Kurzgeschichte
Horror Vacui - Foren-Battle Nr. 47

0
"Horror Vacui - Foren-Battle Nr. 47"
Veröffentlicht am 09. Januar 2016, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Hauptberuf: Mama. Hobbies: Schriftstellerei, Rendering, Rollenspiele, Lesen, Rätseln, Brettspiele... viel zu viel für nur 24 Stunden, besonders, wenn noch ein kleines Wunder im Haus ist.
Horror Vacui - Foren-Battle Nr. 47

Horror Vacui - Foren-Battle Nr. 47

Horror Vacui


Unterzubringende Wörter


Terrassenbeleuchtung vorausschaubar Programm Karton organisch Stille Flanellmantel Schneesturm Ziegenpeter


Horror Vacui Lisa starrte auf das Blatt Papier, doch ihr Hirn war so leer wie das Blatt. Irgendetwas musste ihr doch mal einfallen! Der verdammte Aufsatz wollte und wollte nicht, dabei war übernächste Woche Abgabe. Sie kaute auf dem Ende ihres Kulis herum, legte ihn beiseite, nahm ihn wieder auf, kaute weiter darauf herum. Die Kaubewegung brachte - wie vorausschaubar - die Schmerzen zurück. Seufzend legte sie den Kuli weg und gab auf. Heute brächte sie nichts mehr zustande. Sie sah auf die Uhr. Es war sowieso wieder Zeit für ihre Tabletten. Also

nahm sie eine aus dem Karton und schluckte sie widerwillig hinunter. Wieso mussten auch Erwachsene noch Kinderkrankheiten bekommen können? "Sie haben Mumps, im Volksmund auch Ziegenpeter genannt", hatte der Arzt ihr erklärt. "Keine Sorge, solange Sie keine weiteren organischen Beschwerden bekommen, ist das in ein paar Tagen ausgestanden. Ein wenig Fieber und die entzündeten Speicheldrüsen sind die typischen Symptome, aber das lässt sich leicht behandeln. Hier, nehmen sie diese Tabletten alle 8 Stunden, dann haben Sie es bald hinter sich." Lisa presste die Zähne aufeinander, bis sie knirschten. Der Knilch

hatte das alles viel zu locker gesehen.

"Seien Sie froh", hatte er noch gescherzt, "denn so sind Sie danach immun und brauchen keine Impfung mehr. Röteln hatten Sie ja als Kind schon, und damit sind zwei der gefährlichsten Krankheiten während einer Schwangerschaft schon mal ausgeschaltet." Als ob sie Kinder bekommen würde! Dazu fehlte ihr ja schon einmal der Mann. Missgelaunt sah Lisa das Fernsehprogramm durch. Schrott, Müll, Mist, Abfall und – keine neue, aber eine eigene Kategorie an Fernsehscheiß – RTL. Wütend ließ sie die Zeitschrift fallen und ging ins Bad. Vielleicht würde eine Dusche die Spinnweben aus ihrem Hirnkasten vertreiben.



Nur in ihren Flanellmantel gehüllt kam sie wieder herunter. Sie sah durchs Fenster die letzten Strahlen eines wunderbaren Sonnenuntergangs und entschied, sich wenigstens einen schönen Abend zu gönnen. Da die Tabletten mit Alkohol unwirksam wurden, kochte sie sich einen Kakao, machte sich ein paar Waffeln mit Kirschen und Sahne, schaltete die Terrassenbeleuchtung an und setzte sich nach draußen in die abendliche Stille. Es war schon ein komisches Wetter diesen Winter. Anstatt Matschwetter oder gar Schneesturm hatten sie fünfzehn Grad und Sonnenschein. Am Morgen hatte sie sogar Singvögel gehört. Dafür war der August der

kälteste seit Beginn der Wetteraufzeichnung gewesen.


Ihre Gedanken wanderten wieder zu ihrem Aufsatz. Eigentlich war das ihre leichteste Übung: keine Vorgaben, außer dem Thema „Ungewöhnliches oder Unmögliches“ und „maximal 10.000 Wörter“. Gut, sie konnte vermutlich eine Menge auf ihre Krankheit schieben – mit Fieber schrieb sich schlecht –, aber sie hatte nicht die Zeit, den verschobenen Abgabetermin wahrzunehmen, denn um die Zeit hatte sie ein Volontariat beim WDR, und sie wollte kein ganzes Semester dranhängen. Durch die Terrassentür sah sie das Blatt Papier auf dem Küchentisch liegen. Die Weiße

Leinwand, bereit, mit den Farben ihres Wortschatzes bemalt zu werden! Und sie saß hier, im sommerlichsten Winter aller Zeiten, drei Tage vor Heiligabend, trank Kakao und aß Waffeln, und war ideentrocken wie die Sahara der Kreativität. Allein der Gedanke, sich wieder dort hinzusetzen, frustrierte sie, genauso sehr, wie sie der Gedanke, sie könnte es nicht schaffen, entsetzte. Ein Geräusch ließ sie aufhorchen. Das klang wie ein Vogel! Aber welcher Vogel sang denn in der Dämmerung? War das etwa eine Nachtigall? An Wintersonnenwende? Plötzlich setzte Lisa sich auf. Eine Idee war ihr ins Bewusstsein geschossen. Sie stürzte zu dem Blatt Papier, schnappte sich ihren Kuli

und setzte in die Kopfzeile in großen Blockbuchstaben den Titel:

WINTERSOMMERWENDE

0

Hörbuch

Über den Autor

Lessa
Hauptberuf: Mama. Hobbies: Schriftstellerei, Rendering, Rollenspiele, Lesen, Rätseln, Brettspiele... viel zu viel für nur 24 Stunden, besonders, wenn noch ein kleines Wunder im Haus ist.

Leser-Statistik
26

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Memory 
Eine schöne Idee hast du hier anhand der Vorgaben gut umgesetzt.
Sehr gut nachvollziehbar dein Grundgedanke und dafür bekommst du auch meinen Favo.
Im ganzen hat mich deine Geschichte leider nicht so mitgenommen, wie andere des Battles, aber ich hoffe, das entmutigt dich nicht.
Eine Reihenfolge unter elf sehr guten Geschichten zu finden, ist wirklich nicht einfach.
Lieben Gruß
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
Lessa Danke Sabine, für Fav und Kritik! Das glaube ich; ich finde es auch immer schwierig, bei sowas abzustimmen.
Bei den Battles werde ich es halten, wie ich es bisher gemacht habe: wenn ich die Zeit habe und mich das Thema anspricht, mach ich was ^^
Vor langer Zeit - Antworten
Himbeere So wird eine Leere durch einfaches Erleben dessen was ist plötzlich durch Fülle abgelöst : ) LG Himbeere
Vor langer Zeit - Antworten
Lessa Genau :)
Die meisten Leute nehmen sich eh viel zu wenig Zeit, um zu erleben, was ist, weil sie mit ihren Gedanken entweder zu sehr in der Vergangenheit bei ihren Fehlern oder Schönheiten sind, oder zu sehr für die Zukunft planen. Das Jetzt gerät aus dem Blick.
Vor langer Zeit - Antworten
abschuetze Klasse Story und alles so was von nachvollziehbar ;) Ist ja fast, wie aus dem wahren Lben.

LG von Antje
Vor langer Zeit - Antworten
Lessa Danke Antje, das hatte ich gehofft, dass es Leute ans Leben erinnert. Denn mal abgesehen von einer Geschichte um ein Mädchen mit seiner Aufgabe, hoffe ich doch, dass so mancher die zweite Lesart mitnimmt:
Auch wenn es dir schlecht geht und du zeitweise zu nichts kommst, in einer Situation steckst, die du so nicht kennst (merkwürdiges Wetter) und Dinge passieren, die eigentlich unmöglich sind (Nachtigall mitten im Winter), kann genau das der Katalysator für einen Neubeginn sein.
Vor langer Zeit - Antworten
Thiar Sehr lebensnah :)
Vor langer Zeit - Antworten
Lessa Danke sehr, auch für die Coins ;)
Vor langer Zeit - Antworten
Thiar wohl verdient :)
Vor langer Zeit - Antworten
Tintenklecks Thematisch methaphorisch hast du mit dem Begriff der weißen Leinwand und symbolisch der Schreibblockade gespielt. Und mehr. Schöner Einfall, in variantenreiche Sprache, mit lebendigem Erzählstil hast du den inneren Konflikt gut herausgearbeitet und durch die Nachtigall die zur Wintersonnenwende singt, einen deus ex machina gefunden und den Konflikt in eine auflösende Pointe geleitet. Einzig die Trennstriche stören das Lesevergnügen massiv. Ev. solltest du deinen Urtext nicht formatieren. Insgesamt für mich eine sehr gelungene Geschichte.
Liebe Grüße vom Tintenklecks
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
25
0
Senden

139641
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung