäre jeglicher Betrug
ausgeschlossen, wenn man die Schnüre Aller vergleichen würde.
Blockchain der Inkas.
Ganz einfach ausgedrückt nehme ich ein griffiges Beispiel, das dem heutigen Prinzip des Blockchain entspricht. John übergibt Susi einen Geldbetrag. Hunderte von Leuten sehen dabei zu. Jeder dieser Leute notiert: John übergibt Betrag, zu welcher Zeit, Susi erhält Betrag, Zeit, das habe ich gesehen und bestätige es. Auch John und Susi notieren es auf ihrem Kassenbuch. Besteht bei nur einem der 102 Beteiligten ein Unterschied in der Notiz, stimmt etwas nicht und es kann genau nachgeforscht werden, wo die Unregelmäßigkeit entstanden ist.
Das Interessante ist, dass diese einhundert
Beobachter nicht wissen, wer Susi und John wirklich sind. Sie sind einfach nur ein Datensatz, ein Block mit dem Namen Arw75341. Susi zahlt in Raten zurück. Die erste Rate wird unter Arw75341 notiert. 100 Leute bestätigen das in Arw75341. Susi bestätigt, dass sie gezahlt hat und schließlich bestätigt John, dass er die Rate bekommen hat. Diese Bestätigung erhalten auch die 101 anderen Kassenbücher, der Block stimmt, alles in Ordnung.die doppelte Buchhaltung wird zur hundertfachen, tausendfachen Buchhaltung.
Und wenn wir das genau betrachten, so ist Betrug damit praktisch ausgeschlossen. Irgendeiner der 102 Beteiligten würde es merken. Auch Hacker haben keine Chance
mehr, denn sie müssten alle 102 Beteiligten auf genau dieselbe Weise manipulieren, sonst stimmen die 102 Blocks nicht mehr überein. Manipulation ausgeschlossen! Wirtschaftsverbrechen auf dem Scheiterhaufen?
Zu schön, um wahr zu sein.
Bei unserem Beispiel drückt John Susi das Geld natürlich nicht direkt in die Hand, sondern legt es in einem elektronischen Briefkasten ab, einem Wallet, denn John und Susi sind sich natürlich nie begegnet. Und ob John Siemens ist oder Susi die chinesische Firma Cuatong, ist unbekannt, es sei denn Cuatong gibt sich zu erkennen, weil es Cuatong so will, um zu dokumentieren, wie zuverlässig diese Firma ist.
Nehmen wir also eine solche Transaktion, die über Blockchain ablaufen würde. Eine Schiffsladung Waren kommt an. Über Barcodes wird der Empfang betätigt, ins Kassenbuch, in den Block eingetragen. Niemand kann mehr behaupten, dass es nicht angekommen sei. Der Block von tausenden Servern stimmt überein. Dasselbe gilt für Überprüfungen. Der Zoll hat untersucht, wann, wer, was zu welcher Zeit, alles wird in den Block eingetragen. So erspart man sich hunderte von Papierunterlagen und natürlich auch die Logistiker in den Häfen. Eine sensationelle Vernichtung von Arbeitsplätzen. Auch der Gewinn von Zwischenhändlern entfällt, weil Alfred, der pensionierte Bahnwärter, direkt mit Microsoft eine
Blockchain Transaktion über die Software "Flugsimulator" abgeschlossen hat. Der Umweg über Mediamarkt oder Amazone wird überflüssig und billiger ist es außerdem.
Tja, durchsichtige Geldtransaktionen, die überprüfbar sind, die Heimlichtuereien aufdecken würden, da schlagen die Alarmglocken der Banken. Das ist nicht nur ein laues Lüftchen durch die Baumwipfel, da sehen sie schon fast die Nacht über sich heraufziehen. So schöne Veruntreuungen, wie bei der Bankenkrise, vor allem die illegalen Gewinne in die eigene Tasche zu stopfen, wären unmöglich.
Schon Bitcoins, praktisch der erste erfolgreiche Blockchain, ist ihnen ein Dorn im Auge. Sie sind bei dieser Kryptowährung
außen vor, können keine Gewinne für sich abschöpfen.
Angst poppt in diesen „noblen“ Kreisen auf, wie zum Beispiel bei der deutschen Bank, die ganz salopp erklärt, dass über 2 Milliarden Strafgelder pro Jahr sich immer noch rechnen, weil die illegalen Gewinne sowieso um ein vielfaches höher liegen. Unrechtsbewusstsein ist natürlich null.
Zwischenhändler nicht mehr nötig, nur noch das Transportwesen?
Das alles killt Blockchain?
So sehr wir also jetzt von dem Prinzip begeistert sein mögen, so sehr steckt die technische Umsetzung noch in den Kinderschuhen. Der Block plustert sich auf, selbst wenn man bedenkt, dass gewisse
Dinge über Wallets, über Datenbriefkästen, ausgelagert werden. Die Blocks sind identisch tausendfach vorhanden und die Blocks selbst nehmen fortlaufend zu. Wer soll im Endeffekt all diese Datenflut speichern? Klar, tausende Serverknoten, klar einzelne PCs sind nur über eine aktuelle Kette (Hash) verbunden, der aktuelle Transaktionsblock wird nur angehängt, wie bei den Inkas die Knoten und Seile, trotzdem summiert sich der Datenverkehr astronomisch! Die Anzahl der Datensätze gehen schnurstracks gegen Unendlichkeit. Irgendjemand muss diese Datensätze insoweit warten, als nämlich Datensätze auch wieder gelöscht werden müssen, zum Beispiel, wenn die Zeit über 10 Jahre zurückliegt. Wer hat nun die Gewalt
über diese Knoten?
Da haben die Banken eine sensationelle Idee. Sie würden die Server und deren Unterhalt finanzieren und sich um das Löschen kümmern. Prima! Genau diejenigen, denen man Handschellen gegen Missbrauch anlegen will, wären dann Herrscher über die Blocks? Das nenne ich den Bock zum Gärtner machen.
Als Resümee: Die Vorteile von Blockchain sind umwälzend, grandios und revolutionär in der Datenwelt. An Effizienz von Geschäftsabwicklungen, gleich, welcher Art, ist Blockchain unübertroffen, vor allem deshalb, weil durch die dezentralisierte Datenhaltung „Vertrauen“ praktisch garantiert wird. Es gibt noch viele technische, juristische
und logistische Hürden zu nehmen. Je mehr Server involviert sind, desto mehr Energie wird verbraucht, um sie zu unterhalten. Woher? Kühle, ganze Stollen, Bergwerke sind bereits angemietet. Strom ist in Unmengen vonnöten. Und was ist, wenn Stromausfälle gewisse Blocks vorübergehend ohne Netz dastehen lassen. Dann stimmen die Blocks nicht mehr überein. Chaos ist vorprogrammiert, wenn es dazu keine Lösung gibt.
Außerdem:
Wie die Geschichte der Menschheit zeigt, werden Verbrecher trotzdem Mittel und Wege finden, ein als sicher gepriesenes System zu unterlaufen.