Kurzgeschichte
Ungelöschte Gedanken - für Sonja L.

Ungelöschte Gedanken

                    von MerleSchreiber 4/2016

                  Für Sonja L.

Wieder gaukelt mir ein Morgen vor, dass alles wie früher ist. Hans hat sich mit ihm verbündet. Gemeinsam bieten sie 

auf, wovon sie glauben, dass es zu meinem Wohlbefinden beiträgt. 

Sie sind rührend, die beiden!

Ich nehme es dankbar an, zumindest tue ich so. Ich sage: "Ach, ist das herrlich", als ich mich an den runden, von Hans so

liebevoll gedeckten Terrassentisch auf der Südostseite unseres Hauses setze. 

Die Sonnenstrahlen kitzeln meinen Nacken. Keine Spur mehr von diesem verheerenden Sturm, der uns in den vergangenen Tagen heimgesucht hatte.  Ich lege meinen Kopf zurück in das weiche Stuhlkissen, ein paar kleine Schäfchenwolken scheinen mir zuzurufen, dass ich von ihnen nichts zu befürchten habe.

Ich weiß, ihr seht so harmlos aus.

Genau so harmlos, wie...

Nein, nicht daran denken!

Hans liest schon wieder in meinem Gesicht und ich möchte ihm eine heitere Lektüre bieten. Er hat schon genug

Drama und schwer Verdauliches. Es tut mir so leid, dass ich der Grund dafür bin. Wir leben jetzt sozusagen unter erschwerten Bedingungen.

Was für ein seltsamer Satz!

Worte mit Kälteeffekt.

Ich bin versucht, sie wieder zu löschen. Aber ich tue es nicht.

Ich will ehrlich sein.

Wenigstens zu mir selbst will ich "sagen" können, was die Wirklichkeit mir spiegelt, ohne es erst mit einem beschönigenden Schleier versehen zu müssen.

Ja, wir leben weiter, immer weiter, immer weiter... 

Lieben wir auch weiter?

Lieben wir UNS weiter, als wäre nichts geschehen?

Finden wir den Schalter nicht, mit dem wir unsere Gefühle regulieren, auf eine niedrigere Stufe zurückdrehen können?

Den Umständen entsprechend...

Als Hans heute Nacht in mein Bett gekommen ist und ich sein Streicheln auf meiner Haut spürte, war plötzlich dieser hässliche Gedanke da. 

Sind das noch die Berührungen von ihm, wie ich sie kenne? Drücken sie wirklich sein Begehren aus oder ist es schon längst übergegangen in ein tröstendes Streicheln, das nichts weiter von mir will, als mich zu beruhigen? Es gab da

einen Moment, da wollte ich schreien:

Dein Streicheln schmerzt mich, Hans. Hör auf damit!! Halt mich stattdessen einfach nur fest. Halt mich ganz, ganz fest...... So sehr, dass ich nicht um mich schlagen kann, wenn ich meiner Wut nicht mehr Herr werde. 

"Geh` schon vor ins Bad", sagt Hans "ich komme gleich und helfe dir, die Perücke aufzusetzen."