Kurzgeschichte
SCHLAF

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"Und andere Köstlichkeiten"
Veröffentlicht am 05. August 2018, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.
Und andere Köstlichkeiten

SCHLAF

SCHLAF

So lange ich mich zurück erinnern kann hab ich das schon immer gerne gemocht: Schlafen!

Tief und fest und ausgedehnt!

Schon im Kindergarten war ich stets der Erste der Mittags flach lag, und der Letzte den man nachmittags zum Spielen rausschmiss. Nur widerwillig tobte ich dann mit meinen Altersgenossen herum.

Immer bereit für eine kleine Pause unter einem schattigen Baum, um für ein paar kostbare Minuten die Augen zu schließen.

Nie gab es Probleme mich Abends ins Bett zu schicken, verriet mir meine Muddi bei jeder Gelegenheit. Und immer mit so einem kleinen Anflug von Stolz auf ihre mütterliche Fürsorgepflicht und mütterliche Sorgfalt.

Hätte aber gar nicht Not getan.

Ich wäre auch freiwillig pennen gegangen.

Der Schlaf war mein Freund. Denn er versorgte mich mit himmlischen wundervoll magischen Träumen.

Denn Freunde waren höchst selten in

meinem Leben. Ich war ein kauziger Eigenbrötler, schüchtern, verklemmt und verkorkst. Am wohlsten fühlte ich mich mit mir selbst und in meinen schläfrigen Träumen.

In der Schule wurde es auch nicht besser mit mir. Immer tiefer verkroch ich mich in mein Innerstes und flüchtete immer öfter in tröstliche Tagträume. Auf meinen eher durchschnittlichen Zeugnissen war öfters vermerkt, dass ich nur durch geistige Abwesenheit auffiel.

Was mich nicht sonderlich störte.

In meinen Träumen war ich ja stets ein anderer: Ein vorbildlicher Schüler, umgänglich und allseits beliebt; Ein richtiger Superheld mit Superkräften, der

uneigennützig die Schwachen beschützte und die Welt rettete.

Schöne Träume, die mit ihren wirren Absurditäten meinen grauen Alltag kräftig aufhellten. All die groben Hänseleien, rüden Beleidigungen und feindseligen Attacken verschwanden vollkommen, wenn ich Abends in meinem knarrenden Bett lag.

Die Zeiten wurden härter. Schule gelaufen. Doch es musste weiter gelernt werden. Das bedeutete noch etwas früher aus meinem seligen Schlaf zu steigen. Tage voller Arbeit, lernen und nervigen Kollegen, einem trotteligen Chef und zermürbenden Tätigkeiten warteten.

Mein Schlaf wurde zu einem komatösen

Abtauchen in die rein körperliche Erholung. Traumlos und öde.

Und mit den Jahren wurde es immer schlimmer.

Wehrdienst. Lustig verkleidet als uniformierter Verteidiger unserer Kultur und den fadenscheinigen Werten unserer demokratischen Zivilisation, litt ich an akutem Schlafmangel. Dieses ständige Marschieren, blödsinnige Übungen und das mächtige Gebrüll unserer beknackten Vorgesetzten machten mich nur schrecklich müde.

Schlaf wurde zur Mangelware.

Wenn ich in einer eisig kalten Nacht, einsam und allein in einem kümmerlichen Erdloch hockte, dann überkam mich

regelmäßig eine ungeheure Müdigkeit. Doch pennen durfte man dort nicht. Und wenn man  doch so ein wenig schlummerte, dann wurde man fürchterlich angeschnauzt. Man hätte meinen können der Weltfrieden hinge von meiner Wachsamkeit ab.

Nie zuvor hatte ich mich so sehr nach einer Mütze Schlaf gesehnt.

Also nicht sonderlich erwähnenswert, dass ich mich nach meiner Entlassung erst einmal tüchtig ausschlief.

Doch im Schlaf gelingt es nur den wenigsten Menschen Geld zu verdienen. Und Geld brauchte man nun mal, wenn man in dieser Welt halbwegs anständig überleben wollte. Das gefiel mir nicht

sonderlich gut. Denn Arbeitszeit ging von meiner Schlafenszeit ab.

Besonders in den Nachtschichten kroch mir der Ärger über den verpassten Schlummer heftig ins Gemüt. Überall wo ich ackern musste, auf den Werften, Industrieanlagen und Werkhallen, fiel ich hauptsächlich durch meine morgendliche Übellaunigkeit auf. Man sprach mich am Besten gar nicht erst an, denn sonst...

Die Wochenenden verpennte ich gründlich. Meine herrlichen Schlummerorgien wurden nur durch Nahrungsaufnahme, Stuhlgang, Eigenreinigung und die gelegentlichen Besuche diverser Freundinnen gestört.

Und so lange sich diese Besuche in Grenzen hielten, konnte ich damit leben. Allerdings schien sich so manches in unserer Welt zu verändern, wie ich aus mehr oder weniger wichtigen Gesprächen entnehmen konnte. Könige starben, neue wurden geboren. Kriege tobten, Hungersnöte, Umweltkatastrophen. Regierungen wurden gestürzt, und neue installiert. Unermessliche Vermögen wurden angehäuft, und wieder verloren. Das ganze verpennte ich einfach. Es berührte mich kaum. Denn in meinen Träumen blieb alles vollkommen. Da konnte ich sein wer ich sein wollte, konnte tun was immer ich tun wollte.

Wenn ich wollte konnte ich unsichtbar

sein, fliegen, zu den Sternen reisen, in die Vergangenheit oder in die Zukunft blicken. Ich konnte ein unwiderstehlich ausdauernder Liebhaber sein. Meine fantastischen Fantasien kannten keine Grenzen. Sicher, damit ändert man nichts an der Realität; man verändert nichts zum Guten indem man das Schlechte verträumt. Doch ein anderes heilsameres Mittel habe ich bis heute nicht entdeckt. Kein noch so interessantes Buch, oder eine atemberaubend zauberhafte Frau kann mich um den Schlaf bringen. Da müsste man schon mein Bett in Brand setzen.

Also geh ich denn mal... Ihr wisst schon wohin... Mir fallen ja schon die Augen

zu. Text: 2018 harryaltona Cover: Pixabay

 

 

 

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Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.

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tooshytowrite Könnte vielleicht Dein Sandmännchen gelegentlich bei mir aushelfen? Sich entspannt in den Schlaf gleiten lassen... gut ausgeruht schreibt es sich auch gleich viel besser...
Lesen sei Genuss aus zweiter Hand? Danke schön für's Schreiben!
LG
tooshytowrite

Vor langer Zeit - Antworten
tooshytowrite Könnte vielleicht Dein Sandmännchen gelegentlich bei mir aushelfen? Sich entspannt in den Schlaf gleiten lassen... gut ausgeruht schreibt es sich auch gleich viel besser...
Lesen sei Genuss aus zweiter Hand? Danke schön für's Schreiben!
LG
tooshytowrite

Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Gern geschehen. Gibt aber auch Abende da ist der Sandmann auf Urlaub.
Tausend Dank, Tooshy!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Nepharit Tolle Geschichte. Ich kenn das sooo gut....Ich konnte noch nie gut schlafen - zu viel power. Schlaf ist etwas kostbares....Und in meinem Kopf habe ich jederzeit mehrere Universen dabei, in denen ich mich vergenußwurzeln kann!
LG Neph
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Auf das sich deine Universen niemals langweilig werden, und der Kopf immer neue produziert.
Tausend Dank, Neph!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"SCHLAF..."
Nun, aus gutem Grund heißt es doch nicht umsonst,
»Wer schläft, der sündigt nicht...«
Denn nicht ganz von ungfähr verschläft der Mensch
etwa die Hälfte seines Lebens, ...weniger Zeit zum sündigen also... ...grinst*
Was Dir allerdings deine Träume sind, das ist mir meine Phantasie,
die meine Träume leider mitnichten besitzen... ...grinst*
beste Grüße zu Dir an die Nordseeküste...
Louis :-)
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Für Sünden bleibt noch genug Zeit. Auch bei der Hälfte der Zeit. Muss man eben fix sein!
Tausend Dank, Louis!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Herrlich, Dein Text und Deine Antwort an Kara.
Das freiwillige Zubettgehen hatte ich auch so in mir. Bloß mit Kostolanyis Rat "paar Aktien kaufen, schlafen und reich erwachen" hatte ich dann nicht so Glück. Bin zu früh erwacht oder zu spät.
Schlaf schön!
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Tja, das mit dem reich werden im Schlaf muss ich wohl total verpennt haben. Auch egal. Meine Träume sind wertvoller.
Gute Nacht, und tausend Dank, Gerd!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Du warst ja das Traumkind jeder Mutter, gehst ohne Geschrei ins Bett, wenn sie es sagt ... und hast Dir bis heute Deine Träume bewahrt . Wer kann das schon von sich sagen, Harry? :-)
Schmunzelgrüße
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
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