Kurzgeschichte
Zwei Wellen

 Zwei Wellen

eine Liebesgeschichte besonderer Art                                                               

Ruhig fließt sie dahin, die Donau. Im rhythmischen Gleichklang folgt Welle auf Welle. Sie genießen den schönen Tag und die Sonnenstrahlen, die übermütig auf ihnen tanzen. Sanft streicht  leichter Wind über sie hinweg. Der blaue Himmel und dahin gleitende Ufer spiegeln sich im glitzernden Blau der Donau. Kleine und größere Schiffe durchpflügen den Fluss. Das aber mögen die Wellen gar

nicht. Sie schäumen und spritzen hell auf. Aber zur Zeit ist die Wasseroberfläche ruhig, nur hin und wieder springt ein Fisch hoch oder Wildenten lassen sich unsanft auf den dahin ziehenden Wellen fallen. Wenn Schwäne auftauchen, nähern sie sich meistens wieder einer Stadt.

Plötzlich geht ein Raunen durch den Strom. „Wir bekommen wieder Zuwachs.“ Eine Welle flüstert es der anderen zu. Einige murren verärgert: “Wir sind ja sowieso schon so viele. Wir sind bereits ein großer, breiter Strom, wenn immer mehr kommen, haben wir letztlich selbst zu wenig Platz und müssen über die Ufer treten. Das ist dann

unser Tod.“

Die meisten aber freuen sich. So auch die Welle 999. Natürlich heißt es die Welle und die Woge, aber so unglaublich es klingt, es gibt männliche und weibliche Wellen. Und 999 ist eine männliche. Er ist schon müde, kommt er doch schon von so weit her. Aber nun horcht er auf. Er meint, die Neuankömmlinge schon zu spüren. Er hört ihr fröhliches, übermütiges Geplätscher. Und da rollt sie kichernd und glucksend an seine Seite, die Welle 17. Wie jung sie ist! Schalkhaft spritzt sie ihn an und ruft: „Hallo, ich bin die Ill, ein Teil der Ill. Und du? Ein Wahnsinn, wie viele ihr seid, wie groß und breit euer Fluss ist!“

Aufgeregt hüpft sie auf und nieder und stößt ein paar Mal mit ihm zusammen.. 999 wird ganz warm ums Herz.  Er spürt sie, er fühlt ihre Frische. Verspielt tummelt sie sich ein Weilchen neben ihm her, japst und gluckst fröhlich, tanzt um ihn herum.999 ist ganz aufgewühlt. Er macht sich ganz breit, ganz flach ..... und gurgelnd rollt Welle 17 in ihn hinein. Er hebt sie auf, dreht sich taumelnd mit ihr, ehe sie gemeinsam mit einem kurzen Hochspritzen, sozusagen mit einem Wellenjauchzer ineinander fließen. Er küsst sie und flüstert: „Jetzt bist du nicht mehr die Ill, jetzt bist du die Donau.“