Kurzgeschichte
Hundsrosensommer

0
"Hundsrosensommer"
Veröffentlicht am 21. Oktober 2018, 16 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: redcollegiya - Fotolia.com
http://www.mystorys.de
Hundsrosensommer

Hundsrosensommer

Hundsrosensommer

Da steht sie. Schlank, blond, wunderschöne braune Augen, und sie lächelt mich an. Völlig hingerissen laufe ich ein paar Schritte auf sie zu, als meine Traumfrau plötzlich komische Geräusche von sich gibt. Es hört sich an wie Caros Handywecker … Es IST der Handywecker. Und das mitten in der Nacht! Fragend schaue ich Caro an, die putzmunter aus dem Bett springt, ganz gegen ihre Gewohnheit, und mir zuruft: „Los, Paul, aufstehen! Ab in den Urlaub!“ Ja, davon hatte sie gestern schon gesprochen, als sie die Koffer packte.

Sonne, Strand und Meer. So wie das aus ihrem Mund klang, musste es was Tolles sein. Ich beschließe, mich ebenfalls zu freuen. Ich bin ganz aus dem Häuschen vor Freude, bis Anna mir auf die Pfoten tritt. Also Anna ist die Tochter von Caro. Sie wohnen bei mir. Ich bin Paul, ihr Hund. Die beiden sind so beschäftigt mit ihren Koffern, Taschen und allem möglichen anderen Kram, dass sie mein Protestgeschrei gänzlich ignorieren. Auch dass ich eigentlich noch mal muss, bevor sie mich ins Auto verfrachten, interessiert sie herzlich wenig. Immer diese Hektik. Kommt bei mir gar nicht gut an. Wolfsspitze sind

gemütlich. Caro gibt Gas, und ich ergebe mich in mein Schicksal und döse vor mich hin, in der Hoffnung, noch mal von der blonden Schönheit zu träumen. Aber kaum habe ich die Augen geschlossen, als ich schon wieder geweckt werde. „Komm raus, Paulchen, wir sind da!“ Endlich kann ich das Bein heben. „Hey, nicht auf den Koffer pinkeln!“ Schon gut, falsch gezielt, kann ja mal vorkommen. Sie ziehen die Koffer hinter sich her und ich sie an der Leine. Auf dem komischen Ding, das wohl „Fähre“ heißt, sehe ich nur Menschenbeine und ab und zu den Kopf

eines Artgenossen. Meine Güte, ist das voll. Als es unter mir auch noch anfängt zu vibrieren, wünsche ich mir den Urlaub in meinem Wald und hätte die vielen Beine am liebsten gegen Bäume ausgetauscht. Zu allem Überfluss dröhnt über mir das Schiffshorn. Zum Glück fühle ich zwei Hände auf meinen Ohren. Danke, Anna! Als wir endlich ankommen und sich die Menschenmasse ein wenig verlaufen hat, geht es mir besser. Ich schnuppere. Gut riecht es hier. So gar nicht nach Autos, nur leicht nach Pferden (die mag ich), nach Fisch (noch lieber) und nach anderen Hunden. Da war doch direkt vor meiner Nase eine ganz tolle Spur

… „Falsche Richtung, Paul, wir müssen da lang“, lacht Caro. War klar. Bis zu unserer Wohnung ist es nicht weit. Eine uralte Hündin hat hier ihr Revier. Sie ist ganz nett, aber spielen, geschweige denn toben, will sie nicht. Also lasse ich sie in Ruhe und inspiziere meine neue Hütte. Caro und Anna stellen was zu fressen und Wasser hin, und als mein Ball auf mich zurollt, ist der ganze Stress der letzten Stunden komplett vergessen. Sie haben nicht zu viel versprochen. Der Strand ist klasse! Ich darf über den weichen Sand hechten, bis mir die Luft

ausgeht, tiefe Löcher buddeln und gegen die Wellen anlaufen. Ich kann schwimmen, sogar tauchen, aber es gehört nicht wirklich zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Wasser ist gut, am besten immer mit festem Grund unter den Pfoten. Anna versucht oft, mich zu locken, nur sobald es tiefer wird, kehre ich um. Ich freunde mich mit Herrn Meier an, einem sehr netten Labrador. Er ist ein paar Jahre jünger als ich und dementsprechend ständig in Bewegung, aber er teilt sämtliche Leckerchen mit mir, und schon allein dafür mag ich ihn. Es ist frühmorgens, als ich mit Caros

Tochter Anna zum Strand gehe. Sie will unbedingt den Sonnenaufgang fotografieren und macht komische Verrenkungen für möglichst schöne Bilder. Ich muss auch mit aufs Bild, und eine Weile sitze ich artig vor der Kamera. Schließlich wird mir das zu langweilig. Der riesige Sandkasten, den ich scheinbar ganz für mich habe, ist zu einladend. In Rekordzeit renne ich zum Wasser und lasse mich vom Wellenschaum kitzeln. Nach einer Weile erinnere ich mich wieder an Anna und blicke zu ihr hin, aber sie ist noch immer mit ihrer Kamera beschäftigt. Und dann traue ich meinen Augen nicht

... Da steht sie. Schlank, blond, wunderschöne braune Augen, und sie lächelt mich an. Völlig hingerissen laufe ich ein paar Schritte auf sie zu. Das Mädel lässt mich sogar seelenruhig an ihrem Hinterteil schnuppern. Alle Achtung! Die meisten Damen zicken ziemlich rum, wenn ich das versuche. Und da habe ich einige Erfahrung. Neckisch streckt sie ihre Vorderbeine aus, ganz eindeutig eine Aufforderung zum Spielen. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Sie rennt ins Wasser, ich hinterher. Ich muss schwimmen, um sie einzuholen, aber das macht mir plötzlich gar nichts mehr aus. Im

Gegenteil! „Sheila!“ Ihr Mensch ruft nach ihr. Mike heißt er, und er ist wohl ungefähr im gleichen Alter wie Caro. Die ist übrigens schon 40, also ziemlich alt, aber das hört sie nicht gerne. Immerhin scheinen Caro und Mike viel Spaß miteinander zu haben, so wie ich mit Sheila. Den Rest des Tages verbringen wir Seite an Seite. Wir tollen am Strand herum, springen zusammen ins Meer und liegen nebeneinander auf dem Rücken, um uns die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Gegen Abend laufen wir alle gemeinsam zurück, und es stellt sich heraus, dass unsere Ferienwohnungen praktisch

gegenüber liegen. Die nächsten Tage sind einfach fantastisch mit Sheila. Unsere Menschen machen lange Ausflüge mit uns, und Caro scheint wohl mit Mike ihren Traummann gefunden zu haben, so wie Sheila eben mit mir. Kurz bevor wir wieder nach Hause müssen, passiert es. Sheila und ich spielen Fangen am Strand. Sie ist meistens ein wenig schneller als ich, aber ich gebe alles, um sie einzuholen. Dieses Mal dauert es besonders lange. Na ja, vielleicht habe ich ihr auch ein bisschen mehr Vorsprung gelassen. Damen gegenüber muss man ja

auch ab und zu so tun, als würde man verlieren. Ich blicke kurz zurück. Caro und Mike sehen von weitem aus wie händeringende Ameisen und scheinen irgendetwas zu rufen. Aber ich höre nichts und habe nur Sheila im Kopf, die jetzt noch mehr Abstand gewinnt. Als mir schon die Zunge aus dem Maul hängt, schaffe ich es schließlich. Siegessicher grinst sie mich an. `Na, bist du auch schon da?` Mir steigt ein Duft in die Nase, den ich hier schon mal gerochen habe. Eine Gaststätte, wo es uns gut gefallen hatte. Das Aroma von Grillfleisch zieht uns an. Menschenbeine unter Bänken, wohin wir auch sehen. Die Leute werden auf uns

aufmerksam. „Guck mal, wie süß, die beiden!“ Offenbar meinen die uns. Unsere Blicke sind wohl so unwiderstehlich, dass wir einige Knochen zugesteckt bekommen. Plötzlich schießt ein Hund, den wir bis jetzt nicht bemerkt haben, auf uns zu und will Sheila ihren Knochen wegschnappen. Ich gehe dazwischen, aber sie ist so erschrocken, dass sie das Stück fallen lässt, schnell wie ein Blitz das Weite sucht und hinter einer Düne verschwindet. Der andere Hund versucht ihr zu folgen, aber ein Scheinangriff von mir bremst ihn aus. Hinterher, denke ich nur und laufe in die Richtung, in der Sheila verschwunden ist. Von meiner

Freundin ist nichts zu sehen. Ratlos stehe ich da. Wo bist du? Hier werde ich sie nie finden! Ich bin drauf und dran aufzugeben … Aber dann besinne ich mich auf meine Talente. Caro sagt immer, ich sei ein erstklassiger Spürhund. Also muss ich Sheilas Fährte suchen. Wild schnüffele ich am Boden … nichts! Ich lief zurück … da war auch nichts … Oder? … Moment mal … Doch, eindeutig Sheila! Ja, hier ist sie hergelaufen. Ich folge ihrer Spur. Weil es schon dunkel ist, sehe ich sie erst, als ich fast direkt vor ihr stehe. Sie hinkt, als sie auf mich zukommt, und zittert ein wenig. Besorgt

schaue ich mir ihr Bein an. Es scheint nichts gebrochen zu sein, vielleicht hat sie sich nur vertreten. Langsam humpeln wir zurück, das heißt, Sheila humpelt und ich laufe normal. Wir finden den Weg zum Strand. Beim Laufen lässt das Hinken etwas nach, trotzdem dauert es ewig, bis wir den Hundestrand erreichen. Von Caro oder Mike ist nichts zu sehen, und wir beschließen, bei unseren Ferienwohnungen zu warten. Kaputt und hundemüde, wie wir sind, fallen uns bald die Augen zu. Bis wir von aufgeregten Stimmen wieder geweckt werden. „Da sind sie ja!“ Später erfahren wir, dass Caro und Mike uns gefolgt sind. Da sie aber einen

anderen Weg einschlugen als Sheila und ich, konnten sie uns natürlich nicht begegnen. “Wenn ihr das noch mal macht,kommt ihr ins Tierheim!“ schimpft Caro. Sheila sieht mich mit ihren schönen braunen Augen an. Keine Sorge, Mädchen, die macht nur Witze.

0

Hörbuch

Über den Autor

AnneTheke

Leser-Statistik
12

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
tooshytowrite Hunde, Meer und Urlaub...
Ich freu mich auf Deine nächste Bücher!
LG
tooshytowrite
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Mir gefällt's auch sehr gut. Du schreibst flott, humorvoll und sprachlich korrekt. Letzteres ist hier schon bemerkenswert. ;-)

LG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Der Hund Paul und seine Ferienabenteuer - lustig und unterhaltsam. Hundeliebhaber werden sich an der Geschichte erfreuen.
Gern gelesen
Gruß
Willy
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
3
0
Senden

159703
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung