Verräterische Geräusche
Jurybeitrag zur Schreibparty 73 - außer Wertung
Vorgabewörter:
Keller, leise,
kratzen, Spiel,
Handy, Glucksen,
Atem, explosiv, taub
Stoff aus dem Träume sind
Als Thomas P. völlig außer Atem Zuhause ankam, war er noch immer
von seinem Vorhaben überzeugt. Er
fand seine zündende Idee keine Spur
zu überspannt. Seine Magengegend rumorte verdächtig, denn der
Mittvierziger hatte wieder die Bilder
der frierenden Wirtin vor Augen und wollte dringend Abhilfe schaffen.
Es ist inzwischen dunkel und bitterkalt geworden. Er streifte die Stiefel im Hausflur ab und kramte den Schlüssel zur Wohnung raus. Auf leisen Sohlen schlich Thomas sich hinein, als seine
Tochter plötzlich vor ihm stand und mitbekam, wie er die Jacke seiner Frau ergriff und sich damit davonmachen wollte. "Wo willst du denn mit Mamas Jacke hin?", fragte das Mädchen neugierig. "Ach, nur so, bin gleich zurück", druckste Thomas und musste
ein verräterisches Kichern unterdrücken. Sein Herz pochte so laut, dass er schon befürchtete, sie konnte es hören. Die Stille zwischen Vater und Tochter wurde für den Augenblick ohrenbetäubend laut. Argwöhnisch schaute Melanie ihrem alten Herrn nach, der ohne weitere Erklärung zügig die Wohnung verließ. Wie hätte er ihr auch beschreiben sollen, was gerade in ihm vorging?
Um zeitnah auf dem Weihnachtsmarkt zurück zu sein, beschloss Thomas Rad
zu fahren. Er rannte also die Treppe hinunter in den Keller. Gerade als unser hilfsbereiter Freund den Lichtschalter betätigte, krachte die Tür hinter ihm lautstark ins Schloss und etwas Metallisches zu Boden. Das Licht
blieb aus. Es war stockfinster. Thomas ertastete zähneknirschend mit dem Fuß die Türklinke am Boden. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Er hielt kurz inne, als er ein Scharren bzw. kratzendes Geräusch vernahm. "Ist da wer?" Keine Reaktion. Dann einige Augenblicke später ein merkwürdiges Gurren aus der hinteren Ecke des
Raumes. Da war doch was! Ich werde noch bescheuert! Weil er sich schließlich in Zeitnot befand, hatte er überhaupt keinen Nerv für diese Art von Spielchen. Seine Finger hämmerten ungeduldig gegen die Wand. Dann fiel ihm sein Handy ein. Das hatte doch Licht und er könnte endlich klären, was es mit diesen Geräuschen auf sich hatte. Noch bevor er sein Smartphone zücken konnte, streifte ihn etwas am Arm. Ein Schauer lief ihm eiskalt den Rücken herunter. Sein Herz raste.Verdammt, das war doch lächerlich! Endlich aktivierten seine zitternden Finger die Lampe. Die kleine Funzel reichte, um Licht ins Dunkel zu bringen. Knirsch, Knacks, Krach..,
Eine Taube hatte sich hier in den Keller verflogen. Sie kauerte in der hinteren Ecke. Thomas steckte die Klinke wieder ins Schloss und öffnete schwungvoll mit einem Seufzer der Erleichterung die Tür. Auch der Vogel nutzte die Chance, um in die Freiheit zu fliegen. Wie gut, dass die Außentür offen stand. Nun aber nichts, wie los! Thomas verstaute noch schnell die Jacke in der Gepäcktasche und schwang sich auf sein Rad. Wie ein Wilder jagte er durch´s Schneegestöber. Endlich war unser Herr P. wieder bei der Bude mit dem Punsch angekommen, als dieser die Jacke ergriff und damit so heftig wedelte, bis die verdutzte Wirtin auf ihn aufmerksam wurde. Sie lächelte,
lachte schließlich verheißungsvoll glucksend und meinte dann zum nächsten Kunden: "Schauen Sie! Ist er nicht süß? Der junge Mann dort bringt mir eine Jacke. Ich habe meine nämlich heute vergessen und bin schon ganz durchgefroren." Wohl wissend grinste dieser und trat einen Schritt zur Seite. "Da bist du ja wieder!", raunte die adrette Frau Thomas heiser zu. Der übergab die wärmende Jacke mit den Worten: "Die müsste passen." Die Wirtin zog ihn nah zu sich heran und gab ihm dankbar einen lauten Schmatzer. Die Wartenden schauten einigermaßen verwirrt drein. Was ging denn hier ab? Thomas feixte: "Wir sehen uns Zuhause,
Schatz!"
Wie er diese Spielchen liebte. Seiner Frau zu begegnen, als wären sie sich fremd, schaffte eine unglaublich explosive Atmosphäre und hielt ihre Liebe frisch. Das konnte er jedem Paar nur wärmstens empfehlen. Er winkte der Angebeteten noch einmal und fuhr ein Liedchen pfeifend zufrieden heim.
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