Kurzgeschichte
Veilchengelb

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"Veilchengelb"
Veröffentlicht am 31. Juli 2016, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Sandra Cunningham - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich schreibe, seit ich 8 Jahre alt war, besonders haben es mir Kurzgeschichten und Gedichte angetan. Dabei probiere ich immer wieder gerne etwas Neues aus - sei es beim Genre, oder beim Schreibstil.
Veilchengelb

Veilchengelb

„Es wird Winter“, stellte ich fest und wickelte meine Jacke enger um mich herum. Es war ein lauer Frühlingsabend, eigentlich fast schon im Sommer. „Was?“ Steffen sah mich an, als hätte ich ihm gerade mitgeteilt, dass ich schwer krank wäre. „Wie meinst du das?“ Er war immer noch sichtlich verwirrt. Überall in der Stadt blühte es und die meisten Menschen – er auch – waren im T-Shirt unterwegs. „Vielleicht ist dir einfach nicht gut. Du fierst ja auch“, versuchte er es weiter. „Nein“, protestierte ich, „Es ist anders. Ich glaube, es hängt mit den Sternen zusammen.“ Skeptisch richtete er seinen Blick auf den

Himmel.

Kein Stern weit und breit.
„Was soll mit den Sternen sein?“, fragte er schließlich, inzwischen ziemlich ratlos.
„Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Die Sonne hat sich auch schon lang nicht mehr blicken lassen.“
Steffen zuckte mit den Schultern. „Es ist ja aber auch nicht direkt dunkel. Und die Blumen blühen doch.“
„Plastik“, erklärte ich.
„Hä?“, machte er.
„Ja, sie riechen gar nicht.“
„Wie soll das gehen?“
„Ich weiß nicht“, antwortete ich wahrheits-gemäß, „Es geht halt.“
Er atmete mehrmals tief durch die Nase ein und aus, um die Luft zu riechen. Dann gab er

auf und hob erneut die Schultern. „Ich weiß nicht.“
„Und du findest es auch nicht stickig?“
„Ich bin Allergiker, für mich ist es im Frühling immer stickig.“
„Aber es ist anders“, murmelte ich. Sein Unverständnis regte mich langsam auf.
„Anders stickig?“
Ich ignorierte ihn. „Wir sollten aufs Land fahren.“
„So spät noch?“
Wie spät? Ich hatte keine Uhr. War es überhaupt schon Abend? Ich sah mich um, aber nirgendwo konnte ich eine Uhr entde-cken. Der Himmel half mir auch nicht weiter, er war gelb. Nicht dunkel, nich hell, nein:


einfach gelb.
Auf der anderen Straßenseite liefen Menschen vorbei, die sich daran nicht zu stören schienen. Sie lachten. Die Männer trugen Shorts und T-Shirts, einige Frauen sogar Sommerkleider. Dabei war es wirklich nicht warm. Aber das merkten sie nicht.
Ich lief zu einem Blumenbeet und riss ein Veilchen heraus.
„Was zum Teufel machst du denn da?“, fragte Steffen. War er etwa genervt? Dazu hatte er doch gar kein Recht, fand ich.
„Hier, Plastik!“ Triumphierend – weil ich Recht hatte, nicht weil ich mich darüber freute – zog und zerrte ich vor seiner Nase an den Blüten. Sie waren zäh.
„Ach!“ Er nahm sie mir aus der Hand und warf

sie weg.
Damit war die Diskussion beendet. Schweigend gingen wir weiter. Am Ende der Straße segelte die erste Schneeflocke an meinem Gesicht vorbei und ich zertrat sie mit meinem Schuh.
Dann kam noch eine. Und noch eine. Und noch viele mehr.

Ich kuschelte mich in meine Strickjacke. Ob die Menschen in Sommerkleidung, an denen wir vorbeigekommen waren, wohl immer noch so ausgelassen lachten?

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Über den Autor

JanaRetlow
Ich schreibe, seit ich 8 Jahre alt war, besonders haben es mir Kurzgeschichten und Gedichte angetan.
Dabei probiere ich immer wieder gerne etwas Neues aus - sei es beim Genre, oder beim Schreibstil.

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GertraudW 
Irgendwie ist mir das Leben manchmal sowieso "unheimlich".
Sehr gut geschrieben.
Liebe Grüße
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
JanaRetlow Da kann ich dir zustimmen! ^^
Vielen Dank!
Liebe Grüße,
Jana
Vor langer Zeit - Antworten
Himbeere Verstörend oft, wenn Erlebtes und Gewohntes plötzlich so gar nicht mehr zusammenpassen mögen. Und Kontakt kaum mher mögloch scheint. Aber was bleibt, ist das, was erlebt wird....LG Himbeere : )
Vor langer Zeit - Antworten
JanaRetlow Vielen Dank für deinen Kommentar ^^
LG Jana
Vor langer Zeit - Antworten
EllaWolke Das gefällt mir außerordentlich gut.
Super geschrieben
Ich war mittendrin

LG Ella
Vor langer Zeit - Antworten
JanaRetlow Genau so soll es sein - Freut mich!
Danke für die Favo und dein Abo :))

Liebe Grüße
Jana
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Manchmal passt eben nichts, manchmal versteht man die Welt nicht und die Welt einen selbst auch nicht.
Lieben Gruß
Sabine
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JanaRetlow Vielen Dank für deinen Kommentar!
Da ist definitiv was Wahres dran..
Liebe Grüße
Jana
Vor langer Zeit - Antworten
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