Journalismus & Glosse
Der Zauberazubi

Der Zauberazubi

Tugendwächter, Rechtbehalter quälten schon im Mittelalter Menschen für den falschen Glauben gern mit hübschen Daumenschrauben. Worte, die des Teufels waren, sollte man sich tunlichst sparen. Heut noch definieren solche Tugend- und Korrektheitsstrolche, an Genie nicht grad unbändig, welche Worte unanständig; fluten dich im Fehlerfalle mit Verachtung, Gift und

Galle. Schnell bist du sozial vernichtet, weil du ehrlich hast gedichtet, du magst Kant als Philosoph. Der war doch zu Frauen doof! Genderismus ist kein Spaß, „Lesb_*Innen“, so schreibt man das! Diesen Jungfraun oder -knaben, die sonst nichts zum Ärgern haben, Erbe würden gern verbrennen, möchte ich Begriffe nennen, welche dann noch stehen werden, wenn die längst nicht mehr auf Erden:

Zauberlehrling, Fahrzeughalter, Negerkuß und Hausverwalter, mohrenköpfig Papagei, Indianer bei Karl May, Vorstand der Akademie, Hoffmanns Fräulein Scuderi … Wie, meint ihr, heißt das bei Fraun: Bergmann, Doktor, Engel, Clown? Sagt schnell, wie es weiblich heißt: Feigling, Dummkopf, Poltergeist, Globetrotter und Major. Für „Du Arsch!“ schlagt auch was vor. Doch nun fängt es ja erst an: Gleichberechtigt ist der Mann, also konstruiert für

ihn Fee und Memme maskulin, Hebamme … Flott, flott, es warten weitere Geschlechterarten!

Endlos habt ihr noch zu schaffen. Macht euch, wie ihr wollt, zum Affen.

Leider macht grad eure Sekte

Fraun zum schwächlichen Objekte. Und vor eurer Narretei schützt gar nur die Polizei …

Diktatur der Korrekten

Sprache entwickelt sich, soll sie auch. Dazu gehört auch, überkommene Begriffe zu überdenken. Wo aber Denken zu schwer erscheint, wird es durch Losungen aus dem Bauchgefühl ersetzt. Etwas lesen oder hören, Schublade auf, rein damit, schon hat man wieder fürs Handygetippe ein Thema und die Zeit.

An der Fassade einer Hochschule in Berlin-Hellersdorf bewundert ein kurzes Gedicht des Bolivianers Eugen Gomringer Blumen und Frauen. „Studierende der Hochschule finden, es erinnere 'unangenehm an sexuelle

Belästigung, der Frauen alltäglich ausgesetzt sind'.“ Und ein Mitarbeiter „musste sein Seminar über Kant unter Polizeischutz abhalten − Studenten hatten ihm vorgeworfen, nicht ausreichend auf Kants ‚stereotypisches Geschlechterbild‘ eingegangen zu sein.“

Ach ihr, die ihr ständig in der Hose denkt. Wenn ich eine Frau ansehe, und wenn sie mir gefällt, dann will ich in Wirklichkeit nichts weiter, als sie mal kurz hintern Busch zu zerren, gell. Wenn ich ihr die Tür aufhalte, degradiere ich sie zum unfähigen Schwächling, pardon, zur SchwächlingIn. Und da ist schon der nächste Punkt. Die deutsche Sprache erleidet seit einigen Jahren

einerseits verunglückte Schreibreformen (wer weiß noch, was getrennt zu schreiben ist?) sowie begeistert übernommene Anglismen wie den Togo-Kaffee vom Servicepoint. Andererseits werden verbliebene deutsche Begriffe einer Gehirnwäsche unterzogen, um auch ja zu klären, was schon immer klar war, nun aber in der Art eines Karl Valentin zerkaut wird, leider nur völlig humorlos. Kategorien wie Lehrling, Student und Lehrer, da weiß man einfach, alle 98 Facebook-Geschlechter sind inbegriffen, oder? Stellt euch nicht blöder als nötig, ihr Auszubildenden, Studierenden, ihr Menschen und Menschinnen. Doch nein, aus Angst vor Shitstorm oder anderem Scheiß unterwirft sich ein jeder dem Diktat der Politisch

Korrekten. Vorlesungen beispielsweise werden sonst zum Happenning der klatschenden und pfeifenden Empörten. Mein ungefragter Rat allen Aufgeregten: Ihr seid doch klug und tolerant, beweist es bitte. Wendet eure Energie dorthin, wo wirklich Schande á la Weinstein passiert. Bewundert ohne Krampf Alleen und Blumen und Frauen, die es wert sind. Und bewahrt bitte auch die deutsche Sprache (weibliches Wort!) vor Mißhandlung. Danke.

Übersetzung des „sexistischen“ Gedichts an der

Hauswand: Alleen Alleen und Blumen Blumen Blumen und Frauen Alleen Alleen und Frauen Alleen und Blumen und Frauen und ein Bewunderer Zitatquelle: Berliner Zeitung vom 11./12.11.2017, S.

1 https://www.berliner-zeitung.de/diskussionskultur-an-universitaeten-die-neue-intoleranz-28830882 © 2017 Brubeckfan