Kurzgeschichte
Die Allee in die Ewigkeit

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"Die Allee in die Ewigkeit"
Veröffentlicht am 27. September 2017, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich habe schon immer gerne Geschichten erfunden. Noch bevor ich überhaupt schreiben konnte. Wann immer die Welt nicht so war, wie ich siie mir vorstellte, habe ich mich in eine Traumwelt geflüchtet, in dem ich Bücher las. Bücher sind, anders als Filme, vorgefertigte Geschichten, in denen immer noich Raum bleibt für die eigene Fantasie. Genau das hat mich schon immer an der Literatur fasziniert. Und ich hoffe, dass ich mit meinen Geschichten ...
Die Allee in die Ewigkeit

Die Allee in die Ewigkeit

die allee in die ewigkeit

Volker war Altenpfleger in einem Sanatorium. Er mochte seinen Beruf. Ein Beruf der nicht sonderlich gut bezahlt war und auch die Arbeitszeiten konnten nicht jeden begeistern. Volker mochte seinen Beruf wegen der Menschen, mit denen er zu tun hatte. Für viele seiner Kollegen und Kolleginnen waren diese alten Leute nur lästige Patienten, die sie zu versorgen hatten. Aber Volker nannte sie seinen Schützlinge. Und Volker unterhielt sich mit seinen

Schützlingen oft mehr, als der knappe Zeitplan eigentlich erlaubte. Denn noch etwas mochte Volker. Und das waren Geschichten. Er liebte es, seinen Schützlingen zu zuhören, wie sie Geschichten aus ihren langen und oft spannenden Leben erzählten. Es war so viel Erfahrung und Weisheit darin. In seiner Freizeit schrieb Volker selber Geschichten und oft waren seine Schützlinge seine Inspiration. Mit einem Neuzugang unterhielt sich Volker besonders gern. Alfons Beer. 92 Jahre, 40 Jahre lang Grundschullehrer. Obwohl Alfons da einige male beim Erzählen was durcheinander brachte und

sich manchmal auch mitten im Redefluss nicht mehr erinnern konnte , was er eigentlich sagen wollte, hatte er doch eine Menge Geschichten aus seinem Leben zu erzählen. Einmal lauschte Volker Alfons Erzählungen so lange, dass er Tags darauf mächtig Ärger bekam. Die 5 Minuten, die er Zeit hatte, sich mit seinem Patienten zu unterhalten und irgendwelche sinnfreien Phrasen aus zu tauschen, nur damit der Patient das Gefühl hatte: „Hey, ich bin ja doch noch da“, hatte er bei weitem überschritten. Besonders gefiel Volker, wenn Alfons von seinen Mutmach Geschichten

erzählte. „Weißt du mein Junge“, sagte er dann zu Volker, „ diese kleinen Kinderchen, die dann zum ersten mal in die Schule gehen haben oft furchtbare Angst, was auf sie zukommen wird. Als Grundschullehrer musst du da sehr einfühlsam sein. Du bist die erste Person auf ihrem Bildungsweg durchs Leben. Und wie ich finde auch die Entscheidendste. Von dir hängt es ab, ob dieses kleinen Wesen Spaß am Lernen entwickelen, oder nicht. Am lebenslangen Lernen.“ „Und was haben sie gemacht, um den Kindern ihre Angst zu nehmen?“, wollte Volker wissen. „Ich habe Mutmach Geschichten

erfunden“, antwortete Alfons. „Das hört sich ja cool an“, begeisterte sich Volker. „Könnten sie mir eine davon erzählen? Ich liebe Geschichten.“ „Ach mein Junge“, seufzte Alfons. „Ich kann mich an keine einzige mehr erinnern. Es müssten in Laufe meines Berufslebens an die Tausend gewesen sein. Jede einzelne war nur für ein Kind bestimmt. Ich habe sie nie aufgeschrieben, nur erzählt. Für jedes Kind seine individuelle Geschichte.“ Am nächsten Tag merkte Volker sofort, dass mit Alfons etwas nicht stimmte, als er das Zimmer betrat. Teilnahmslos lag Alfons im Bett und Volker fragte natürlich sofort nach, ob

etwas nicht in Ordnung sei. „Ach mein Junge“, sagte der schließlich. „Ich bin alt habe nicht mehr lange zu leben. Aber ich habe schrecklich Angst davor, was danach sein wird. Wo gehen wir hin, wenn wir nicht mehr sind, was erwartete uns da, oder ist es einfach aus?“ Volker wusste zuerst nicht, was er sagen sollte. Da fiel ihm das Bild ein, das in der Eingangshalle hing und auf dem eine wunderschöne Allee mit schlanken, hoch gewachsenen Bäumen zu sehen war. Er beschloss, eine Mutmach Geschichte zu erfinden, so wie Alfons es schon tausendfach gemacht hatte. „So schlimm ist das gar nicht, da

drüben“, begann Volker. Alfons sah ihn ernst an. „Woher willst du das denn wissen?“, fragte er. „Von meinem Opa“, erklärte Volker weiter. „Ich war noch klein, als er starb und ziemlich traurig darüber. Einige Tage danach erschien er mir im Traum und erzählte mir von der Allee in die Ewigkeit, die er ging. Er traf dort all seine Freunde wieder, die ihn begleiteten, hatte keine Schmerzen mehr und konnte auch wieder aufrecht gehen. Nicht mehr so gebückt, wie zu Lebzeiten.“ Noch einiges erzählte Volker von der Allee in die Ewigkeit und merkte, dass es Alfons dadurch besser ging.

Noch lange lag Alfons an diesem Abend wach und dachte darüber nach, was ihm Volker erzählt hatte. Die Vorstellung, dass es so eine Allee in die Ewigkeit gibt, erfüllte ihn mit Freude. Schließlich schlief er ein und träumte tatsächlich von dieser Allee in die Ewigkeit. Es war der realistischste Traum, den er je hatte.Die Sonne wärmte seine Haut, die Luft duftete nach Frühling und die Vögel zwitscherten und er hatte auch überhaupt keine Schmerzen mehr. . In der Ferne erblickte er einen jungen Mann, in dem er sofort den Jungen erkannte, dem er zum ersten mal eine Mutmach Geschichte erzählte, weil

dieser Angst vor der Schule hatte. Die beiden hatten sich viel zu erzählen., während sie auf der Alle in die Ewigkeit entlang schlenderten. In Alfons Todesanzeige stand zu lesen: „Alfons Beer. 92 Jahre. Mit einem friedlichem Lächeln für immer eingeschlafen.“


Titelbild (c) Manuela Schauten

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Hörbuch

Über den Autor

rolandreaders

Ich habe schon immer gerne Geschichten erfunden. Noch bevor ich überhaupt schreiben konnte. Wann immer die Welt nicht so war, wie ich siie mir vorstellte, habe ich mich in eine Traumwelt geflüchtet, in dem ich Bücher las.
Bücher sind, anders als Filme, vorgefertigte Geschichten, in denen immer noich Raum bleibt für die eigene Fantasie. Genau das hat mich schon immer an der Literatur fasziniert. Und ich hoffe, dass ich mit meinen Geschichten die Leser und Leserinnen auch ein bisschen aus ihrem Alltag holen und sie auf ein gemeinsam erlebtes Abenteuer entführen kann.
Denn der Leser, oder die Leserin sind auch immer ein Teil der Geschichte, die sie gerade lesen. Wenn auch nur als Beobachter.

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KaraList Eine wunderbare Geschichte, einfühlsam und mit Wärme erzählt. Ich wünschte, alle Menschen in einem Heim hätten einen Pfleger wie Volker.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
rolandreaders Hallo Kara.
Danke fürs Lesen, den Kommentar und den Favo.
Ja, das wünschte ich auch. Irgendwann könnten wir alle mal in diese Situation kommen.
L.G.Roland.
Vor langer Zeit - Antworten
GertraudW 
Lieber Roland,
eine ganz zauberhafte Geschichte ist Dir da gelungen.
"Mutmach"-Geschichten zu schreiben und zu erzählen
finde ich eine tolle Idee ... gefällt mir.
Übrigens, der Pfleger, der meine Mutter im Pflegeheim
betreute, hieß auch Volker und war ein ganz, ganz lieber
junger Mann. Der ließ sich nicht beirren und kümmerte sich
aufopfernd um die alten Menschen.
Ganz liebe Grüße und einen schönen Nachmittag
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
rolandreaders Hallo Gertraud.
Danke fürs Lesen, den Kommentar und den Favo.
Na sowas. Dann gibt es also tatsächlich so einen Volker. :-)
Freut mich, dass es solche Menschen auch in der Realität gibt.
L.G.Roland.
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Eine sehr schön und einfühlsam erzählte Geschichte. Wäre es nich schön, wenn es viele solcher Pfleger in den Krankenhäusern gäbe?

LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
rolandreaders Hallo Bärbel.
Danke fürs Lesen, den Kommentar und die Coins.
Ja, das wäre wunderschön.
L.G.Roland.
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Eine Geschichte, die zu 300 Prozent meinen Nerv trifft. Sehr einfühlsam erzählt und vor allem hinterlässt sie ein Lächeln.
In dem Heim, in dem ich arbeite, werde ich dafür bezahlt, dass ich mit den Leuten rede. Vielleicht nutze ich den Grundgedanken deiner Geschichte irgendwann einmal.
Lieben Gruß
Sabine

Vor langer Zeit - Antworten
rolandreaders Hallo Sabine.
Danke fürs Lesen, den Kommentar, den Favo und die Coins.
Und danke auch fürs Abonnieren.
Es wäre schön, wenn du das machen würdest.
L.G.Roland.
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Eine wunderschöne Geschichte hast du uns da erzählt.
Durch diese Allee werden wir alle einmal marschieren, ich hoffe im Frühling.
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
rolandreaders Hallo Ulla.
Danke fürs Lesen und den Kommentar.
Ich denke, für uns alle wird es dann Frühling sein. Ein neuer Anfang und nicht das Ende.
L.G.Roland.
Vor langer Zeit - Antworten
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